| Titel: | Ueber zwei besondere Seifensorten; von Hrn. I. Girardin, Professor der Chemie in Rouen. | 
| Fundstelle: | Band 67, Jahrgang 1838, Nr. LXXXIII., S. 309 | 
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                        LXXXIII.
                        Ueber zwei besondere Seifensorten; von Hrn.
                           I. Girardin,
                           Professor der Chemie in Rouen.
                        Aus dem Journal de Pharmacie. Januar 1838, S.
                              1.
                        Girardin, uͤber zwei besondere Seifensorten.
                        
                     
                        
                           In den ersten Monaten des vergangenen Jahres uͤberschikte mir einer meiner
                              ehemaligen Schuͤler, Hr. Claudius
                                 Arnaudtizon, welcher damals eine der bedeutendsten Kattundrukereien
                              bei Glasgow dirigirte, ein Muster von einer Seife, die man seit Kurzem in England
                              und Schottland zu verkaufen anfing, und welche, wie er gehoͤrt hatte,
                              Kieselerde oder Glimmer enthalten sollte.
                           Bekanntlich nahm Hr. Sheridan
                              in England ein Patent auf die Bereitung von Seife mit Zusaz von Kiesel.Polyt. Journal Bd. LX. S. 291. Er benuzt dazu den gewoͤhnlichen Feuerstein, calcinirt und pulvert
                              ihn, indem er ihn waͤhrend des Zerreibens befeuchtet; dann vermengt er dieses
                              Pulver mit aͤzendem Natron oder Kali und kocht das Gemenge bis zur wirklichen
                              Verseifung desselben. Es wird hierauf gewoͤhnlicher Seifenmasse beigemengt,
                              nachdem dieselbe schon gaargesotten und zum Ausgießen in die Formkasten geeignet
                              ist.
                           Diese Seife sieht beinahe aus wie die Harzseife, welche in England
                              gebraͤuchlich ist, und seit einigen Jahren auch in Frankreich, besonders in
                              Rouen und Elbeuf, bereitet wird. Ihr Geruch ist aromatisch und ihre Farbe
                              gelblichbraun. In Wasser loͤst sie sich gut auf und die Aufloͤsung
                              schaͤumt beim Umruͤhren stark. Auf dem Boden der Gefaͤße bleibt
                              aber ein weißes feines Pulver zuruͤk, welches sich stark an sie anhangt.
                              Dieses unaufloͤsliche und geschmaklose Pulver ist Kieselerde.
                           Um zu ermitteln, wie viel Kieselerde diese englische Seife enthaͤlt, sezte ich
                              fuͤnf Gramme davon in einem Platintiegel der Rothgluͤhhize aus und
                              behandelte den gruͤnlichweißen Ruͤkstand mit Salzsaͤure. Ein
                              Theil davon loͤste sich mit Brausen auf; ich verdampfte das Ganze zur Trokniß
                              und suͤßte den so erhaltenen Ruͤkstand mehrmals mit Wasser aus. Auf
                              diese Art erhielt ich die Kieselerde rein; sie wog 0,95 Gr., und das Seifenmuster
                              enthielt also 19 Proc. Kieselerde. Es war uͤbrigens eine Natronseife mit
                              einer geringen Menge Harz.
                           Einige Monate spaͤter kam ich selbst nach London und traf in Piccadilly eine
                              Niederlage von dieser Kieselseife; man verkauft sie daselbst in kleinen Paketen,
                              wovon jedes drei oder mehrere Stuͤke mit folgender Aufschrift
                              enthaͤlt: Sheridan's
                              Patent
                              Silica Soap
                              sold at 38 Regent circus, Piccadilly. Diese Seife ist
                              gruͤnlichweiß; fuͤr drei kleine Taͤfelchen davon, wovon jedes
                              52 Gramme wog, verlangte man mir einen Schilling (36 kr.).
                           Im Jahre 1827 nahm ein anderer Englaͤnder ein Patent auf eine verbesserte
                              Toiletteseift, die gar nicht aͤzend seyn soll. Er bereitet sie, indem er
                              gewoͤhnliche Seife mit 7 Proc. feinem und sehr reinem Thone und 2 Proc.
                              Potasche versezt.
                           Hr. Sheridan kocht den Kiesel
                              mit einer alkalischen Fluͤssigkeit in der Absicht, ihn dadurch
                              aufzuloͤsen; darin taͤuscht er sich aber sehr; denn um den Kiesel mit
                              den Alkalien zu verbinden, so daß er in Wasser aufloͤslich wird, muß man ihn
                              damit bei der Rothgluͤhhize schmelzen. Daß ferner die Kieselerde, wie Hr.
                              Sheridan behauptet, einen
                              Theil des Fettes der Seife zu ersezen vermag, ist so unwahrscheinlich, daß wir uns
                              dabei gar nicht aufzuhalten brauchen.
                           Eine neue Sorte weißer Seife wurde kuͤrzlich von Marseille aus einem
                              Fabrikanten in Rouen geschikt. Sie hat die Tafelform wie die marmorirte Seife, ist
                              sehr weiß und auf dem Schnitt zart, fein und gleichartig, aber nicht ganz so hart
                              wie die gewoͤhnliche weiße Seife. Jede Tafel ist auf zwei Seiten mit
                              folgender Inschrift versehen: P. Groves breveté. Huile d'olives. Savon
                                 chloruré. Marseille. Man hat mir gesagt, daß der englische
                              Fabrikant, welcher diese Seife in Marseille bereitet, Olivenoͤhle anwendet,
                              die zuvor mit Chlorkalk gebleicht worden sind.
                           Ich habe einige Versuche angestellt, um die Zusammensezung dieser Seife und ihren
                              relativen Werth zu bestimmen; das Ergebniß war folgendes:
                           Die neue Seife loͤst sich in heißem Wasser wie die gewoͤhnliche
                              Marseiller Seife auf. Ihre Aufloͤsung ist sehr alkalisch und schaͤumt
                              beim Umruͤhren wenig; sie sezt aber ein weißes und feines Pulver ab, welches
                              sich in Salpetersaͤure aufloͤst und alle Eigenschaften des Kalks
                              besizt. Nach meiner Analyse besteht sie in 100 Theilen aus:
                           
                              
                                 Natron
                                   4,14
                                 
                              
                                 Fetier Substanz
                                 38,00
                                 
                              
                                 Wasser
                                 54,00
                                 
                              
                                 Kalk
                                   2,60
                                 
                              
                                 Kochsalz und schwefelsauren Salzen
                                   1,20
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 99,94
                                 
                              
                           Da die tafelfoͤrmige Marseiller Seife gewoͤhnlich enthaͤlt:
                           
                              
                                 Natron
                                     4,6
                                 
                              
                                 Fette Substanz
                                   50,2
                                 
                              
                                 Wasser
                                   45,2
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           
                           so sieht man, daß die sogenannte chlorhaltige Seife 8,8 Proc. mehr Wasser und
                              uͤberdieß 3,8 Proc. fremdartige Substanzen enthaͤlt, so daß also in
                              der gewoͤhnlichen weißen Seife 12,6 Proc. mehr nuzbare Substanzen sind, als
                              in der neuen Seife.
                           Ich habe die chlorhaltige Seife zum Reinigen von Waͤsche verwenden lassen; es
                              war mehr davon noͤthig als von gewoͤhnlicher tafelfoͤrmiger
                              Marseiller Seife, um dieselbe Wirkung hervorzubringen. Ferner habe ich mit beiden
                              Seifen vergleichungsweise tuͤrkischrothes Baumwollgarn avivirt, wobei sich
                              jedoch kein merklicher Unterschied in der Wirkung zeigte. Auch scheint mir der
                              Kalkgehalt der chlorhaltigen Seife in der That nicht bedeutend genug zu seyn, um
                              beim Aviviren und Rosiren schaden zu koͤnnen.
                           Die sogenannte chlorhaltige Seife sieht schoͤner aus und ist weißer als die
                              gewoͤhnliche Marseiller Seife, aber nicht so chemisch rein; waͤhrend 1
                              Pfd. Marseiller Seife (in Rouen) auf 70 Cent. zu stehen kommt, kostet die
                              chlorhaltige Seife nur 55 Cent.