| Titel: | Bemerkungen über die Abhandlung des Hrn. Blondeau de Carolles: die Zersezung der Oehle in geschlossenen Gefäßen etc. betreffend. Von J. G. R. Schiele, technischem Director der Frankfurter Gasfabrik. | 
| Autor: | Blondeau de Carolles , J. G. R. Schiele | 
| Fundstelle: | Band 81, Jahrgang 1841, Nr. XXXVIII., S. 131 | 
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                        XXXVIII.
                        Bemerkungen über die
                           Abhandlung des Hrn. Blondeau de Carolles: die
                           Zersezung der Oehle in geschlossenen Gefäßen etc. betreffend. Von
                           J. G. R.
                              Schiele, technischem Director der Frankfurter
                           Gasfabrik.
                        Schiele, über die Theorie der
                           Leuchtgasbereitung.
                        
                     
                        
                           Die Comptes rendus, 1841, No. 7 und daraus das 2te Aprilheft
                              des polytechnischen Journals Bd. LXXX. S. 117 enthalten eine Abhandlung des Hrn.
                              Blondeau de Carolles über die
                              Zersezung der Oehle in geschlossenen Gefäßen etc.
                           Hr. Blondeau versucht darin das Gesez
                              zu erläutern, nach welchem sich bei der Leuchtgasbereitung in
                              den Retorten der kohlige Niederschlag bildet, und ist zugleich
                              bemüht, nach diesem Gesez zu erklären, warum bei Selligue's Wassergasbereitung diese
                              kohlige Ablagerung in den Retorten nicht zu finden sey. Da aber
                              einige seiner Folgerungen auf irrige Voraussezungen gestüzt zu
                              seyn scheinen, so erlaube ich mir die genannte Abhandlung näher
                              zu beleuchten, und somit dazu beizutragen, daß die Räthsel,
                              welche in diesem Fache vorkommen, und besonders diejenigen,
                              welche aus den Berichten über die Selligue'sche Gasbereitung so zahlreich entspringen,
                              durch falsche oder scheinbare Lösung eines Theiles derselben,
                              nicht noch verwikelter werden.
                           Hr. Blondeau findet, daß wenn eine
                              Kohlenwasserstoffverbindung durch ein beinahe weißglühendes
                              eisernes Rohr geleitet wird, sich ein schwarzes Pulver absezt,
                              welches jedoch nicht aus Kohlenstoff, sondern aus
                              Kohlenstoffeisen bestehe – und schließt daraus, daß das
                              Eisen die Ursache der Fällung des Kohlenstoffes sey. Da aber die
                              Kohlenwasserstoffverbindung, wenn sie durch eine glühende
                              Porzellanröhre geleitet wird, ebenfalls Kohlenstoff in
                              Pulverform absezt, so wird diese nicht durch das Eisen, sondern
                              durch die längst bekannte Wirkung der höheren Temperatur
                              veranlaßt, in welcher gewisse Verhältnisse der gasförmigen
                              Kohlenwasserstoffverbindungen nicht bestehen können; und die
                              Voraussezung des Hrn. Blondeau ist
                              irrig.
                           Hr. Blondeau folgert nun ferner, daß
                              die Ablagerung des Kohlenstoffes in dem Selligue'schen Apparat dadurch verhindert wäre, daß
                              dem Eisen ein Körper zugeführt würde, zu dem es eine größere
                              Verwandtschaft als zu dem Kohlenstoff habe, daher lezterer nicht von dem Leuchtgas getrennt würde – und dieser
                              Körper soll der Sauerstoff seyn, welcher aus dem in die Retorte
                              eingeführten Wasser frei würde.
                           Daß allerdings das Eisen eine größere Verwandtschaft zu dem
                              Sauerstoff, als zu dem Kohlenstoff habe, lehren uns die Elemente
                              der Chemie, aber sie lehren uns auch, daß in der Glühhize der
                              Sauerstoff eine noch weit nähere Verwandtschaft zum Kohlenstoff
                              hat, als zum Eisen, und folglich ohne das Eisen zu oxydiren,
                              sich sogleich mit dem Kohlenstoff zu Kohlensäure etc. verbindet,
                              also eher Kohlenstoff selbst consumirt, als zur Erhaltung
                              desselben in dem Kohlenwasserstoff beitragen wird.
                           Hrn. Blondeau muß es nicht bekannt
                              seyn, daß eben dieser Kohlenstoff ein Hauptagens ist, um dem
                              oxydirten Eisen seinen Sauerstoff zu entziehen, und sehr
                              wahrscheinlich ist das von ihm in dem abgelagerten Kohlenstoff
                              vorgefundene Eisen reducirtes Oxyd,
                              welches vor dem Verschluß der Retorten durch Zutritt der
                              atmosphärischen Luft, durch Feuchtigkeit oder sonstige
                              Zufälligkeiten sich in denselben gebildet haben kann, wo es dann
                              leicht in gekohltes Eisen übergeht.
                           Dieß wäre der zweite Irrthum. Ein fernerer und zwar die ganze
                              Erklärung des Hrn. Blondeau
                              a priori umstoßender Irrthum ist
                              seine Annahme, der Sauerstoff, welcher aus dem bei Selligue's Apparat gleichzeitig mit
                              dem Oehle einlaufenden Wasser erzeugt wird, komme ungebunden mit
                              dem in der Zersezung begriffenen Oehle in Berührung. Dieser Fall
                              tritt aber nicht ein, sondern es wird alle Sorgfalt darauf
                              verwendet, den Sauerstoff in Kohlenoxydgas umzuwandeln, bevor er
                              zu der Retorte gelangt, in welcher das Oehl zersezt wird, wie
                              solches aus dem Bulletin de la
                                 Société d'Encouragement, Oktober 1838, S.
                              396 (polyt. Journal Bd. LXXI.
                                 S. 31) hervorgeht, worin folgende Stelle vorkommt:
                              „das in die Siederöhren fallende Wasser verdampft
                                 dann augenbliklich und gelangt als Dampf in die erste und
                                 zweite Retorte, um daselbst zersezt zu werden und den Sauerstoff abzugeben, so daß nur
                                    reiner Wasserstoff in die dritte Retorte übergeht und
                                    sich daselbst mit dem gekohlten Wasserstoff
                                    vermengt, welches durch das aus dem Heber in die
                                 lezten beiden Retorten herabfallende Oehl entbunden
                                 wird.“ Einige Zeilen früher erklärt Selligue, daß die beiden ersten
                              Retorten mit Holzkohlen gefüllt wurden, und demnach muß außer
                              dem Wasserstoffgas auch noch Kohlenoxydgas aus denselben
                              hervorgehen und in die lezte Retorte gelangen, auf keine Art
                              aber Wasserdampf oder gar freier Sauerstoff.
                           
                           Da es indessen erwiesen scheint, daß die in Rede stehende
                              Ablagerung von Kohle durch Einführung von Wasser oder dessen
                              Dampf in die glühenden Zersezungsgefäße verhindert werden kann,
                              was schon im Jahre 1825 Vere und Crane und im Jahre 1838 Longchamp behaupteten, und da ferner
                              behauptet wird, daß auch bei Selligue's Verfahrungsweise sich keine Kohle ablagere,
                              so muß man annehmen, daß der Wasserstoff derjenige Körper sey,
                              mit welchem sich der Kohlenstoff nach noch nicht erforschten
                              Gesezen verbindet. So viel zur Widerlegung der Behauptungen des
                              Hrn. Blondeau.
                           In Betreff des Selligue'schen
                              Verfahrens muß ich jedoch schließlich bemerken, daß wenn auch
                              derselbe nach der Erläuterung des Hrn. Grouvelle (polytechn. Journal Bd. LXXVII. S. 141) aus
                              einer gegebenen Menge eines Kohle in Ueberschuß (d.h. mehr Kohle
                              als zum Doppeltkohlenwasserstoffgas anwendbar ist) enthaltenden
                              Körpers, mehr Kohlenstoff gasförmig bindet, als bei anderer
                              Bereitungsart bisher möglich war, dieser Kohlenstoff doch in
                              einem so großen Volumen nicht leuchtender Gase vertheilt ist,
                              daß schon aus dieser Ursache allein in der praktischen Anwendung
                              des Gases wieder große Schwierigkeiten erwachsen. Die jüngsten
                              Nachrichten über das Selligue'sche
                              Wassergas bestätigen dieß vollkommen und bewahrheiten viele der
                              von Hrn. Dr. Emil Dingler
                              Bd. LXXII. S. 141 dieses
                              Journals über diesen Gegenstand aufgestellten Zweifel. Die
                              interessante Abhandlung des Hrn. G. H. Engelhard im vierten Jahrgang des Frankfurter
                              Gewerbfreundes enthält S. 35 und S. 51 wichtige Aufschlüsse und
                              geschichtliche Daten darüber.
                           Möchten bald tüchtige Chemiker diesem Theil der Wissenschaft
                              besondere Aufmerksamkeit zuwenden und erfahrene Praktiker
                              Materialien dazu liefern, um vielen der Räthsel, welche sich in
                              der Praxis der Gasbeleuchtung ergeben, zu ihrer Lösung, durch
                              Zurükführung auf bekannte oder durch Entdekung und Feststellung
                              bisher noch nicht erkannter Naturgeseze, zu verhelfen.