| Titel: | Nachtrag zu Chevreul's chemischen Untersuchungen über die Färbekunst. | 
| Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. XIX., S. 63 | 
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                        XIX.
                        Nachtrag zu Chevreul's chemischen Untersuchungen
                           uͤber die Faͤrbekunst.
                        Aus dem Journal de Chimie médicale, Febr. 1837, S.
                              92.
                        Chevreul's chemische Untersuchungen uͤber die
                           Faͤrbekunst.
                        
                     
                        
                           Hr. Chevreul hat der Akademie der Wissenschaften in Paris
                              einen Auszug aus seiner 3ten, 4ten, 5ten und 6ten Abhandlung uͤber die Theorie der Faͤrbekunst
                              Chevreul's erste und zweite Abhandlung
                                    uͤber die Theorie der Faͤrbekunst findet man im Polyt. Journal
                                    Bd. LIV. S. 343 und 455.A. d. R. mitgetheilt, worin er die Veraͤnderungen untersucht, welche die
                              Hauptagentien, naͤmlich das reine Wasser, die Atmosphaͤre, das
                              Sonnenlicht und die Waͤrme unter bestimmten Umstaͤnden bei den auf
                              Zeugen befestigten Faͤrbestoffen hervorbringen koͤnnen. Es ist
                              allgemein bekannt, wie schnell sich gewisse Farbstoffe, wie Curcumaͤ, Saflor, Orseille etc.
                              veraͤndern, wenn die Stoffe, worauf sie der Faͤrber befestigt hat, in
                              der Atmosphaͤre dem directen Sonnenlichte ausgesezt werden, aber noch Niemand
                              hat zu ermitteln versucht, welchen Antheil an diesen Veraͤnderungen das Licht
                              hat, naͤmlich ob es dieselben fuͤr sich allein mit Ausschluß des
                              Wasserdampfes und besonders des Sauerstoffs hervorzubringen im Stande ist, oder ob
                              der auf Baumwolle, Seide und Wolle befestigte Farbstoff in gewissen Faͤllen
                              leichter zerstoͤrt wird als in anderen. Die Versuche, welche Hr. Chevreul mehrere Jahre uͤber diesen Gegenstand
                              fortsezte, beschreibt er nun in den citirten Abhandlungen.
                           
                        
                           a) Wirkung des reinen
                                 Wassers.
                           Der Verfasser bewahrte Wollenstoffe, die mit Wau, Gelbholz, Orlean, Orseille,
                              Brasilienholz, Campecheholz, Krapp und Cochenille gefaͤrbt waren, drei Jahre
                              lang in destillirtem Wasser auf; das Gewicht der gefaͤrbten Stoffe stand zu
                              dem des Wassers im Verhaͤltnisse von 1 zu 500; nach Verlauf dieser Zeit
                              konnte man aber durchaus keine Veraͤnderung bemerken. Nach
                              mehrtaͤgigem Verweilen in Schwefelwasserstoffwasser war die mit
                              Schwefelindigosaͤure gefaͤrbte Wolle vollstaͤndig
                              entfaͤrbt, wurde aber an der Luft wieder blau; die mit Orseille
                              gefaͤrbte Wolle war ebenfalls entfaͤrbt und wurde an der Luft wieder
                              violett; die mit Brasilienholz gefaͤrbte Wolle war nach Verlauf eines Monates
                              sehr blaß geworden.
                           
                        
                           b) Wirkung des Lichts, der
                                 atmosphaͤrischen Agentien und des Wasserstoffgases.
                           Baumwollene, seidene und wollene Garne und Gewebe, welche mit Curcumaͤ,
                              Orlean, Saflor, Orseille, Schwefelindigosaͤure, Indigo und Berlinerblau
                              gefaͤrbt waren, wurden auf Pappendekel befestigt dem directen Sonnenlichte
                              unter folgenden Umstaͤnden ausgesezt: 1) in einer Flasche, welche luftleer
                              gemacht war und uͤberdieß Chlorcalcium enthielt; 2) in einer Flasche, welche
                              mit Chlorcalcium getroknete Luft enthielt; 3) in einer Flasche, welche mit
                              Wasserdampf gesaͤttigte Luft enthielt; 4) in der Atmosphaͤre; 5) in
                              einer Flasche, welche reinen Wasserdampf enthielt; 6) in einer Flasche, welche mit
                              Chlorcalcium getroknetes Wasserstoffgas enthielt; 7) in einer Flasche, welche mit
                              Wasserdampf gesaͤttigtes Wasserstoffgas enthielt. Die allgemeinen Resultate,
                              welche diese Versuche lieferten, sind folgende:
                           1. Der auf Baumwolle, Seide und Wolle befestigte Indigo haͤlt sich, wenn er im
                              luftleeren Raume dem Lichte ausgesezt wird, waͤhrend das Berlinerblau auf
                              denselben Stoffen unter gleichen Umstaͤnden weiß wird. –
                              Curcumaͤ, auf diesen Stoffen befestigt, veraͤndert sich im luftleeren Raume unter dem
                              Einflusse des Lichts, waͤhrend die Orseille sich haͤlt.
                           2. Man glaubt allgemein, daß die (thierische) Wolle die groͤßte Verwandtschaft
                              zu den Pigmenten, hingegen der Holzstoff (Baumwolle, Leinen und Hanf) die geringste
                              hat. Diese Ansicht gruͤndet sich jedoch keineswegs auf ein System von
                              Versuchen, und die Beobachtungen Chevreul's benehmen ihr
                              auch ihre Allgemeinheit, wie aus Folgendem hervorgeht:
                           Im trokenen luftleeren Raume hat das Licht keine Wirkung auf Orlean, welcher auf
                              Baumwolle und Seide befestigt ist, waͤhrend es merklich auf solchen wirkt,
                              der auf Wolle befestigt ist. Im Wasserdampf veraͤndert das Licht den auf
                              Wolle und Seide befestigten Saflor innerhalb einer Zeit, wo die damit
                              gefaͤrbte Baumwolle ihre rosenrothe Farbe beibehaͤlt; die einzige
                              Veraͤnderung, welche sie dann erleidet, ist ein Stich in Violett. – Im
                              Wasserdampfe veraͤndert das Licht die auf Wolle und Seide befestigte Orseille
                              nicht, waͤhrend sie sich auf Baumwolle entfaͤrbt. – Im trokenen
                              luftleeren Raume veraͤndert das Licht die auf Seide befestigte
                              Schwefelindigosaͤure nicht, wohl aber die auf Wolle und Baumwolle befestigte.
                              – In trokener Luft und Atmosphaͤre veraͤndert sich diese auf
                              Seide befestigte Saͤure, jedoch bei weitem nicht so leicht als auf anderen
                              Stoffen. – Der auf Stoffen befestigte Indigo zeigt unter dem Einflusse des
                              Lichts, der trokenen Luft und Atmosphaͤre gerade das umgekehrte Verhalten von
                              der Schwefelindigosaͤure; denn jener ist weniger bestaͤndig auf Seide
                              als auf Baumwolle und Wolle.Sehr merkwuͤrdig ist gewiß die Beobachtung Chevreul's, daß die auf Baumwolle und Wolle so
                                    veraͤnderliche Schwefelindigosaͤure auf Seide
                                    bestaͤndiger als der Indigo selbst ist.
                              
                           3. Im luftleeren Raume scheint das Sonnenlicht aus Indigo, Orseille und Saflor fast
                              gar nicht einzuwirken. – In trokener Luft bringt die Einwirkung des Lichts
                              aber ganz andere Veraͤnderungen hervor, doch sind sie nicht bei allen
                              Farbstoffen gleich auffallend. Die Veraͤnderung ist bei Berlinerblau, auf
                              Baumwolle gefaͤrbt, wenig merklich; sie ist es mehr bei dem auf Seide und
                              Wolle gefaͤrbten. Indigo, der auf Wolle und Baumwolle befestigt ist,
                              veraͤndert sich nur wenig, mehr der auf Seide befestigte. Mit
                              Schwefelindigosaͤure gefaͤrbte Seide wird wenig gebleicht, hingegen
                              sehr stark die damit gefaͤrbte Wolle und Baumwolle. Die Orseille wird auf der
                              Baumwolle zerstoͤrt, waͤhrend sie auf der Seide und Wolle eine
                              roͤthliche Spur hinterlaͤßt. Orlean bleibt auf Baumwolle sehr roth,
                              wird aber auf Wolle vollkommen zerstoͤrt. Das Curcumaͤgelb und
                              Saflorroth werden auf allen drei Stoffen vollkommen zerstoͤrt. – Licht
                              und feuchte Luft
                              bringen auf Stoffen, die mit Berlinerblau gefaͤrbt sind, keine viel
                              groͤßere Wirkung hervor, als Licht und trokene Luft; dasselbe ist der Fall
                              bei Indigo, auf Wolle befestigt; ferner auch bei Orseille und Saflor auf den drei
                              Stoffen, bei dem Orlean jedoch bloß auf Wolle und Seide, und selbst bei
                              Curcumaͤ auf allen drei Stoffen (die mit Curcumaͤ gefaͤrbte
                              Seide ist jedoch hoͤher im Grau als die in trokener Luft dem Lichte
                              ausgesezten Proben). Licht und feuchte Luft veraͤndern hingegen weit mehr als
                              Licht und trokene Luft den Indigo auf Baumwolle und die Schwefelindigosaͤure
                              auf den drei Stoffen; besonders auffallend ist der Unterschied bei Seide und Wolle.
                              Curcumaͤ und Orlean auf Baumwolle sind unter dem Einflusse des Lichts viel
                              veraͤnderlicher in feuchter als in trokener Luft. – Die Wirkung des
                              Lichts und der Atmosphaͤre ist beilaͤufig dieselbe wie die des Lichts
                              und der trokenen Luft auf Berlinerblau, auf den auf Wolle gefaͤrbten Indigo
                              und auf den Saflor. Sie ist hingegen staͤrker auf Indigo, der auf Baumwolle
                              und Seide befestigt wurde, auf die Schwefelindigosaͤure, welche auf Seide
                              befestigt ist, auf die Orseille, den Orlean und die Curcumaͤ. Sie ist fast
                              gleich derjenigen des Lichts und der feuchten Luft auf die
                              Schwefelindigosaͤure bei Baumwolle und Wolle, auf den Indigo bei Baumwolle
                              und Seide, und auf den Orlean. Sie ist staͤrker auf die Orseille, den Saflor,
                              Orlean, und besonders die Curcumaͤ. – Licht und Wasserdampf bleichen
                              das auf den Stoffen befestigte Berlinerblau schneller als bloßes Licht. Außerdem
                              entsteht in der Flasche, welche den Wasserdampf enthaͤlt, ein brauner
                              Niederschlag, welcher in der Flasche, worin man den trokenen luftleeren Raum
                              herstellte, nicht Statt findet. Das Licht und der Wasserdampf veraͤndern das
                              Curcumaͤ, den auf Baumwolle und Wolle befestigten Orlean, die auf Baumwolle
                              befestigte Orseille, und doch schwaͤchen sie nur wenig das Saflorroth auf
                              Baumwolle, und kaum die auf Seide und Wolle befestigte Orseille. – Die mit
                              Curcumaͤ, Orlean, Saflor und Orseille gefaͤrbten Stoffe verhalten sich
                              im Wasserstoffgase wie im luftleeren Raume. – Das Licht, das Wasserstoffgas
                              und der Wasserdampf geben zusammen fast aͤhnliche Resultate, wie das Licht
                              und der Wasserdampf.
                           Hinsichtlich der Theorie des Bleichens geht aus diesen Versuchen hervor, daß man mit
                              Ausnahme der mit Berlinerblau gefaͤrbten Stoffe keinen der oben
                              angefuͤhrten durch das Licht vollkommen entfaͤrben kann, und daß man
                              hoͤchstens die mit Curcumaͤ, Orlean, Saflor und Orseille
                              gefaͤrbte Baumwolle an der Luft vollkommen weiß wird bleichen
                              koͤnnen.