| Titel: | Bemerkungen über gewisse aus Kautschuk vermittelst der Destillation erhaltene Flüssigkeiten, von John Dalton. | 
| Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. LIII., S. 216 | 
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                        LIII.
                        Bemerkungen uͤber gewisse aus Kautschuk
                           vermittelst der Destillation erhaltene Fluͤssigkeiten, von John Dalton.
                        Aus dem Philosoph. Magazine, third series No.
                              56.
                        Dalton, uͤber die Destillationsproducte des
                           Kautschuks.
                        
                     
                        
                           Die Versuche des Dr. Gregory uͤber die durch
                              Destillation des Kautschuks erhaltene Fluͤssigkeit haben mich veranlaßt, die
                              Resultate bekannt zu machen, welche ich vor etwa zwei und einem halben Jahre bei
                              Untersuchung desselben Gegenstandes erhalten habe, besonders da meine Versuche
                              vornehmlich darauf abzielten, den von Dr. Gregory
                              aufgestellten Thatsachen noch einige neue hinzuzufuͤgen. Ich
                              uͤbersende daher dem Herausgeber eine Abschrift meiner nicht im Druk
                              erschienenen Abhandlung, die der literarischen und naturforschenden Gesellschaft in
                              Manchester am 17. Oktober 1834 vorgelesen wurde.
                           Das Kautschuk ist zu allgemein bekannt, als daß eine besondere Beschreibung desselben
                              erforderlich waͤre. Es genuͤgt zu bemerken, daß man dasselbe von dem
                              milchigen Safte gewisser Baͤume in Suͤdamerika erhaͤlt, den man
                              sich durch in die Rinde der Baͤume gemachte Einschnitte verschafft. Ist der
                              waͤsserige Theil des Saftes, der mehr als die Haͤlfte von dem Gewichte
                              desselben ausmacht, abgedaͤmpft, so bleibt eine feste elastische Substanz
                              zuruͤk, welche Kautschuk ist. Die Eigenschaften und
                              Eigenthuͤmlichkeiten dieser sonderbaren Substanz sind meistens in chemischen
                              und anderen Werken beschrieben worden, und es ist daher nicht noͤthig,
                              dieselben hier zu erwaͤhnen. Jedoch scheinen einige neue Eigenschaften von
                              Koͤrpern dadurch entdekt worden zu seyn, daß man dasselbe einer wiederholten
                              Destillation unterwarf, und uͤber diese wollen wir einige Bemerkungen
                              machen.
                           Die meisten, wo nicht alle vegetabilischen Producte sind der Zersezung durch Hize
                              unterworfen. Sie loͤsen sich meistens in feste, fluͤssige und
                              elastische Substanzen, einiger Maßen je nach der Statt findenden Temperatur, auf.
                              Die zerstoͤrende Destillation des Holzes kann als Beispiel dienen. Wir
                              finden, daß durch diesen Proceß sich ein fester Koͤrper in einen anderen
                              festen Koͤrper, die Holzkohle, in verschiedene Fluͤssigkeiten, wie
                              Wasser, Essigsaure, Holzgeist, so wie in Gase, wie Kohlensaͤure,
                              Kohlenwasserstoff, Kohlenoxydgas und Wasserstoff zersezt. Kautschuk ist im
                              hoͤchsten Grade verbrennbar. Brennt man einen Streifen davon an, so ist die
                              Flamme weiß und glaͤnzend, und loͤscht man die Flamme ploͤzlich
                              aus, so ist das erhizte Ende weich und beinahe fluͤssig. Hieraus erhellt, daß
                              diese Substanz, ehe sie
                              sich zersezt, in einen fluͤssigen Zustand gebracht, und dann wie fette Oehle
                              wahrscheinlich destillirt werden kann. Aber, wie bei diesen, wuͤrden die
                              Producte der ersten, zweiten und folgenden Destillationen nach und nach immer
                              fluͤchtiger seyn, und eine niedrigere Temperatur zu ihren Destillationen
                              fordern. Dieß scheint wirklich der Fall zu seyn.
                           Da ich von einem unbekannten Freunde vier Flaͤschchen mit
                              Fluͤssigkeiten erhalten hatte, die durch mehrere nach einander angestellte
                              Destillationen (wie ich glaube) erlangt worden waren, so fand ich, daß die erste,
                              eine dunkelfarbige Fluͤssigkeit, ein spec. Gew. von 0,86 zeigte; die zweite,
                              eine nur wenig gefaͤrbte Fluͤssigkeit, 0,837; die dritte, eine
                              farblose Fluͤssigkeit 0,752; die vierte, eine farblose Fluͤssigkeit,
                              0,680. Die lezte ist, glaube ich, leichter als irgend eine andere bekannte
                              Fluͤssigkeit, ausgenommen vielleicht die von Dr.
                                 Faraday erwaͤhnte.
                           Von der ersten Fluͤssigkeit fand ich den Siedepunkt nicht, er ist aber
                              hoͤher, als der von jeder der anderen.
                           
                              
                                 Die zweite
                                 siedet
                                 bei
                                 etwa
                                 290°
                                 oder
                                 300° F.
                                 
                              
                                 die dritte
                                   –
                                 –
                                   –
                                 140°,
                                 
                                 
                                 
                              
                                 die vierte
                                   –
                                 –
                                   –
                                 107°
                                 oder
                                 108°.
                                 
                              
                           Als ich ein wenig von der vierten Fluͤssigkeit durch das Queksilber in eine
                              Barometerroͤhre aufsteigen ließ, so fand ich, daß die Spannkraft ihres
                              Dampfes im luftleeren Raͤume fast der des Schwefelaͤthers gleichkommt.
                              Mit den anderen drei Fluͤssigkeiten machte ich keinen Versuch der Art, weil
                              aus ihren Siedepunkten erhellt, daß ihre Elasticitaͤt im luftleeren
                              Raͤume der vierten bei weitem nachstehen muß.
                           Um das Verhaͤltniß der Verdampfung der vier Fluͤssigkeiten gegen
                              einander bestimmen zu koͤnnen, goß ich kleine Theile von den verschiedenen
                              Fluͤssigkeiten in Glaͤser und tauchte die Kugel eines Thermometers in
                              die Fluͤssigkeiten, indem ich dasselbe sogleich wieder herauszog, um die
                              durch die Verdampfung bewirkte Verminderung der Temperatur zu erfahren. Das
                              Thermometer, welches im Zimmer auf 69 stand, wurde abgekuͤhlt
                           
                              
                                 um 15°
                                 durch vier- oder fuͤnfmal. Eintauch. in
                                    die Fluͤssigkeit
                                 Nr. 4
                                 
                              
                                 um   8°
                                 durch Eintauchen in
                                 Nr. 3
                                 
                              
                                 um   1 1/2°
                                 durch Eintauchen in
                                 Nr. 2
                                 
                              
                                 um   2°
                                 durch Eintauchen in
                                 Nr. 1.
                                 
                              
                           Hieraus ersehen wir, daß die Fluͤssigkeit Nr. 4 bei weitem mehr als die
                              anderen verdampft.
                           Ein hoͤchst merkwuͤrdiger Umstand in Bezug auf diese Verdampfung der
                              Fluͤssigkeit Nr. 4 ist noch zu erwaͤhnen, da sie sich dadurch von dem Dampfe jeder
                              anderen Fluͤssigkeit, die ich bis jezt untersucht habe, unterscheidet. Die
                              Daͤmpfe von Aether, Alkohol, Schwefelkohlenstoff u.s.w. werden leicht vom
                              Wasser absorbirt, eben so wie die Salzsaͤure und das Ammoniakgas, aber der
                              Dampf von der hoͤchst rectificirten Kautschukfluͤssigkeit, wie Nr. 4,
                              kann wiederholentlich durch Wasser hindurch geleitet werden, ohne; daß sich ihre
                              Menge merklich vermindert oder veraͤndert; wenigstens ist die Wirkung nicht
                              staͤrker darauf, als auf oͤhlbildendes Gas. Um eine Menge Luft mit
                              Dampf irgend einer Art zu vermischen, fuͤlle man ein Flaͤschchen mit
                              Queksilber an, lasse die Luft so lange hinein, bis das Flaschchen halb voll ist,
                              kehre es dann behutsam um, troͤpfle ein wenig von der zu verdampfenden
                              Fluͤssigkeit hinein, und stelle sogleich darauf das Flaschchen umgekehrt
                              uͤber Queksilber in die pneumatische Wanne. Der Dampf dehnt alsdann die Luft
                              aus, und in kurzer Zeit ist das Maximum der Ausdehnung erreicht. Die Mischung von
                              Luft und Dampf kann dann zu irgend einem Zweke uͤber Queksilber gebracht
                              werden. Nimmt man jedoch Aether, so ist ein Queksilberapparat nicht durchaus
                              nothwendig. In einer engen Roͤhre kann Aether unter Wasser umgekehrt werden,
                              und, wenn er zureicht, um eine duͤnne Schicht uͤber der
                              Oberflaͤche des Wassers in der Roͤhre zu bilden, so steigt der
                              Aetherdampf in die Luft auf und wird durch die Aetherschicht vom Wasser abgehalten.
                              Auf diese Weise kann die Mischung von Luft und Dampf einen Monat lang ruhig
                              eingeschlossen gehalten werden.
                           Hinsichtlich des Dampfes von der Kautschukfluͤssigkeit Nr. 4 ist keine solche
                              Vorkehrung noͤthig. Ich nahm einen graduirten Cylinder von 4 oder 5 Zoll im
                              Durchmesser, fuͤllte ihn mit Wasser, ließ 60 Kubikzoll Luft hinein und drehte
                              den Hahn zu. Darauf brachte ich 20 oder 30 Wassermaaßgran von der
                              Fluͤssigkeit in eine Roͤhre, und stellte sie umgekehrt in das Wasser
                              in dem Cylinder, durch das sie zu der Oberflaͤche aufstieg, und sogleich
                              uͤber dieselbe ein duͤnnes Haͤutchen von oͤhligem
                              Aussehen breitete. Dieses Haͤutchen verschwand nach und nach fast ganz,
                              zugleich dehnte sich allmaͤhlich die Luft aus, und erhielt in
                              ungefaͤhr zwanzig Minuten ihre voͤllige Ausdehnung, indem sie bei
                              einer Temperatur zwischen 60° und 70° ungefaͤhr 90 Kubikzoll
                              einnahm. In diesem Zustande blieb sie Tage lang, und es fand keine
                              Veraͤnderung des Volumens Statt, wenn nicht eine Veraͤnderung in dem
                              Druke oder der Temperatur der Atmosphaͤre erfolgte.
                           Diese Bestaͤndigkeit des Dampfes uͤber dem Wasser bietet ein
                              außerordentlich leichtes Mittel zur Auffindung seines specifischen Gewichts dar. Es
                              sollen 60 Kubikzoll gemeiner Luft durch Dampf etwa zu 90 Kubikzoll ausgedehnt werden. Leert man eine
                              Flasche, laͤßt eine gegebene Anzahl von Kubikzoll der Mischung hinein und
                              wiegt dieselbe, so hat man die Data, um das specifische Gewicht des Dampfes zu
                              finden, da das der gemeinen Luft schon bekannt ist. Vermittelst obigen Verfahrens
                              fand ich bei zwei mit Sorgfalt angestellten Versuchen, daß das specifische Gewicht
                              des Dampfes von der hoͤchst rectificirten Kautschukfluͤssigkeit 2,07
                              betrug, da das der gemeinen Luft 1 betraͤgt und bei einer Temperatur zwischen
                              60° und 70° nichts auf den Wasserdampf gerechnet wurde. Bei einem
                              anderen Versuche belief sich das specifische Gewicht fast auf 2.
                           Ein anderer Vortheil, den dieser Dampf darbietet, andere aber nicht, besteht darin,
                              daß, wenn ein gegebenes Gewicht oder Maaß der Fluͤssigkeit durch Wasser
                              geleitet wird, man in den Stand gesezt wird zu erkennen, wie viel davon wirklich in
                              Dampf verwandelt wurde. So sezte ich zu 60 Kubikzoll gemeiner Luft 25 Maaß
                              Fluͤssigkeit von dem spec. Gew. 0,680 hinzu:
                           
                              
                                 in
                                   4 Minuten nahm die Luft und der Dampf
                                    ein
                                 70 Kubikzoll
                                 
                              
                                 
                                   7
                                        –
                                 76     –
                                 
                              
                                 
                                 27     –
                                 80     –
                                 
                              
                           und dann fand keine Zunahme mehr Statt.
                           Berechnet man nun das Gewicht der 20 Kubikzoll Dampf und vergleicht es mit dem
                              Gewichte der 25 Maaß Fluͤssigkeit, so finden wir, daß das Verhaͤltniß
                              fast wie 3 : 4 ist, so daß bloß drei Viertel dieser hoͤchst rectificirten
                              Fluͤssigkeit unter solchen Umstaͤnden verdampfen und das Uebrige ein
                              feines und theilweise schmieriges Oehl uͤber der Oberflaͤche des
                              Wassers bildet. Daraus erhellt, daß noch ein hoͤherer Grad von Rectification
                              der Fluͤssigkeit erreichbar sey.
                           Diese vier Fluͤssigkeiten sind alle, wie sich erwarten ließ, aͤußerst
                              verbrennlich; ein brennendes Licht an dieselben gehalten entzuͤndet sie
                              sogleich. Sie brennen alle mit einer weißen Flamme und vielem Rauche. Nr. 4
                              laͤßt keinen Ruͤkstand, die anderen dagegen lassen Spuren von
                              Kohlenstoff und Feuchtigkeit. Der geringste elektrische Funke sezt Nr. 4 und Nr. 3
                              in Brand.
                           Der Dampf ist auch aͤußerst entzuͤndlich und kann bei einer Vermischung
                              mit Sauerstoff in Volta's Eudiometer zur Explosion
                              gebracht werden. Eine Mischung, die 1 Maaß Dampf enthaͤlt, erfordert 6 Maaß
                              Sauerstoff, und erzeugt 4 Maaß Kohlensaͤure. Sie wuͤrde demnach
                              offenbar aus 2 Atomen verdichtetem, oͤhlbildendem Gase bestehen, die den Raum
                              eines Atomes des besagten Gases einnehmen.
                           Chlorgas wirkt auf den Dampf gerade so wie auf oͤhlbildendes Gas. In einem
                              Falle schienen sie sich in gleichem Volumen zu verbinden, in einem anderen aber wurde mehr
                              Chlor aufgenommen. Ich sezte diese Untersuchung nicht weiter fort.
                           Chlorkalkaufloͤsung scheint keine Wirkung auf den Dampf zu haben.
                           Obgleich der Dampf von dem Wasser nicht in einem vorzuͤglichen Grade absorbirt
                              wird, so finde ich doch, daß Wasser ein Achtel seines Volumens von dem Dampfe
                              aufnimmt, in welchem Verhaͤltnisse auch oͤhlbildendes Gas und
                              Phosphorwasserstoff absorbirt werden. Er kann durch ein anderes Gas ausgetrieben
                              werde, aber nicht voͤllig, wie es aus einem oder zwei Versuchen sich
                              ergab.
                           Es ist hier noch zu erwaͤhnen, daß ich der Gesellschaft im Jahre 1820 eine
                              Abhandlung uͤber das oͤhlbildende Gas vorlas, die nebst einigen
                              Zusaͤzen in dem vierten Bande (neue Reihe) der Memoiren der Gesellschaft vom
                              Jahre 1824 veroͤffentlicht worden ist. In dieser Abhandlung wurde
                              nachgewiesen, daß der gewoͤhnlich sowohl in Oehl- als Kohlengas
                              gefundene Theil des Gases, der wegen seiner Vereinigung mit Chlor
                              oͤhlbildendes Gas genannt wurde, nicht einerlei sey mit dem aus Alkohol
                              vermittelst Schwefelsaure erhaltenen. Das erste ist weit dichter und erfordert zur
                              Verbrennung mehr Sauerstoff als das Leztere. Aus Mangel an einem bestimmteren
                              Ausdruke nannte ich es uͤberoͤhlbildendes Gas. Es wurde gezeigt, daß
                              es von dem Wasser mehr als die anderen Ingredienzien des Oehlgases absorbirt werden
                              koͤnne; und es wurde die Vermuthung aufgestellt, daß das neue Gas aus einem
                              Gase bestehen moͤchte, das in einem Atome zwei Atome oͤhlbildendes Gas
                              enthielte oder vereinigte, und das ein groͤßeres specifisches Gewicht habe,
                              als das gewoͤhnliche oͤhlbildende Gas. Ich zweifle jezt nicht daran,
                              daß mein uͤberoͤhlbildendes Gas einerlei ist mit dem Dampfe, den wir
                              so eben betrachtet haben. Beide werden aus oͤhligen Substanzen und Kohle
                              vermittelst Hize erhalten, sie stimmen in ihrer Wirkung auf das Chlor
                              uͤberein, und werden von dem Wasser in gleichem Grade absorbirt, so wie sie
                              auch, so viel ich weiß, hinsichtlich ihres specifischen Gewichtes und ihrer Produkte
                              der Verbrennung uͤbereinkommen.
                           Im Jahre 1825 machte Dr. Faraday in den Phil. Trans. of the Royal Society eine Abhandlung
                              bekannt, worin einige neue Producte angefuͤhrt werden, die waͤhrend
                              der Zersezung des Oehles durch Hize erhalten wurden, von denen eins er einen neuen
                              Kohlenwasserstoff nennt. Dieser scheint alle Eigenschaften des Dampfes zu besizen,
                              den wir eben beschrieben haben.
                           Die fetten Oehle des Kautschuks bestehen vornehmlich aus Kohlenstoff und Wasserstoff;
                              ja wir koͤnnen selbst sagen, aus oͤhlbildendem Gase oder vielmehr aus
                              doppeltoͤhlbildendem Gase, denn die Grundstoffe dieser Gase stehen fast in dem
                              naͤmlichen Verhaͤltnisse, wie die der Oehle und Harze. Es ist eine
                              merkwuͤrdige Eigenschaft dieser lezten Koͤrper, daß sie in ihrem
                              gewoͤhnlichen Zustande einen hohen Grad von Hize vertragen koͤnnen,
                              ohne sich zu verfluͤchtigen; werden sie aber der zur Destillation
                              erforderlichen Temperatur unterworfen und diese Destillation wird wiederholt, so
                              werden sie immer noch fluͤchtiger, bis man zulezt eine Fluͤssigkeit
                              erhaͤlt, deren Bestandtheile eine Verbindung von 2 Atomen
                              oͤhlbildenden Gases sind.