| Titel: | Ueber vier- und sechsrädrige Locomotiven; von W. H. Barlow. | 
| Fundstelle: | Band 81, Jahrgang 1841, Nr. XXII., S. 83 | 
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                        XXII.
                        Ueber vier- und
                           sechsrädrige Locomotiven; von W. H. Barlow.
                        Aus dem Civil engineer
                                 and architects' Journal. März 1840, S.
                              90.
                        Barlow, über vier- und sechsrädrige
                           Locomotiven.
                        
                     
                        
                           Man hat bisher allgemein angenommen, daß sechsrädrige Locomotiven
                              in Bahnkrümmungen größere Gefahr laufen, von den Schienen
                              abzurollen, als vierrädrige, weil die Entfernung der vorderen
                              und hinteren Räder bei ihnen größer ist.
                           Würden sich die Maschinen mit mathematischer Genauigkeit in ihrem
                              Geleise bewegen, so würde dieses unzweifelhaft der Fall seyn,
                              allein in Folge der Unregelmäßigkeiten und Ungleichheiten der
                              Schienen und des Spielraums, welcher zwischen den Rädern und
                              Schienen nöthig ist, weicht die Maschine von ihrer wahren
                              Richtung ab. Wer die Thätigkeit einer Locomotive, wenn sie längs
                              der Schienen rasch dahinrollt, beobachtet hat, wird bemerkt
                              haben, daß ihre Bewegung nicht geradlinicht, sondern
                              schlangenförmig ist, indem die Vorderräder in ziemlich
                              regelmäßigen Vibrationen von einer Seite zur anderen gehen. Je
                              größer nun die Geschwindigkeit und je kleiner die Distanz zwischen den Vorder- und Hinterrädern ist, desto
                              auffallender wird diese Thatsache. Denn da der Spielraum in
                              allen Fällen sich gleich bleibt, so hängt der zwischen der
                              Richtung der Schienen und der Maschine während dieser
                              Vibrationen liegende Winkel von dem Abstande der Stüzpunkte ab,
                              und wahrscheinlich ist es diesem Umstande zuzuschreiben, daß
                              vierrädrige Maschinen selbst auf gerader Bahn von den Schienen
                              schon abrollten, ein Ereigniß, welches meines Wissens ohne
                              irgend eine fremde Ursache bei sechsrädrigen Locomotiven noch
                              nie vorkam.
                           Der Abstand zwischen den Mittelpunkten der Räder beträgt in dem
                              einen Falle ungefähr 7, in dem anderen ungefähr 10 Fuß, und der
                              den Rädern gestattete Spielraum einen halben Zoll. Die größte
                              schiefe Lage, welche die sechsrädrige Maschine annehmen kann,
                              ist deßhalb 0,5 Zoll auf 10 Fuß oder 1 in 240, während dieselbe
                              bei vierrädrigen Maschinen zu 0,5 Zoll auf 7 Fuß oder 1 in 168
                              sich herausstellt. Die Annahme, daß die vibratorische Bewegung
                              der Locomotive wirklich in dieser Ausdehnung stattfinde, ist
                              vielleicht zu stark; wir wollen sie daher auf die Hälfte
                              reduciren, in welchem Falle der Sinus des von der Richtung der
                              Maschine und der Richtung der Schienen eingeschlossenen Winkels
                              bei der sechsrädrigen Maschine durch 1/480, und bei der
                              vierrädrigen durch 1/336 ausgedrükt wird, wenn sie auf gerader
                              Bahn rollen. Man sieht hieraus, daß dieser offenbar geringe
                              Unterschied den sechsrädrigen Locomotiven bei allen in der
                              gewöhnlichen Praxis vorkommenden Bahnkrümmungen den Vorzug
                              gibt.
                           Der Sinus des Winkels, unter welchem eine Locomotive in einer
                              Curve gegen die Schienen geneigt ist, wird unter der
                              Voraussezung, daß sie sich mathematisch genau bewegt, durch l/2r
                              ausgedrükt, wobei l den Abstand
                              zwischen den Mittelpunkten der Vorder- und Hinterräder,
                              und r den Halbmesser der Krümmung in
                              Fußen bezeichnet. Der Vortheil zu Gunsten der vierrädrigen
                              Maschinen bei Krümmungen von demselben Halbmesser steht demnach
                              im Verhältniß von 7/2r zu 10/2r. Diesem Resultate muß indessen in
                              der Praxis noch der Vibrationswinkel der Maschine hinzugefügt
                              werden. Wenn daher beide Maschinen auf der Krümmung in ihrer
                              nachtheiligsten Stellung sich befinden, so werden die Sinus
                              ihrer Neigungswinkel zu den Schienen sich nahe verhalten, wie
                              7/2r + 1/336 zu 10/2r + 1/480. Sind diese Winkel
                              einander gleich, so ist:
                           
                           r + 1/336 =
                              10/2r + 1/480, woraus
                           r = (161280
                              × 3)/288 = 1680 Fuß = 560 Yards.
                           Nimmt man nämlich an, die Abweichung von der wahren Stellung der
                              Maschine in Folge des Spielraums zwischen den Rädern und
                              Schienen betrage nicht mehr als 1/4 Zoll, so sind die
                              sechsrädrigen Locomotiven unter einem günstigeren Winkel gegen
                              die Schienen geneigt, und es verliert somit ihr Abrollen von den
                              Schienen für alle Krümmungen, deren Halbmesser 560 Yards
                              überschreiten, an Wahrscheinlichkeit. Bei Bahnkrümmungen von
                              geringerem Halbmesser hat die vierrädrige Maschine den größeren
                              Vortheil auf ihrer Seite.