| Titel: | Ueber die Heizung der Dampfkessel oder Dampfgeneratoren mit Anthracit. Von Hrn. Hector Petit-Lafitte, Director der Zukerraffinerie des Hrn. Klose in Offenburg. | 
| Fundstelle: | Band 70, Jahrgang 1838, Nr. LXXI., S. 324 | 
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                        LXXI.
                        Ueber die Heizung der Dampfkessel oder
                           Dampfgeneratoren mit Anthracit. Von Hrn. Hector Petit-Lafitte, Director der
                           Zukerraffinerie des Hrn. Klose in Offenburg.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhausen, No. 55.
                        Petit-Lafitte, uͤber die Heizung der Dampfkessel mit
                           Anthracit.
                        
                     
                        
                           Das der Anwendung des Anthracites zum Grunde liegende Princip ist eine starke
                              Concentration der Waͤrme, die dadurch erlangt wird, daß man eine große Menge
                              Brennstoff auf einmal in Brand bringt. Die Feuerstelle und der Rost koͤnnen
                              ebenso gebaut seyn, wie fuͤr die Heizung mit Steinkohlen; da jedoch zur
                              Verbrennung des Anthracites viermal soviel Zeit erheischt wird, als zur Verbrennung
                              der Steinkohlen, so muß die Oberflaͤche des Rostes noch einmal so groß, und
                              die Hoͤhe zwischen ihm und dem Kessel gleichfalls die doppelte seyn. Wie zu
                              jeder gehoͤrigen Verbrennung, so ist auch hier ein guter Zug
                              unerlaͤßlich.
                           Um das Feuer aufzuzuͤnden, was nur geschehen kann, indem man eine große
                              Oberflaͤche auf einmal in Brand bringt, wird von Seite des Heizers große
                              Sorgfalt, Geduld und Geschiklichkeit erfordert. Man beginnt die Feuerung mit Holz
                              und etwas Saarbruͤker-Steinkohlen von bester Qualitaͤt.
                              Wenn die ganze Oberflaͤche gut in Feuer sieht, so traͤgt man
                              gleichmaͤßig Anthracit ein, wobei man sich wohl huͤten muß, das
                              bereits Eingetragene zu beruͤhren, oder es gar mit einem Eisen
                              anschuͤren zu wollen. Die Anthracitstuͤke, welche nicht zerschlagen
                              werden duͤrfen, behalten im Feuer ihre Form, sie blaͤhen sich weder
                              auf, noch schmelzen sie. Hieraus folgt, daß, da die Zwischenraͤume zwischen
                              den Stuͤken dieselben bleiben, die Luft frei zwischen ihnen durchstreichen
                              kann. Da die Weite der Roststangen darauf berechnet ist, daß ein Theil der
                              Zwischenraͤume durch das Schmelzen der Steinkohlen verstopft wird, so folgt
                              hieraus, daß eine zu große Menge Luft durch das Feuer streichen wuͤrde, wenn
                              nicht soviel Anthracit gleichmaͤßig eingetragen wuͤrde, daß der Rost
                              uͤberall stark damit beladen ist. Es muß deßhalb soviel Anthracit als
                              moͤglich eingetragen werden; d.h. man muß damit fortfahren, so lange man
                              sieht, daß die ganze Masse immer in guter Gluth bleibt.
                           Diese starke Schichte Brennstoff, welche die doppelte Hoͤhe der
                              uͤblichen Steinkohlen-Schichte haben soll, ist noͤthig: 1)
                              damit nur soviel Luft als zur Unterhaltung einer vollkommenen Verbrennung eben
                              noͤthig ist, durchdringen kann; und 2) damit das Brennmaterial eine hohe
                              Temperatur zu erlangen im Stande ist: eine unumgaͤngliche Bedingung bei der
                              Heizung mit Anthracit. Die ganze Masse bleibt gluͤhend ohne beinahe irgend
                              eine Formveraͤnderung zu erleiden, wobei sie eine enorme Hize entwikelt, ohne
                              eine Flamme oder Rauch zu erzeugen. Die Hize ist so stark, daß die ganze Masse stets
                              im Weißgluͤhen ist. Zur gaͤnzlichen Verzehrung des Brennstoffes ist
                              wenigstens viermal soviel Zeit erforderlich, als zur Verzehrung der Steinkohle, so
                              daß, um in gleicher Zeit gleiche Quantitaͤten Steinkohle und Anthracit zu
                              verbrennen, fuͤr lezteren ein doppelt groͤßerer Rost noͤthig
                              ist.
                           Wenn eine Feuerstelle mit einem Roste von gewisser Groͤße in einer Stunde
                              einen Centner Steinkohle verbraucht, so wird dieselbe in 4 Stunden 4 Cntr.
                              verbrennen. Wenn eine Feuerstelle mit doppelt groͤßerem Roste und doppelt
                              hoͤherer Schichte Brennstoff 4 Cntr. Anthracit traͤgt, so werden diese
                              in vier Stunden verzehrt, so daß also innerhalb gleicher Zeitraͤume gleiche
                              Quantitaͤten Steinkohlen und Anthracit verbraucht und derselbe Nuzeffect
                              erreicht wird. Hiebet ist vorausgesezt, daß beide Brennstoffe in Hinsicht auf
                              Waͤrme-Production einander gleich stehen: eine Annahme, die der
                              Wahrheit nahe kommt, da 12 Cntr. Anthracit in Stuͤken soviel werth sind, als
                              10 Cntr. gewoͤhnliche Steinkohlen. Dieß Verhaͤltniß, welches ich aus
                              der Erfahrung abstrahirte, wechselt natuͤrlich je nach der Guͤte der
                              Steinkohlen und der Reinheit des Anthracites.
                           
                           Wenn der Anthracit einmal entzuͤndet ist, so muß man dessen Beruͤhrung
                              und das Schuͤren soviel als moͤglich verhuͤten, weil er sonst
                              gleich zu Pulver zerfaͤllt, wodurch die Zwischenraͤume so verstopft
                              wuͤrden, daß das Feuer in Kuͤrze verloͤschen muͤßte.
                              Wenn sich die Schlaken gebildet haben, muß man warten, bis das Brennmaterial beinahe
                              verzehrt ist, wo man dann den Rost gaͤnzlich reinigt und ein neues
                              Anthracitfeuer auf dieselbe Weise anmacht. Diese Operation hat des Tages nur ein
                              oder zweimal zu geschehen; denn waͤre der Anthracit so unrein, daß der Rost
                              oft gereinigt werden muͤßte, so ist es beinahe unmoͤglich, sich dieses
                              Brennstoffes zu bedienen.
                           Die Gruben zu Offenburg liefern zwei Sorten Anthracit; ich bediene mich der reineren,
                              schwerer entzuͤndbaren. Der unreinere, welcher leichter brennt, kann auf
                              gewoͤhnlichen Herden und in Schmieden verwendet werden; fuͤr
                              Hammerwerke eignet er sich nicht, und auch ich konnte mich seiner nicht mit Vortheil
                              bedienen.Hr. Petit-Lafitte bedient sich auch der
                                    kleineren Anthracitstuͤke, indem er 9/10 Anthracit mit 1/10 Thonerde
                                    vermengt und daraus mit Wasser eine Masse anmacht, aus der er Kuchen formt,
                                    welche an der Sonne getroknet und dann in Magazinen aufbewahrt werden. Diese
                                    Kuchen verwendet er hauptsaͤchlich zum Heizen der Trokenstuben,
                                    einige Reiser trokenes Holz reichen zu ihrer Entzuͤndung hin.
                                    Uebrigens gilt ganz besonders auch von ihnen, daß man das Feuer nicht
                                    schuͤren darf.A. d. O.
                              
                           Die Anthracit-Feuerung erfordert von Anfang bis zum Ende große Sorgfalt; man
                              muß anfangs Geduld haben, und wenn das Feuer schnell und gleichmaͤßig fangen
                              soll, ist auch einige Gewandtheit noͤthig. Die Anthracitstuͤke
                              duͤrfen nicht zerbrochen werden; man muß sie in gehoͤriger Menge
                              eintragen, um die moͤglich beste Feuerung zu erhalten, und doch darf die
                              Schichte auch nicht zu dik seyn, weil sonst das Feuer ganz ausloͤschen
                              koͤnnte: und ein erloschenes Anthracit-Feuer laͤßt sich nur
                              sehr schwer wieder anfachen. Kurz, man muß dieses Brennmaterial auf eine seiner
                              Natur entsprechende Weise behandeln, wozu geraͤumige Feuerstellen und ein
                              starker Zug erforderlich sind. Unter diesen Umstaͤnden wird man ihn bei
                              einiger Ausdauer gewiß mit Vortheil zu benuzen lernen, waͤhrend er auf einem
                              gewoͤhnlichen Roste und nach Art der Steinkohlen behandelt, keine guten
                              Resultate geben kann. Ich sezte den anfaͤnglich im Wege stehenden
                              Schwierigkeiten Geduld und Ausdauer entgegen und befinde mich nun ganz gut dabei, so
                              zwar, daß ich im lezten Winter taͤglich 100 Centner Anthracit brannte. Man
                              hat vor mir in mehreren Anstalten Versuche mit ihm angestellt und ihn aufgegeben;
                              jezt, nachdem man mein Beispiel gesehen, kommt man abermal auf ihn zuruͤk,
                              und ich zweifle nicht,
                              daß man bald uͤberall dieselben Vortheile davon ernten wird, wie ich.
                           
                        
                           Anhang.
                           Die Société industrielle in
                              Muͤlhausen ertheilte Hrn. Petit-Lafitte
                              fuͤr die von ihm bewerkstelligte Einfuͤhrung des Anthracites zur
                              Heizung von Dampfkesseln ihre goldene Medaille. Aus dem von Hrn. Leonhard Schwartz hieruͤber erstatteten Berichte
                              fuͤgen wir Folgendes bei.
                           Was soll waͤhrend der Reinigung des Rostes und der Aufzuͤndung eines
                              neuen Feuers, wobei vielleicht eine ganze Stunde lang wenig oder gar kein Dampf
                              erzeugt wird, geschehen? Am besten duͤrfte es seyn, waͤhrend dieser
                              Zeit auf einer anderen Feuerstelle zu brennen; oder unter einem und demselben Kessel
                              mehrere von einander geschiedene Roste anzubringen, welche gemeinschaftlich oder
                              einzeln geheizt werden koͤnnten. Auch waͤre es der Muͤhe werth,
                              um die Roststangen entbehrlich zu machen und doch die Schlafen herausschaffen zu
                              koͤnnen, einen tiefen Ofen, z.B. von 3 bis 4 Fuß Hoͤhe auf 6 bis 8 Fuß
                              Laͤnge, welcher oben breit waͤre, nach Unten zu aber sich bedeutend
                              verengerte, zu probiren. Man koͤnnte uͤberdieß auch noch durch
                              seitliche Oeffnungen Luft zutreten lassen. Derlei Oefen muͤßten ganz aus
                              Baksteinen gebaut und gleich den immer brennenden Kalkoͤfen von Oben mit
                              Brennmaterial gespeist werden.
                           Da sich bei der Anthracit-Heizung das Feuer nicht ohne großen Nachtheil
                              ploͤzlich steigern oder maͤßigen laͤßt, so wuͤrde in den
                              Dampffaͤrbereien die Anwendung großer Dampfbehaͤlter noͤthig;
                              denn hier braucht man bald eine sehr große Menge Dampf auf einmal, bald aber auch
                              beinahe gar keinen.
                           Endlich unterliegt keinem Zweifel, daß die Anthracitfeuer besser und vollkommener
                              brennen wuͤrden, wenn man ihnen heiße Luft zufuͤhrte, wie dieß in
                              neuerer Zeit in England geschieht.