| Titel: | Ueber die Fabrication des Strohpapiers; von Hrn. Piette, Besizer einer Papierfabrik in Dillingen. | 
| Fundstelle: | Band 64, Jahrgang 1837, Nr. LXXIII., S. 359 | 
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                        LXXIII.
                        Ueber die Fabrication des Strohpapiers; von Hrn.
                           Piette, Besizer
                           einer Papierfabrik in Dillingen.Aus den Verhandlungen des Vereins zur Befoͤrderung des Gewerbfleißes in
                                       Preußen. 1ste Lieferung 1837, S. 51.
                           
                        Piette, uͤber die Fabrication des Strohpapiers.
                        
                     
                        
                           Wenn man die verschiedenen Substanzen, bei welchen man die Moͤglichkeit
                              vermuthet, Papier aus ihnen zu machen, betrachtet, so bemerkt man keine, welche mehr
                              dazu geeignet zu seyn scheint, als Stroh. Es gehoͤrt, wie Hanf, Flachs und Baumwolle,
                              zum Pflanzenreich, besteht wie Hanf und Flachs aus starken Langenfasern, ist wie sie
                              der Faͤulniß wenig ausgesezt und laͤßt sich uͤberall um
                              geringen Preis in großer Menge haben. Wir wollen daher genauer untersuchen, in wie
                              weit das Stroh nach seiner natuͤrlichen Beschaffenheit wirklich zur
                              Papierfabrication dienlich seyn kann, und welche Verrichtungen noͤthig sind,
                              um es zu verarbeiten und zu bleichen.
                           Eine Substanz, welche zur Papierfabrication geeignet seyn soll, muß sehr feine und
                              fein zertheilte Fasern haben, welche von der Fluͤssigkeit durchdrungen werden
                              koͤnnen, die man anwendet, um einen Brei aus ihnen zu machen. Diese Fasern
                              muͤssen sich leicht von einander trennen lassen, ohne zu zerreißen und einen
                              duͤnnen Brei geben, dessen Theilchen weich, fein und flokig sind; sie
                              muͤssen sich von Neuem in einander schließen und nach ihrer Vereinigung durch
                              Troknen fest werden.
                           Bei der Untersuchung zeigt sich nun, daß das Stroh aus gelben Fasern besteht, die
                              durch eine harzige Materie mit einander verbunden sind. Diese Materie loͤst
                              sich in Alkalien auf. Die in Freiheit gesezten Fasern sind weich und flokig, wie die
                              des Hanfes, lassen sich von Fluͤssigkeiten durchdringen, zu einem Brei
                              umschaffen und wieder zu duͤnnen Blattern vereinigen. Es ist also
                              vorauszusehen, daß es moͤglich ist, Papier aus Stroh zu verfertigen, und man
                              hat auch daruͤber schon seit vielen Jahren eine Menge verschiedener, mit mehr
                              oder weniger Erfolg gekroͤnter Versuche angestellt.
                           Da aber sowohl die von mir in meinem Traité de la
                                 fabrication du papier angegebenen, als auch die von anderen empfohlenen
                              Methoden, Papier aus Stroh zu verfertigen, mir großen Schwierigkeiten verbunden sind
                              und eine besonders kostspielige Verarbeitung erfordern, so habe ich die Versuche
                              wiederholt, um eine Abkuͤrzung jenes weitlaͤufigen Verfahrens zu
                              finden, und im Großen danach zu arbeiten. Das Resultat meiner Versuche will ich hier
                              mistheilen.
                           Das Pflanzenreich liefert uns zweierlei Stroh, das von Getreide und das von
                              Huͤlsenfruͤchten. Die erstere Art ist Stroh von Roggen, Weizen, Gerste
                              oder Hafer, die zweite Art kommt von Bohnen, Erbsen oder Linsen. Der Mais reiht sich
                              wegen seiner Blaͤtter, die man allein zur Verfertigung des Papiers gebrauchen
                              kann, den Huͤlsenfruͤchten an.
                           Dieser Ordnung nach wollen wir nun untersuchen: 1) wie man die einzelnen Arten von
                              Stroh in ihrem natuͤrlichen Zustande zu Papier oder Pappendekeln verarbeiten
                              kann, und welche Eigenschaften die so erhaltenen Producte haben; 2) wie man Stroh
                              bleicht, um weißes Papier daraus zu erhalten.
                           
                        
                           1. Von der Verarbeitung des Strohes im
                                 natuͤrlichen Zustande.
                           
                              
                              a) Getreidestroh.
                              Einige vorlaͤufige Operationen, die man fuͤr jede Art von
                                 Getreidestroh anwenden muß, sind das Sortiren, das Schneiden und das Wannen.
                              Viele Pflanzen, die im Getreide wachsen, widersezen sich den Mitteln, die man
                                 anwendet, um das Stroh zu erweichen und weiß zu machen; sie muͤssen also
                                 nothwendiger Weise entfernt werden. Das ausgesuchte Stroh wird in Stuͤke
                                 geschnitten, welche 2 bis 3 Linien lang sind. Dazu kann man mancherlei Maschinen
                                 gebrauchen, die bekannteste ist die gewoͤhnliche Haͤchsellade. Auf
                                 ihr kann ein Mann in 12 Stunden gegen 6 Entr. schneiden. Die angegebene
                                 Groͤße von 2 bis 3 Linien ist noͤthig, damit man die Gliedknoten
                                 besser von den Roͤhrchen scheiden kann. Laͤßt man die Knoten unter
                                 den Roͤhrchen, so erhaͤlt man ein unvollkommenes Product und
                                 leidet einen bedeutenden Verlust. Die Roͤhrchen verwandeln sich
                                 naͤmlich leichter in einen Brei, und wuͤrden beim Waschen
                                 groͤßten Theils verloren, wenn man die ganze Masse so verarbeiten wollte,
                                 daß auch die Knoten weich wuͤrden. Wenn aber die Knoten nicht hinreichend
                                 erweicht werden, so erhaͤlt man ein sehr rauhes Papier. Mit einer guten
                                 Wannmuͤhle, wie man sie gewoͤhnlich gebraucht, um das Getreide zu
                                 wannen, ist die Sonderung der Knoten von den Roͤhrchen leicht, da ein
                                 Mann und ein Kind in einer Stunde 4 bis 5 Cntr. wannen.
                              Nach diesen vorlaͤufigen Verrichtungen fangen diejenigen an, welche zum
                                 Zwek haben, die Fasern des Strohes durch Zersezung der klebrigen Materie in
                                 Freiheit zu sezen. Versuche haben mir gezeigt, daß es voͤllig
                                 unmoͤglich ist, aus geradeweg gemahlenem Stroh Papier zu machen.
                              Roggenstroh. Das Roggenstroh, welches an klebrigen
                                 oder harzigen Materien am reichsten und deßwegen am haͤrtesten ist,
                                 erfordert die meiste Arbeit, um jene Materie zu zerstoͤren,
                                 behaͤlt aber immer noch einen bedeutenden Theil derselben zuruͤk
                                 und liefert deswegen das haͤrteste Papier.
                              Nachdem man das Stroh, wie wir oben bemerkt haben, sortirt, zerschnitten und
                                 gewannt hat, werden die Roͤhrchen in einem großen Kessel durch Dampf oder
                                 directes Feuer in reinem Wasser gekocht. Man druͤkt das Stroh ein und
                                 wendet einige Kraft an, um den Kessel so voll als moͤglich zu bringen,
                                 beschwert auch den Dekel. Wenn das Wasser anfaͤngt zu kochen, so drangt
                                 sich das Wasser nach
                                 Oben, bald aber sezt sich das Stroh so, daß es kaum mehr die Haͤlfte des
                                 Raums einnimmt. Man verstaͤrkt nun das Feuer, und laͤßt die Masse
                                 waͤhrend 3 Stunden kochen. Diese erste Operation, welche zum Zwek hat,
                                 das Stroh so zu erweichen, daß man es zu Halbzeug umarbeiten kann, um dessen
                                 Fasern fuͤr die Wirkung der Lauge vorzubereiten, nimmt dem Stroh seine
                                 natuͤrliche hellgelbe Farbe und aͤndert sie in rothbraun. Das
                                 Stroh ist zwar noch hart, hat aber wegen der Feuchtigkeit, die es ganz
                                 durchdringt, seine Elasticitaͤt verloren, und schon scheint die Oberhaut
                                 sich loszuheben.
                              Das aus dem Kessel genommene Stroh wird nun wie die Lumpen in Halbzeug
                                 verwandelt, in eine Lauge von 2 Pfd. Potasche und 50 Pfd. frischen Kalk auf 100
                                 Pfd. Stroh gebracht- und wieder waͤhrend 3 Stunden gekocht. Die
                                 Lauge, welche starker auf das in Halbzeug verwandelte Stroh einwirkt, hat nach
                                 diesen 3 Stunden ihre aͤzende Kraft verloren, nachdem sie angefangen hat
                                 die klebrige Materie zu zerstoͤren und die Roͤhrchen zu erweichen.
                                 Sie ist doch nicht hinreichend, um dem Roggenstroh die noͤthige
                                 Biegsamkeit geben zu koͤnnen. Deßwegen vermindert man nach
                                 3stuͤndigem Kochen das Feuer, laͤßt die Lauge durch einen am Boden
                                 befindlichen Hahn ablaufen, dreht den Hahn wieder zu und gießt, ohne das Stroh
                                 wieder herauszunehmen, sogleich eine frische Lauge in den Kessel. (1 Pfd.
                                 Potasche und 30 Pfd. Kalk fuͤr 100 Pfd. Stroh). Nachdem die Masse 3
                                 Stunden gekocht hat, wiederholt man noch zwei Mal die naͤmliche Operation
                                 mit derselben Lauge. Es kommen also k laugen auf das
                                 Stroh. Nach dem vierten Kochen ist das Stroh weich, die Fasern trennen sich von
                                 einander und geben nach ihrer Zermahlung einen gehoͤrigen Brei.
                              Die Lauge hat die klebrige Materie des Strohes aufgeloͤst und
                                 fuͤhrt sie mit sich, wodurch sie syrupartig, dunkelbraun geworden ist,
                                 und einen Bodensaz liefert. Dieser besteht aus Strohtheilchen und den
                                 Substanzen, welche die Lauge und die harzige Materie bilden, als Potasche, Kalk,
                                 Kieselerde und mehreren Salzen. Obschon die Potasche bei den verschiedenen
                                 Laugen in geringer Quantitaͤt zugesezt wird, so wirkt sie doch merklich
                                 auf die klebrige Materie; wollte man keine Potasche anwenden, so wuͤrde
                                 das Stroh nicht ganz erweicht, und man erhielte kein vollkommenes Product.
                              Was die Knoten betrifft, so werden sie auch in reinem Wasser, aber
                                 waͤhrend 12 Stunden gekocht, dann als Halbzeug, wie die Roͤhrchen,
                                 in die Lauge gebracht und sechs Mal hintereinander unter den naͤmlichen
                                 Umstaͤnden, wie jene gekocht. Dann lassen sie sich verarbeiten. Sie
                                 erfordern also beinahe noch ein Mal so viel Arbeit als die Roͤhrchen.
                              
                              Das Roggenstrohpapier ist gelblichbraun, hat eine außerordentliche Staͤrke
                                 und kann in mancher Hinsicht mit dem Pergament verglichen werden. Ungeleimt
                                 haͤlt es die Tinte beinahe so gut, wie ganz geleimtes Papier, besonders
                                 wenn der Zeug wenig gewaschen wurde, und die durch die Lauge aufgeloͤste
                                 Materie groͤßten Theils in der Masse zuruͤkbleibt. Es ist nicht so
                                 biegsam als Weizenstrohpapier, ist aber staͤrker und zu Pakpapier ganz
                                 besonders geeignet.
                              Weizenstroh. Das Weizenstroh ist weicher, als das
                                 Roggenstroh. Es wird zuerst waͤhrend 3 Stunden in reinem Wasser gekocht,
                                 hierauf in Halbzeug verwandelt und 3 Stunden in einer Lauge von 2 Pfd. Potasche
                                 und 50 Pfd. frischem Kalk auf 100 Pfd. Stroh gekocht. Die Lauge wird abgegossen
                                 und noch zwei Mal (1. Pfd. Potasche und 30 Pfd. Kalk auf 100 Pfd. Stroh)
                                 erneuert. Dann ist das Weizenstroh ebenfalls brauchbar. Die Gliedknoten werden
                                 wie die des Roggenstrohes verarbeitet. – Das Weizenstroh zermahlt sich
                                 leicht, es bildet einen sehr magern Zeug, der auf der Form bald troknet und
                                 schnell verarbeitet seyn will.
                              Das Papier hat eine helle, lebhaft gelbe Farbe, ist nicht so stark, als
                                 Roggenstrohpapier, bricht aber nicht so leicht, wenn man es biegt und hat auch
                                 einen, wiewohl schwaͤcheren, natuͤrlichen Leim.
                              Gerstenstroh. Das Gerstenstroh naͤhert sich
                                 viel dem Weizenstroh, obschon es weicher und reicher an Blattern ist. Doch hat
                                 es das Eigene, daß seine Gliedknoten, wenn sie auch nicht so zahlreich sind, als
                                 bei dem anderen Stroh, vielmehr den Erweichungsmitteln widerstehen. Nachdem die
                                 Knoten in Wasser gekocht und in Halbzeug reducirt sind, werden sie mit 8
                                 frischen Laugen waͤhrend 24 Stunden gekocht. Um die viele Muͤhe zu
                                 sparen, kann man die Gliedknoten nach dem ersten Kochen in einen Faulkeller
                                 werfen und waͤhrend 4 Wochen maceriren lassen, wie man fruͤher den
                                 Gebrauch fuͤr die Lumpen hatte. Die Roͤhrchen werden nach
                                 dreistuͤndigem Kochen in reinem Wasser in Halbzeug verwandelt, und noch
                                 ein Mal in 2 frischen Laugen hintereinander gekocht.
                              Die Masse von Gerstenstroh arbeitet sich eben so leicht, als die von Weizenstroh.
                                 Das Papier ist etwas dunkler und hat ungefaͤhr die naͤmliche
                                 Staͤrke und den naͤmlichen Leim. Da es nun weniger Arbeit
                                 erfordert, so ist es dem Weizenstroh vorzuziehen, wenn man es uͤbrigens
                                 so billig haben kann.
                              Haferstroh. Die Materie, welche die Fasern des
                                 Haferstrohes zusammenhaͤlt, ist nicht so reich an Bindungsstoff, als bei
                                 dem anderen Stroh, enthaͤlt weniger Salze, aber mehr Wasser und befindet
                                 sich darin in geringer Menge. Deßwegen ist dieses Stroh das zarteste und
                                 erfordert weniger Arbeit, um weich genug zu werden.
                              
                              Nachdem es sortirt, geschnitten, gewannt, in Wasser gekocht und in Halbzeug
                                 verwandelt ist, wird es ein Mal waͤhrend 3 Stunden in einer Lauge, die
                                 aus 2 Pfd. Potasche und 50 Pfd. Kalk bereitet ist, gekocht. Dann zerreibt es
                                 sich unter den Fingern und hat die erforderliche Biegsamkeit. Dieser Zeug
                                 verarbeitet sich noch leichter, als der von dem anderen Stroh, troknet so
                                 schnell, daß er anstatt auf dem Filz zu kleben, leicht an der Form hangen
                                 bleibt. Deßwegen muß er mit kaltem Wasser und schnell verarbeitet werden. Er
                                 gibt vorzuͤgliche Pappendekel, welche biegsam sind ohne zu brechen und
                                 eine gehoͤrige Staͤrke haben.
                              Das Papier hat eine angenehme, hellgelbe Farbe, ist vielleicht nicht so stark als
                                 das fruͤher beschriebene, dient aber gut zum Einpaken und Schreiben und
                                 besizt eine natuͤrliche halbe Leimung.
                              Da das Haferstroh so wenig Arbeit erfordert, so ist zu bedauern, daß man es nicht
                                 in großer Menge haben kann, indem es meistens zum Fuͤttern verbraucht
                                 wird. – Eben so ist es auch mit dem Stroh von
                                 Huͤlsenfruͤchten; manche Art derselben ist besonders zur
                                 Papierfabrication geeignet, aber nicht in bedeutender Masse vorhanden.
                              
                           
                              b. Stroh von
                                    Huͤlsenfruͤchten.
                              Obschon das Stroh von Huͤlsenfruͤchten, wenigstens das der Erbsen,
                                 Bohnen und Linsen, einige Aehnlichkeit mit dem Getreidestroh hat, so
                                 naͤhert es sich doch mehr dem Hanfstroh. Mit ihm hat es nicht nur die
                                 Fasern, und die klebrige Materie, sondern auch noch das gemein, daß es Sprossen
                                 gibt. Da es aber schwierig waͤre, die Fasern von den Sprossen zu trennen,
                                 und diese lezteren auch wegen der Hoͤhlung des Halms nicht so
                                 betraͤchtlich sind, so kann man alles zusammenlassen und verarbeiten. Die
                                 Sprossen bilden, wenn sie gemahlen sind, zwar kein Gewebe, doch tragen sie mit
                                 den Fasern gemischt zur Ausfuͤllung des Papiers bei und schaden seiner
                                 Staͤrke nur wenig.
                              Die vorlaͤufigen Operationen, von welchen beim Getreidestroh die Rede war,
                                 das Sortiren, Schneiden und Wannen sind hier weder noͤthig, noch
                                 anwendbar; man findet darunter wenig fremde Pflanzen. Die
                                 Unregelmaͤßigkeit dieser Gewaͤchse laͤßt es nicht zu, sie
                                 wie Stroh in regelmaͤßige Stuͤkchen zu schneiden; auch sind die
                                 Knoten beinahe nicht haͤrter, als die Roͤhrchen und koͤnnen
                                 darunter bleiben. Das Stroh wird zuerst in unregelmaͤßige Stuͤke
                                 von 3 bis 8 Zoll gehakt, nachher durch einen gewoͤhnlichen
                                 Lumpenschneider, oder eine Maschine der Art zerrissen.
                              Erbsenstroh. Dieses Stroh scheint durch einige
                                 besondere Eigenschaften zur Papierfabrication geeignet. Es hat an sich etwas Klebriges, welches
                                 den Leim des Papiers vermehren koͤnnte, seine Gliedknoten sind nicht so
                                 hart, seine Huͤlsen sind zart, die Blaͤtter sind es ganz
                                 besonders, und die Stengel haben wenig Holz. Um es gehoͤrig zu
                                 verbrauchen, muͤßte man die Gliedknoten, die Roͤhrchen, die
                                 Schoten und die Blaͤtter, jedes besonders, verarbeiten. Da dieses aber zu
                                 schwierig ist und man selbst die Stengel nicht einmal absondern kann, so muß
                                 alles zusammen verarbeitet werden, natuͤrlich mit der Gefahr viel von der
                                 feinen Masse zu verlieren und kein so vollkommenes Product zu erhalten.
                              Obschon die Huͤlsen und die Blaͤtter des Erbsenstrohs weich sind,
                                 so muß doch das Ganze wegen der Stengel, der Roͤhrchen und der Knoten,
                                 einer ziemlich langen Reihe von Manipulationen unterworfen werden, um zur
                                 Papierfabrication brauchbar zu seyn. Nachdem alles zerschnitten, waͤhrend
                                 3 Stunden in reinem Wasser gekocht, und zu Halbzeug umgearbeitet worden ist,
                                 wird es in eine Lauge gebracht, wo fuͤr 100 Pfd. Stroh 2 Pfd. Potasche
                                 und 60 Pfd. Kalk genommen werden. Die Lauge wird nach dreistuͤndigem
                                 Kochen abgegossen und noch zwei Mal und zwar mit 1 Pfd. Potasche und 50 Pfd.
                                 Kalk erneuert. Der staͤrkere Zusaz von Kalk hat zum Zwek die Stengel so
                                 zu erweichen, daß sie im Hollaͤnder ganz fein zerrieben, und mit dem
                                 Waschwasser groͤßten Theils ausgeschwemmt werden. Deßhalb muß man auch
                                 das Stroh von Erbsen, Bohnen und Linsen langer waschen, als das andere
                                 Stroh.
                              Das Erbsenstroh zermahlt sich leicht, arbeitet sich gut auf der Form, troknet
                                 schnell ein, und gibt ein rothgelbes Papier von ziemlich angenehmem Aussehen.
                                 Wenn es nicht in einer zu starken Lauge gekocht ist, so bemerkt man, wenn man es
                                 durch das Licht betrachtet, in seinem Gewebe einen Theil von den nicht
                                 zerriebenen Stengeln. Es sieht nur dann gleichfoͤrmig aus, wenn das Stroh
                                 gehoͤrig gekocht, rein zermahlen und gut ausgewaschen wurde. Fuͤr
                                 Pakpapier ist dieses freilich nicht noͤthig, kann aber bei weißem Papier
                                 nicht unterlassen werden. Das Papier von Erbsenstroh ist uͤbrigens fest,
                                 bricht nicht, wenn man es zusammenfaltet, und ist als Pakpapier recht
                                 brauchbar.
                              Bohnenstroh. Das Stroh der welschen Bohnen gibt ein
                                 hellbraunes Papier, von geringer Festigkeit; durch einen Zusaz von Lumpen
                                 erlangt es hinlaͤngliche Starke, um zu Pakpapier zu dienen. Dieses Stroh
                                 enthaͤlt mehr Stengel, als das Erbsenstroh; es braucht darum eine Lauge
                                 mehr, muß feiner gemahlen werden, und verarbeitet sich nicht so leicht. Bei ihm
                                 ist der besondere Umstand, daß das Wasser, in welchem man es kocht, statt wie
                                 bei jedem anderen Stroh gelblichroth zu seyn, ins Graue faͤllt. Durch
                                 Alkalien bekommt es die braune Farbe. Die graue Farbe kommt daher, daß die
                                 oberste Haut des Bohnenstrohs schwarz wird, wenn es eine Zeit lang gelegen hat,
                                 und die inneren Theile weiß bleiben. Das Bohnenstroh ist leicht zu bleichen und
                                 verdient in dieser Hinsicht beachtet zu werden.
                              Linsenstroh. Das Linsenstroh naͤhert sich sehr
                                 dem Erbsenstroh; seine Fasern haben die naͤmliche Gestalt und beinahe die
                                 naͤmliche Farbe, sie bilden auch einen magern Zeug. Er hat aber mehr
                                 holzige Theile und kann deßwegen, obschon wie Erbsenstroh verarbeitet, doch
                                 fuͤr sich kein Papier geben. Mischt man es aber mit eben so viel Zeug von
                                 Lumpen; so gibt es ein rothgelbes, ziemlich starkes Pakpapier.
                              Maisstroh. Weit fester und von einer ganz anderen
                                 Beschaffenheit sind die Blaͤtter des Mais. Nachdem man sie geschnitten,
                                 in Wasser gekocht und in Halbzeug umgearbeitet hat, werden sie mit 40 Pfd. Kalk
                                 und 1 Pfd. Potasche gelangt. Dieses ist hinreichend, um die harzigen Theile zu
                                 zerstoͤren. Der Zeug mahlt sich etwas schwieriger, arbeitet sich nicht so
                                 leicht auf der Form und zieht sich waͤhrend des Troknens sehr zusammen,
                                 gibt aber ein festes Papier, welches viele Aehnlichkeit hat mit dem
                                 Pergament- oder Lederpapier, und fast die naͤmliche Starke besizt.
                                 Seine Farbe ist schmuzig gelb. Es ist reicher an natuͤrlichem Leim, als
                                 das andere Strohpapier und bleibt, auch wenn es geglaͤttet wird, rauh
                                 beim Schreiben. Beim Reiben bricht es. Zu Pakpapier und Pappendekel waͤre
                                 dieses Stroh das vorzuͤglichste, wenn man es recht in Menge haben
                                 koͤnnte.
                              Wir haben nun gesehen, daß eine jede Art von Stroh, besonders verarbeitet, in
                                 ihrem natuͤrlichen Zustand durch einfache, leichte und wohlfeile Arbeit
                                 zur Papierfabrication brauchbar wird. Es zeigte sich, daß das Roggenstroh wegen
                                 seiner Menge und seiner Beschaffenheit vorzuziehen ist- und daß Stroh von
                                 Weizen, Gerste und Hafer zwar weniger Arbeit erfordern, aber kein so festes
                                 Product geben. Erbsenstroh ist brauchbar zu Pakpapier, Bohnenstroh laͤßt
                                 sich gut bleichen; vom Linsenstroh ist wenig zu hoffen. Maisstroh ließe sich mit
                                 vielem Vortheil verarbeiten, wenn es leichter zu haben waͤre.
                              Es bleibt nun die Frage uͤbrig: wie man die verschiedenen Alten Stroh
                                 bleichen koͤnne, um sie so gut wie Lumpen zu feinem Papier anzuwenden.
                                 Vorher wollen wir aber noch einige allgemeine Bemerkungen uͤber die
                                 Fabrication des Strohpapiers uͤberhaupt mittheilen.
                              Je nachdem das Stroh im Hollaͤnder gemahlen, oder im Hammerstok gestampft
                                 wird, zeigt sich ein auffallender Unterschied im Papier. Wenn es naͤmlich
                                 im Hammerstok, wo es 8 bis 10 Stunden gehen muß, gewaschen und zerrieben wird,
                                 so hat das Papier ein oͤhliges Ansehen, ist durchsichtig, gleichfoͤrmig, frei von
                                 Knoten und ungeriebenem Zeug, klingender und staͤrker. Wird es aber im
                                 Hollaͤnder gemahlen, so braucht es zwar nur 2 Stunden, das Papier hat das
                                 oͤhlige und durchsichtige Ansehen nicht, es hat aber nicht die
                                 naͤmliche Starke, bricht eher und zeigt ein ungleiches Gewebe. Die
                                 Ursache dieser Erscheinung laͤßt sich wohl einsehen. Im Hammerstok wird
                                 das Stroh zerquetscht und nicht zerschnitten, daher bleiben seine Fasern
                                 laͤnger. Diese laͤngeren Fasern vereinigen sich leicht und bilden
                                 darum ein kernhaftes Papier. Durch das lange Zerreiben verschwinden alle Knoten
                                 und die in den Pflanzen enthaltene oͤhlige Materie wird auch dadurch
                                 frei. Im Hollaͤnder wird dagegen das Stroh mehr zu kurzen und
                                 koͤrnigen Fasern zerschnitten. Diese schlingen sich nicht so
                                 durcheinander, sezen sich vielmehr uͤbereinander und geben darum kein so
                                 festes und gleichfoͤrmiges Fabricat. Da nun das Pakpapier stark und fest
                                 seyn muß und ein oͤhliges Ansehen ihm nichts schadet, so muß man
                                 dafuͤr den Hammerstok gebrauchen; fuͤr weißes Papier ist aber das
                                 oͤhlige Ansehen schaͤdlich, darum kann fuͤr solches nur der
                                 Hollaͤnder angewendet werden. Mischt man aber mehr oder weniger Lumpen
                                 mit dem Stroh, so ist es einerlei, wo man dasselbe mahlt. Geschieht es im
                                 Hollaͤnder, so erhaͤlt es doch seine gehoͤrige
                                 Staͤrke; geschieht es in der Stampfmuͤhle, so verliert sich das
                                 oͤhlige Ansehen. Auch ist es in keinem Fall und bei keinem Stroh
                                 schaͤdlich, wenn man ihm Lumpen beimischt. Der Fabrikant muß dieses nach
                                 seinen Umstaͤnden ermessen.
                              So ist es auch mit dem Kochen im Wasser und in heißen Laugen. Dieses ist nicht
                                 noͤthig und laͤßt sich durch ein mehr oder weniger langes
                                 Eintauchen in Wasser und Lauge ersezen. In diesem Fall legt man das Stroh
                                 waͤhrend 14 Tagen in Wasser, verwandelt es in Halbzeug und wirft es dann
                                 in die Lauge. Hier bleibt es 3 bis 8 Wochen, je nachdem es hart ist. Die Lauge
                                 wird alle 8 Tage erneuert und jeden Tag durcheinander geruͤhrt. Steht
                                 aber das Brennmaterial nicht zu hoch und erlauben es die Umstaͤnde, so
                                 ist es immer besser, das Stroh durch Kochen zu behandeln. Dieses kostet nicht so
                                 viel Arbeit und erfordert weniger Zeit. Der Zeug wird mehr zart und verursacht
                                 weniger Verlust. Der Verlust haͤngt sehr davon ab, wie der Zeug gewaschen
                                 wird; aber auch hier kann man, wie wir bald sehen werden, die Sache so
                                 einrichten, daß er doch nur unbedeutend ist.
                              
                           
                        
                           
                           2. Vom Bleichen
                              
                           Die Hauptmittel, welche sich zum Bleichen des Strohes darbieten, sind: Potasche und
                              Soda, Schwefelsaͤure, Salpetersaͤure, Salzsture und Chlor.
                           Das Chlor wird auf eine dreifache Art gebraucht, luftfoͤrmig, an Wasser
                              gebunden, oder mit einer Base, z.B. Natron und Kalk verbunden. Da man in Fabriken
                              das Einfachste suchen und so viel als moͤglich weitlaͤufige Processe,
                              besonders chemische, die immer schwierig sind, zumal wenn der Fabrikant sind nicht
                              eigens damit beschaͤftigen kann, vermelden muß, so ziehe ich das mit Kalk
                              oder Natron verbundene Chlor dem anderen vor, ohne jedoch dieses ganz
                              auszuschließen. Nichts ist leichter, als der Gebrauch dieser Mittel. Die Weise,
                              diese Salze zu bereiten und ihre Aufloͤsung zu machen, findet sich in allen
                              technischen Buͤchern und ich kann dorthin verweisen.
                           Die erste Methode das Stroh zu bleichen, ist diese: Nachdem es, wie oben beschrieben,
                              gekocht, in Halbzeug reducirt und gelaugt ist, wird es in eine Natronlauge gelegt (5
                              Pfd. Soda auf 100 Pfd. Stroh); hier bleibt es 24 Stunden, dann wird es ausgewaschen
                              und kommt in ein schwefelsaures Bad (3 Pfd. Saͤure auf 100 Pfd. Stroh). Die
                              zwei Baͤder werden wiederholt und die Masse zwischen jedem gut ausgewaschen.
                              Nun wirft man das Stroh in eine Aufloͤsung von Chlorkalk (8 Pfd. Chlorkalk
                              auf 100 Pfd. Stroh). Wir ziehen den Chlorkalk dem Chlornatron vor, da er
                              kraͤftiger und billiger ist. In dieser Aufloͤsung laͤßt man den
                              Zeug 24 Stunden und ruͤhrt ihn alle 6 Stunden um. Dann ist das Stroh
                              gewoͤhnlich weiß. Sollte dieses aber der Fall nicht seyn, was von der Art des
                              Strohes abhaͤngt, so muͤssen die verschiedenen Operationen wiederholt
                              werden, bis es die gehoͤrige Weiße besizt.
                           Der Verlauf dieser Arbeiten liefert einige interessante Beobachtungen. In den Laugen
                              hat der Zeug eine mehr oder weniger braungelbe Farbe; kommt er ins Natronbad, so
                              wird diese dunkel, aus dem Rothen ins Gelbe ziehend. In der Saͤure wird diese
                              weißgelb. Kommt er von da wieder in das Natron, so wird sie wieder roͤthlich,
                              dann in der Saͤure wieder weißgelb, jedoch wird bei jedem Bad die Farbe,
                              welche sie auch seyn mag, schwaͤcher, bis sie endlich durch den Chlorkalk
                              ganz zerstoͤrt wird.
                           Zuweilen sind diese ploͤzlich entstehenden Farben sehr stark, dieses
                              haͤngt von der Menge des Alkalis, der Saͤure, oder des Chlors ab. Es
                              ist noͤthig, sich an die angegebenen Verhaͤltnisse der bleichenden
                              Stoffe zu halten, da, wenn man zu wenig davon anwendet, der Zeug nicht weiß wird, und wenn
                              man zu viel davon nimmt, andere Nachtheile entstehen. Zu viel Alkali gibt dem Zeug
                              eine braunrothe Farbe, die man ihm nicht mehr nehmen kann, zu viel Saͤure
                              verbrennt den Stoff, zu viel Chlor erfordert ein langes Waschen und schadet dem
                              Papier. Die oben angegebenen Verhaͤltnisse zeigten sich mir nach vielen
                              Versuchen als die richtigsten.
                           Es ist noͤthig, zwischen jedem Bad die Strohmasse gehoͤrig zu waschen
                              und sie jedes Mal von dem Alkali, von der Saͤure und von dem Chlorkalk zu
                              befreien. Geschieht dieses bei dem ersten nicht, so neutralisirt sich das Alkali
                              durch die Saͤure, und diese bleibt ohne Wirkung; bleibt Chlorkalk im Stoff,
                              so zieht dieser die Feuchtigkeit der Luft an und zerstoͤrt nach und nach das
                              Papier. Aber dieses Waschen ist beim Bleichen das Schwierigste, es mag nun im
                              Hollaͤnder, im Hammerstok, oder in Buͤtten geschehen. Es ist immer
                              langweilig und mit Nachtheil verbunden. Wird naͤmlich der Zeug im
                              Hollaͤnder oder im Hammerstok gewaschen, was nur da geschehen kann, wo noch
                              Kraft uͤbrig bleibt die anderen Maschinen zu betreiben, so geht gar viel von
                              dem Zeug verloren. Er wird naͤmlich dabei immer noch mehr zertheilt, die
                              feinsten Theile gehen mit dem Wasser fort, und oft geben 100 Pfd. Stroh kaum 20 Pfd.
                              Papier. Will man aber den Zeug in Buͤtten, oder sonst in Gefaͤßen
                              waschen, so hat man eine lange weitlaͤufige Arbeit und erhaͤlt doch
                              nur ein unvollkommenes Resultat.
                           Der Verein fuͤr Gewerbfleiß in Preußen sezte in den Verhandlungen vom Januar
                              und Februar 1831 demjenigen Papierfabrikanten die silberne Denkmuͤnze und 100
                              Thaler aus, welcher bei der Anwendung des Chlors, oder Chlorkalks, als Bleichmittel
                              der Lumpen, oder des Papierstoffes folgendes Verfahren, um die lezten Spuren des
                              Chlors und der Schwefelsaͤure aus dem Zeug zu entfernen, einer genauen
                              Pruͤfung unterwerfen und zugleich ermitteln wuͤrde, wie es am besten
                              ausgefuͤhrt werden koͤnnte, und dann die Resultate dieses Verfahrens,
                              in Vergleich zu dem gewoͤhnlichen bei der Anwendung der Chlorbleiche, sowohl
                              hinsichtlich des Kostenpunkts, als der Vorzuͤge des Fabricats am
                              vollstaͤndigsten nachweisen wuͤrde.
                           
                              „Die mit Chlor oder Chlorkalk gebleichten Lumpen, oder der
                                 Papierstoff wird mit Wasser gewaschen, darauf mit verduͤnnter
                                 Schwefelsaͤure behandelt, um Kalk und Eisenoxyd zu entfernen, hierauf
                                 wieder mit Wasser ausgewaschen, dann mit reiner Natron lauge, um die noch
                                 ruͤkstaͤndige Saͤure zu neutralisiren. Ist dieses
                                 geschehen, so wird im Hollaͤnder, oder einer anderen Vorrichtung,
                                 gehoͤrig nachgewaschen, um alle Salztheile vollkommen zu
                                 entfernen.“
                              
                           Ich bin uͤberzeugt, daß man auf die angegebene Weise seinen Stoff von Saͤure, Chlor
                              oder sonstigen fremden Theilen befreit, aber welche Reihe von Manipulationen, wie
                              viele Auswaschungen sind erforderlich!
                           Hr. H. W. v. Kurrer
                              schlaͤgt vor: die Masse in nicht zu eng geflochtenen Weidenkoͤrben in
                              den Bach, oder in Flußwasser zu bringen, und sie mit Stoͤken so lange zu
                              waschen, bis man denkt, daß sie frei von Saͤuren oder Chlor sey; oder noch
                              besser, statt der Weidenkoͤrbe hoͤlzerne Kasten, gleich den
                              Fischkasten, zu nehmen, welche an den drei das Wasser beruͤhrenden
                              Waͤnden viele Loͤcher haͤtten, damit das unreine Wasser beim
                              Auswaschen schnell ablaufen, und durch frisches stets ersezt werden koͤnne.
                              In diesem Kasten wird die Rasse vermittelst hoͤlzerner Stoͤßer
                              ausgestoßen und gut gewaschen.
                           In meinem genannten Werk gab ich selbst folgende Methode an, die mir vortheilhaft
                              scheint. Man verfertigt eine runde Kiste aus Drahtgewebe, macht durch sie eine Are
                              und legt die Zapfen dieser Are so auf Pfannen, daß der Kasten wenigstens der
                              Haͤlfte nach wagerecht im Wasser liegt. Nun laͤßt man ihn durch irgend
                              eine Vorrichtung, z.B. einen ledernen Riemen, oder eine Kette, in Verbindung mit dem
                              Wasserrad bestaͤndig herumtreiben. So wird die Masse ohne Muͤhe recht
                              gut gewaschen.
                           Erlauben die Umstaͤnde es nicht, dieses Verfahren anzuwenden, so kann man eine
                              vierekige Buͤtte auf dem Boden mit einem Drahtgewebe versehen, und in dieser
                              einen Zeugruͤhrer anbringen, der auf irgend eine Weise bestaͤndig
                              gedreht wird. Ein regelmaͤßiger Wasserstrom bringt fortwaͤhrend so
                              viel Wasser in die Buͤtte, als durch das Drahtgewebe herausfließt. Die Masse
                              wird dann in der Buͤtte durch den Ruͤhrer in bestaͤndiger
                              Bewegung gehalten, und ohne kostspielige Weit ausgewaschen. Zwei oder drei
                              Buͤtten sind hinreichend, um in wenig Zeit eine große Menge Stroh ohne vielen
                              Verlust zu waschen. Man kann die Operation so lange fortsezen, bis Reagentien
                              zeigen, daß die Masse weder Alkali, noch Saͤure, noch Chlor
                              enthaͤlt.
                           Es mag nun mit diesen verschiedenen Waschmethoden, die immer ihre Schwierigkeiten
                              behalten, seyn wie es will, so waͤre es in jedem Fall gut, wenn man sowohl
                              bei Stroh, als bei Lumpen, das Waschen vermindern, oder ganz entbehren
                              koͤnnte. Ich habe vor, fuͤr diesen Zwek einige Versuche zu machen, und
                              will daruͤber vorlaͤufig einige Worte sagen. – Wenn man eine
                              Methode finden koͤnnte, das Stroh auf ein Mal zu bleichen, so waͤre
                              die Sache sehr vereinfacht und nur ein einmaliges Waschen noͤthig. Dazu kann
                              man nur durch gasartiges Chlor, schweflige Saͤure, oder durch Entwikelung des
                              Chlors aus dem Chlorkalk mittelst einer Saͤure gelangen. Bedient man sich des Chlors im
                              gasfoͤrmigen Zustand, so richtet man eine lustdicht verschlossene
                              Buͤtte vor, in welche man das Stroh, nachdem es in Wasser gekocht, in
                              Halbzeug reducirt, in Kalk und Potasche gelaugt und so ausgepreßt wurde, daß es nur
                              etwas feucht ist, auf hinlaͤnglich geraͤumige Horden legt. Diese
                              Horden sind von hoͤlzernen, oder bleiernen, vielfach durchloͤcherten
                              Roͤhren umgeben, aus welchen das in sie aus den Entwiklungsflaschen geleitete
                              Gas uͤber den Zeug stroͤmt. Das Gas greift das Stroh an, die Farbe
                              verschwindet, und es behaͤlt nur ein gelblichweißes Ansehen, welches sich
                              verliert, wenn man den Zeug, ohne ihn zu waschen, in ein Bad von verduͤnnter
                              Schwefelsaͤure bringt. Diese rasche Bleiche erfordert aber besondere
                              Sorgfalt, und einige Kenntnisse bei der Bereitung des Chlors. Auch ist oft nur ein
                              Theil der Masse weiß, der andere mehr oder weniger gelb, indem das Chlor sich nicht
                              gleichfoͤrmig verbreitet und einen Theil mehr als den anderen angreift.
                              Greift es zu viel an, so verbrennt es den Stoff und gibt ihm eine gelbliche Farbe,
                              die ihm nicht mehr zu entziehen ist.
                           Die schweflige Saͤure zeigt ungefaͤhr die naͤmlichen
                              Erscheinungen. Man legt auch das wie oben zubereitete Stroh auf Horden in einen
                              dichten Kasten und sezt diesen mit der Muͤndung einer mit Schwefel
                              gefuͤllten, durch irgend eine Vorrichtung erhizten Retorte in Verbindung. Das
                              Stroh wird durch die schweflige Saͤure angegriffen, verliert etwas von der
                              Starke seiner Farbe, wird aber erst ganz weiß, wenn es 12 Stunden der Wirkung der
                              Saͤure unterworfen war.
                           Diesen beiden, obschon schnellen Bleichmethoden wird man diejenige vorziehen, wo
                              durch irgend eine Saͤure das Chlor aus dem Chlorkalk entwikelt wird. Nachdem
                              das Stroh gehoͤrig zubereitet ist, wird es in ein schwefelsaures Bad geworfen
                              (3 Pfd. Saͤure auf 100 Pfd. Stroh). Nach zwoͤlfstuͤndigem
                              Weichen ist die Saͤule in den Zeug gedrungen und das Bad enthaͤlt
                              keine Kraft mehr. Es wird abgegossen, uͤber die Masse sogleich eine
                              Aufloͤsung von Chlorkalk gebracht, und das Ganze durch einander
                              geruͤhrt. Das Chlor entwikelt sich augenbliklich und in solcher Menge, daß
                              man besonders Acht haben muß, um sich vor seinem schaͤdlichen Einfluß auf die
                              Gesundheit zu bewahren.
                           Es ist nicht leicht zu bestimmen, in welchen Verhaͤltnissen man den Schwefel
                              und den Chlorkalk nehmen soll, da man Chlorkalk von 50 bis 100 Proc. hat. Darum ist
                              es zwekmaͤßig, die Staͤrke des Chlorkalkes zu kennen, da ein Atom
                              Saͤure ein Atom Kalk zersezt, also die Operation nicht gelingt, wenn mit
                              schwachem Chlorkalk wenig Saͤure gebraucht wird, oder wenn man zu viel
                              Saͤure nimmt. In diesem lezteren Fall entwikelt sich kein Chlor,
                              wahrscheinlich wegen der
                              besonderen Weise, auf welche die großen Quantitaͤten wirken. Man muß also mit
                              Huͤlfe eines Chlorometers die Kraft des Kalkes untersuchen und nach seiner
                              Starke die Saͤuren vermehren oder vermindern. Das Chlor zerstoͤrt bei
                              seiner Entwikelung die Farbe des Strohes gaͤnzlich; die Saͤure
                              verbindet sich mit dem Kalk und bildet Gyps, welcher, wenn die Operation gut
                              gefuͤhrt ist, sich in kaum sichtbaren Theilchen niederschlagt. Nimmt man zu
                              viel Kalk und Saͤure, so enthaͤlt die Masse zu viel Gyps, das Papier
                              ist mit grauweißen Puͤnktchen besezt und unbrauchbar. Um diesen Umstand zu
                              vermeiden, kann man statt der Schwefelsaͤure eine Saͤure nehmen, die
                              mit Kalk ein aufloͤsliches Salz bildet, z.B. Salzsaͤure,
                              Salpetersaͤure, oder Essig, da die mit diesen Saͤuren gebildeten
                              Kalksalze im Wasser leicht loͤslich sind. In diesem Fall aber ist die Arbeit
                              dadurch etwas schwierig, daß die Gegenwirkung des Chlors bei einem
                              aufloͤslichen Salz nicht so leicht, als bei einem unaufloͤslichen
                              geschieht, jedoch ist sie sicher, da das Chlor zu dem Wasserstoff, welcher ein
                              Bestandtheil der Pflanzenfarben ist, und Kalk zu den Saͤuren groͤßere
                              Verwandtschaft hat. Die Operation muß in diesem Fall ister wiederholt werden.
                              Obschon zu diesem Zwek jede Saͤure mehr oder weniger dienlich ist, so ziehe
                              ich doch die Salzsaͤure wegen ihres geringen Preises und ihrer
                              groͤßeren Starke vor, und arbeite damit, wie mit der Schwefelsaͤure.
                              Wo aber die Saͤure theuer ist, kann man das Stroh zuerst der Wirkung der
                              schwefligen Saͤuren aussezen, wie oben beschrieben, und dann in die
                              Chlorkalkaufloͤsung werfen. Es bildet sich ein aufloͤsliches,
                              schwefligsaures Kalksalz und das Stroh wird eben so weiß.
                           Diese zulezt genannten Bleichmethoden ersparen den groͤßten Theil der Arbeit,
                              da bei ihrem Gebrauch nur eine Waschung noͤthig ist. Obschon auch sie mit
                              einigen Schwierigkeiten verbunden sind und manche Arten Stroh, besonders die
                              weichen, leicht zu stark angreifen, so ziehe ich dieselben doch uͤberhaupt
                              den anderen Methoden vor und rathe, nach langer Beobachtung, fuͤr die
                              verschiedenen Arten Stroh folgende Bleiche an.
                           Die starke Farbe des Roggenstrohs muß durch das gasfoͤrmige Chlor, oder die
                              Zersezung des Chlorkalks durch Schwefelsaͤure, zerstoͤrt werden. Die
                              Masse behaͤlt in jedem Fall eine etwas gelbliche Faͤrbung, welche man
                              ihr durch ein Bad von verduͤnnter Schwefelsaͤure und durch einen
                              schwachen Zusaz von Blau benimmt. Weizenstroh bleicht sich leicht auf die zu
                              allererst beschriebene Weise; noch leichter durch die Zersezung von Chlorkalk
                              vermittelst Salzsaͤure. Weizenstroh ist am zwekmaͤßigsten zum
                              Bleichen, und Roggenstroh ist am besten zum natuͤrlichen Gebrauch.
                              Gersten- und Haferstroh bleichen sich wie Weizenstroh, jedoch etwas schwieriger.
                              Die gelblichweiße Farbe, welche sie nach der Bleiche behalten, verbessert man durch
                              einen Zusaz von Blau.
                           Erbsenstroh wuͤrde, wegen der Zartheit seiner Fasern, die zuerst beschriebene
                              Bleiche erfordern, muß aber wegen der Staͤrke seiner Farbe durch Chlorgas
                              gebleicht werden. Bohnenstroh im Gegentheil bleicht sich sehr leicht durch jene
                              Baͤder. Es verliert schon in der Saͤure einen Theil seiner Farbe,
                              welche der Chlorkalk ganz zerstoͤrt. Ware dieses Stroh haͤufiger, so
                              koͤnnte man es im Großen zur Verfertigung von weißem Papier benuzen. Das
                              Linsenstroh verhalt sich beim Bleichen wie das Erbsenstroh. Das Maisstroh, welches
                              schon das vorzuͤglichste Stroh zur Bereitung des Pakpapiers ist, bleicht sich
                              durch Zersezung des Chlorkalks leicht. Es erhaͤlt eine angenehme Weiße und
                              kann, wenn man es im Hollaͤnder mahlt, das feinste Papier liefern.
                           Also kann man jede Art Stroh bleichen, um sie zu weißem Papier zu benuzen, so gut wie
                              man sie ungebleicht zu gewoͤhnlichem Papier verarbeiten kann. Allein dieser
                              Bleiche bedarf es kaum, da mehrere Sorten von Strohpapier, ich nenne nur das von
                              Haferstroh, im ungebleichten Zustand eine so angenehme und helle Farbe haben, wie
                              die Weiße bei feinem Lumpenpapier nur seyn mag.
                           Es waͤre mein Wunsch, daß wakere Fabrikanten diese meine Versuche
                              pruͤfen und sie nach ihrer Meinung und ihren Umstaͤnden in Anwendung
                              bringen wollten. Schwierigkeiten duͤrfen nicht abschreken; Beharrlichkeit und
                              Muth vollenden mehr, als man erwartet. Die Fortschritte der Civilisation fordern von
                              uns, daß wir fruͤhzeitig dem ihr durch den bevorstehenden Mangel an Material
                              fuͤr Papier drohenden Hemmnissen begegnen und auch der Hand der Unbemittelten
                              dieses unerlaͤßliche Agens fuͤr alle Bildung in Kunst und Wissenschaft
                              um geringen Preis darbieten. Eine milde, alles Gute stuͤzende und hebende
                              Regierung, ein sicherer Friede, vortheilhafte Vertraͤge fuͤr den
                              vaterlaͤndischen Handel, Alles unterstuͤzt uns dazu.