| Titel: | Ueber arsenikhaltige Lichtkerzen. Aus einem im Namen einer Commission abgestatteten Berichte; von D. Granville. | 
| Fundstelle: | Band 70, Jahrgang 1838, Nr. LXXXIII., S. 373 | 
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                        LXXXIII.
                        Ueber arsenikhaltige Lichtkerzen. Aus einem im
                           Namen einer Commission abgestatteten Berichte; von D. Granville.
                        Aus der Biblioth. univers. April 18338, S.
                              346.
                        Granville, uͤber arsenikhaltige Lichtkerzen.
                        
                     
                        
                           Chevreul entdekte bekanntlich in dem gewoͤhnlichen
                              Talge zwei verschiedene fette Stoffe, einen, das Stearin, der selbst bei einer
                              ziemlich hohen Temperatur fest bleibt, waͤhrend der andere, das Oleïn,
                              bei der
                              gewoͤhnlichen Waͤrme der Luft fluͤssig wie Oehl ist. Alle beide
                              finden sich in den meisten Oehlen und Fetten, sowohl vegetabilischen als
                              animalischen, die ihren Grad von Consistenz oder Fluͤssigkeit dem
                              Vorherrschen des einen oder des andern dieser beiden Stoffe verdanken.
                           Wird das Stearin durch die Wirkung eines Alkali's, wie Kali und Natron, oder einer
                              andern kraͤftigen Base verseift, so verwandelt es sich, wie Chevreul gezeigt hat, in eine kleine Menge
                              loͤslicher Substanz von zukerartigem Geschmak (ungefaͤhr 5 Proc.) und
                              einen modificirten fetten Stoff, der sich leicht von der Base durch eine
                              Saͤure abscheiden laͤßt. Dieses modificirte Fett besteht aus einem
                              Gemenge von zwei Saͤuren, der Margarin- und der Stearinsaͤure.
                              Beide sind einander so aͤhnlich, daß man dieselben in technischer Beziehung
                              als gleichartig betrachten kann. Die so erhaltene Substanz ist perlmutterartig,
                              krystallisirt in langen glaͤnzenden und seidenartigen Nadeln, die sich in der
                              erstarrten Masse durchkreuzen. Ihr ganz unbedeutender Geruch ist dem des
                              geschmolzenen Wachses aͤhnlich. Sie schmilzt hoͤchstens bei 45°
                              R. und gibt, wenn sie vermittelst eines Dochtes entzuͤndet wird, ein
                              schoͤnes und lebhaftes weißes Licht, das keinen Geruch verbreitet.
                           Der große Vorzug, den diese beiden neuen Koͤrper fuͤr die Beleuchtung
                              gegen den gewoͤhnlichen Talg, sowohl wegen der Schoͤnheit des
                              Aussehens als auch wegen ihrer geringern Neigung zu laufen, sowie auch, und zwar
                              vornehmlich, wegen Abwesenheit des so unangenehmen Geruches der gewoͤhnlichen
                              Lichter gewaͤhren, mußte nothwendig bald die Aufmerksamkeit der Fabrikanten
                              auf sich ziehen. Dessen ungeachtet zeigten sich in der Praxis Schwierigkeiten,
                              welche vornehmlich von der starken Neigung der Margarinsaͤure zur
                              Krystallisation herruͤhrten, wodurch die daraus bereiteten Lichter sehr
                              bruͤchig und fast zerreiblich gemacht wurden. Endlich kamen im Jahre 1833
                              oder 1834 aus dieser Substanz bereitete Lichter zu Paris unter dem Namen bougies de l'Etoile in den Handel, und ihre
                              Schoͤnheit, ihr maͤßiger Preis erwarben ihnen bald einen großen Ruf.
                              Da sich aber bei verschiedenen Personen, die sich dieser neuen Lichter bedienten,
                              bedenkliche und beunruhigende Symptome gezeigt hatten, und man an diesen Lichtern
                              einen Knoblauchgeruch wahrgenommen hatte, so erregte dieß die Aufmerksamkeit der
                              franzoͤsischen Behoͤrden. Der Polizeipraͤfect ließ durch das
                              Conseil de Salubrité eine Untersuchung
                              anstellen, deren Resultat war, daß die besagten Kerzen Arsenik enthielten, der
                              hinein gebracht worden war, um die verseiften Fette, welche die Grundlage derselben
                              bildeten, verbrennlicher zu machen. Die franzoͤsischen Behoͤrden
                              verboten die Anwendung dieser giftigen Substanz bei Bereitung der neuen Lichter,
                              ohne daß jedoch eine oͤffentlichen Bekanntmachung in dieser Sache erfolgte, da der Arsenik
                              inzwischen durch eine unschaͤdliche Substanz ersezt worden war.
                           Einige Zeit nach dieser Untersuchung begab sich ein Individuum nach London und
                              verkaufte da an eine große Anzahl von Lichtfabrikanten ein weißes Pulver, welches
                              die Eigenschaft hatte, die Stearinsaͤure in schoͤne Kerzen zu
                              verwandeln, welche sehr gesucht wurden. Es wurde jedoch bald die Entdekung gemacht,
                              daß dieses Pulver nichts anderes als gepulverter weißer Arsenik (arsenige
                              Saͤure) war, und da das vermeinte Geheimniß auf diese Weise entdekt worden
                              war, so wurde die Fabrication der Lichter, die aus mit Arsenik gemengter
                              Stearinsaͤure verfertigt waren, bald fast ganz allgemein. Die angesehensten
                              Fabrikanten, durch die Niedrigkeit des Preises gezwungen, welche diese furchtbare
                              Concurrenz veranlaßte, ahmten ihre Collegen nach, und obgleich das Verfahren bei
                              dieser Fabrication fuͤr keine der bei diesem Handelszweige angestellten
                              Personen ein Geheimniß war, so hatte doch das Publicum, das sich dieser vergifteten
                              Beleuchtung bediente und daher am meisten dabei betheiligt war, keine Kenntniß
                              davon.
                           Endlich machte am 28. October vorigen Jahres ein Mitglied der medizinischen
                              Societaͤt von Westminster in London eine Anzeige, daß er, da einer seiner
                              Patienten sich gegen ihn uͤber den Nachtheil beklagt haͤtte, den er
                              von dem Gebrauche der Kerzen empfaͤnde, welche er im Gasthause erhalten, eine
                              Analyse haͤtte anstellen lassen, die einen Arsenikgehalt als Resultat gegeben
                              haͤtte. Die Societaͤt ernannte darauf eine Commission von
                              Sachkundigen, welche den Auftrag erhielt, eine gruͤndliche Untersuchung
                              uͤber einen fuͤr den oͤffentlichen Gesundheitszustand so
                              wichtigen Gegenstand anzustellen. Diese Commission gab in einem Berichte das
                              Resultat ihrer Untersuchungen, und da in England die Publicitaͤt das einzige
                              Mittel ist, das Publicum vor Gefahren, wie diese sind, zu warnen, wurde die Arbeit
                              dem Druke uͤberliefert und es wurden zahlreiche Exemplare davon
                              vertheilt.
                           Es haͤtte uͤberfluͤssig scheinen koͤnnen, diese
                              Anwesenheit des Arseniks durch die Analyse darzuthun, da sie von den Fabrikanten
                              selbst nicht gelaͤugnet wurde. Dessen ungeachtet verschafften sich die
                              Mitglieder der Commission Proben dieser Producte, die bei den Londoner
                              Lichthaͤndlern unter sehr verschiedenen Namen verkauft wurden, wie z.B. Chandelles de stéarine, cire d'Allemagne, bougies de
                                 cire impériale. bougies françaises, suif comprimé, bougies
                                 des tropiques, cire moulée, cire de Venise u.s.w. Durch Kochen von
                              Bruchstuͤken dieser verschiedenen Kerzen in Wasser uͤberzeugten sich
                              die Mitglieder der Commission von der Anwesenheit des weißen Arseniks in einer Menge
                              von zehn bis achtzehn Gran auf ein Pfund Lichter, so daß jedes Licht vier und einen halben Gran
                              davon enthielt, was namentlich bei denen der Fall war, die den geringsten Preis
                              hatten. Dieser Arsenik war nicht in der Masse aufgeloͤst, sondern bloß mit
                              ihr gemengt, und die Commissarien uͤberzeugten sich, daß der obere Theil des
                              Lichtes, welcher beim Gießen den untern Theil der Gießform einnimmt, weit mehr als
                              das andere Ende davon enthielt. Der Unterschied war so bedeutend, daß er fast noch
                              ein Drittel wehr ausmachte, so daß eine solche Kerze in der Luft weit mehr
                              Arsenikdaͤmpfe verbreiten muß, wenn man sie zum erstenmale anzuͤndet,
                              als wenn sie schon zum Theil verbrannt ist.
                           Um die Natur der beim Verbrennen sich entwikelnden arsenikalischen Daͤmpfe
                              kennen zu lernen, wurden glaͤserne Gefaͤße uͤber die Flamme
                              gebracht, und sie bedekten sich mit einer duͤnnen Schicht arseniger
                              Saͤure, wie dieß durch Reagentien deutlich dargethan wurde. Um die Menge der
                              auf diese Weise durch das Verbrennen entwikelten Saͤure aufzufinden, wurde
                              der angezuͤndete Docht des verdaͤchtigen Lichtes in eine kleine
                              Retorte ohne Boden gebracht, so daß sie darin ruhig und ohne Rauch verbrannte. Der
                              Hals der Retorte war in eine horizontale Glasroͤhre von sechzehn Zoll
                              Laͤnge und einem Zoll im Durchmesser eingesezt, die mit feuchter Leinwand
                              umgeben war. Die Retorte und die Roͤhre bedekten sich sogleich mit einer
                              weißen Schicht arseniger Saͤure, und ein wenig waͤsseriger
                              Fluͤssigkeit, die sich in der Roͤhre verdichtete, ergab sich als eine
                              concentrirte Aufloͤsung von demselben Gifte.
                           Es war also dargethan, daß bei dem gewoͤhnlichen Verbrennen sich Arsenik als
                              arsenige Saͤure aus den Stearinkerzen entwikelte. Es blieb aber noch zu
                              untersuchen uͤbrig, ob sich unter andern Umstaͤnden nicht andere
                              arsenikalische Producte entwikeln koͤnnten. Die Commissarien stellten directe
                              Versuche daruͤber an, und sie uͤberzeugten sich, daß, wenn die
                              Verbrennung durch einen nicht so anhaltenden Zutritt von Sauerstoff verlangsamt
                              wird, sich metallisches Arsenik, schwarzes Arsenikoxyd und vielleicht selbst
                              Arsenikwasserstoff, dieses so heftige Gift entwikeln. Sie uͤberzeugten sich,
                              daß das in die Masse gebrachte Arsenik beim Verbrennen durch das frei werdende
                              Wasserstoffgas zu metallischem Arsenik reducirt wird, welches sich mit der Flamme
                              verfluͤchtigt. Hier verbrennt es wiederum, und wenn hinreichende Luft
                              hinzutreten kann, wie dieß gewoͤhnlich in Zimmern geschieht, verwandelt es
                              sich von Neuem in arsenige Saͤure, die sich nach, und nach an alle umgebende
                              Koͤrper absezt. Wird aber der Zutritt der Luft, z.B. durch glaͤserne,
                              die Kerzen umgebende Cylinder erschwert, so koͤnnen einige Portionen
                              Arsenikwasserstoffgas durch die Flamme gehen, ohne zu verbrennen, und so in der Luft
                              ihren toͤdtlichen Einfluß verbreiten. Die aus diesem Theile der Untersuchung- gezogenen
                              Schluͤsse bestaͤtigten daher die Anwesenheit des Arseniks in
                              betraͤchtlicher Menge in den Stearinkerzen. Eine aͤhnliche
                              Untersuchung wurde mit den Wachs- und Wallrathkerzen angestellt, es wurde
                              aber nichts Verdaͤchtiges darin entdekt. Der Wallrath bietet indessen
                              dieselbe Schwierigkeit dar, wie die Stearinsaͤure, wegen seiner Neigung zur
                              Krystallisation und seiner bruͤchigen Consistenz. Dem Uebel wird aber durch
                              Zusaz von einem Dreissigstel weißem Wachse leicht abgeholfen, und es ist
                              wahrscheinlich, daß ein solcher Zusaz eine aͤhnliche Wirkung auf die
                              Stearinkerzen haben wuͤrde.
                           Obgleich man fast nicht annehmen kann, daß der bestaͤndige Gebrauch von
                              Lichtern, die bei ihrer Verbrennung arsenige Saͤure entwikeln, ohne
                              gefaͤhrliche Wirkungen auf die thierische Oekonomie sey, so sollte, nach dem
                              Wunsche der Commission, die Erfahrung auch uͤber diese wichtige Frage
                              entscheiden. Sie ließ geraͤumige hoͤlzerne Behaͤltnisse
                              anfertigen, die in zwei Abtheilungen getheilt waren. Oben und unten angebrachte
                              Oeffnungen gestatteten eine hinreichende Luͤftung, um die Luft
                              bestaͤndig zu erneuern, und glaͤserne Thuͤren ließen das
                              Tageslicht ungehindert hinein und man konnte durch sie beobachten, was in den
                              Behaͤltnissen vorging. Thermometer, die in jeder Abtheilung
                              aufgehaͤngt waren, gaben in jedem Augenblike die Temperatur der
                              Behaͤltnisse an, und ein mehr oder weniger schneller Luftstrom machte es
                              moͤglich, dieselbe nach Belieben zu reguliren.
                           In jede der Abtheilungen dieser Behaͤltnisse brachte man zwei lebendige
                              gesunde Voͤgel (Zeisige), die in einen Kaͤfig gebracht waren, zwei
                              Meerschweinchen und ein Kaninchen. In der ersten Abtheilung wurden vier
                              arsenikhaltige Lichter angezuͤndet und in der zweiten vier Wallrathkerzen.
                              Die Verbrennung wurde sechs Tage, jedesmal ungefaͤhr zwoͤlf Stunden,
                              in den beiden Behaͤltnissen fortgesezt, die dem bereits beschriebenen
                              aͤhnlich waren, ausgenommen, daß in dem zweiten nur drei Lichter und drei
                              Kerzen statt vier waren und daß es statt Zeisige zwei Gruͤnfinken (verdiers) enthielt. Jeden Tag wurden die
                              Behaͤltnisse und die Kaͤfige gereinigt, und es wurden vor Beginn des
                              Versuches von Neuem Wasser und Nahrungsmittel hineingebracht. Waͤhrend der
                              ganzen Dauer der Versuche war die Temperatur der Behaͤltnisse beinahe
                              Sommerwaͤrme, von 15° bis 20° R., da diese den dann
                              eingeschlossenen Thieren am angenehmsten seyn mußte. Die Behaͤltnisse wurden
                              immer hinreichend geluͤftet und die Nahrung war reichlich und gesund.
                           Drei oder vier Stunden nach dem Anfange des Versuches wurde einer der Zeisige
                              sichtlich angegriffen; er erholte sich aber waͤhrend der Nacht wieder, wo die
                              Verbrennung aufhoͤrte. Den folgenden Tag, eine Stunde nachdem die Lichter
                              von Neuem angezuͤndet worden waren, wurde derselbe Vogel von Neuem
                              angegriffen, und am Ende der zweiten Stunde war er todt. Der andere Zeisig folgte
                              ihm eine halbe Stunde nachher. Diese zwei Voͤgel waren im Ganzen der
                              Arsenikatmosphaͤre sieben und eine halbe Stunde ausgesezt gewesen.
                           Es wurden hierauf drei andere Zeisige in das Behaͤltniß gebracht, und statt
                              vier, wurden bloß zwei Stearinkerzen angebrannt. Vier Stunden nachher schienen die
                              Voͤgel wie erstarrt auf ihrem Staͤbchen, ob sie gleich im ersten
                              Augenblike mehr Lebhaftigkeit als gewoͤhnlich gezeigt hatten. Waͤhrend
                              des uͤbrigen Theiles des Tages waren sie offenbar immerfort
                              unpaͤßlich. In der Nacht schienen sie wieder Kraͤfte zu erhalten, aber
                              am folgenden Tage, kurz nachdem die Lichter wieder angebrannt worden waren, kehrte
                              die Krankheit zuruͤk. Sie konnten ihre Fluͤgel nicht erhalten, sie
                              athmeten mit Muͤhe und hatten bestaͤndig ihren Schnabel offen. Am
                              dritten Tage endlich starben alle drei, obgleich sie in jeder Nacht, wo die
                              Arsenikdaͤmpfe eine Zeit aufhoͤrten, fast ihre gewoͤhnliche
                              Gesundheit wieder erhalten zu haben schienen. Die hauptsaͤchlichsten bei
                              ihnen vorkommenden Symptome, außer dem erschwerten Athemholen, waren Zukungen am
                              ganzen Koͤrper, große Niedergeschlagenheit und fast voͤllige
                              Laͤhmung der willkuͤrlichen Muskelbewegungen. Wurden sie
                              aufgescheucht, so fielen sie, indem sie wegzufliegen versuchten, auf den Boden des
                              Kaͤfigs.
                           Die zwei Gruͤnfinken, welche viel staͤrker waren, widerstanden den
                              Wirkungen der von den Stearinkerzen verbreiteten Arsenikdaͤmpfe viel
                              laͤnger; endlich aber kamen bei ihnen dieselben Symptome vor und sie
                              unterlagen, nachdem sie mit Unterbrechung neun und vierzig Stunden denselben
                              ausgesezt gewesen waren. Sie schienen einen nicht zu stillenden Durst zu
                              fuͤhlen, und einer von ihnen starb, waͤhrend er seinen Schnabel in das
                              Trinknaͤpfchen tauchte. Auch tranken alle diese Voͤgel zum wenigsten
                              viermal mehr Wasser als diejenigen, welche nicht, den toͤdtlichen
                              Einfluͤssen der Kerzen ausgesezt waren. Sie verloren nach und nach ihren
                              ganzen Appetit, und wenn sie ein Koͤrnchen zerhakten, so konnten sie es nur
                              verschlingen, wenn sie ihren Schnabel in Wasser eintauchten, um es zu befeuchten.
                              Sie zeigten auch deutliche Spuren von Stoͤrung in den Verdauungsorganen.
                           Die Commissarien glaubten die Koͤrper dieser Voͤgel nach ihrem Tode
                              untersuchen zu muͤssen und sie entdekten deutliche Spuren von Arsenik, der
                              entweder verschlukt oder durch die Athmungswerkzeuge eingefuͤhrt worden seyn
                              mußte. Es ist wohl nicht noͤthig zu sagen, daß bei den Voͤgeln von der
                              naͤmlichen Art, aus deren Kaͤfig diejenigen genommen worden waren,
                              welche den Versuchen unterworfen wurden, und die bloß der Vergleichung wegen unter
                              ganz gleichen Umstaͤnden hinsichtlich der Nahrung, Temperatur, des Raumes, der
                              Luͤftung u.s.w. in der andern Abtheilung des Behaͤltnisses aufbewahrt
                              worden waren, wo die gewoͤhnlichen Wallrathkerzen brannten, nicht das
                              geringste Symptom von Unbehaglichkeit oder Stoͤrung ihres
                              Gesundheitszustandes vorkam.
                           Die Saͤugethiere gaben vom zweiten Tage an Zeichen von Unbehaglichkeit in der
                              Atmosphaͤre. Das Kaninchen vornehmlich hatte rothe Augen, war erstarrt, lag
                              immer auf der Seite, seine Weichen waren eingefallen und das Athemholen ging bei ihm
                              schneller vor sich. Es wurde oft von einer Art Zittern befallen. Es erbrach sich oft
                              und wollte, wie die Meerschweine, nicht fressen. Der Versuch wurde nicht lange genug
                              fortgesezt, um den Tod dieser staͤrkern Thiere herbeizufuͤhren. Ihre
                              Unbehaglichkeit und ihre Magerkeit aber zeigten, daß sie bald unterlegen
                              waͤren.
                           Bloß am dritten Tage des Versuches waren in verschiedene Theile der
                              Behaͤltnisse Gefaͤße mit destillirtem Wasser gestellt worden, um zu
                              entdeken, ob die Arsenikdaͤmpfe in der Luft blieben, oder niedergeschlagen
                              wuͤrden. Obgleich diese Gefaͤße nur ungefaͤhr sechs und dreißig
                              Stunden den Arsenikdaͤmpfen ausgesezt gewesen waren, so gab dennoch das
                              Wasser, welches sie enthielten, mit Reagentien deutliche Beweise, daß es das Gift
                              enthalte. Es wurde folglich dadurch bewiesen, daß die durch die Stearinkerzen bei
                              der Verbrennung entwikelte arsenige Saͤure sich verdichtet und auf die
                              verschiedenen in dem Behaͤltnisse befindlichen Gegenstaͤnde
                              zuruͤkfaͤllt.
                           Die Commissarien haben also durch Versuche die toͤdtlichen Wirkungen gezeigt,
                              die der Gebrauch der arsenige Saͤure enthaltenden Stearinkerzen auf das Leben
                              haben muß. Eine große Anzahl voͤllig authentischer Thatsachen haͤtten
                              schon im voraus ein aͤhnliches Resultat geben koͤnnen.
                           Wir haben gesagt, daß die Mengung des Arseniks mit den fetten Substanzen bald
                              Arsenikwasserstoffgas, bald metallischen Arsenik, bald arsenige Saͤure
                              erzeugt. Das erstere muß ohne Zweifel sehr selten erzeugt werden, aber seine
                              Anwesenheit wuͤrde bei denen, die es einathmeten, einen gewissen Tod
                              herbeifuͤhren. Die Chemie zaͤhlt schon zwei Opfer dieses erst in
                              neuerer Zeit entdekten Gases, das eins von den staͤrksten Giften, die wir
                              kennen, zu seyn scheint.
                           Bekannt ist, daß Gehlen seinen Tod bei Versuchen mit
                              demselben fand; und noch im vorigen Jahre ereignete sich zu Falmouth derselbe
                              Ungluͤksfall. Der Chemiker Bullock wollte bei
                              einem Cursus der Experimentalchemie uͤber die Gasarten in der Gewerbschule
                              Arsenikwasserstoffgas bereiten, indem er Schwefelsaͤure auf eine Legirung von
                              Zink und Arsenik goß.
                           
                           Um das Gas reiner zu erhalten, wollte er die atmosphaͤrische Luft aus dem
                              Flaͤschchen aussaugen, ungluͤklicher Weise aber hatte sich schon eine
                              kleine Menge von dem ungluͤklichen Gase damit gemengt, und er buͤßte
                              nach vier und zwanzigtaͤgiger Krankheit seine Unvorsichtigkeit mit dem Leben.
                              Diese Faͤlle sind darum merkwuͤrdig, weil sie, außer der ungeheuren
                              toͤdtlichen Kraft dieses Gases, auch zeigen, mit welcher fast unbedeutenden
                              Dosis diese traurigen Wirkungen erzeugt werden koͤnnen.
                           Hinsichtlich des Einflusses der Daͤmpfe der arsenigen Saͤure auf die
                              thierische Oekonomie erwaͤhnen die Commissarien die Erzaͤhlung des Dr.
                              Waltl, der, da er dieses Heilmittel bei gewissen
                              Hautkrankheiten versuchen wollte, sich von den Wirkungen an sich selbst zu
                              uͤberzeugen wuͤnschte, die sie im Allgemeinen auf die Gesundheit
                              haͤtten. Er warf sechs Gran Arsenik auf rothgluͤhende Kohlen, die er
                              in dem Zimmer ließ, worin er sich befand. Es zeigten sich waͤhrend der Nacht
                              beunruhigende Symptome an ihm, aus denen er ersah, daß die Daͤmpfe der
                              arsenigen Saͤure als Gift wirken, wenn sie mit der atmosphaͤrischen
                              Luft eingeathmet werden. Wir erinnern noch an den krankhaften Zustand und die
                              Lebenskuͤrze der Arbeiter, welche in Arsenik und Kobalthuͤtten
                              arbeiten, ungeachtet der Vorsichtsmaßregeln, die man trifft, um den Arsenik in den
                              hohen Essen zu verdichten. Die Annalen der Medicin wuͤrden zur
                              Unterstuͤzung dieser Meinung außerdem noch eine große Anzahl uͤbrigens
                              sehr wahrscheinlicher Beweise von der Gefahr darbieten, welche die Daͤmpfe
                              der arsenigen Saͤure, selbst in nicht sehr betraͤchtlichen Mengen, bei
                              denen zeigen, welche sie athmen. Die Commissarien warfen die Frage auf, welche
                              Wirkung auf die Gesundheit zum wenigsten Einiger der Anwesenden eine große Anzahl
                              von arsenikhaltigen Stearinkerzen haben koͤnnte, wenn dieselben zugleich in
                              einer Gesellschaft, einer Kirche, oder einem Theater, z.B. in dem von
                              Drury-Lane, brennen, wo die Anzahl der Kerzen 152 betraͤgt und wo,
                              wenn statt derselben aus Sparsamkeit Stearinkerzen gebraucht wuͤrden, 608
                              Gran arseniger Saͤure waͤhrend der Dauer des Schauspieles in der Luft
                              verbreitet werden wuͤrden. Sie halten es fuͤr unmoͤglich, daß
                              in einer so zahlreichen Versammlung Niemand hiedurch afficirt werden sollte.
                           Die schaͤdlichen Wirkungen, die eine solche Beleuchtungsart haben
                              muͤsse, scheinen kaum bezweifelt werden zu koͤnnen. Sollte aber ja
                              noch bei dem Einen oder bei dem Andern ein Zweifel daran entstehen, so ist es auf
                              jeden Fall, wenn es sich von Arsenik handelt, immer besser, den Grundsaz des Weisen
                              buchstaͤblich anzuwenden: Im zweifelhaften Falle enthalte dich.
                           Die Commission schließt ihren Bericht mit einigen praktischen Bemerkungen uͤber die
                              Mittel, die Stearinkerzen von den Wachskerzen zu unterscheiden, da leztere, wenn sie
                              mit einem elfenbeinernen Instrumente gerieben werden, Politur annehmen,
                              waͤhrend erstere in diesem Falle die Politur verlieren, die sie von Natur auf
                              ihrer Oberflaͤche haben. Die, welche Arsenik enthalten, sind undurchsichtig,
                              zeigen unter dem Vergroͤßerungsglase kleine glaͤnzende Punkte und
                              verbreiten vornehmlich, wenn sie so ausgeloͤscht werden, daß noch ein langer
                              rothgluͤhender Docht zuruͤkbleibt, einen sehr deutlichen
                              Knoblauchgeruch. (Erdmann's Journ. f. prakt. Chemie, 1838
                              Nr. 14. Man vergl. auch polytechn. Journal Bd.
                                 LXVII. S. 233.)