| Titel: | Ueber das Dombasle'sche Macerationsverfahren; von Prof. Siemens in Hohenheim. | 
| Fundstelle: | Band 81, Jahrgang 1841, Nr. XXXIV., S. 120 | 
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                        XXXIV.
                        Ueber das Dombasle'sche Macerationsverfahren; von Prof. Siemens
                           in Hohenheim.
                        Siemens, über das Dombasle'sche
                           Macerationsverfahren.
                        
                     
                        
                           Hr. v. Dombasle hat nach der
                              Herausgabe seiner lezten Schrift über das neueste
                              MacerationsverfahrenMan vergl. polyt. Journal Bd. LXXX. S. 285
                                    u. 396. die Beantwortung zweier Briefe druken lassen, in welchen
                              er um Aufklärung und Belehrung über Resultate seiner neuen
                              Methode ersucht wurde. Er gibt in dieser Beantwortung
                              Erläuterungen über die in Frage stehenden Resultate, welche bei
                              der gegenwärtigen Aufmerksamkeit auf die neue Fabricationsmethode von allgemeinem Interesse seyn dürften,
                              weßhalb ich mich veranlaßt finde, das Wesentliche derselben
                              mitzutheilen und einige Bemerkungen darüber beizufügen.
                           Einer der Fabrikanten, welche Roville besuchten, findet die
                              Ausbeute an Zuker im Verhältniß zur Quantität des Saftes nach
                              dem Dombasle'schen Verfahren weit
                              größer, als es beim Verfahren des Auspressens der Fall seyn
                              könne, indem er anführt, daß er aus seinen Rüben, deren Saft
                              dasselbe specifische Gewicht, wie die in Roville verarbeiteten,
                              besize, bei 70 Proc. Saftgewinnung nur 5 bis 5 1/2 Proc. ersten
                              und zweiten Zuker erhalte, während in Roville aus einer gleichen Menge Saft eine weit
                              größere Menge Zuker gewonnen werde.
                           Hr. v. Dombasle erwiedert hierauf, daß
                              die unverhältnißmäßig groß erscheinende Ausbeute an Zuker nach
                              seiner Methode in Folgendem begründet sey. Wenn man bei dem
                              Preßverfahren das Reiben und Pressen auch noch so sehr
                              beschleunige, erleide dennoch der rohe Saft durch Einwirkung der
                              Luft eine Alteration oder Veränderung, die weit größere
                              nachtheilige Folgen auf die Ausbeute an Zuker habe, als es
                              bisher auszumitteln möglich gewesen und anerkannt sey. Bei einer
                              Vergleichung der Behandlung des durch Auspressen gewonnenen
                              Saftes mit dem durch Maceration gewonnenen ergebe sich in obiger
                              Beziehung eine große Verschiedenheit. Während der erstere nicht
                              allein beim Reiben und Pressen, sondern auch bis zu seiner
                              völligen Erhizung, um defecirt zu werden, der Einwirkung der
                              Luft so vielseitig ausgesezt ist, wird der leztere bei seiner
                              Gewinnung weit mehr dagegen geschüzt. Durch das Schneiden der
                              Rübe behält diese ihre Lebensthätigkeit, die sie gegen jede
                              Störung bewahrt, und die geschnittenen Rüben kommen sofort in
                              eine höhere Temperatur, welche den Saft wenigstens so lange
                              gegen Alteration schüzt, bis er aufs Neue, um defecirt zu
                              werden, erhizt wird. Hr. v. Dombasle
                              gibt an, daß die Bildung der Substanz, wodurch der rohe
                              Rübensaft nach einiger Zeit eine gallertartige Consistenz
                              erhält, auf Kosten des Zukers geschehe, und daß diese
                              Veränderung schon während der Gewinnung des Saftes beim
                              Reib- und Preßverfahren stattfinde. Ferner sagt er, daß
                              sich bei der Defecation der Kalk mit der gallertartigen Substanz
                              verbinde und hiedurch die bedeutende Verminderung des spec.
                              Gewichts entstehe, welche der durchs Pressen gewonnene Saft bei
                              der Defecation erleide. Bei einer Vergleichung des durch
                              Maceration mit dem durchs Pressen erhaltenen Saft finde man nach
                              der Defecation, mit Berüksichtigung der von einem gleichen
                              Gewichte Rüben erhaltenen Saftmenge, eine nicht unbedeutende
                              Verschiedenheit in Hinsicht des gewonnenen Zukergehalts oder des
                              spec. Gew., und zwar so, daß aus 100 Kilogr. Rüben durch die neue
                              Maceration 110 Liter klare zukerige
                              Flüssigkeit gewonnen werde, welche noch um 1/4 Grad schwerer
                              sey, als der geklärte Saft, wovon man aus demselben Gewichte
                              Rüben nur 70 Liter nach dem Preßverfahren erhalte. Hiedurch
                              würde sich dann die verhältnißmäßig zu groß erscheinende
                              Ausbeute an Zuker nach der neuen Methode hinreichend
                              erklären.
                           Ich kann diese Angabe zum Theil bestätigen, indem ich mich bei
                              meiner Anwesenheit in Roville Mitte März d. J. überzeugte, daß
                              dort aus 100 Kilogr. Rüben über 100 Liter Saft gewonnen wurden,
                              der nach der Defecation 6 1/2 Baumé zeigte, während der
                              rohe ausgepreßte Saft 7 bis 8° B. hatte. Ob aber dieser
                              ausgepreßte Saft, wenn er defecirt worden wäre, ein
                              verhältnißmäßig viel geringeres spec. Gew. gezeigt haben würde,
                              als der durch Maceration gewonnene, darüber habe ich bis jezt
                              keine Versuche gemacht.
                           Hr. v. Dombasle glaubt, daß die
                              Vermeidung der Alteration des Saftes bei seiner Methode auch die
                              erwiesene Möglichkeit begründe, nach dieser die Verarbeitung der
                              Rüben in eine weit vorgerükte Jahreszeit ohne Nachtheil
                              ausdehnen zu können. Diese Möglichkeit liefert zugleich den
                              Beweis, daß sich der Zuker in der Rübe gegen Ende des Winters
                              oder im Anfang des Frühjahres nicht verändert. Wenn die
                              Gewinnung nach dem bisherigen Verfahren nicht möglich wurde, so
                              ist dieß entweder in der leichteren
                              Alteration der Rübe zu dieser Jahreszeit begründet, oder es
                              erzeugt sich durch das längere Aufbewahren ein Stoff, der die
                              Gewinnung des krystallisirbaren Zukers verhindert und der bei
                              der neuen Gewinnungsart vielleicht abgeschieden wird.
                           Hr. v. Dombasle sucht die Ansicht der
                              meisten Fabrikanten, welche sich in Roville von der reichen
                              Ausbeute an Zuker überzeugt haben, daß diese durch die
                              vorzügliche Beschaffenheit der dortigen Rüben zum Theil
                              herbeigeführt werde, zu widerlegen, indem er glaubt, daß
                              überall, wo der ausgepreßte Saft 7 1/2° nach Baumé
                              wiege, dieselben Resultate, wie in Roville, erhalten werden
                              können.
                           Meiner Ansicht nach dürfte lezteres wohl nicht als überall
                              geltend anzunehmen seyn, da man viele Rüben verarbeitet, deren
                              Saft roh 8–9° und defecirt 6–7° B.
                              zeigt und die doch weniger Zuker
                              geben als Rüben, deren Saft nach der Defecation nur 5° B.
                              behielt, weil erstere mit vielen Salzen verunreinigt seyn
                              können, die keine so bedeutende Verminderung des spec. Gew.
                              zulassen. Das spec. Gew. gibt meiner
                                 Erfahrung nach weder vor, noch nach der Defecation einen
                                 Maaßstab für die Beurtheilung des Zukergehalts der
                                 Rübe. So weit ich die Beschaffenheit des Landes,
                              auf welchem in Roville die Rüben gezogen werden, und diese
                              selbst kennen lernte, wird es wenige Fabriken geben, welche in
                              größern Quantitäten Rüben
                              erhalten können, die von der Beschaffenheit jener sind. Das Land
                              besteht aus einem mit vielem Granitgerölle und Sand vermischten
                              reinen Lehmboden, der nicht feucht und mit todten humosen oder
                              vielen fremdartigen Substanzen vermischt ist, denen wir
                              vorzugsweise die Bildung der Salze zuschreiben, daher auch auf
                              ihm eine Rübe von vorzüglicher Reinheit gewonnen werden kann.
                              Außerdem wird regelmäßig im Herbst gedüngt und das Land
                              vorzüglich gut bearbeitet. Keine der Rüben, welche ich in
                              Roville verarbeiten sah, erreichte das Gewicht von 2 Pfd.; sie
                              waren von so gleicher Beschaffenheit, wie sie kein Landwirth im
                              Stande ist, der Fabrik im Großen mit Vortheil zu liefern. Hat
                              auch die neue Maceration, wie ich überzeugt bin, große Vorzüge,
                              so können damit doch nicht überall gleiche Resultate erreicht
                              werden. Die Hoffnung auf den großen Gewinn, welchen man sich
                              jezt davon verspricht, erinnert mich an einen damit zu
                              vergleichenden Fall, bei welchem ich Gelegenheit hatte, mich von
                              den Resultaten einer Fabrik genau zu unterrichten, welche die
                              reiche Ausbeute an Zukermasse von mehr als 12 Proc. erhielt,
                              dieses aber einzig nur dem reichen Zukergehalte der auf magerem
                              sandigem Boden gewachsenen Rüben zuzuschreiben hatte, von
                              welchen man aber auch nur 60–70 Cntr. per Morgen erhielt.
                           Ferner erwähnt Hr. v. Dombasle in
                              seinen Briefen des Tadels, den so viele Fabrikanten über die
                              Anwendung der Klärstanden, in welchen
                              der Saft bei seiner Methode nach der Defecation 2–3
                              Stunden der Ruhe überlassen bleibt, äußern, indem sie dieß als
                              eine nachtheilige oder lästige Verzögerung der Fabrication
                              ansehen. Hr. v. Dombasle hält dagegen
                              die Benuzung dieser Klärstanden für eine wesentliche
                              Verbesserung des Macerationsverfahrens, weil dadurch der Kalk
                              Zeit behalte, viel kräftiger oder vollständiger zu wirken, als
                              dieß bei der Defecation des ausgepreßten Saftes gewöhnlich der
                              Fall sey, und eben so die fremdartigen Theile in jener Zeit
                              durch die Kraft ihrer Verwandtschaft sich besser vereinigen.
                           Ich muß hierin Hrn. v. Dombasle
                              vollkommen beistimmen, weil ich mich von der Zwekmäßigkeit der
                              Anwendung dieser Klärstanden überzeugt zu haben glaube. Der Saft
                              erfordert auf die Weise, wie er in Roville geklärt wird, so
                              wenig Kalk, wie es schon lange mein Wunsch war bei dem
                              bisherigen Preßverfahren anwenden zu können. Dieß wird aber nur
                              möglich, wenn der Saft längere Zeit mit dem beigemischten Kalk
                              in Berührung bleibt. Unmittelbar oder nur kurze Zeit nach dem
                              Zugehen des Kalks erfolgt nach dem 
                              Dombasle'schen Verfahren keine
                              Klärung des Saftes, wie wir sie bei der gewöhnlichen Art zu
                              defeciren zu erreichen suchen und nur durch einen größeren Zusaz
                              von Kalk erlangen. Dieser macht aber später die Anwendung einer
                              größeren Menge Kohle nöthig oder schwächt ihre Wirkung so, daß
                              ein weniger reines Product gewonnen wird, welches dann auch mit
                              größerer Schwierigkeit darzustellen ist.
                           Der Umstand, daß man bei dem neuen Verfahren nach der Klärung
                              weniger reinen, hellen Saft unmittelbar von dem gebildeten
                              Niederschlage abziehen kann und daher mehr filtriren muß, macht
                              bei einer zwekmäßigen Stellung der Gefäße nicht viel Mühe, da
                              überhaupt weniger Niederschläge vorhanden sind, als beim
                              ausgepreßten Safte, die Filtersäke also auch weniger oft
                              gewechselt werden müssen. (Riecke's Wochenblatt
                                 1841, Nr. 25.)