| Titel: | Ueber eine neue Aezbeize in Stahl; von L. Elsner. | 
| Fundstelle: | Band 67, Jahrgang 1838, Nr. CXVII., S. 443 | 
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                        CXVII.
                        Ueber eine neue Aezbeize in Stahl; von L. Elsner.
                        Elsner, uͤber eine Aezbeize in Stahl.
                        
                     
                        
                           Wie wichtig dieser Gegenstand fuͤr den Stahlstich sey, geht daraus schon
                              hervor, daß vor mehreren Jahren in England ein nicht ganz geringer Preis ausgesezt
                              war auf die Auffindung eines vorzuͤglichen Aezmittels in Stahl. Alle sonst
                              bekannten (immer stark verduͤnnten) Saͤuren, vorzugsweise
                              Salpetersaͤure, aͤzen zu seicht und die Raͤnder sind rauh,
                              wodurch natuͤrlich die verlangte Reinheit und Schaͤrfe der Linien beim
                              Stich verloren geht. Unter den noch am meisten ihrem Zweke entsprechenden Beizen
                              sind folgende anzufuͤhren: 1) Die Beize des Turrell, bestehend aus einer Mischung von 4 M. starker
                              Brenzholzsaͤure, 1 M. starkem Weingeist und 1 M. reiner
                              Salpetersaͤure. 2) Eine Aufloͤsung von 1 Sublimat, 1/2 Alaun in 24
                              Wasser. – Bei der Turrell'schen Beize tritt in der
                              Anwendung schon deßhalb einige Unsicherheit ein, weil die specifischen Gewichte der
                              Fluͤssigkeiten nicht angegeben sind. – Die große, gewiß sehr zu
                              beachtende Schaͤdlichkeit der unter 2 angegebenen Beize machte es sehr
                              wuͤnschenswerth, ein Aezwasser darzustellen, welches so viel als
                              moͤglich allen Anforderungen des Kuͤnstlers entspraͤche und bei
                              seiner Zusammensezung nicht Unsicherheiten unterworfen waͤre, auch nicht,
                              wenigstens nicht in so hohem Grade, wie das unter 2 angegebene, gefaͤhrlich
                              sey.
                           Da erschien im Auszuge aus franzoͤsischen Journalen im Jahre 1835, in
                              Dingler's polytechnischem
                              Journal, Bd. LVIII., die Ankuͤndigung einer neuen Beize in Stahl, die der
                              Erfinder Delechamps mit dem Namen Glyphogène
                              belegte und die allen Anforderungen voͤllig entsprechen sollte. Mir wurde
                              durch Se. Hochwohlgeboren, den wirklichen Geheimen Oberregierungsrath u. Director
                              u.s.w., Hrn. Beuth der
                              ehrenvolle Auftrag, die Glyphogène des Delechamps
                              zu untersuchen, die uͤbrigens bei ihrer Pruͤfung nicht auf gehoffte
                              Weise den Forderungen der Kuͤnstler entsprach. Die Untersuchung der
                              Glyphogène ergab nun Folgendes:
                           Die Fluͤssigkeit, von einem specifischen Gewicht = 0,990, war wasserklar, roch
                              auffallend nach Salpeteraͤtherweingeist, reagirte stark sauer und hatte den
                              Kork, mit welchem die Flasche geschlossen war, auf der unteren Seite, wo er mit der
                              Fluͤssigkeit in Beruͤhrung gekommen war, ganz so veraͤndert,
                              wie es zu geschehen pflegt, wenn Salpetersaͤure mit organischen Stoffen in
                              Beruͤhrung kommt. Mit Kaliloͤsung erwaͤrmt, bildete sich
                              alsbald das braune Aldehydharz; auf einem blanken Kupferbleche erzeugte die
                              Fluͤssigkeit nach kurzer Zeit der Beruͤhrung einen weißen metallischen Flek, der
                              aber durch Erwaͤrmen nicht verschwand; demnach also keine
                              Queksilberverbindung enthaltend, wie Anfangs vermuthet wurde; einige Tropfen
                              Salpetersaͤure loͤsten den Metallniederschlag sogleich auf; eine
                              kleine Menge der Aezfluͤssigkeit wurde mit Salzsaͤure versezt, wodurch
                              ein starker, kaͤsichter Niederschlag entstand, der voͤllig
                              loͤslich war in Aezammoniak; das aufgeloͤste Metall war demnach
                              Silber; etwas anderes wurde in der Fluͤssigkeit nicht gefunden. – Das
                              untersuchte Aezwasser bestand daher aus einer Mischung von
                              Salpeteraͤtherweingeist, freier Salpetersaͤure, Aldehyd und
                              salpetersaurem Silberoxyd. Nur auf den bestimmten Gehalt des lezteren konnte die
                              quantitative Analyse hinausgehen; da doch immer nur hoͤchstens
                              annaͤhernde Resultate hervorgehen konnten, wurde auf die quantitative Analyse
                              der anderen Bestandtheile des Aezmittels verzichtet. Der Silbergehalt ergab sich
                              nach bekannter Weise als Chlorsilber. Silber bestimmt und auf salpetersaures
                              Silberoxyd berechnet, zu 48 Granen auf 32 Loth der Beize; eine freilich nur
                              ungefaͤhre Bestimmung der freien Salpetersaͤure ergab etwa auf 32 Loth
                              der Fluͤssigkeit zwischen 2–3 Loth Salpetersaͤure von einem
                              specifischen Gewicht = 1,23.
                           Bei der Anwendung nun dieser Beize auf mit dem gewoͤhnlichen Aezgrund
                              uͤberzogenen und radirten Stahlplatten ergab sich, daß sie zu heftig wirkte,
                              den Aezgrund oft aufloͤste und nicht fuͤr minder gute Stahlplatten
                              anwendbar war. – Es war demnach die Aufgabe, eine Beize zusammenzusezen, die
                              allen Anforderungen entsprach. – Eine Aezbeize nun in Stahl, die
                              schoͤne tiefe Linien mit scharfen Raͤndern aͤzt, die den
                              Aezgrund nicht aufloͤst und, was vorzuͤglich ihren Werth bei der
                              Anwendung erhoͤht, auch auf schlechtem Stahle, auf dem die eben genannten
                              Beizen keine reinen Linien liefern, reine und scharfe Linien gibt, erhaͤlt
                              man, wenn nachstehende Vorschrift zu deren Darstellung genau befolgt wird. Man
                              nimmt:
                           
                              
                                 15
                                 Loth Weingeist von 80 Proc. Richter,
                                 
                              
                                   1
                                 Loth chemisch reine Salpetersaͤure spec. Gew.
                                    1,22,
                                 
                              
                           mischt beides zusammen; hiezu sezt man 1/2 Quentchen
                              salpetersaures Silberoxyd, welches man vorher in so wenig als moͤglich
                              destillirtem Wasser geloͤst hat, und nun ist die Aezbeize in Stahl fertig.
                              – Bisweilen wird der Aezgrund durch diese Mischung etwas aufgeloͤst,
                              daher, um auch bei schwach aufgetragenem Aezgrunde gut aͤzen zu
                              koͤnnen, macht man die Mischung folgender Maßen:
                           
                              
                                 6
                                 Theile Weingeist von 80 Proc. R.,
                                 
                              
                                 9
                                 Theile destillirtes Wasser,
                                 
                              
                                 1
                                 Loth von Salpetersaͤure 1,22,
                                 
                              
                                 1/2
                                 Quentchen salpetersaures Silberoxyd.
                                 
                              
                           
                           Man kann zu diesem Zweke den reinen Hoͤllenstein anwenden; da aber dieser doch
                              eher Verunreinigungen ausgesezt ist, als das krystallisirte Silbersalz, so ist es am
                              sichersten, zur Beize nur krystallisirtes salpetersaures Silberoxyd anzuwenden. Am
                              besten thut man, einen Tag vorher die Beize zusammenzusezen, ehe man sie anwenden
                              will. – Die Versuche mit diesem Aezmittel in Stahl sind sehr oft mit den
                              verschiedenen Stahlplatten, besserer und schlechterer Qualitaͤt, im
                              koͤnigl. Gewerbeinstitute von Hrn. Schauer angestellt worden, dem ich auch nachstehende praktische
                              Angaben verdanke.
                           Um einen schoͤnen und reinen Stahlstich zu erzeugen, sind folgende drei
                              Mischungen noͤthig:
                           
                              1) Die oben angegebene Aezbeize;
                              2) destillirtes Wasser, worin 4 Proc. chemisch reine
                                 Salpetersaͤure von 1,22 spec. Gew., enthalten ist;
                              3) destillirtes Wasser, worin 6 Proc. Weingeist von 80 Proc. R.
                                 enthalten sind.
                              
                           Nachdem die radirte Platte mit einem weichen, reinen Pinsel abgewischt ist, nimmt man
                              das Wasser Nr. 2, spuͤlt die Platte 1/3 Minute lang damit ab, gießt dann
                              dasselbe rasch ab und, ohne die Platte zu troknen, die Mischung Nr. 1 unmittelbar
                              darauf; es muß augenbliklich ein gruͤnlich-schwarzer Ueberzug die
                              radirten Linien bedeken, welcher durch einen weichen Pinsel unter
                              bestaͤndigem Umruͤhren von den Linien heruntergewischt wird. Diese
                              Mischung darf hoͤchstens nur 1/4 Zoll hoch auf der Platte stehen; hat sie die
                              erforderliche Zeit darauf gestanden, so wird sie rasch abgegossen, mit dem Wasser
                              Nr. 3 abgespuͤlt, und mit einem Pinsel werden die geaͤzten Linien
                              moͤglichst rein ausgewaschen, dann getroknet. Man laͤßt jeden Aufguß
                              von Nr. 1 etwa 3 Minuten darauf stehen, da bei laͤngerer Zeit das Aezwasser
                              sehr schmuzig wird und sich deßhalb fuͤr ferneren Gebrauch nicht gut eignet.
                              – Zwei Minuten geben einen leichten Ton; 15 Minuten einen ziemlich starken,
                              – etwa Schattenlinien. Erfolgt der zweite Aufguß, so wird die Platte wieder
                              mit dem Wasser Nr. 2 1/3 Minute lang abgespuͤlt und das Wasser Nr. 1 ohne
                              vorheriges Troknen aufgegossen, nach 2–3 Minuten rasch abgegossen und mit dem
                              Wasser Nr. 3 abgespuͤlt, ausgewaschen und getroknet. Man faͤhrt in
                              dieser Art fort, bis die Linien die erforderliche Staͤrke haben.
                           Dieses Aezwasser zeichnet sich vor allen bekannten dadurch aus, daß es die Linien bei
                              verhaͤltnißmaͤßiger Breite tief aͤzt, und selbst auf schlechtem
                              Stahl (was von so vorzuͤglichem Werthe ist) von sehr guter Wirkung ist.
                           Man hat uͤbrigens bei dem Aezverfahren selbst noch darauf zu sehen, daß die drei Mischungen
                              sowohl als auch die zu aͤzende Platte eine Temperatur von circa 15° R., nicht aber uͤber
                              19–20° R. haben.
                           
                              
                                     15°
                                    R. bei 8 Minutenund    20° R.
                                    bei 6 Minuten
                                 
                                    
                                    
                                 werden etwa Toͤne von einerlei
                                    Staͤrke aͤzen.
                                 
                              
                           Welchen guͤnstigen Einfluß die allgemeine Anwendung des
                              oben genannten Aezmittels auf die Verfertigung schoͤner und reiner
                              Stahlstiche haben duͤrfte, geht wohl schon aus obigen, vielfach wiederholten
                              Versuchen hervor. Was nun die chemische Erklaͤrung des Vorganges bei der
                              Einwirkung der Beize auf Stahl betrifft, so findet sie natuͤrlich sogleich
                              ihre Begruͤndung in den schon laͤngst bekannten Beobachtungen von Keir und Wetzlar.
                           
                        
                           Nachschrift.
                           Die Schoͤnheit der englischen Stahlstiche ist beruͤhmt; es war daher
                              sehr wuͤnschenswerth zu wissen, welcher Beize man sich wohl in England
                              bediene. Nun hat Hr. Schauer
                              auf seiner Reise durch England erfahren, daß man sich dort zur Verfertigung der
                              schoͤnen Stahlstiche wirklich einer ganz aͤhnlichen Beize wie die oben
                              beschriebene bediene, nur mit dem geringen Unterschiede, daß man ihr noch starken
                              Essig zusezt. Wir haben demnach die gegruͤndete Hoffnung, daß in Deutschland
                              durch Anwendung der beschriebenen Beize eben so schoͤne Stahlstiche sich
                              werden produciren lassen, als dieß in England der Fall ist. (Journal fuͤr
                              praktische Chemie, Bd. XII. H. 5.)