| Titel: | Ueber die Fabrication des Runkelrübenzukers. Schreiben des Hrn. Kuhlmann an Hrn. Pelouze. | 
| Fundstelle: | Band 70, Jahrgang 1838, Nr. LII., S. 210 | 
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                        LII.
                        Ueber die Fabrication des
                           Runkelruͤbenzukers. Schreiben des Hrn. Kuhlmann an Hrn. Pelouze.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique, Maͤrz
                              1838, S. 327.
                        Kuhlmann, uͤber die Fabrication des
                           Runkelruͤbenzukers.
                        
                     
                        
                           Sie verlangen von mir einige Nachrichten uͤber den Stand meiner Untersuchungen
                              uͤber den Zuker und einige damit verwandte Substanzen. Diese Untersuchungen
                              sind noch lange nicht vollendet; um jedoch Ihrem Wunsche zu genuͤgen, werde ich Ihnen
                              in wenigen Worten die hauptsaͤchlichsten Resultate mittheilen, zu denen ich
                              bis jezt gekommen bin, und mich dabei vorzuͤglich auf das
                              beschraͤnkten, was die Fabrication des Runkelruͤbenzukers betrifft.
                              Ich habe schon fruͤherPolytechn. Journal Bd. LII. S.
                                       67. die Wirkung des Sauerstoffes auf den Ruͤbensaft als die Ursache der
                              Faͤrbung und wahrscheinlich auch der schnellen Zersezung des Saftes
                              bezeichnet. Zum Beginn der Gaͤhrung des Runkelruͤbensaftes ist der
                              Sauerstoff eben so noͤthig, als er es nach Gay-Lussac zur Einleitung der Gaͤhrung des Traubenmostes
                              ist. Die Faͤrbung des Runkelruͤbensaftes tritt nicht ein, wenn er
                              sogleich nach dem Austritte aus den Zellen, die ihn einschlossen, mit Kalk gemengt
                              wird. Die Wirkung des Kalkes auf den Zuker ist bereits der Gegenstand mehrfacher
                              Untersuchungen gewesen. Auf die Versuche von Daniell uͤber die langsame
                              Veraͤnderung des Zukers durch den Kalk folgten Ihre Beobachtungen
                              uͤber die kuͤnstliche Bildung des krystallisirten kohlensauren Kalkes,
                              und bei dieser Gelegenheit haben Sie gezeigt, daß der Zuker nach der Bildung dieses
                              kohlensauren Kalkes, beim Aussezen einer Verbindung von Kalk und Zuker an die Luft,
                              seine vorherigen Eigenschaften wieder annehme, und daß er dann faͤhig sey,
                              eine neue Menge Kalk zu saͤttigen und unter Mitwirkung der
                              Kohlensaͤure aus der Luft eine neue Bildung von kohlensaurem Kalk zu
                              veranlassen.
                           Nachdem ich mich uͤberzeugt hatte, daß der Zuker nach der Trennung vom Kalke,
                              womit er verbunden gewesen war, seine Eigenschaft zu krystallisiren beibehalte, und
                              nachdem ich gefunden hatte, daß der im Runkelruͤbensafte aufgeloͤste
                              Kalk die Absorption des Sauerstoffes verhindert, und, indem er der Gaͤhrung
                              entgegenwirkt, sogar gestattet, Feigensaft ohne merkliche Veraͤnderung lange
                              Zeit aufzubewahren, glaubte ich auf dieses conservative Vermoͤgen des Kalkes
                              vielmehr ein Verfahren zur Fabrication des Zukers gruͤnden zu koͤnnen,
                              als den Einfluß desselben bei der Gewinnung des Zukers fuͤrchten zu
                              muͤssen.
                           Da die organischen Saͤuren in ihren Verbindungen mit Basen im Allgemeinen mehr
                              Stabilitaͤt zeigen als im isolirten Zustande, so hoffte ich, daß man den
                              Runkelruͤbenzuker, so lange er noch in Verbindung mir Kalk waͤre, ohne
                              ihn zu zersezen, einem großen Theile der zu seiner Ausziehung noͤthigen
                              Operationen wuͤrde unterwerfen koͤnnen. Ich hoffte auf diese Weise
                              eine leichtere Arbeit zu erhalten und an thierischer Kohle zu sparen. Ich sezte ein
                              wenig geloͤschten Kalk zu frisch ausgepreßtem Runkelruͤbensafte, um
                              seine Faͤrbung zu verhindern; ich schritt dann zur Klaͤrung nach dem gewoͤhnlichen
                              Verfahren und ließ endlich den Saft, statt ihn von dem damit verbundenen Kalke zu
                              befreien, vielmehr mit einer neuen Quantitaͤt Kalk kochen, um ihn damit so
                              sehr als moͤglich zu saͤttigen. In diesem Zustande ließ ich den
                              Runkelruͤbensaft bis auf ein Drittheil seines urspruͤnglichen Volumens
                              concentriren. Ich wandte darauf einen Strom von Kohlensaͤure an, um den Kalk
                              abzuscheiden, und brachte den Saft nach der Faͤllung des kohlensauren Kalkes,
                              ohne Zusaz irgend eines fremden Agens, zur gehoͤrigen Consistenz. Ich erhielt
                              einen wenig gefaͤrbten Syrup, der nach zweitaͤgigem Stehen so viel
                              Zukerkrystalle lieferte, daß ich hoffen durfte, von diesem Verfahren kuͤnftig
                              Nuzen zu ziehen. Ich hatte nur mit vier Liter Fluͤssigkeit gearbeitet; als
                              ich gleichviel Runkelruͤbensaft auf die gewoͤhnliche Weise behandelte,
                              waren die Resultate nicht so schoͤn, ungeachtet der Anwendung von thierischer
                              Kohle.
                           Ich habe meine Versuche wiederholt, ohne eine Klaͤrung vorzunehmen, indem ich
                              den Runkelruͤbensaft sogleich mir einem Ueberschusse von Kalk, anderthalb
                              Procent von der Menge des Saftes, kochen ließ. Der durch die Klaͤrung
                              bewirkte Niederschlag erfolgte nicht so vollstaͤndig, ein Theil des
                              Pflanzeneiweißes blieb, vermoͤge des Kalkes, in Aufloͤsung, aber es
                              fiel spaͤter mit dem kohlensauren Kalke nieder, als die Fluͤssigkeit
                              einem Strome von Kohlensaͤure ausgesezt wurde. Die Resultate der Siedung
                              waren die naͤmlichen wie bei dem vorhergehenden Versuche. Ich bemerkte, daß
                              die Kohlensaͤure den Kalk nicht vollstaͤndig abschied und daß bei
                              gewoͤhnlicher Temperatur leicht ein Theil des Kalkes sich in der
                              uͤberschuͤssigen Kohlensaͤure aufloͤste. Ich machte
                              deßhalb meine Versuche bei maͤßiger Waͤrme und fuͤgte der
                              Fluͤssigkeit nach dem Faͤllen zur aͤußesten Vorsicht noch ein
                              wenig kohlensaures Ammoniak hinzu. Die Resultate waren jezt besser, aber am besten
                              gelang die Abscheidung der lezten Antheile des Kalkes und die Entfaͤrbung des
                              Syrups, wenn die Fluͤssigkeit nach der Abscheidung des kohlensauren Kalkes
                              mit gepulverter thierischer Kohle geklaͤrt wurde. Die alkalische Wirkung der
                              thierischen Kohle befoͤrdert die vollstaͤndige Abscheidung des Kalkes.
                              Schon 1833 habe ich die Meinung ausgesprochen, daß die thierische Kohle bei der
                              Zukerfabrication nicht bloß vermoͤge ihrer entfaͤrbenden Eigenschaft,
                              sondern zugleich vermoͤge des kohlensauren Ammoniaks wirke, mit welchem sie
                              durchdrungen und dessen Gegenwart noͤthig ist, um den Kalk aus seiner
                              Verbindung mit dem Zuker zu trennen. Die beschriebenen Versuche wurden gegen Ende
                              des verflossenen Monats Mai mit sehr veraͤnderten Runkelruͤben
                              angestellt, die bei dem gewoͤhnlichen Verfahren nicht mehr gut angewandt werden konnten, dennoch
                              erhielt ich selbst bei kleinen Massen schoͤne Krystalle. Schon in einer 1833
                              publicirten Notiz habe ich die Anwendung der Kohlensaͤure, um die Consumtion
                              der thierischen Kohle zu vermindern, vorgeschlagen. Damals aber hatte ich
                              vorzuͤglich den Zwek im Auge, den Kalk so schnell als moͤglich vom
                              Zuker zu trennen und jede Veraͤnderung des Zukers durch die Einwirkung der
                              Waͤrme auf das Kalksacharat zu vermeiden. Jezt aber, nachdem ich uͤber
                              die Moͤglichkeit einer solchen Veraͤnderung beruhigt bin, habe ich im
                              Gegentheile gesucht, von der Bestaͤndigkeit dieser Verbindung Nuzen zu
                              ziehen, um die Runkelruͤbenzuker-Fabrication dadurch zu vereinfachen.
                              Ich wollte vor Allem die Moͤglichkeit darthun, Zuker ohne Anwendung von
                              thierischer Kohle zu fabriciren. Schon fruͤher habe ich von den Mitteln
                              gesprochen, die man versuchen muͤßte, um die Anwendung der
                              Kohlensaͤure in der Runkelruͤbenzuker-Fabrication vortheilhaft
                              zu machen. Ich bin jezt mehr als je uͤberzeugt, daß Versuche daruͤber
                              im Großen nuͤzliche Resultate geben wuͤrden. Indessen kann ich doch
                              meine Beobachtungen nur mit einiger Vorsicht mittheilen, und ich verhehle mir die
                              Schwierigkeiten nicht, denen man bei der Anwendung derselben begegnen wird. Obwohl
                              ich naͤmlich durch Ihre Versuche und durch die meinigen uͤberzeugt
                              bin, daß der Zuker durch den Kalk nicht veraͤndert wird, so kann doch eine
                              Zersezung desselben unter einigen Umstaͤnden eintreten, die bei den Versuchen
                              des Hrn. Becquerel und den Beobachtungen von Daniell vorhanden waren. Ich habe den Versuch von Daniell wiederholt. Eine ziemlich concentrirte
                              Aufloͤsung von Zukerkalk wurde in einer verkorkten Flasche ein Jahr lang
                              aufbewahrt. Ich bemerkte einen leichten Absaz von kohlensaurem Kalk, die
                              Aufloͤsung hatte ihre vorige Fluͤssigkeit behalten; als ich aber einen
                              Strom von Kohlensaͤure hindurchleitete, gerann das Ganze zu einer weißen,
                              gallertartigen, halbdurchsichtigen Masse. Ich suche jezt auszumitteln, ob der
                              kohlensaure Kalk mit einer fremden, durch die Zersezung des Zukers entstandenen
                              Substanz gemischt ist.
                           Die Verbindung von Zuker mit Kalk findet in bestimmten Proportionen Statt; ich
                              bewirke die Isolirung der Verbindung durch schwachen Alkohol, welcher den
                              unverbundenen Zuker aufloͤst und das Sacharat aus seiner waͤsserigen
                              Aufloͤsung niederschlaͤgt. Ist die Zukerkalkloͤsung sehr
                              concentrirt, so laͤßt sie keinen kohlensauren Kalk an der Luft oder durch
                              Einwirkung von Kohlensaͤure fallen. Im syrupdiken Zustande gibt die
                              Aufloͤsung keine Krystalle mehr von kohlensaurem Kalk, sie erhaͤrtet
                              allmaͤhlich an der Luft und zeigt dann das Ansehen von arabischem Gummi.
                              Warme Luft zerstoͤrt zum Theil ihre Durchsichtigkeit und entzieht ihr
                              Wasser.
                           
                           Ich habe meine Versuche auch uͤber die Wirkung des Kalkes und des Baryts auf
                              Gummi, Traubenzuker, Suͤßholzzuker und Maunit ausgedehnt und werde Ihnen
                              naͤchstens die erhaltenen Resultate mittheilen.