| Titel: | Ueber die Anwendung des Stahles und die Art ihn zu bearbeiten. | 
| Fundstelle: | Band 64, Jahrgang 1837, Nr. LXI., S. 299 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXI.
                        Ueber die Anwendung des Stahles und die Art ihn
                           zu bearbeiten.
                        Aus den Annales des Minister. Bd. X. im Journal
                              fuͤr praktische Chemie 1837, No. 3.
                        Ueber die Anwendung des Stahles und die Art ihn zu
                           bearbeiten.
                        
                     
                        
                           Es gibt Werke, die bei ihrem Verfasser ein Zusammentreffen von Eigenschaften
                              voraussezen, deren Vereinigung bis jezt nur allzu selten gewesen ist, und die nur
                              von einem Manne unternommen werden koͤnnen, der eben sowohl in den physischen
                              und chemischen Wissenschaften bewandert, als mit den Verfahrungsarten der
                              Kuͤnste vertraut ist. Die Gelehrten, vermoͤge der Natur ihrer
                              Kenntnisse und vermoͤge der bestaͤndigen Richtung ihrer Untersuchungen
                              so vorzuͤglich geeignet, die Wirkungen auf ihre Ursachen
                              zuruͤkzufuͤhren, haben selten die Gelegenheit und noch seltener die
                              Neigung, diese Verfahrungsarten in ihren kleinlichsten Details zu studiren und in
                              den Werkstaͤtten die Erfahrungen selbst zu wiederholen, die daselbst
                              taͤglich gemacht werden. Ihre Entfremdung von diesen Orten der Beobachtung
                              gestattet ihnen nicht, diese dem Anscheine nach unregelmaͤßigen Erscheinungen
                              selbst zu beobachten, die nur zufaͤllig und dann und wann erfolgen, die aber,
                              gehoͤrig beurtheilt, das Princip zu einem neuen Zweige von Kenntnissen in
                              sich enthalten koͤnnen. Selten haben auch die Gelehrten die Geduld, aus der
                              unermeßlichen Masse praktischer Beobachtungen, welche die Handwerker gemacht haben,
                              zu schoͤpfen und unter einer Menge den Fundamentalgesezen der Wissenschaft
                              dem Anscheine nach entgegengesezter Behauptungen die genauen Thatsachen von
                              denjenigen zu unterscheiden, die nicht richtig beobachtet worden sind. Und doch
                              beruht großen Theils auf der Beobachtung solcher Thatsachen der Fortschritt der Wissenschaft, die
                              heutiges Tages in so vieler Hinsicht ohnmaͤchtig ist, darum weil sie
                              unvollstaͤndig ist.
                           Diese Betrachtungen sind besonders auf die Kuͤnste anwendbar, welche die
                              Anwendung und Bearbeitung des Stahles zum Gegenstand haben, denn es gibt keine
                              Substanz, deren physische und chemische Eigenschaften mehr
                              Eigenthuͤmlichkeiten darbieten. Wenn auch hie chemische Natur des Stahles
                              seit langer Zeit ziemlich bekannt zu seyn scheint, und die neueste Entdekung der
                              Geseze des Isomerismus bereits einiges Licht auf die charakteristischen
                              Erscheinungen des Haͤrtens und Anlassens wirft, so muß man doch gestehen, daß
                              alle die Umstaͤnde, welche diese leztere Erscheinung begleiten, noch bei
                              weitem nicht gehoͤrig gewuͤrdigt worden sind.
                           Wir sehen zum Beispiel, daß es den meisten Kuͤnstlern unmoͤglich ist,
                              unter dem Anscheine nach gleichen Umstaͤnden, gewisse Resultate des
                              Verstaͤhlens und des Haͤrtens hervorzubringen, die an einigen Orten
                              taͤglich erhalten werden. Daher ist diese Gleichheit nicht
                              vollstaͤndig. Der Grund davon ist, daß bei den, diese so geschaͤzten
                              Producte liefernden Manipulationen Nuancen Statt finden, die fuͤr den jezigen
                              wissenschaftlichen Gesichtspunkt unmerklich, die aber gewissen Fabrikanten
                              voͤllig bekannt sind, oder welche die Arbeiter, bei den Umstaͤnden,
                              unter denen sie arbeiten, bestaͤndig, vermoͤge einer Art Instinct und
                              ohne sich dessen bewußt zu seyn, hervorbringen. Man kann also der wirklichen
                              Sachlage nach behaupten, daß bei der Stahlbereitung die Praxis der Theorie bei
                              weitem vorgeschritten sey.
                           Ohne Zweifel wird eine der wissenschaftlichen Entdekungen, die jeden Tag unserer
                              Epoche der Fortschritte bezeichnen, so viele heut zu Tage noch dunkle Thatsachen
                              ploͤzlich aufklaͤren. Indessen ist es wahrscheinlicher, daß diese
                              Aufklaͤrung nur aus der tiefen Untersuchung der Thatsachen selbst entspringen
                              kann. Kurz bei einem Gegenstande der Untersuchung, der auf der gehoͤrigen
                              Beurtheilung vieler so feinen Nuancen beruht, scheint der ploͤzliche Erfolg
                              vielmehr dem mit den allgemeinen Resultaten der Wissenschaften vertrauten Praktiker,
                              als dem Gelehrten vorbehaltet zu seyn, der sich an das Studium der Thatsachen machen
                              wuͤrde.
                           Die Lecture eines von Hrn. H.
                                 Damemme herausgegebenen Werkes: Essai
                                 practique sur l'emploi de l'acier et la manière de le travailler par
                                 H.
                              Damemme
                              1 vol. 8. Paris, leitete auf diese Betrachtungen. Indem
                              der Verfasser darin alle durch die Praxis der Werkstaͤtte dargethane
                              Thatsachen sammelte, und vornehmlich die aus seiner langen Praxis hervorgegangenen
                              Thatsachen darin niederlegte, hat er den Weg eingeschlagen, welcher dem Stande der
                              Sache nach am meisten zu
                              den Fortschritten der Wissenschaft und Kunst beitragen muß.
                           Der praktische Versuch uͤber die Anwendung des Stahles ist ein
                              vollstaͤndiges Werk daruͤber, weil es nach einander in 9 Capiteln von
                              der Bereitung und der Natur der verschiedenen Stahlsorten, dem Schmieden, dem
                              Anlassen nach dem Schmieden, dem Harten, dem Anlassen nach dem Harten, den
                              Stahlproben, dem Einsezen und dem Widerstande des Stahles handelt. Die zwei
                              vornehmsten Operationen der Stahlbereitung, das Haͤrten und Anlassen nach dem
                              Haͤrten, sind besonders Gegenstand der Untersuchungen des Verfassers gewesen.
                              Diese beiden Capitel, welche zahlreiche aus den Untersuchungen des Hrn. H. Damemme hervorgegangene
                              Erfahrungen enthalten, empfehlen sich von selbst der Aufmerksamkeit der Gelehrten,
                              und sind gaͤnzlich uͤber das Unheil erhaben, welches ein Kritiker
                              daruͤber fallen koͤnnte, der von der Praxis nur eine allgemeine
                              Kenntniß hat. Wenn mehrere Schluͤsse, auf die der Verfasser geleitet wurde,
                              gewissen heut zu Tage angenommenen Principien entgegen zu seyn scheinen, so muß man
                              sich erinnern, daß diese Principien keine ausschließliche Autoritaͤt haben
                              koͤnnen, weil sie zur Erklaͤrung der bekannten Erscheinungen
                              unzureichend sind. Uebrigens sollte man bei einer so schwierigen Materie mit
                              Aufmerksamkeit die Theorien betrachten, die beim ersten Anblike
                              unvollstaͤndig oder ungenau zu seyn scheinen, wenn sie von einem Praktiker
                              herruͤhren, der nur nach einer langen und bis in die kleinsten Details
                              eingehenden Beobachtung der Thatsachen darauf gebracht worden ist.
                           Der folgende Auszug des Werkes des Hrn. H.
                                 Damemme wird hoffentlich eine Idee von der praktischen
                              Nuͤzlichkeit geben, die darin bestaͤndig mit dem wissenschaftlichen
                              Interesse verbunden ist.
                           
                        
                           Von der Pruͤfung der
                                 Stahlarten.
                           Die Kenntniß der Stahlsorten erfordert Uebung; der Handwerker, dem seine Kunst am
                              Herzen liegt, kann sich nicht genug damit beschaͤftigen. Nur zu oft sieht man
                              Handwerker, die den Stahl, den sie kaufen, eben so wenig kennen, als der Kaufmann,
                              von dem sie ihn kaufen, und seine Qualitaͤt nach dem Preise beurtheilen. So
                              nehmen sie auch oft mittelmaͤßigen Stahl fuͤr guten. Es wuͤrde
                              daher von großer Wichtigkeit fuͤr sie seyn, gewisse Grundregeln zu haben,
                              nach denen sie denselben versuchen koͤnnten. Solche Grundregeln werden wir
                              uns bemuͤhen aufzustellen.
                           Einen Stahl probiren, heißt seine Qualitaͤt in Vergleichung mit der eines
                              anderen untersuchen. Um diesen Unterschied richtig zu beurtheilen, muß man ihn den
                              Operationen unterwerfen, die er zu erleiden hat, und diese sind das Schmieden, das Haͤrten, das
                              Anlassen nach dem Harten und das Poliren. Mit Huͤlfe dieser Operationen ist
                              man im Stande zu beurtheilen: 1) ob ein Stahl sich leicht schmieden lasse; 2) ob er
                              sproͤde oder geschmeidig bei der Waͤrme oder bei der Kaͤlte
                              sey; 3) ob er faͤhig sey, durch das Harten eine große Haͤrte
                              anzunehmen; 4) ob diese Harte gleichmaͤßig sey; 5) ob er in seinem Bruche ein
                              regelmaͤßiges oder blaͤtteriges Korn darbiete; 6) ob er durch das
                              Anlassen nach dem Haͤrten Elasticitaͤt, Federkraft erhalte, was man
                              unter Koͤrper des Stahles versteht; 7) ob er nach erfolgter Politur ein
                              reines, schattirtes oder faseriges Aussehen hat. Das sind die vornehmsten Fragen,
                              die man daruͤber aufwerfen kann. Wir wollen es versuchen, dieselben zu
                              beantworten.
                           
                              Erste Frage: Ob der Stahl leicht
                                    sich schmieden lasse.
                              Man kann uͤber diese Eigenschaft des Stahles urtheilen, wenn man eine
                                 Stahlstange mit dem einen Ende ins Feuer legt; man erhizt das Metall, bis es
                                 geschweißt werden kann; nachher schmiedet man es. Bietet es bei dieser Operation
                                 ein reines Aussehen, ohne Rizen und Risse, dar, so kann man uͤberzeugt
                                 seyn, daß dieser Stahl sich schweißen laͤßt. Man weiß, daß er dem oder
                                 jenem Grade des Feuers widersteht.
                              Wird feiner Stahl unbedekt ins Feuer gebracht, so verbrennt er, wenn die Hize
                                 zureichend ist, um ihn zu schweißen; man sagt alsdann, daß dieser Stahl troken
                                 sey; das Feuer verzehrt ihn aͤußerlich, zersezt ihn, wenn man nicht sehr
                                 aufmerksam darauf ist, den Grad des Feuers in seine Gewalt zu bekommen; es legen
                                 sich Schlaken an, und hindern oft ihn zu schweißen. Um diesen Fehler zu
                                 vermeiden, pflegt man ihn mit klein gemachter Thonerde, feinem Lande oder
                                 zerstoßenem Sandsteine zu bestreuen, was die Operation erleichtert. Wenn der
                                 Stahl, nachdem er einer schweißenden Waͤrme unterworfen worden war, gut
                                 gehaͤmmert wurde, und man findet nach der Operation seine
                                 Oberflaͤche voll von Rissen, so schmiedet sich dieser Stahl schwer, und
                                 er erfordert weniger Waͤrme. Ist es ein gemeiner Stahl (Rohstahl,
                                 Schmelzstahl, kuͤnstlicher Damast), so ist er fuͤr die
                                 Waͤrme allzu sproͤde, und muß verworfen werden.
                              Hat man mit der Feile die Risse, welche dieser Stahl darbietet, weggenommen, und
                                 ihn von Neuem erwaͤrmt, so taugt er nichts, wenn er beim Biegen noch
                                 immer an der aͤußeren Kruͤmmung zerreißt; er ist alsdann zu
                                 sproͤde fuͤr die Waͤrme. Die Klinge, die man daraus machen
                                 wuͤrde, haͤtte keine Schaͤrfe zum Schnitte.
                                 Gewoͤhnlich sagen die Handwerker, daß ein solcher Stahl leinen
                                 Koͤrper habe.
                              
                              Ein leicht zu verarbeitender Stahl von guter Qualitaͤt kann diese
                                 unguͤnstigen Anzeichen darbieten, wenn man ihn allzu sehr erhizt hat. Das
                                 Uebermaaß der Waͤrme ist dem Stahle voͤllig zu, wider; es
                                 veraͤndert seine Natur und bringt ihn auf seinen urspruͤnglichen
                                 Zustand als Eisen zuruͤk.
                              Man darf jedoch nicht, weil ein Stahl ploͤzlich unter dem Hammer
                                 zerbricht, ein unguͤnstiges Unheil uͤber ihn fallen. Je feiner die
                                 Stahlsorten sind, desto weniger lassen sie sich umbiegen, desto eher zerbrechen
                                 sie in der Kaͤlte; ihr Gewebe ist feiner, da die Eisentheile, welche die
                                 Grundlage derselben ausmachen, durch die Anwesenheit der eingefuͤhrten
                                 Fluͤssigkeit getrennt, sich unter einander mit weniger Oberflaͤche
                                 beruͤhren, und weniger adhaͤriren. Obgleich diese Stahlsorten im
                                 Allgemeinen der Gewalt mehr widerstehen, so sind ihre durch einen feinen und
                                 zarten Koͤrper vereinigten Molecuͤle weniger im Stande dem Druke,
                                 dem Schlage des Hammers zu widerstehen. Es gibt jedoch gemeine Stahlsorten, die
                                 auch in der Kaͤlte leicht zerbrechen; fast alle gewoͤhnlichen
                                 Stahlsorten, die in der Waͤrme sproͤde sind, haben diese
                                 Eigenschaft auch in der Kaͤlte, wie es auch solche gibt, die in der
                                 Waͤrme geschmeidig und sehr sproͤde in der Kaͤlte sind.
                              Wenn ein Stahl in der Schmiede erhizt worden ist, so wird ein guter Schmied ihm
                                 beinahe das Korn geben, das er urspruͤnglich gehabt hatte. Wird aber
                                 dieser Stahl die naͤmliche Qualitaͤt haben? Nein, man muß sich
                                 nicht taͤuschen lassen, da die Feinheit des Stahles nicht immer eine
                                 Probe seiner Qualitaͤt ist. Wir haben gemeine Stahlsorten, die, wenn man
                                 sie mit Sorgfalt bearbeitet, oft bis zum Verwechseln ein eben so feines Korn
                                 darbieten, als guter Cementstahl, ohne jedoch seine Guͤte zu besizen. Wir
                                 haben noch den Rosenstahl und den von Souppes, die, obgleich sehr gemein, bei
                                 einer zur rechten Zeit vorgenommenen Haͤrtung auch ein sehr feines Korn
                                 darbieten. Es gehoͤrt das Auge eines aͤußerst erfahrenen
                                 Kuͤnstlers dazu, um diese Stahlsorten nach der Ordnung des Kornes, das
                                 jede derselben darbietet, zu unterscheiden, wenn sie bei der ihnen angemessenen
                                 Farbs gehaͤrtet worden sind; oft noch irrt er sich hierin.
                              
                           
                              Zweite Frage: Ob der Stahl in der
                                    Waͤrme oder in der Kaͤlte geschmeidig sey.
                              Wenn man einen mit Vortheil einer schweißenden Hize unterworfenen Stahl
                                 schmiedet, und man faͤhrt fort ihn zu schmieden, um daraus ein mehr oder
                                 weniger breites Band zu verfertigen, ohne ihn von Neuem zu erhizen, und man
                                 dehnt ihn unter dem Hammer aus, ohne daß er an den Raͤndern zerspringt,
                                 so ist dieß ein geschmeidiger Stahl. Hat man diesen Stahl auf solche Welse
                                 geschmiedet, laͤßt ihn dunkelroth oder braunroth gluͤhen, und man
                                 kann ihn nach erfolgtem Eintauchen in Wasser nach verschiedenen Seiten biegen
                                 oder ihn kalt haͤmmern, ohne daß er zerspringt oder an den Rindern
                                 einreißt, so kann man ebenfalls uͤberzeugt seyn, daß dieß ein
                                 geschmeidiger Stahl sey. Die feinen und guten, mit Sorgfalt geschmiedeten
                                 Stahlsorten haben diese Eigenschaft; endlich sind die mit Geschiklichkeit
                                 bereiteten guten Stahlsorten desto geschmeidiger, je feiner sie sind.
                              Es gibt Stahlsorten, die, waͤhrend man sie schmiedet, oder, um sie zu
                                 schweißen, erhizt, eine zuverlaͤssige Probe von ihrer schlechten
                                 Qualitaͤt gewahren. Sie blaͤhen sich in der Hize auf, sie werden
                                 blasig, es reißen sich Funken davon los, die mitten in der Flamme funkelnd
                                 aufsteigen, was ein deutlich wahrnehmbares Geraͤusch verursacht, und
                                 einen angenehmen Anblik darbietet. Eine Stahlsorte, welche dergestalt blasig
                                 wird, geht bei den ersten Hammerschlaͤgen in Gluͤke; sie muß
                                 verworfen werden.
                              Diese Art des Versuches, die Schweißhize, paßt nicht fuͤr alle Stahlsorten
                                 ohne Unterschied; der Cementstahl kann ihr kaum widerstehen; er schweißt sehr
                                 schwer bei maͤßiger Hize (à chaude
                                    portée). Man kann ihn nur mit Muͤhe allein schweißen,
                                 wenn er auf sich selbst zuruͤkgebogen wird, wofern er nicht gut gedekt
                                 worden ist. Man schweißt selbst das Ende einer Stange von diesem Stahl nur mit
                                 Schwierigkeit, welcher bruͤchig seyn wuͤrde. Die feinen
                                 Stahlsorten Steyermarks, Schwedens, die englischen Cementstahlsorten, solche wie
                                 Brennstahl und Sporenstahl, die franzoͤsischen Cementstahlsorten sind im
                                 Allgemeinen empfindlich gegen das Feuer.
                              Der Gußstahl erfordert noch groͤßere Behutsamkeit, man kann ihn nicht
                                 demselben Hizgrade aussezen, welchen die vorhergehenden Stahlsorten leicht
                                 ertragen, er verbrennt darin voͤllig. Wenn er aus dem Feuer herauskommt,
                                 so springt er von selbst bei Gegenwart der Luft auf; wenn man ihn so weit erhizt
                                 hat, daß man ihn wie gemeinen Stahl schweißt, so zerfallt er in
                                 Kluͤmpchen, wenn er aus dem Feuer herauskommt, und zerspringt
                                 gaͤnzlich bei den ersten Hammerschlaͤgen. Hat man im Gegentheil
                                 den rechten Hizgrad angewendet, und den Stahl bloß bis zum Hellroth erhizt, so
                                 schmiedet man ihn mit Leichtigkeit, kann ihn sogar fast ganz, ohne daß er
                                 zerbricht, unter dem Hammer streken. Je mehr man fortfaͤhrt ihn zu
                                 schmieden, desto mehr muß man die Waͤrme vermindern; alsdann ist dieser
                                 Stahl geschmeidig, biegsam und nachgiebig unter dem Hammer und kann eben sowohl
                                 wie die anderen Stahlsorten auf alle Formen gebracht werden, die man ihm geben will; er
                                 widersteht nur in so fern, als er allzu sehr erhizt worden ist.
                              
                           
                              Dritte Frage: Ob der Stahl
                                    fuͤr eine große Haͤrte vermittelst des Haͤrtens
                                    empfaͤnglich.
                              
                           
                              Vierte Frage: Ob diese Haͤrte
                                    gleichfoͤrmig sey.
                              Um diese Eigenschaft zu beurtheilen, schmiedet man eine Stahlstange an einem
                                 Ende, und wenn man sie von 5 bis 6 Zoll gestrekt hat, so macht man alle sechs
                                 Linien Einschnitte bis auf den vierten Theil ihrer Dike; man bezeichnet jedes
                                 der durch die Schnitte gebildeten Stuͤke mit einem kalten Meißel, oder
                                 einem Stichel. Man macht eine hinlaͤngliche Menge von Punkten, um die
                                 Folge der Stuͤke anzuzeigen, bringt nachher den Stahl an demselben Ende
                                 ins Feuer, wobei man Sorge traͤgt, ihn so weit hinauf wie das vorige Mal
                                 zu erhizen, bis er an dem Ende die Safranfarbe annimmt, jedoch maͤßigt
                                 man die Hize nach dem Ende zu, das nicht geschmiedet wurde. Wenn man ihn in
                                 diesem Zustande ins Wasser taucht, so wird er nach und nach die verschiedenen
                                 Grade der Haͤrte annehmen, deren er faͤhig ist. Man untersuche ihn
                                 alsdann entweder mit der Feile oder mit einem Zahnmeißel; man kann ihn, wenn man
                                 will, mit einem Feuerstein rizen. Diese Versuche werden in den Stand sezen zu
                                 urtheilen, ob die Haͤrte gleichfoͤrmig, ob er eisenhaltig oder
                                 gesund sey, je nachdem man Theile findet oder nicht, die sich feilen lassen,
                                 oder in die man mit dem Zahnmeißel einhauen kann.
                              
                           
                              Fuͤnfte Frage: Ob das Korn
                                    des Stahls krystallisirt oder blaͤtterig erschien.
                              Hat man gefunden, bei welchem Punkte der zu pruͤfende Stahl die
                                 groͤßte Harte darbietet, so fasse man ihn in einen Schraubstok, so daß
                                 man nur eins von den durch die Schnitte gebildeten Stuͤken uͤber
                                 das Gebiß herausstehen laͤßt. Man zerbreche dieses Stuͤk mit einem
                                 Hammerschlage, eben so auch die anderen. Alsdann stelle man sie aufrecht vor
                                 sich und nach ihrer Nummer, so daß das Korn des Stahls oben ist. Ihre
                                 Bruͤche werden alsdann eine Folge von mehr oder weniger verschiedenem
                                 Korne darbieten; dieses Korn erscheint mehr oder weniger grob, je nach dem
                                 groͤßeren oder geringeren Grade von Hize, den der Stahl erhalten hat,
                                 oder je nach seiner Natur. Es wird um so viel groͤßer seyn, je heißer der
                                 Stahl gehaͤrtet worden ist, wie es auch um so viel groͤber seyn
                                 wird, je feiner der Stahl ist, wenn die Temperatur des Haͤrtens so ist,
                                 wie sie fuͤr den gemeinen Stahl paßt. Das Korn des Stahles wird dagegen
                                 desto feiner
                                 seyn, je besser der Stahl ist, wenn der Hizgrad nicht zu hoch war; denn je
                                 feiner der Stahl ist, desto weniger erfordert er Hize.
                              Man kann sich des eben erwaͤhnten Mittels bei allen Stahlsorten ohne
                                 Unterschied bedienen; das folgende paßt aber bloß fuͤr solche
                                 Stahlsorten, die sich leicht schweißen lassen; wir haben es dem unsterblichen
                                 Réaumur zu verdanken. Es besteht darin,
                                 daß man das Ende einer Stahlstange an eine eben so breite und halb so dike
                                 Eisenstange schweißt. Sind diese beiden Stangen an ihren Enden in einer
                                 Laͤnge von 5 bis 6 Zoll an einander geschweißt, so spaltet man das Eisen
                                 in der Mitte seiner Breite, seiner ganzen Laͤnge nach, so weit es
                                 geschweißt worden ist, und seiner ganzen Dike nach bis zum Stahle. Nachher
                                 erhizt man diese neue Stange, um sie zu haͤrten. Ist dieß geschehen, so
                                 laͤßt man sie am Feuer troknen, legt sie auf den Ambos, eine der Seiten
                                 des Eisens auf eine andere Eisenstange gestuͤzt, so daß sie nicht
                                 senkrecht steht, und schlage in der Mitte ihrer Breite darauf, um den Stahl
                                 seiner Lange nach zu zerbrechen; oder man fasse die neue Stange in das Gebiß
                                 eines Schraubstokes. so daß der Schnitt sich mit demselben in horizontaler Lage
                                 befindet. Man schlage an den Theil, der uͤber den Schraubstok hinausgeht,
                                 oder man zerbreche den Stahl seiner Laͤnge nach. Man uͤbersieht
                                 dann mit einem Blike alle Reihen des Kornes, die dieser Stahl darbietet. Durch
                                 dieses Mittel hat man den dreifachen Vortheil, daß man 1) erkennt, ob sich
                                 dieser Stahl leicht schweißen lasse, 2) seine Haͤrte pruͤfen, 3)
                                 sein Korn mit dem eines anderen Stahles leicht vergleichen kann.
                                 „Ziemlich allgemein ist die Reihe des feinen Kornes bei den feinen
                                    Stahlsorten doppelt so groß, als die anderen Reihen des Kornes von dem
                                    naͤmlichen Stahl; sie ist folglich ausgedehnter, laͤnger, als
                                    es diese naͤmliche Reihe des Kornes bei den gemeinen Stahlsorten
                                    ist.“
                                 
                              Es gibt noch eine andere Art von Probe, wodurch der Handwerker auch in den Stand
                                 gesezt wird, uͤber die Natur seines Stahls zu urtheilen. Eine an dem Ende
                                 geschweißte Stahlstange strekt man in einer Laͤnge von 5 bis 6 Zoll zu
                                 einer Breite von 8 bis 10 Linien aus. Auf der einen Seite laͤßt man sie
                                 diker als auf der anderen, so daß sie die Gestalt einer Messerklinge
                                 erhaͤlt. Wenn man diesen Theil des Stahles gehaͤrtet hat, so
                                 zerbricht man ihn an der duͤnneren Seite, indem man durch
                                 Hammerschlaͤge auf die Raͤnder des halbgeoͤffneten
                                 Schraubstoks in den gehaͤrteten Theil seiner ganzen lange nach
                                 Luͤken macht. Man uͤbersieht dadurch mit einem Blike alle Arten
                                 des Kornes, welche der Stahl bei dem Haͤrten nach den verschiedenen
                                 Hizgraden, die er erhaͤlt, annehmen kann; wie man auch leicht sieht, ob er
                                 sich leicht schweißen lasse, und die Haͤrte erkennt, welche er durch das
                                 Harten erlangt. Obgleich vermittelst des Haͤrtens bei dieser Art von
                                 Versuch das Korn wie in den beiden oben erwaͤhnten Faͤllen nach
                                 Verhaͤltnis des Hizgrades verschieden ist, so ist es doch nicht eben so
                                 empfindlich; da der Stahl duͤnner war, so sieht man es schwerer; die
                                 andere Art des Versuches ist daher vorzuziehen.
                              Es ist gewiß, daß der Stahl nach Verhaͤltnis des hoͤheren oder
                                 niederen Grades von Hize, dem er unterworfen wird, ein verschiedenes Korn
                                 annimmt, und daß das Korn des Stahles in einem einzigen Bruche oft ein
                                 zweideutiges und truͤgerisches Zeichen ist; guter Stahl kann daher von
                                 dem fuͤr schlecht befunden werden, der keine Geschiklichkeit besizt ihn
                                 zu gebrauchen. Wenn man aber eine der Proben anwendet, die vorher beschrieben
                                 worden sind, und man gibt dem Stahl bei der Verarbeitung einen Hizgrad, der
                                 geeignet ist, ihn die Reihe des feinen Kornes annehmen zu lassen, so wird man
                                 den Fehler, den man haͤtte begehen koͤnnen, immer verbessern.
                              Nicht gehaͤrteter Stahl bietet oft in seinem Bruche Fasern, Eisenadern,
                                 laͤngliche Blaͤtter, in dem einen Theile seines Bruches
                                 groͤberes Korn, als in dem anderen dar. Dieß zeigt einen eisenhaltigen
                                 Stahl an, der zu Schneidinstrumenten nicht paßt. Diese Blaͤtter und
                                 Fasern sind oft sichtbarer bei dem nicht gehaͤrteten, als bei dem
                                 gehaͤrteten Stahle, weil sie bei dem lezteren sich mit dem Korne des
                                 Stahles vermischen. Wenn sie selbst mehr oder weniger aus Stahl bestehen, so
                                 nehmen sie mehr oder weniger Korn, so wie auch mehr oder weniger Haͤrte
                                 an; alsdann kann der Kuͤnstler nur mit Schwierigkeit es erkennen. Um
                                 diese Blaͤtter in dem nicht gehaͤrteten Stahle sichtbarer zu
                                 machen, schneide oder haue man in eine der Seiten der Stange hinein; alsdann
                                 stelle man den Stahl senkrecht auf den Ambos, und schlage mit dem Hammer auf die
                                 dem angebrachten Einschnitt entgegengesezte Seite, und man erhaͤlt das
                                 ganze Korn, das dieser Stahl darbieten kann. Will man im Gegentheil die
                                 Stahlstange auf der Flaͤche zerbrechen, so geschieht es oft, daß sie sich
                                 biegt, man biegt sie dann zuruͤk, biegt sie wieder auf die
                                 entgegengesezte Seite, was oft zwei bis drei Mal wiederholt wird. Der Stahl
                                 bietet alsdann in seinem Bruche nur noch Gewebe von Blaͤttern,
                                 zusammenstoßenden Fasern dar, die nicht eben sehr in Stand sezen, ein Unheil
                                 uͤber ihn zu faͤllen, was im anderen Falle, wenn man ihn auf der
                                 Flaͤche oder der Seite zerbricht, nicht geschieht. Der Stahl, welcher auf
                                 diese Weise zerbrochen worden ist, bietet oft in seinem Bruche die Gestalt eines
                                 Rehfußes dar. Viele Kuͤnstler und selbst Kaufleute nehmen dieses Zeichen
                                 als einen Beweis von her Guͤte des Stahles an. Zwar bietet ein
                                 schlechter Stahl dieses sehr deutlich ausgesprochene Kennzeichen nicht dar;
                                 indessen wuͤrde man sich sehr irren, wollte man beim Urtheile
                                 uͤber die Qualitaͤt einer Stahlsorte sich auf diesen Bruch
                                 stuͤzen. Wir haben sehr gemeine, trokene, in ihrer Anwendung sehr
                                 undankbare Stahlsorten, die diesen deutlich ausgesprochenen Charakter an sich
                                 tragen; wie es auch wohl vorkommt, daß ein sehr guter Stahl ihn nur unvollkommen
                                 darbietet. Diese Art von Bruch haͤngt von dem Willen desjenigen ab, der
                                 die Stahlstange zerbricht, wenn er das kennt, wodurch er bewirkt wird. Hat man
                                 einen kleinen Einschnitt in eine Stahlstange gemacht, sezt sie nicht senkrecht
                                 auf einen Ambos und schlaͤgt von der dem Einschnitte entgegengesezten
                                 Seite, so beschreibt der Bruch eine mehr oder weniger lange Curve, je nachdem
                                 der Theil, wohin geschlagen wurde, mehr oder weniger vom Schnitte entfernt ist,
                                 und nachdem der Hammerschlag mehr oder weniger troken, mehr oder weniger heftig
                                 war.
                              Es ist eine uͤble Gewohnheit den Stahl zu haͤrten, ohne ihn
                                 geschmiedet zu haben. Die Molecuͤle des Stahles nehmen nicht die
                                 naͤmliche Stelle ein, die ihnen der Hammer gegeben haben wuͤrde.
                                 Es verhalt sich eben so, wenn man den Stahl allzu sehr erhizt und ihn nachher
                                 erkalten oder auf den Grad von Hize kommen laͤßt, der fuͤr das
                                 Harten paffend ist. Die Theile des Stahles nehmen nicht die naͤmliche
                                 Stelle wieder ein, die ihnen das Feuer bei diesem Grade der Temperatur gibt.
                                 Ohne Zweifel findet bei dem Stahle bei diesem Hizgrade ein Zusammentreten der
                                 Theilchen Statt, eine gewisse Schmelzung einiger Antheile oder eine innige
                                 Durchdringung seiner Theile mit den Eisentheilen, welche die Grundlage desselben
                                 ausmachen. Endlich bietet der Stahl bei diesem Hizgrade nach dem Hirten ein
                                 regelmaͤßiges, feines und ganz gleichfoͤrmiges Korn dar;
                                 waͤhrend, wenn man ihn zu sehr erhizt hat, ob man gleich ihn zu einer
                                 niedrigen Temperatur herabsinken ließ, sich seine Poren erweiterten, seine
                                 Grundstoffe sich nach der Oberflaͤche hinzogen, jede der Molecuͤle
                                 derselben beraubt wurde, und sie die naͤmliche Form nach dem
                                 Haͤrten behielten, ob sie gleich nicht so warm geworden waren, als sie
                                 gehaͤrtet wurden. Nach dem Haͤrten bilden sie grobe, zerstreute
                                 und vertheilte Kluͤmpchen, die fast eben so sichtbar sind, als wenn der
                                 Stahl bei der Temperatur gehaͤrtet worden waͤre, bis zu der er
                                 vorher gebracht wurde. Er hat immer weniger Haͤrte als derselbe Stahl,
                                 wenn er in der passenden Temperatur gehaͤrtet worden ist; wie auch seine
                                 Schneide niemals so scharf ist; leicht bekommt er bei der geringsten Anstrengung
                                 Luken.
                              Viele Kuͤnstler pruͤfen ihren Stahl noch auf folgende Weise: Sie geben ihm an dem
                                 Ende eine Schweißhize, streken ihn in eine Spize aus und Haͤrten ihn. Sie
                                 schlagen mit einem Hammer auf das Ende der Stange, das nicht gehaͤrtet
                                 worden ist, und ein Stil des gehaͤrteten Theiles zerbricht durch die
                                 Erschuͤtterung, die es erleidet. Dieser Bruch findet nicht immer bei
                                 einer kleinen Stahlstange Statt; folglich ist diese Probe dem Irrthume
                                 unterworfen. Statt den Stahl zu zerbrechen, wie wir so eben gesagt haben,
                                 zerbrechen ihn manche Kuͤnstler auf dem Amboße in kleine Stuͤke,
                                 und schlagen darauf, als wollten sie ihn zerschmettern. Sie beurtheilen die
                                 Haͤrte des Stahls nach der Art, wie die Stuͤke bei dem Stoße oder
                                 Druke stumpf werden. Allerdings erkennt man auf diese Weise, ob der Stahl dem
                                 Feuer widersteht; man sieht aber sein Korn mit Schwierigkeit. Man urtheilt nicht
                                 richtig uͤber seine Harte, und man kann weder uͤber seine
                                 Dehnbarkeit noch uͤber seinen Koͤrper urtheilen.
                              
                           
                              Sechste Frage: Ob durch das Anlassen
                                    nach dem Haͤrten der Stahl Elasticitaͤt, Spannkraft
                                    erhaͤlt, was man unter dem Koͤrper des Stahles
                                    versteht.
                              Die Woͤrter Koͤrper des Stahles (corps de
                                    l'acier) oder Nerv des Stahles (nerve de
                                    l'acier) als Ausbruͤte der Schmiede bedeuten oft das
                                 Naͤmliche; aber sie druͤken bei ihm bald die
                                 Haͤmmerbarkeit, bald die Dehnbarkeit, Zaͤhigkeit, Geschmeidigkeit
                                 oder Elasticitaͤt, Spannkraft, Staͤrke u.s.w. aus.
                              Die Arbeiter sagen von einem Stahle, der sich leicht schweißen laͤßt, der
                                 dem Feuer ohne Risse zu bekommen widersteht, der geschmeidig ist: dieser Stahl
                                 hat Koͤrper, dieser Stahl hat Nerv; man meint damit einen dehnbaren,
                                 haͤmmerbaren Stahl. Im entgegengesezten Falle sagen sie: dieser Stahl ist
                                 troken, er hat keinen Koͤrper; und oft hat der, von dem geurtheilt wurde,
                                 daß er heiß Koͤrper habe, wenn man ihn kalt zu sehr haͤmmert,
                                 keinen.
                              Wenn man diesen Stahl kalt schlaͤgt, ohne daß er an seinen Raͤndern
                                 zu sehr zerreißt, so sagt man ebenfalls, dieser Stahl habe Koͤrper, Nerv.
                                 Darunter versteht man Zaͤhigkeit.
                              Wenn man aus zwei oder mehreren verschiedenen Stahlsorten Zahnmeißel (Meißel, um
                                 das Eisen oder den Stahl zu zerschneiden) macht, so sagt man auch von dem
                                 Stahle, dem der daraus gefertigte Meisel am besten widerstanden hat: dieser
                                 Stahl hat Koͤrper, hat Nerv. Zuweilen geraͤth man in dieselbe
                                 Schwierigkeit, wie in den vorhergehenden Fallen. Ein solcher Stahl, der kalt und
                                 heiß weder Koͤrper noch Nerv haben sollte, hat deren viel, wenn er ein
                                 Mal gehaͤrtet worden ist und umgekehrt. Diese Eigenschaft haͤngt
                                 also wesentlich von
                                 der Art ab, wie der Stahl im Feuer behandelt worden ist. Hier ist Koͤrper
                                 des Stahles mit Harte gleichbedeutend.
                              Man sagt ebenfalls, daß ein Stahl Koͤrper, Nerv habe, wenn er nach dem
                                 Haͤrten und Anlassen mehr oder weniger dem Stoße widersteht, mehr oder
                                 weniger fuͤr Elasticitaͤt empfaͤnglich ist. Auf diese
                                 Eigenschaft haben einige Schriftsteller, die uͤber den Stahl geschrieben
                                 haben, am meisten ihre Aufmerksamkeit gerichtet. Réaumur hat viele Versuche angestellt, die er in seiner
                                 Abhandlung uͤber den Stahl angegeben hat. Er hat z.B. Stahl zu Draht
                                 ausgestrekt, hat das eine Ende an die Deke befestigt und das andere an die Mitte
                                 eines Hebels, der an dem einen Ende befestigt war, und an dem anderen ein
                                 Gewicht zu tragen hatte; dieß erhielt den Stahldraht ausgespannt. Vermittelst
                                 einer kleinen beweglichen Blechplatte, auf der er gluͤhende Kohlen hatte,
                                 und durch welche sein Stahldraht ging, erhizte er einen Theil desselben; er ließ
                                 nachher die Platte nieder, schuͤttete Wasser auf den Stahl und
                                 haͤrtete ihn auf diese Weise. Nachher hing er an das Ende des Hebels so
                                 viel Gewicht, als hinreichte, den Bruch seines Stahles zu bewirken. Dieß Mittel
                                 wendete er an, um den Widerstand, die Zaͤhigkeit, die Starke desselben zu
                                 beurtheilen. Dadurch erhielt er jedoch nur unvollkommene Resultate; denn wenn
                                 der Stahl in einem Theile seiner Laͤnge heiß geworden war,
                                 verlaͤngerte er sich nothwendig durch die Wirkung des Gewichtes, das er
                                 trug; er mußte also in diesem Theile schwacher seyn als in jedem anderen. Es war
                                 daher der Widerstand, den er entgegensezte, nicht so groß, als er bei demselben
                                 Stahldrahte in seiner fruͤheren Dimension gewesen waͤre.
                              
                           
                              Siebente Frage: Ob der Stahl reine,
                                    dunkle, oder faserige Flaͤchen darbiete.
                              Um zu beurtheilen, ob der Stahl auf allen seinen Flaͤchen rein sey, ob er
                                 zu jeder Art gemeiner oder polirter Arbeiten passe, nimmt man seine Zuflucht zu
                                 folgendem Mittel. Man erhizt das eine Ende des Stahles und schmiedet es bloß bis
                                 auf eine Laͤnge von 3 bis 4 Zoll vierekig. Man haͤrtet es bei
                                 einem mittleren Hizgrade zwischen Kirschbraun und Rosenroth. Darauf macht man es
                                 auf einer der Seiten blank, sezt es einem milden Feuer aus, damit es die
                                 violette oder dunkelblaue Farbe annehme, polirt es auf zwei Flaͤchen, der
                                 Breite und Dike. Auf seiner Breite sieht man die Abstufungen, Schattirungen,
                                 Fasern, welche dieser Stahl darbietet, auf seiner Dike die Schichten, aus denen
                                 er besteht. Soll der Stahl zu jeder Art von Arbeiten passen, so darf er keine,
                                 oder nur wenig solcher eben erwaͤhnten Abstufungen darbieten. Findet man
                                 deren daran, so ist das fast immer die Folge davon, daß ein Theil des Eisens mehr oder weniger mit
                                 dem Koͤrper des Stahles vermischt ist. Diese Abstufungen und Fasern
                                 treten noch mehr hervor, wenn man ein wenig verduͤnnte
                                 Salpetersaͤure auf den Stahl gießt. Alsdann verkohlen sich die Theile des
                                 Stahles durch die Wirkung der Saͤure und bilden einen schwarzen
                                 Ruͤkstand, waͤhrend das Eisen nur eine gelbliche, der
                                 Saͤure etwas mehr widerstehende Farbe darbietet.
                              Die Abstufungen, von denen wir so eben sprachen, sind zufaͤllig, wie oben
                                 bemerkt wurde, und sind nach der Form des Gegenstandes und dem Hizgrade
                                 verschieden, dem der Stahl bei dem Haͤrten unterworfen wurde. Es findet
                                 daher in dem Koͤrper des Stahles eine bestaͤndige Bewegung zur
                                 gehoͤrigen Anordnung seiner Theile Statt, wodurch diese Abstufungen und
                                 diese Abwechselung in dem Korne des Stahles bei dem Haͤrten entsteht. Ein
                                 bei einem geringeren und fuͤr ihn nicht passenden Hizgrade erhizter und
                                 gehaͤrteter Stahl bietet nicht die Ordnung des Kornes dar, die er bei
                                 einem etwas hoͤheren Hizgrade annimmt. Die Molecuͤle haben sich
                                 nicht genug ausgedehnt, sie sind nicht durch die Fluͤssigkeit befeuchtet
                                 worden, die um jede derselben bei der Feuerung schwimmt, die Theile sind nicht
                                 in die Ordnung getreten, welche die Folge eines milden und maͤßigen
                                 Feuers ist, das Korn ist groͤber, als vor dem Haͤrten. Wird der
                                 Stahl etwas heißer gehaͤrtet, so bietet er das Korn in Streifen dar und
                                 wird nicht hart.
                              Die vorher aufgestellten Grundsaͤze und Thatsachen lehren, daß das
                                 Haͤrten neben seinen Vortheilen auch verschiedene Maͤngel dem
                                 Stahle mittheile, wie z.B. Biegungen, Drehungen, Bruͤche, eine
                                 unvermeidliche Folge der Zusammenziehung, welche er erleidet. Wenn man ihn daher
                                 erhizt und ihn mehrere Mal haͤrtet, so ist es wahrscheinlich, ja sogar
                                 gewiß, daß diese Maͤngel bei jedem Haͤrten sich mehr oder weniger
                                 zeigen werden; aber jedes folgende Haͤrten zerstoͤrt die
                                 Eigenschaft, welche der Stahl durch das vorhergehende erhalten hatte. Daher ist
                                 das wiederholte Harten unnuͤz und selbst nachtheilig wegen der
                                 Maͤngel, die es nach und nach erzeugt. Man irrt sich daher, wenn man es
                                 lobt.
                              Nur erst, nachdem ich durch eine große Anzahl Versuche die Wahrheit erkannt
                                 hatte, daß der Stahl durch einen hohen Hizgrad eine Veraͤnderung
                                 erleidet, stellte ich folgende Beobachtung an.
                              Klingen von fuͤnf Zoll langen Rasirmessern, deren Schneide drei Zoll
                                 betrug, im Sonnenmikroskop betrachtet, schienen fuͤnfzehn Zell lang zu
                                 seyn. Die an der Schneide durch die Poren des Stahles gebildeten Ungleichheiten
                                 waren weit merklicher bei den aus gemeinem, als bei den aus feinem Stahl
                                 verfertigten. Jeder Zahn war wieder gezaͤhnt, und diese Zaken schienen eben
                                 so viel Hahnkamme zu seyn, die sich beruͤhrten. Die Schneide der aus
                                 feinem Stahl verfertigten und zum Rasiren wohl geeigneten Rasirmesser, die keine
                                 fuͤr unsere Organe bemerkbare Zaken hatte, und bei dem fuͤr den
                                 feinen Stahl angemessenen Hizgrad gehaͤrtet worden war, schien eine feine
                                 und regelmaͤßige Sage zu seyn; waͤhrend bei den aus dem
                                 naͤmlichen Stahl verfertigten Rasirmessern, die aber bei dem Harten zu
                                 sehr erhizt worden waren, sey es nun, daß sie unmittelbar nach erfolgter
                                 Erhizung gehaͤrtet, oder daß sie wieder an die Luft gebracht, bei der
                                 angemessenen Farbe gehaͤrtet worden waren, die Schneide eine viel
                                 groͤbere und schlecht begraͤnzte Auszakung darbot, obgleich sie
                                 auf dem naͤmlichen Steine, wie die ersteren, abgezogen worden waren. Ich
                                 zog sie alle von Neuem ab, indem ich mich eines anderen Steines von
                                 groͤberem Korne bediente. Die an jeder Schneide entstandene Auszakung
                                 trat dann weit mehr hervor, es fand aber in den Dimensionen der Zaken die
                                 naͤmliche Ordnung Statt. Die Schneide der aus feinem Stahle verfertigten
                                 und gut gehaͤrteten Rasirmesser hatte immer den Vorzug vor der der
                                 anderen Rasirmesser. Die Auszakung haͤngt, wie man sieht, sowohl von dem
                                 Korne des Stahles, als auch von dem des Steines ab, weil das Korn und die
                                 Auszakung nach Verhaͤltniß des Uebermaaßes der Hize, die der Stahl
                                 erhalten hat, verschieden ist. Die allzu große Hize beim Haͤrten des
                                 Stahles ist daher ein Fehler, weil dadurch die Qualitaͤt des Metalles
                                 veraͤndert wird.