| Titel: | Ueber die Nichtentzündbarkeit der Gewebe; von A. Morin in Genf. | 
| Fundstelle: | Band 81, Jahrgang 1841, Nr. XXXIII., S. 118 | 
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                        XXXIII.
                        Ueber die Nichtentzündbarkeit
                           der Gewebe; von A. Morin in
                           Genf.
                        Aus dem Journal de
                                 Pharmacie, Mai 1841, S. 296.
                        Morin, über die Nichtentzündbarkeit der
                           Gewebe.
                        
                     
                        
                           Das Publicum ist schon lange von dem Gedanken zurükgekommen, daß
                              die Gewebe durch Behandlung mit einer Substanz von mineralischer
                              und unverbrennlicher Natur ebenfalls unverbrennlich gemacht
                              werden können. Man überzeugte sich, daß die Hize auf eine mit
                              einem unverbrennlichen Ueberzug oder Firniß bedekte Substanz
                              eben so desorganisirend wirkt, wie die Destillation in
                              verschlossenen Gefäßen und sie folglich zerstört. Da aber das
                              nothwendige Resultat dieser Zerstörung die Erzeugung eines sehr
                              beträchtlichen Volums mehr oder weniger kohlenstoffhaltiger,
                              verbrennlicher und entzündlicher Gase ist, so kann man sich
                              eines Zweifels über die wahrhafte Wirksamkeit der zur Bezwekung
                              der Nichtentzündlichkeit der Gewebe angewandten Mittel nicht
                              erwehren.
                           Ich hatte Gelegenheit, über diesen Gegenstand einige Versuche
                              anzustellen, und zwar in großem Maaßstabe. Es handelte sich um
                              das Zelt eines Dampfschiffes, welches dem Regen ausgesezt ist
                              und auch glühende Kohlen in sich aufzunehmen hat; es war von
                              grobem Hanftuch.
                           Ich untersuchte zuvörderst die Wirkung des Wasserglases von
                              verschiedenem Kieselerdegehalt, und auch das Fuchs'sche Wasserglas, welches
                              bekanntlich an den Decorationen des Theaters in München
                              angewandt wurde und nur in warmem Wasser auflöslich ist.
                           Ein Stük Zeug wurde mit Wasserglaslösung getränkt und dann
                              getroknet, und diese Operation öfters wiederholt, bis der Punkt
                              erreicht war, wo es einer lebhaften Flamme ausgesezt oder
                              zwischen glühende Kohlen gebracht, glühend wurde und sich
                              zersezte, ohne selbst in Flamme auszubrechen.
                           Ich bemerkte, daß wenn der unentzündlich gemachte Stoff öfters
                              durch die Hände ging, derselbe nach und nach diese Eigenschaft
                              verlor, was ich nur dem Umstande zuschreiben kann, daß der
                              Glasüberzug, welcher ihn durchdrungen hatte, nach
                              seinem Austroknen gar keine Adhäsion zum Gewebe erlangt hatte
                              und nur mehr wie Staub daran haftete, welcher bei jeder Bewegung
                              des Zeuges theilweise abfiel. – Einmal der Ueberzeugung,
                              daß das Wasserglas keine andere Eigenschaft besizt, als den Zeug
                              mit einer troknen und zerreiblichen mineralischen Substanz zu
                              durchdringen, welche sich als Staub davon ablösen kann, schien
                              es mir, daß jede concentrirte Auflösung eines Salzes mit
                              unlöslicher Basis, welche man auf die organische Substanz
                              brächte und aus welcher man die Basis in allen inneren und
                              äußeren Theilen des Gewebes niederschlagen würde, dieselbe
                              Wirkung wie das Wasserglas thun müsse, und daß diese Mittel, je
                              nach der Wahl des Materials, den Vorzug der Wohlfeilheith ätten
                              und in allen Fällen benuzt werden könnten, wo es sich um bewegliche, der Reibung ausgesezte
                              Bekleidung handelt, wobei ich jedoch immer den Vorzug des
                              Wasserglases für alle unbeweglichen
                              Gegenstände anerkannte.
                           Hätte ich es mit einem vor dem Regen geschüzten Zeuge zu thun
                              gehabt, so hätte ich mich der Fällung der Salzlösung entheben
                              können. Das in allen Theilen des Gewebes sizende Salz hätte
                              ebenfalls die Nichtentzündlichkeit bewirkt, und ich kann zu
                              Gunsten dieser Ansicht anführen, wie schwierig die Holzgefäße zu
                              verbrennen sind, in welchen Salz, namentlich Seesalz, aufbewahrt
                              war, das salzsaure Bittererde enthält, ein sehr zerfließliches
                              Salz, welches so leicht in die Poren der Holzsubstanz
                              dringt.
                           Da die Wohlfeilheit eine unerläßliche Bedingung war, so war ich
                              in der Wahl der Substanzen beschränkt.
                           Ich versuchte zuerst den Alaun.
                              Nachdem ich den Zeug in eine concentrirte Lösung dieses Salzes
                              getunkt hatte, ließ ich ihn troknen und tunkte ihn dann in ein
                              sehr verdünntes Ammoniakbad, um die Alaunerde zu fällen. Ich
                              wiederholte diese Operation mehreremale und ließ den Zeug
                              troknen, bis ich annehmen konnte, daß er mit Alaunerde wohl
                              beladen war. Der auf diese Weise behandelte Zeug brach etwas
                              minder leicht in Flamme aus, als vorher.
                           Keinen besseren Erfolg hatte ich, als ich nach einander zwei
                              Bäder von salzsaurem Kalk und kohlensaurem Kali anwendete, durch
                              deren Zersezung kohlensaurer Kalk gebildet wurde.
                           Die merkwürdige Eigenschaft des Alauns, auf die Gewebe mehrere
                              Farben zu fixiren, welche ohne dessen Vermittelung zerstört oder
                              durch das Waschen im Wasser weggeführt würden, ließ mich hoffen,
                              in der Alaunerde einen Körper zu finden, welcher mit dem Zeuge
                              eine anhaftende Verbindung eingehen kann. Da sich dieß nicht
                              bewährte, entsagte ich der Behandlung mit erdigen Substanzen,
                              und kam auf die mit metallischen Körpern, deren mehrere mit den
                              meisten organischen Körpern chemische Verbindungen eingehen.
                           Den ersten Versuch machte ich mit basisch-essigsaurem
                              Blei, dessen Fällung ich mit drei verschiedenen Körpern
                              bewerkstelligte, nämlich mit salzsaurem Ammoniak, reinem
                              Ammoniak und Alaun. Durch das erste Verfahren wurde der Zeug mit
                              salzsaurem Blei, durch das zweite mit Bleioxyd und durch das
                              dritte mit schwefelsaurem Blei beladen. – Diese drei
                              Proben brannten nicht mit Flamme, obschon sie lange über die
                              Flamme gehalten wurden; aber sie brannten langsam, und nachdem
                              ein Theil derselben glühend geworden war, verbreitete sich das
                              Feuer langsam über die ganze Fläche des Stoffes, wie es nur bei
                              gut präparirtem Zunder hätte seyn können.
                           Da ich in den Bleiverbindungen nur einen Theil der gewünschten
                              Eigenschaften, hingegen aber einen sehr nachtheiligen Uebelstand
                              fand, versuchte ich das Zinkoxyd. Nachdem ich den Zeug mit einer
                              starken Quantität weißen oder Zinkvitriols getränkt hatte,
                              schlug ich das Oxyd desselben mittelst Ammoniak nieder. –
                              Die Probe brannte nicht mit Flamme, sie konnte verbrannt werden,
                              aber die Verbrennung sezte sich nicht fort, wenn sie nicht durch
                              ein anderes Feuer unterhalten wurde. Da ich also im Zinkoxyd die
                              Eigenschaften fand, welche ich suchte, benuzte ich dasselbe zu
                              der Behandlung im Großen, und folgendes Verhältniß fand ich dazu
                              passend: auf 45 Pfd. Zeug nahm ich 16 Pfd. schwefelsauren Zink
                              in Broden und 36 Pfd. Wasser, fällte das Oxyd daraus mit 6 1/2
                              Pfd. Ammoniak von 16° Baumé, welches mit einer
                              großen Menge Wasser verdünnt war, und in welchem ich den Zeug zu
                              wiederholtenmalen badete. Das Gewebe hatte 5 bis 6 Pfd. Zinkoxyd
                              oder 1/9 seines Gewichts aufgenommen.
                           Diese Zubereitungsweise hatte jedoch den oben bezeichneten
                              Fehler, welchen auch die von Hrn. de
                                 Saussure angestellten Proben hatten, nämlich den
                              vorzüglich für eine dem Regen ausgesezte Bekleidung sehr großen
                              Uebelstand, beim Waschen vom Zeuge abzugehen.
                           Um nun das Zinkoxyd oder jedes andere auf dem Zeuge mehr zu
                              befestigen, so suchte ich das Vermögen des Gerbestoffs, die
                              Gallerte unauflöslich zu machen, zu benuzen. Zu diesem Behufe
                              belud ich das Gewebe zuvörderst mit der, um es unentzündlich zu
                              machen, bestimmten Mineralsubstanz; nachdem ich es hierauf
                              getroknet hatte, tränkte ich es mit einer Leimauflösung und
                              brachte es endlich in ein Gerbestoffbad. Obwohl nun die
                              Substanz, wodurch das Gewebe unentzündlich gemacht wird, durch
                              dieses Mittel stärker darauf zurükgehalten wird, so widersteht
                              es doch nicht länger fortgeseztem Abwaschen.
                           Es geht hieraus hervor, daß die Verfahrungsweisen der angegebenen
                              Art die Gewebe, welche dem Abwaschen ausgesezt sind, nicht auf
                              unbeschränkte Zeit schüzen können, und daß sie also von Zeit zu
                              Zeit wieder neue Mineralsubstanz erhalten müssen, um sie gegen
                              Entzündbarkeit vollkommen zu sichern.
                           Derselbe Fall ist es mit Geweben, welche einer häufigen Reibung
                              oder Faltenbildung ausgesezt sind. Alle diese Bewegungen machen,
                              daß etwas Mineralsubstanz abfällt, und endlich ein Zeitpunkt
                              eintritt, wo das Gewebe so wenig unverbrennliche Substanz mehr
                              enthält, daß es in Flamme ausbrechen könnte. Doch trittt dieses
                              Verderbniß bei weitem nicht so schnell ein, wie durch das
                              Auswaschen.
                           Zum Schuze unbeweglichen Gewebes, Papiers
                                 oder Holzwerks wird der Wasserglasüberzug seinen Zwek
                                 vollkommen erfüllen. In manchen Fällen könnte mit dem
                              besten Erfolg ein zerfließliches Salz, z.B. salzsaurer Kalk,
                              angewandt werden.
                           Alle diese verschiedenen Substanzen wirken auf keine andere
                              Weise, als indem sie die Verbrennung so langsam machen, daß die
                              durch die Zersezung der organischen Substanz erzeugten Gase
                              keine Flamme erzeugen. Durch ihre Dazwischenkunft wird daher die
                              organische Materie einer schwachen Feuerquelle widerstehen
                              können; ein Funke, ein Kohlenbrökchen können ein Loch
                              einbrennen, ohne daß die Verbrennung sich fortsezt. Wenn aber
                              die Quelle der Erhizung stark genug ist, um augenblikliche
                              Zersezung einer großen Masse organischer Materie
                              hervorzubringen, so wird auch die Gaserzeugung bedeutend und
                              augenbliklich seyn, und die Substanz könnte dann auch mit Flamme
                              brennen. Eine absolute Nichtentzündlichkeit wird daher nicht
                              erreicht, sondern sie wird zur Intensität der Wärmequelle im
                              Verhältniß stehen.