| Titel: | Ueber den von Hrn. de Valery erfundenen Apparat zum Aufbewahren von Getreide. Auszug aus dem von Baron Seguier der Akademie in Paris erstatteten Berichte. | 
| Fundstelle: | Band 67, Jahrgang 1838, Nr. CI., S. 385 | 
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                        CI.
                        Ueber den von Hrn. de Valery erfundenen Apparat zum Aufbewahren
                           von Getreide. Auszug aus dem von Baron Seguier der Akademie in Paris erstatteten Berichte.
                        Aus dem Echo du monde savant 1838, No. 2, S.
                              6.
                        Valery's Apparat zum Aufbewahren von Getreide.
                        
                     
                        
                           Von den zahlreichen, zum Behufe der Aufbewahrung des Getreides in Vorschlag
                              gebrachten und wirklich probirten Methoden sind einige wesentlich von einander
                              verschieden, waͤhrend zwischen anderen eine merkwuͤrdige Analogie
                              Statt findet. Die bisherigen Leistungen in diesem Fache lassen sich in der
                              Hauptsache in Folgendem zusammenfassen:
                           1) Aufbewahrung durch Luͤftung oder Ventilirung mit oder ohne Bewegung der
                              Koͤrner; 2) Aufbewahrung durch Troknung mittelst angewendeter Waͤrme; 3)
                              Aufbewahrung durch Aufspeicherung in geschlossenen Magazinen, in welchen eine
                              gleichmaͤßige niedrige Temperatur unterhalten wird; 4) Aufbewahrung durch
                              Absperrung des Zutrittes der atmosphaͤrischen Luft.
                           Nach Duhamel handelt es sich bei der Aufbewahrung von
                              Getreide um folgende Bedingungen: 1) Verschließung einer großen Menge Getreides in
                              einem kleinen Raume; 2) Verhuͤtung der (Gaͤhrung und der Entstehung
                              eines uͤblen Geruches; 3) Verhuͤtung der Verwuͤstung durch
                              Voͤgel und vierfuͤßige Thiere; 4) Abhaltung der verschiedenen Arten
                              von Kornwurm und anderer schaͤdlichen Insecten, ohne dadurch großen Aufwand
                              an Kosten oder Arbeit zu verursachen; 5) endlich Verhuͤtung von Diebstahl
                              durch die mit der Aufbewahrung Betrauten. Um allen diesen Bedingungen zu
                              entsprechen, schlug er vor, das Getreide in große, hoͤlzerne, vierekige
                              Kisten zu verschließen, und durch diese Luft ziehen zu lassen. Da er jedoch auf die
                              Ventilirung allein kein unbedingtes Vertrauen sezte, so riech er, das Getreide
                              vorher unter Anwendung von Waͤrme zu troknen.
                           Dartigues schlug vor, das Getreide in eine Reihe von
                              Trichtern, welche gegen Ratten, Mause und Insecten geschuͤzt seyn
                              muͤßten, zu bringen, und es zu bestimmten Zeiten aus einem Trichter in den
                              anderen fallen zu lassen. Der Hauptfehler dieses Systemes ist, daß man das Getreide
                              danach nicht in fortwaͤhrender Bewegung erhalten kann, und daß es, wenn es
                              auch die Waͤhrung mit Erfolg beseitigt, doch gegen die Verheerungen der
                              bereits in dem Getreide enthaltenen Insecten keinen Schuz gewaͤhrt.
                           Die Maschine des Hrn. Cadet de
                              Vaux besteht aus einer Art großen
                              Kaffeeroͤsters, d.h. aus einem Cylinder, durch den eine Achse laͤuft,
                              deren Enden auf einem Behaͤlter aus Blech ruhen. Der Boden dieses
                              Behaͤlters besteht aus einem Roste, auf dem das zum Troknen des Getreides
                              bestimmte Feuer aufgezuͤndet wird. Wenn man die Temperatur auf 90° R.
                              bringt, so kann man der Zerstoͤrung aller im Getreide enthaltener Insecten
                              und ihrer Larven versichert seyn. Allein die Ruͤckehr der Insecten wird auf
                              diese Weise nicht verhindert, und dem Getreide wird seine Keimkraft genommen.
                           Die Insecten zerstoͤrende Muͤhle des Hrn. Terrasse de Billons
                              ist gleichfalls ein umlaufender Trokenapparat; nur ist dessen Bau complicirter. Das
                              Getreide durchlaͤuft mehrere concentrische Schnekengaͤnge und wird
                              dabei einer hohen Temperatur ausgesezt. Uebrigens gelten die gegen die Maschine Cadet de Vaux's gemachten Einwuͤrfe auch hier.
                              Mehrere andere Apparate, die man erfand, leisteten gleichfalls nicht mehr.
                           Der Apparat des Hrn. de Valery
                              entspricht saͤmmtlichen, von dem Erfinder in Folgendem zusammengefaßten Bedingungen:
                              Verschließung des Getreides in dem moͤglich kleinsten Raume; leichte
                              Umwendung desselben mittelst irgend einer Triebkraft, und ohne daß man in dessen
                              Inneres einzudringen braucht; Durchleitung eines Luftstromes durch die in Bewegung
                              befindliche Masse; Abhaltung der von dem Getreide lebenden Thiere und Insecten.
                           Dieser Apparat besteht aus einem großen, hoͤlzernen, um seine Achse
                              umlaufenden Cylinder mit Fenstern, welche mit Drahtgitter verschlossen sind. An
                              jedem Ende dieses Cylinders ist ein Ventilator mit Centrifugalkraft angebracht, der
                              die in dem Getreide enthaltene Luft auspumpt, und frische atmosphaͤrische
                              Luft dafuͤr einzutreten zwingt. Diese Verbindung der Ventilirung mit der
                              rotirenden Bewegung erleichtert die vollkommene Luͤftung. Da das Getreide
                              nicht den ganzen Rauminhalt des Cylinders erfuͤllt, so haͤtte man bei
                              der rotirenden Bewegung gegen die bestaͤndige Versezung des Schwerpunktes zu
                              kaͤmpfen, wodurch nothwendig eine viel groͤßere Triebkraft erheischt
                              wird. Um diesem Uebel zu steuern, theilt Hr. Valery den Cylinder in mehrere Faͤcher,
                              die symmetrisch um die Centralroͤhre gruppirt sind, durch welche die von dem
                              Ventilator ausgesaugte Luft entweicht. Diese Faͤcher unterhalten
                              bestaͤndig das Gleichgewicht, so daß man die Triebkraft im
                              Verhaͤltnisse von 47 zu 13 vermindern kann; uͤberdieß werden die mit
                              der Luft in Beruͤhrung kommenden Koͤrneroberflaͤchen dadurch so
                              vermehrt, daß die Wirkung der Ventilirung gesteigert wird. Auf dem Sokel des
                              Apparates ist ein leichtes Dach befestigt, um welches rings herum eine mit Oehl
                              gefuͤllte Rinne laͤuft, damit die Insecten, welche sich ihrem
                              Instinkte folgend von der Deke herabfallen lassen, durch diese Fluͤssigkeit
                              abgehalten werden. Durch eine analoge Einrichtung sind auch die Fuͤße des
                              Apparates isolirt.
                           Das Studium der Lebensweise des Kornwurmes hat ergeben, daß er die Getreidehaufen im
                              Herbste verlaͤßt, sobald die Temperatur unter 6 bis 7 Grade Reaumur gefallen
                              ist; daß keine Paarung mehr Statt findet, wenn der Thermometer unter 8 bis 9°
                              zeigt; daß er die Ruhe liebt, und daß er, wenn er in dieser gestoͤrt wird,
                              seinen bisherigen Aufenthalt verlaͤßt, um einen anderen ruhigeren zu suchen.
                              Ebenso ist hergestellt, daß die Paarung nur auf der Oberflaͤche des Getreides
                              Statt findet; daß sich das befruchtete Weibchen in dasselbe vergraͤbt, um
                              seine Eier unter das Oberhaͤutchen der Koͤrner zu bringen, und dann
                              die gemachte Oeffnung mit einer klebrigen Substanz zu verstopfen. Nach 7–8
                              Tagen entwikelt sich aus dem Ei eine Larve, die sich nach 34 bis 35 Tagen in eine
                              Puppe verwandelt, aus welcher nach 8 Tagen das voll kommene Insect ausfaͤllt.
                              9 bis 10 Tage nach dieser lezten Verwandlung findet die Paarung Statt. Es vergehen
                              demnach von dem Momente, wo das Ei gelegt wird, bis zur Zeit, wo das Insect zur
                              Fortpflanzung geeignet ist, 60 bis 64 Tage. Auch ist nachgewiesen, daß 12 Paar
                              Insecten unter guͤnstigen Umstaͤnden 75,000 Individuen ihrer Art zu
                              erzeugen im Stande sind.
                           Es wurden mit dem Apparate in Gegenwart der Untersuchungscommission folgende Versuche
                              angestellt. Man fuͤllte am 19. Jun. 1837 eines der Faͤcher des
                              Apparates zu 5/6, brachte 5 bis 6 Tausend Insecten hinein, welche man bis zum 30. in
                              Ruhe ließ, damit sie sich paaren konnten, wovon man sich durch das Erscheinen der
                              kleinen Larven uͤberzeugte. Ein Theil des auf diese Weise angestekten
                              Getreides ward aus dem Cylinder genommen, und in einen kleinen Cylinder, der 5 bis 6
                              Umgaͤnge in der Stunde machte, gebracht. Kaum begann die Bewegung, so
                              entwichen die Insecten zu Hunderten durch das Drahtgitter, um nach allen Seiten zu
                              entfliehen. Am zweiten Tage waren ihrer nur sehr wenige mehr zu bemerken, und am
                              dritten Tage der Bewegung war auch bei der sorgfaͤltigsten, eine Stunde lang
                              fortgesezten Untersuchung kein einziges mehr zu finden. Dessen ungeachtet ward die
                              Bewegung bis zum 24. Jul. fortgesezt. An diesem Tage oͤffnete man den Apparat
                              und breitete das Getreide auf einem Tuche aus: allein auch nicht ein einziges Insect
                              war zu entdeken. Bemerkt zu werden verdient, daß nach mehrtaͤgiger Bewegung,
                              nachdem schon einige Zeit keine Insecten mehr zum Vorschein kamen, ploͤzlich
                              eines erschien, aus dessen Farbe und Consistenz jedoch hervorging, daß es eben erst
                              ausgefallen war.
                           Derselbe Versuch in groͤßerem Maaßstabe wiederholt gab dieselben Resultate; es
                              zeigte sich nur, daß einige Zeit Ruhe noͤthig ist, damit die an die
                              Oberflaͤche gekommenen Insecten Zeit haben zu entweichen, und durch die
                              fortwaͤhrende Bewegung nicht neuerdings wieder vergraben werden. Es ist
                              hiedurch erwiesen, daß der von Hrn. de
                                 Valery erfundene Apparat nicht nur die in dem Getreide befindlichen
                              Insecten austreibt, sondern auch die Entwikelung einer neuen Generation in demselben
                              verhindert, indem er das Thier im Augenblike seiner Entwikelung zum Entweichen
                              zwingt.
                           Ebenso wirksam zeigte sich der Apparat auch zum Behufe der Aufbewahrung von feuchtem
                              Getreide, so daß sich die Commission veranlaßt findet, auf die Approbation desselben
                              durch die Akademie anzutragen.