| Titel: | Bericht über Fonvielle's Apparat zum Filtriren des Wassers; von Hrn. Arago. | 
| Fundstelle: | Band 67, Jahrgang 1838, Nr. LXII., S. 219 | 
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                        LXII.
                        Bericht uͤber Fonvielle's Apparat zum Filtriren des Wassers;
                           von Hrn. Arago.
                        Aus dem Recueil industriel, Novbr. 1837, S.
                              81.
                        Fonvielle's Apparat zum Filtriren des Wassers.
                        
                     
                        
                           Die Akademie der Wissenschaften hat die HH. Gay-Lussac,
                                 Magendie, Robiquet und mich beauftragt, den Filtrirapparat des Hrn.
                              Heinrich v. Fonvielle zu untersuchen. Das Filtriren des
                              Wassers ist eine Sache von der groͤßten Wichtigkeit, und da die Akademie
                              sowohl von der Regierung als von den Magistraten der groͤßeren Staͤdte
                              und selbst von einzelnen Privaten so haͤufig uͤber diesen Gegenstand
                              befragt wird, so schien es uns zwekmaͤßig, das Problem in seiner ganzen
                              Allgemeinheit zu betrachten. Dieß war uͤbrigens auch das beste Mittel, um die
                              neuen Verfahrungsarten, woruͤber wir uns aussprechen sollten, gehoͤrig
                              zu wuͤrdigen.
                           Die Menschen bedienen sich als Getraͤnk, zur Bereitung der Nahrungsmittel,
                              fuͤr die Zweke der Reinigung, endlich zum technischen Gebrauche des
                              Cisternen-, Brunnen-, Quell- und Flußwassers. Diese vier Arten
                              Wasser haben einen gemeinschaftlichen Ursprung, den Regen. Das Regenwasser ist in
                              der Regel so rein, daß man darin nur mit den empfindlichsten chemischen Reagentien
                              einige fremdartige Substanzen entdeken kann. Mit den geeigneten Materialien erbaute
                              Cisternen waren also das beste Mittel, sich vortreffliches Wasser zum Trinken zu
                              verschaffen, wenn der Regen direct in sie fiele, und wenn er nicht den Unrath,
                              Staub, die Insecten etc. mit sich hineinbraͤchte, welche sich waͤhrend
                              der trokenen Jahreszeit auf den Terrassen und Daͤchern, woruͤber er
                              ablaͤuft, angesammelt haben. In Venedig zeigte sich dieser Uebelstand bei der
                              großen Cisterne des herzoglichen Pallastes in so hohem Grade, daß der Baumeister
                              fuͤr noͤthig fand, das Regenwasser einer Reinigung zu unterwerfen, ehe
                              es in den großen Behaͤlter gelangt, wo es das Publicum ausschoͤpft; er
                              ließ es zu diesem Zweke eine breite poroͤse Schichte durchstreichen, in deren
                              Zwischenraͤumen sich die fremdartigen, in ihm schwebenden Substanzen zum
                              Theil absezen mußten.
                           Von den Brunnen gilt beinahe dasselbe wie von den Cisternen; nur werden sie nicht
                              durch große Canaͤle aus Mauerwerk, Baksteinen oder Metall gespeist; das
                              Regenwasser gelangt in sie so zu sagen tropfenweise durch die Rizen des Bodens,
                              welche gewoͤhnlich sehr eng sind. In der Regel treffen die
                              Wasserfaͤden auf diesem langen und schwierigen Wege loͤsliche
                              Substanzen an, wovon sie also mehr oder weniger aufnehmen. Das Wasser aus den
                              Brunnen ist daher kein eigentliches Regenwasser mehr; es ist zwar eben so klar und
                              durchsichtig, enthaͤlt aber fast immer Substanzen aufgeloͤst, welche
                              nach der geognostischen Beschaffenheit des Landes verschieden sind.
                           Das so eben Gesagte gilt auch fuͤr die Quellen. Ihr Wasser ist ebenfalls
                              Regenwasser, welches, nachdem es eine mehr oder weniger dike Schichte der Erdrinde
                              durchdrungen hat, auf die Oberflaͤche durch ein Heberspiel
                              zuruͤkgebracht wird, oder mit anderen Worten, durch den Druk ununterbrochener
                              Wasserfaden, die von hohen Stellen ausgehen. Die Natur und Quantitaͤt der im
                              Quellwasser aufgeloͤsten fremdartigen Substanzen haͤngt
                              uͤbrigens auch von der Laͤnge des Weges ab, den es im Inneren der Erde
                              durchlaufen hat und von den Gebirgsarten, welche es dabei antraf. Wenn diese
                              Gebirgsarten von einer gewissen Beschaffenheit sind, wird das Land eine Menge
                              Mineralquellen haben; wenn die Tiefe, bis zu welcher das Wasser hinabgelangt (in
                              senkrechter Richtung) bedeutend ist, so wird es als eine heiße Quelle
                              heraufkommen.
                           Jeder Fluß fuͤhrt in das Meer das Wasser einer Hauptquelle nebst dem einer
                              gewissen Anzahl Quellen von geringerer Bedeutung, die sich jenem auf seinem Wege
                              beigesellen. Man sollte hienach glauben, daß das Wasser eines Flusses gleichsam die
                              mittlere chemische Constitution von dem Wasser aller Quellen des in seiner
                              Naͤhe befindlichen Landes darbieten muͤßte; man muß jedoch bedenken,
                              daß zur Zeit eines starken Plazregens das Regenwasser nicht ganz in die Erde
                              einsikert, sondern uͤber die Oberflaͤche des Bodens und besonders der
                              Abhaͤnge in sehr großer Menge und mit Schnelligkeit hinlaͤuft, wobei
                              es nur sehr wenig fremdartige Substanzen aufloͤsen kann, im
                              Verhaͤltnisse zu der Quantitaͤt, die es aufgenommen haben
                              wuͤrde, wenn es in sehr duͤnne Faden zertheilt worden waͤre,
                              wovon so zu sagen jedes Molekel fuͤr sich und lange Zeit mit den
                              aufloͤslichen Bestandtheilen des Erdreichs in Beruͤhrung gekommen
                              waͤre. Zu diesem Umstaͤnde, der offenbar zur Reinheit des Flußwassers
                              beitraͤgt, kommt noch, daß der kohlensaure Kalk nur in
                              uͤberschuͤssiger Kohlensaͤure aufloͤslich ist und daß
                              diese uͤberschuͤssige Kohlensaͤure entweicht, wenn das Wasser der Luft lange
                              ausgesezt ist, worauf der kohlensaure Kalk sich niederschlaͤgt.
                           Diese Bemerkungen gelten jedoch nur vom allgemeinen Gesichtspunkte aus; denn man
                              koͤnnte sich, ohne von den bekannten Regeln der Geognosie abzuweichen, wohl
                              ein Terrain vorstellen und auch auffinden, in welchem die Brunnen und Quellen
                              reines, die benachbarten Fluͤsse hingegen sehr salzhaltiges Wasser geben
                              wuͤrden. Wir wollten durch obige Bemerkungen bloß erklaͤren, warum
                              gewoͤhnlich der umgekehrte Fall Statt findet und z.B. das Wasser der Seine
                              und Garonne bedeutend reiner ist, als das der meisten Quellen und Brunnen derjenigen
                              Gegenden, durch welche diese beiden Fluͤsse laufen.
                           Die groͤßere chemische Reinheit des Flußwassers wird uͤbrigens durch
                              den Umstand, daß es in der Regel truͤbe ist, mehr als aufgewogen: bei jedem
                              Gußregen reißt das Wasser auf seinem schnellen Laufe Erde, Sand, Kies etc. von dem
                              Boden los und fuͤhrt alle diese Substanzen bis in das Bett der Fluͤsse
                              mit sich.
                           Die Menge fremdartiger Substanzen, welche im Flußwasser zur Zeit des Steigens oder
                              der staͤrksten Truͤbung suspendirt ist, ist, wie sich erwarten
                              laͤßt, bei verschiedenen Fluͤssen sehr verschieden. Bei der Seine
                              betraͤgt sich bisweilen 1/2000. Wer also taͤglich drei Liter
                              unfiltrirtes Seinewasser zur Zeit der staͤrksten Truͤbung trinken
                              wuͤrde, bekaͤme in seinen Magen anderthalb Gramme erdiger Substanzen.
                              Welchen Einfluß muͤßte dieses nach laͤngerer Zeit auf die Gesundheit
                              haben? Daruͤber ist sehr viel gestritten worden, und einige der eifrigsten
                              Vertheidiger des truͤben Wassers stuͤzten sich sogar auf die
                              Beobachtung, daß die Thiere, die Heerden insbesondere, nicht eher anfangen, sich den
                              Durst aus den Pfuͤzen, die sie auf ihrem Wege antreffen, zu loͤschen,
                              als nachdem sie den Boden derselben mit den Fuͤßen aufgestoßen haben. Ganz
                              abgesehen von dem Einflusse auf die Gesundheit, ist es aber gewiß sehr unangenehm,
                              schlammiges Wasser trinken zu muͤssen. Zu jeder Zeit und in allen
                              Laͤndern wollte man das Trinkwasser klar haben: deßwegen haben die Alten mit
                              großen Kosten tiefe Brunnen gegraben oder Quellen durch herrliche Wasserleitungen
                              aus weiter Entfernung herbeigezogen, selbst wenn große Fluͤsse oder breite
                              Stroͤme ihre Staͤdte durchschnitten.
                           Das Wasser nimmt den Schlamm nur in Folge seiner raschen Bewegung durch das Erdreich
                              auf; wenn es ruhig steht, schlaͤgt er sich daraus nieder und die
                              Fluͤssigkeit erhaͤlt wieder ihre natuͤrliche Klarheit. Leider
                              dauert es aber zu lang, bis man es auf diesem einfachen Wege klar erhaͤlt.
                              Aus den sehr interessanten Versuchen, welche Hr. Leupold
                              in Bordeaux angestellt hat, geht hervor, daß das Wasser der Garonne, wenn man es zur
                              Zeit der staͤrksten Truͤbung ausschoͤpft, zehn Tage ganz ruhig stehen bleiben
                              kann, ohne seine natuͤrliche Klarheit vollkommen wieder zu erlangen. Im
                              Anfange schlagen sich zwar die groͤbsten Unreinigkeiten sehr schnell nieder,
                              die feinsten aber aͤußerst langsam.
                           Die Klaͤrung des Wassers durch Stehenlassen desselben laͤßt sich daher
                              zum Reinigen des Trinkwassers fuͤr große Staͤdte nicht benuzen. Es
                              waͤren dazu wenigstens acht bis zehn Bassins noͤthig, wovon jedes so
                              viel Wasser fassen muͤßte, als an einem Tage verbraucht wird. Dazu kommt
                              noch, daß das Wasser an gewissen Orten und besonders zu gewissen Jahreszeiten, wenn
                              es ganz stillstehend dem freien Luftzutritte acht bis zehn Tage nach einander
                              ausgesezt ist, einen schlechten Geschmak erhaͤlt, entweder weil zahllose
                              Insecten, die aus der Atmosphaͤre hineinfallen, darin verfaulen, oder in
                              Folge der Vegetationserscheinungen, die auf seiner Oberflaͤche Statt finden.
                              Indessen kann das Stillstehen des Wassers doch benuzt werden, um es von den
                              schwersten und groͤbsten, in ihm suspendirten Materien zu befreien, und nur
                              in dieser Absicht wird es auch in England und Frankreich in großen Behaͤltern
                              gesammelt, worin es zum Absezen stehen bleibt.
                           Man hat durch Zufall ein Mittel entdekt, wodurch sich die Faͤllung der
                              erdigen, im Wasser schwebenden Substanzen sehr beschleunigen und fast augenbliklich
                              bewerkstelligen laͤßt; es besteht darin, gepulverten Alaun hineinzuwerfen.
                              Der grobe Schlamm, welchen die Seine mitfuͤhrt, sammelt sich, wenn man das
                              Wasser mit Alaun versezt, in lange, dike Streifen, und schlaͤgt sich sehr
                              schnell nieder. Die Theorie dieser Erscheinung verdient von den Chemikern genau
                              erforscht zu werden; so viel ist gewiß, daß dieses nicht mit dem Schlamme aller
                              Fluͤsse erfolgt. Auch ist die Klaͤrung durch Alaun nicht immer
                              vollstaͤndig; gewisse sehr zarte Substanzen entgehen der Einwirkung dieses
                              Salzes, bleiben in der Fluͤssigkeit schwebend und machen sie noch
                              truͤb, wenn alle Streifen verschwunden sind. Da also das Wasser nach dem
                              Alaunen doch noch wie gewoͤhnlich filtrirt werden muß, so darf man sich nicht
                              wundern, daß der Alaun als Klaͤrungsmittel nicht in Gebrauch kam; auch
                              wuͤrde er das filtrirte Wasser merklich vertheuern. Endlich ist die Anwendung
                              desselben auch schon deßwegen zu verwerfen, weil er die chemische Reinheit des
                              Flußwassers veraͤndert, indem er ein Salz in dasselbe einfuͤhrt,
                              welches vorher nicht darin enthalten war, und wenn dasselbe in gewissen
                              Verhaͤltnissen auch ganz unschaͤdlich ist, so koͤnnten diese
                              doch bisweilen durch Nachlaͤssigkeit der Arbeiter uͤberschritten
                              werden; uͤberhaupt muß man, um das Publicum nicht mißtrauisch zu machen, zum
                              Klaͤren des Wassers nur unwirksame Substanzen, oder wenigstens nur solche anwenden,
                              die an das Wasser nichts abgeben koͤnnen. Von dieser Art sind: mehr oder
                              weniger großer Kies, mehr oder weniger feiner Sand und Kohlenpulver. Auf die Idee
                              Kies und Sand zum Klaͤren des truͤben Wassers zu benuzen, wurden die
                              Menschen ohne Zweifel durch die Betrachtung gefuͤhrt, daß so viele
                              natuͤrliche Quellen auffallend klar aus sandigem Erdreich kommen; sie ist
                              auch schon sehr alt. Eine Schichte feinen Sandes kann beim Filtriren des Wassers
                              wohl nur auf die Art wirken, daß sie eine Masse krummer Haarroͤhrchen bildet,
                              durch welche die fluͤssigen Molekeln passiren koͤnnen, waͤhrend
                              die erdigen in lezteren schwebenden Substanzen in Folge ihrer staͤrkeren
                              Dimensionen darin zuruͤkgehalten werden.
                           Durch die Versuche von Lowitz, Berthollet, Saussure, Figuier,
                                 Bussy, Payen und einiger anderen Chemiker ist es allgemein bekannt, daß die
                              Kohle die Eigenschaft hat die bei der Faͤulniß organischer Substanzen
                              entstehenden Materien zu absorbiren; die Rolle, welche die Kohle bei der
                              Faͤulniß des Wassers spielt, kann also nicht zweifelhaft seyn.
                           Was die Theorie betrifft, so ist man mit dem Klaͤren des Wassers fast ganz im
                              Reinen, keineswegs aber in oͤkonomischer und technischer Hinsicht, besonders
                              wenn es sich darum handelt, die Operationen in sehr großem Maaßstabe
                              vorzunehmen.
                           Kuͤrzlich wurden in Großbritannien und besonders in Glasgow bedeutende
                              Versuche uͤber das Reinigen des Wassers angestellt, welche Millionen
                              kosteten; sie gelangen aber nicht und mehrere reiche Compagnien wurden dadurch zu
                              Grunde gerichtet. Bei der Ausmittelung technischer Verfahrungsarten sind die
                              Erscheinungen in der Natur gewiß ein trefflicher Wegweiser, aber nur dann, wenn man
                              sich nicht durch unvollkommene Aehnlichkeiten verfuͤhren laͤßt. Dieß
                              war auch der Hauptgrund der in Schottland begangenen Fehler; gewisse Quellen, sagte
                              man sich, laufen gleichfoͤrmig, ohne Unterbrechung; seit Jahrhunderten geben
                              sie dieselbe Menge klaren Wassers, warum sollte dieß nicht auch bei einer
                              kuͤnstlichen Quelle unter aͤhnlichen Umstaͤnden der Fall seyn?
                              Ist es aber denn auch gewiß, daß diese natuͤrlichen Quellen, wovon man so
                              viel spricht, keine Verminderung erlitten haben? Wer hat sorgfaͤltig und
                              jaͤhrlich das von ihnen gelieferte Wasserquantum mit der Menge des gefallenen
                              Regens verglichen? Auch hat bei der kuͤnstlichen Quelle – und hierin
                              haben besonders die schottischen Ingenieure bei ihrer Vergleichung gefehlt –
                              die filtrirende Schichte immer eine beschraͤnkte Ausdehnung, waͤhrend
                              das kaum truͤbe Wasser der natuͤrlichen Quellen in Sandschichten
                              geklaͤrt wird, die oft ganze Provinzen einnehmen. Im ersten Fall muß also die Verstopfung der
                              filtrirenden Haarroͤhrchen sehr rasch erfolgen, im zweiten aber langsam und
                              fast unmerklich.
                           Hieraus geht hervor, daß keine kuͤnstliche Filtrirmethode dem Zwek entsprechen
                              kann, wenn man nicht Mittel besizt, die Filter schnell, wohlfeil und sicher zu
                              reinigen. Nur eine der acht großen Wassercompagnien in London, welche ihr Wasser
                              klaͤrt, die Compagnie in Chelsea, hat den Zwek erreicht, indem sie drei
                              ungeheure mit einander communicirende Bassins errichtete; in den beiden ersten sezen
                              sich in der Ruhe die groͤbsten Substanzen ab; in der dritten muß das Wasser
                              eine dike Schichte von Sand und Kies durchdringen, worin es sich dann ganz
                              klaͤrt. Nachdem das Wasser aus diesem dritten Bassin ganz abgelaufen ist, ist
                              die filtrirende Sandmasse entbloͤßt; die Arbeiter schaffen dann die obere vom
                              Saz stark verunreinigte Schichte weg und ersezen sie durch neuen Sand.
                           Ich muß hier eine Bemerkung machen: der geschikte Ingenieur der Compagnie von Chelsea
                              hat gewiß nicht umsonst seiner filtrirenden Masse eine Dike von 6 engl. Fuß gegeben.
                              Die oberen Schichten, naͤmlich diejenigen, welche die Arbeiter von Zeit zu
                              Zeit erneuern, wirken ohne Zweifel staͤrker als die anderen; die unteren
                              Schichten sind aber auch nicht ohne Wirkung und muͤssen sich daher ebenfalls
                              nach und nach verstopfen, so daß das taͤglich vom Filter gelieferte
                              Wasserquantum abnimmt; es muß folglich auch eine Zeit kommen, wo es noͤthig
                              ist, die ganze Masse zu erneuern. Um in diesem Falle nicht aufgehalten zu werden,
                              sollte noch ein viertes Bassin vorhanden seyn, dem dritten ganz gleich (also von
                              einem Acre Oberflaͤche); dieß haͤtte aber die Gesammtkosten des
                              Filtrirapparats von 300,000 auf 400,000 Fr. erhoͤht und es waͤre
                              uͤberdies auch die Bedienung desselben, welche jaͤhrlich nicht weniger
                              als 25,000 Fr. kostet, vertheuert worden. Da die Compagnie in Chelsea so große
                              Unkosten hat, um taͤglich 10,000 Kubikmeter Wasser zu filtriren, so darf man
                              sich nicht wundern, daß die anderen Compagnien dem Parlament erklaͤrten, daß
                              wenn man sie verpflichten wuͤrde das Wasser der Themse zu filtriren, ihr
                              Verkaufspreis unvermeidlich um 15 Proc. erhoͤht werden muͤßte.
                           Das System, welches der Civilingenieur Robert Thom im
                              Jahre 1828 in Greenock einfuͤhrte, hat vor dem in Chelsea den Vortheil, daß
                              die ganze Masse des filtrirenden Sandes sich von selbst reinigt. Diese Masse bildet
                              eine Schichte von 5 engl. Fuß Dike. Man kann das Wasser nach Belieben oben oder
                              unten in das Bassin eintreten lassen, welches sowohl unten als oben Sand
                              enthaͤlt. Ist das Filtriren z.B. von Oben nach Unten vorgenommen worden, und
                              man bemerkt, daß das Filter sich verstopft (schmierig wird), so laͤßt man einige Zeit
                              Wasser von Unten eintreten, welches dann im Aufsteigen den Saz mit sich fortreißt
                              und in einen besonderen Entleerungscanal bringt.
                           In Frankreich wurde bis jezt das Filtriren des Wassers noch nicht in sehr großem
                              Maaßstabe versucht. In einigen Anstalten dieser Art in Paris benuzt man eine große
                              Anzahl kleiner prismatischer Kasten, welche mit Blei ausgefuͤttert, oben
                              offen sind und unten eine Schichte Kohle zwischen zwei Schichten Sand enthalten.
                              Wenn das Wasser der Seine oder der Marne gerade sehr viel Schlamm enthaͤlt,
                              muͤssen die in diesen verschiedenen Kasten enthaltenen reinigenden Substanzen
                              taͤglich und selbst zwei Mal des Tages erneuert werden. Von jedem Meter der
                              Oberflaͤche des Filters erhaͤlt man in 24 Stunden beilaͤufig
                              3000 Liter geklaͤrtes Wasser. Es gibt aber ein sehr einfaches Mittel von
                              diesen kleinen Kaͤsten eine groͤßere Wassermenge zu erhalten: dasselbe
                              besteht darin, sie hermetisch zu schließen und das Wasser nicht bloß durch sein
                              eigenes Gewicht, sondern mittelst eines starken Druks durch die filtrirende Masse
                              hindurchzutreiben. Dieß ist eine Verbesserung in der Filtrirmethode des Wassers,
                              welche Hr. Heinrich von Fonvielle erdacht und bereits
                              auch ausgefuͤhrt hat.
                           Das Filter des Hrn. v. Fonvielle am
                              Hôtel-Dieu (welches im vorhergehenden Hefte des polytechnischen
                              Journals S. 141 beschrieben und auf Tab. III. Fig. 5
                              abgebildet ist) hat zwar keinen Meter Oberflaͤche,
                              liefert aber doch mit dem einer Queksilbersaͤule von 88 Centimeter
                              entsprechenden Druk (1 1/6 Atmosphaͤre), taͤglich wenigstens 50,000
                              Liter geklaͤrtes Wasser. Es wuͤrde noch weit mehr liefern, wenn die
                              Speisungspumpe bestaͤndig beschikt waͤre; wir haben uns auch durch
                              directe Versuche uͤberzeugt, daß dieses Filter zu gewissen Zeiten in der
                              Minute sogar 95 Liter gab; dieß wuͤrde in 24 Stunden 137,000 Liter ausmachen.
                              Wenn man sich aber auch nur an die erste Zahl haͤlt, so leistet es schon 17
                              Mal mehr als die gegenwaͤrtig in Paris gebraͤuchlichen Apparate.
                           Seitdem Hr. v. Fonvielle seine Abhandlung der Akademie
                              uͤbergeben hat und die Resultate am Hôtel-Dieu bekannt wurden,
                              haben mehrere Personen, unter anderen Hr. Ducommun, die
                              Anwendung von Druk zum Filtriren des Wassers als ihre Erfindung reclamirt. Ganz
                              streng genommen lassen sich diese Reklamationen auch vertheidigen, denn bei allen
                              bekannten Filtrirapparaten und besonders denjenigen, wo die Klaͤrung durch
                              eine aufsteigende Bewegung des Wassers bewirkt wird, findet ein Druk Statt und wenn
                              er auch nur einige Centimeter betraͤgt; aus dem technischen Gesichtspunkt
                              betrachtet ist die Frage aber eine ganz verschiedene; es handelt sich dann darum, ob Jemand vor
                              Hrn. v. Fonvielle das Wasser in luftdicht verschlossenen Gefaͤßen filtrirt hat, worin nichts von
                              dem Druk verloren gehen kann; ob Jemand vor ihm die filtrirenden Materialien so
                              angeordnet hat, daß ein starker Druk die verschiedenen
                              Schichten nicht umkehrt; ob sich endlich Jemand vor ihm uͤberzeugt hat, daß
                              man auch durch rasches Filtriren ein vollkommen klares Wasser erhalten kann? Dieß
                              ist nicht der Fall. Hr. Duncommun bedient sich am
                              Hôtel-Dieu dreier Kufen, um in 24 Stunden 15 Hectoliter Wasser zu
                              klaͤren, waͤhrend eine einzige solche Kufe, nach Hrn. v. Fonvielle's Methode abgeaͤndert, in derselben Zeit
                              900 Hectoliter ganz gereinigtes Wasser anstatt 5 geben wuͤrde. Auch ist die
                              Anwendung eines starken Drukes nur in Verbindung mit einem anderen Verfahren
                              ausfuͤhrbar, dessen Erfindung Hrn. v. F. Niemand streitig macht.
                           Die Erfahrung hat gelehrt, daß bei sehr truͤbem Wasser ein Filter von einem
                              Meter Oberflaͤche wenigstens ein Mal taͤglich gereinigt werden muß,
                              obgleich es in 24 Stunden nur 3000 Liter Wasser klaͤrt; man sollte daher
                              glauben, daß das Filter des Hrn. v. Fonvielle, welches 17
                              Mal mehr durchseiht, sich auch 17 Mal mehr verstopfen wuͤrde, so daß man es
                              von Stunde zu Stunde reinigen muͤßte. Dieß ist aber nicht der Fall: sein
                              Filter braucht nicht oͤfter gereinigt zu werden, als die
                              gewoͤhnlichen. Diese Thatsache erklaͤrt sich sehr einfach, wenn man
                              bedenkt, daß ein Filter unter einem schwachen Druk gleichsam nur durch seine
                              Oberflaͤche wirkt und der Schlamm kaum hineindringt, waͤhrend er sich
                              unter einem betraͤchtlichen Druk tief in dasselbe hineinziehen kann. Niemand
                              wird laͤugnen, daß wenn in einer gegebenen Zeit mehr truͤbes Wasser
                              durch ein Filter hindurchgeht, auch mehr erdige Substanz darin abgesezt werden muß;
                              wenn sich dieselbe aber tiefer in den Sand hinein zerstreut, so kann auch die
                              Durchdringbarkeit des Filters dadurch nicht mehr beeintraͤchtigt werden; nur
                              muß dann auch die Reinigung viel schwieriger werden, aber gerade in dieser Hinsicht
                              ist das neue Verfahren sehr merkwuͤrdig.
                           Ich habe schon gesagt, daß man in Greenock, wenn man das Filtriren des Wassers von
                              Oben nach Unten vornimmt, die Sandmasse auf die Art reinigt, daß man in
                              entgegengesezter Richtung, naͤmlich von Unten nach Oben, eine große Menge
                              Fluͤssigkeit durch sie passiren laͤßt. Dieses Verfahren ist
                              ausreichend, wenn die Filter nur sehr nahe an der Oberflaͤche verstopft sind;
                              die Filter des Hrn. v. Fonvielle erfordern aber
                              kraͤftigere Mittel: diese fand der Erfinder in der Wirkung zweier
                              entgegengesezter Wasserstroͤme, in den Stoͤßen, heftigen
                              Erschuͤtterungen und dadurch entstehenden Wasserwirbeln. Um das luftdicht verschlossene
                              Filter am Hôtel-Dieu zu reinigen, oͤffnet der Arbeiter schnell
                              und fast gleichzeitig die Haͤhne der Roͤhren, welche den oberen und
                              unteren Theil des Apparates mit dem erhoͤhten Wasserbehaͤlter oder mit
                              dem Pumpenkoͤrper, der das Speisungswasser enthaͤlt, in Communication
                              bringen. Es stroͤmen dann durch das Filter rasch und in entgegengesezten
                              Richtungen zwei starke Wasserstroͤme, welche den Sand so zu sagen abreiben;
                              durch diese Stroͤme werden aus dem Kies erdige Materien, welche sonst an ihm
                              haͤngen geblieben waͤren, sicher herausgerissen.
                           Auch ist die Filtrirmethode des Hrn. v. Fonvielle durch
                              die Erfahrung bereits hinreichend bewaͤhrt; sein Apparat ist seit acht
                              Monaten im Hôtel-Dieu ununterbrochen in Gang und dieselbe
                              Sandschichte, von weniger als einem Meter Oberflaͤche, wird seitdem ohne
                              Unterbrechung benuzt und brauchte bisher noch nicht erneuert zu werden;
                              waͤhrend dieser Zeit war aber die Seine schon außerordentlich schlammig und
                              es sind wenigstens 12 Millionen Liter Wasser (12,000 Kubikmeter) durch den Apparat
                              gegangen. Wir waren wegen verschiedener Umstaͤnde nicht im Stande, einen
                              Vorschlag des Hrn. v. Fonvielle, wovon er sich ein sehr
                              gutes Resultat verspricht, zu pruͤfen: derselbe besteht darin, die
                              gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen diken filtrirenden Schichten durch
                              duͤnne, von einander getrennte Schichten zu ersezen; so viel ist aber gewiß,
                              daß er die Moͤglichkeit große Massen Wasser mit sehr kleinen Apparaten zu
                              klaͤren, uͤber allen Zweifel erwiesen hat. Die Erfahrung hat auch
                              gezeigt, daß es ganz unnuͤz ist, zum Filtriren des Seinewassers Kohlenpulver
                              anzuwenden und daß der Sand vollkommen ausreicht, denn die organischen Substanzen
                              sind darin nicht aufgeloͤst, sondern bloß suspendirt.