| Titel: | Ueber ein neues Signallicht für Eisenbahnen; von Alan Stevenson, Civilingenieur zu Edinburgh. | 
| Fundstelle: | Band 81, Jahrgang 1841, Nr. L., S. 194 | 
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                        L.
                        Ueber ein neues Signallicht
                           für Eisenbahnen; von Alan Stevenson,
                           Civilingenieur zu Edinburgh.
                        Aus dem Civil Engineers
                                 and Architects' Journal. Mai 1841, S.
                              150.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. III.
                        Stevenson, über ein neues Signallicht für
                           Eisenbahnen.
                        
                     
                        
                           Die zahlreichen, von unglükseligen Folgen begleiteten Unfälle,
                              welche sich neuerdings auf Eisenbahnen ereigneten, haben im
                              Publicum große Unruhe erregt; die Beseitigung dieser Zufälle ist
                              daher unzweifelhaft ein Gegenstand von großer Wichtigkeit. Der
                              Zwek gegenwärtiger Mittheilung geht darauf hin, eine Quelle der
                              Gefahr zu bezeichnen, welcher sämmtliche Unfälle der lezteren
                              Zeit zuzuschreiben sind, und die Mittel zu ihrer Beseitigung
                              anzugeben.
                           Zu den unvollkommensten Zweigen des Eisenbahnensystems gehört
                              unzweifelhaft die Unsicherheit der Nachtsignale. Diesem Umstande
                              sind bekanntlich manche der unglükseligsten Zufälle, welche sich
                              ereigneten, zuzuschreiben. Der Hauptzwek dieser Lichtsignale
                              ist, anzukündigen, daß der Train eine gewisse Stelle in seinem
                              Laufe erreicht habe, und den Maschinisten von seiner Annäherung
                              an eine Station oder einen Seitenzweig der Bahn in Kenntniß zu
                              sezen, damit er die Geschwindigkeit der Maschine, zur Vermeidung
                              einer Collision, bei Zeit vermindern könne. Die zu diesem
                              Zwek verwendeten Lichter werden in der Regel an derjenigen
                              Stelle, deren Nähe sie anzeigen sollen, angeordnet; allein die
                              Streke, auf welche das nach horizontaler Richtung geworfene
                              Licht von einem in der Linie seiner Transmission sich nähernden
                              Person gesehen wird, ist je nach dem Zustande der Atmosphäre,
                              welche in unserem Klima in Beziehung auf Durchsichtigkeit und
                              Nebel großen und plözlich eintretenden Veränderungen unterworfen
                              ist, sehr veränderlich. Diese Abwechselungen in der Sichtbarkeit
                              der für einen ausgedehnten Umkreis berechneten Lichter lassen
                              sich durch keine Mittel in enge Gränzen einschränken, indem die
                              Erfahrung an den Leuchtthürmen, deren Wirkungskreis mit dem
                              Zustande der Atmosphäre von 60 bis auf 2 oder 3 Meilen herab
                              wechselt, ein zu augenscheinliches Beispiel aufweist. Und dieser
                              Uebelstand ist unglüklicherweise einer von denjenigen, welche
                              bei dem gegenwärtigen Zustand der Chemie und Optik, wie wir
                              besorgen, als unabhülflich bezeichnet werden müssen. So groß
                              dieser Mißstand schon in Beziehung auf Leuchtthürme sich
                              herausstellt, so wird er doch bei Eisenbahnen wegen der
                              außerordentlichen Schnelligkeit des Betriebs noch wesentlich
                              erhöht. Jede Aenderung in dem Abstande, unter welchem ein
                              Signallicht zuerst gesehen wird, muß zu großen Mißverständnissen
                              in Beziehung auf die Zeit, in welcher man die Station erreicht,
                              führen, und alle diese Mißverständnisse können in Betracht der
                              zahlreichen, aus der Durchkreuzung von Seitenlinien, aus dem
                              Zusammentreffen mit andern Wagen oder dem Eintreten anderer
                              Ereignisse entspringenden Gefahren, von den schwersten Folgen
                              begleitet seyn. Es ist daher in Rüksicht auf die Sicherheit
                              unerläßlich, die Lichtsignale so einzurichten, daß sie bei jedem
                              Zustande des Wetters beständig an demselben Punkte sichtbar
                              seyen, und daß dieser Punkt von der Station, deren Nähe das
                              Signal kund geben soll, weit genug entfernt sey, um noch Zeit zu
                              haben, die Geschwindigkeit der Locomotive zu hemmen, bevor sie
                              die Station erreicht. Auf keinen andern Grund kann das Zutrauen
                              des Publicums in Beziehung auf Sicherheit vernünftigerweise sich
                              stüzen.
                           Im December vergangenen Jahres kam mir im Laufe der Unterredung
                              mit meinem Freunde, dem Civilingenieur Errington, der Gedanke, daß, obgleich die
                              Veränderlichkeit in der Sichtbarkeit des auf einen weiten
                              Umkreis berechneten Lichtes nach dem gegenwärtigen Stande
                              unserer Kenntnisse als ein unheilbares Uebel zu betrachten ist,
                              es doch möglich seyn könnte, mit Hülfe besonderer Anordnungen
                              der Lichter die Eisenbahnsignale bei jedem
                                 Zustande der Atmosphäre fortwährend an derselben Stelle
                                 sichtbar zu machen. In dem Ende scheint es vor Allem
                              nöthig zu seyn, die Beleuchtungsweite des Lichtes zu
                              beschränken und zugleich seine Intensität in der Art zu erhöhen,
                              daß eine kurze Beleuchtungsweite in Verbindung mit großer Stärke
                              dasselbe nicht nur fähig macht, jeden noch so diken Nebel zu
                              durchdringen, sondern auch an einer gewissen Stelle einen so
                              brillanten und kräftigen Effect hervorzubringen, daß die
                              Aufmerksamkeit des Maschinenführers mit Gewalt rege gemacht
                              wird. Nachdem ich den Gegenstand von verschiedenen Seiten
                              überlegt hatte, gelangte ich zu dem Schluß, daß der Zwek wohl am
                              besten zu erreichen wäre, wenn man das Licht eine bedeutende
                              Streke vor der Station, deren Nähe es signalisiren sollte,
                              anbrächte, und den Lichtstrahlen eine solche Neigung gegen den
                              Horizont gäbe, daß sie mit ihrer größten Intensität dem
                              Maschinisten gerade ins Gesicht fielen und zwar in so kurzer
                              Distanz von dem Lichte selbst, daß sie selbst beim diksten Nebel
                              an dieser Stelle stets sichtbar wären.
                           Dem gegenwärtigen Betriebe gemäß wird ein im Vergleiche schwaches
                              Licht an der Station, deren Lage es bezeichnen soll, angeordnet,
                              und dieses Licht, welches die Dunkelheit so weit durchdringen
                              kann, bis seine Stärke durch die eigene Divergenz und die Länge
                              seines Wegs durch ein nebeliges Medium größtentheils vernichtet
                              ist, muß nothwendigerweise bei jedem Wechsel der Atmosphäre
                              beständig in Beziehung auf seine Sichtbarkeit variiren. Die
                              Abänderung nun, welche ich vorschlage, ist die, ein sehr starkes
                              Licht ungefähr eine Meile vor der Station aufzustellen, und
                              zugleich seinen Beleuchtungskreis durch Depression des
                              Hauptstrahls auf eine solche Distanz zu beschränken, daß es zu
                              jeder Zeit zuverlässig sichtbar ist.
                           Die Einrichtung, welche ich zur Erreichung dieses Zweks
                              vorschlage, ist merkwürdig einfach, und besteht darin, daß man
                              eine durch einen Gas- oder Oehlbrenner erleuchtete
                              ringförmige Linse von Fresnel in
                              einer kleinen vorn mit einem Glasfenster versehenen Kammer
                              anbringt. Diese Kammer oder Laterne ist an ein über den Schienen
                              errichtetes hölzernes Gerüst befestigt, unter welchem der Train
                              hinweggehen kann; ein seitwärts von der Bahn aufgeführtes Gerüst
                              könnte vielleicht denselben Dienst leisten, wenn man dem
                              Lichtstrahl eine schiefe Neigung gegen die Linie gäbe. Um den
                              Leuchtkreis der Linse auf eine kurze Distanz zu reduciren, und
                              dadurch das Licht bei jedem Witterungsstande an einer und
                              derselben Stelle sichtbar zu machen, würde ich dem Instrumente
                              eine solche Neigung geben, daß die Streke von der Linse bis zu
                              des Beobachters Auge nicht über 700 Fuß betrüge, ein Abstand,
                              welcher etwas geringer ist als die Entfernung, unter welcher das
                              Licht der Linse eben im diksten Nebel verdunkelt wird. Ich
                              bemerke hiebet, daß die Neigung der Linse zu gering ist, um eine
                              Correction hinsichtlich der Lage der Flamme zu verlangen;
                              dieß könnte indessen nöthigenfalls leicht bewerkstelligt werden,
                              wenn Gasbeleuchtung eingeführt wurde. Bei Bahnkrümmungen ließe
                              sich in gewissen Fällen derselbe Erfolg dadurch erzielen, daß
                              man die Linse mit dem Auge des Beobachters in eine Ebene stellte, und den
                              zurükgeworfenen Strahl so lenkte, daß er die Bahn in schiefer
                              Richtung schneiden müßte. In diesem Falle würde man die
                              Beschränkung der Beleuchtungsweite erreichen, ohne der Linse
                              eine Neigung geben zu müssen. Das Princip übrigens, wonach das
                              Signal durch Combination einer kurzen Beleuchtungsweite mit
                              einem intensiven Lichte jeder Zeit wirksam gemacht wird, ist bei
                              beiden Einrichtungen das gleiche.
                           Der Vortheil einer solchen Einrichtung scheint mir bedeutend zu
                              seyn; denn das Licht wird dem Maschinisten bei seiner Ankunft
                              jedesmal an einer und derselben Stelle sichtbar, was, wie
                              bereits bemerkt wurde, für Lichtsignale von großer Wichtigkeit
                              ist; außerdem wird aber auch seine Aufmerksamkeit durch den
                              Contrast des plözlichen Uebergangs von der Dunkelheit in den
                              Wirkungskreis eines intensiven aus geringer Entfernung
                              strahlenden Lichtes auf eine sehr wirksame Weise erwekt. Ein
                              weiterer Vortheil des vorgeschlagenen Signallichtes liegt darin,
                              daß es für jede Modification in der Farbe besonders zugänglich
                              ist, diese Farbe möge temporär oder dauernd seyn, wie es die
                              zahlreichen und zunehmenden Bedürfnisse eines ausgedehnten
                              Eisenbahnsystems erfordern. Das Alphabet einer nächtlichen
                              Telegraphie ist für eine größere Streke unglüklicherweise
                              äußerst arm. In ganz Europa scheint, wenn es sich um Farben
                              handelt, Roth und Weiß das Alpha und Omega zu bilden;
                              Grün und Blau wurde häufig versucht, allein zuverlässige
                              Beobachter stimmen alle in der Ansicht überein, daß leztere
                              Farben von einiger Entfernung aus gesehen, so unsicher und so
                              leicht zu verwechseln seyen, daß man sie beinahe ganz aufgegeben
                              hat. Diese Farben indessen, und gerade die sehr schwach
                              markirten Varietäten, so nuzlos sie auch hinsichtlich der
                              Unterscheidung von Lichtern auf größere Entfernungen hin sind,
                              werden doch, von geringer Entfernung
                              aus gesehen, vollkommen wirksam, wie schon der brillante Anblik
                              des Fensters einer Londoner Apotheke zur Genüge darthut.
                           Ich habe nun nur noch einige Worte in Betreff der hauptsächlichen
                              Anordnung hinzuzufügen, welche dem vorliegenden Principe gemäß
                              wohl in der Ausführung mit den Signallichtern getroffen werden
                              müßte. Es ist wahrscheinlich, daß die Weite der Sichtbarkeit,
                              welche ich angenommen habe, im Verhältniß zu dem, was in der
                              Praxis selbst während des diksten Nebels als zureichend befunden
                              wird, noch zu gering ausfällt, wenn ein so intensives Licht, wie
                              das von einer Fresnel'schen Linse
                              hergeleitete, ins Spiel kommt. Sollte diese Erwartung in
                              Erfüllung gehen, so ließe sich wohl die von der
                              Beleuchtungsweite abhängende Dauer des Lichteffects noch über
                              den von mir bestimmten Grad erhöhen.
                           Mit Bezugnahme auf die beigefügte Skizze Fig.
                                 15 würde ich vorschlagen, die Linse L ungefähr 24 Fuß über den Schienen
                              R, R oder ungefähr 15 Fuß über
                              der Linie A, C, worin sich das Auge
                              des Beobachters bewegt, anzubringen, was auch mit dem vollen
                              Effect übereinstimmt, den eine in ihren Hauptfocus gestellte
                              Flamme liefert. Ein entfernterer Beobachter würde die in Folge
                              der Entfernung zerstreuten Strahlen wahrnehmen, während eine
                              größere Annäherung des Auges an die Linse eine außerhalb des
                              Focus zu treffende Anordnung nothwendig machen würde, welche
                              eine Convergenz der Strahlen zur Folge hätte. Bei der lezteren
                              Einrichtung würde also die Divergenz der Strahlen abnehmen, und
                              der beleuchtete Raum würde nicht nur im Verhältniß dieser
                              Abnahme, sondern auch mit dem Cosinus des gegen den Horizont
                              geneigten Strahls sich vermindern. Diese beiden Umstände
                              vereinigen sich daher zur Abkürzung des Lichteindruks auf das
                              Auge.
                           Es ist natürlich zu erwarten, daß ich noch Einiges in Betreff der
                              Dauer des Lichteindruks auf das Auge beifüge; hinsichtlich
                              dieses Thema's muß ich mich, in Ermangelung wirklicher Versuche,
                              mit der gedrängten Darlegung der Resultate meiner Berechnungen
                              begnügen. Nehme ich an, daß eine effective Divergenz von nur
                              2° zu erreichen wäre (und dieß ist gerade 1/3 der durch
                              eine Fresnel'sche Linse mit großer
                              Lampe erzielten Divergenz), so finde ich, daß sich das Licht
                              längs der vom Beobachterauge beschriebenen Horizontallinie
                              zwischen B und C auf eine Streke von ungefähr 1000
                              Yards ausbreitet. Diese Streke würde bei einer Geschwindigkeit
                              von 40 Meilen in der Stunde in ungefähr 50 Secunden, bei der
                              gewöhnlichen Bahngeschwindigkeit von 25 Meilen in der Stunde
                              aber in Zeit von 80 Secunden oder 1 1/3 Minute durchlaufen
                              werden. Ein solcher auf die polirten Theile der Maschine und ins
                              Gesicht des Beobachters fallender Lichtbüschel würde ohne
                              Zweifel als ein sehr kräftiges Signal wirken. Sollte man es
                              indessen für rathsam halten, die Dauer des Eindruks durch
                              Ausbreitung des Lichts über eine größere Streke der Bahnlinie zu
                              erhöhen, so könnte diese Wirkung leicht durch eine geringe
                              Aenderung in der Neigung der Linse erreicht werden, so daß der
                              zurükgeworfene Lichtstrahl die Bahnlinie unter einem schieferen
                              Winkel schnitte; ich denke indessen, daß eine solche
                              Modification in der Praxis auf keinen Fall für nothwendig
                              befunden wird. Die Nähe des Auges an der Linse und
                              der Glanz des Lichtbüschels würde, wie ich anzunehmen geneigt
                              bin, die Kürze des Eindruks mehr als compensiren.
                           Ich habe noch wenige Worte in Betreff der Kosten dieser Signale
                              hinzuzufügen, welche sich aus den Auslagen für das
                              Zimmergerüste, dem Preis der Linse und der Unterhaltung des
                              Lichts zusammensezen. Den Preis des Gerüstes übergehe ich als
                              einen Gegenstand, welcher je nach örtlichen Verhältnissen und
                              nach dem individuellen Geschmak variiren mag. Allein die Kosten
                              einer großen ringförmigen Linse übersteigen nicht 40 Pfd., und
                              wenn man sich einer kleineren Linse, welche als dem Zwek zur
                              Genüge entsprechend befunden werden dürfte, bedienen wollte, so
                              würden sich die Kosten auf nicht mehr als 10 Pfd. belaufen. Die
                              jährliche Unterhaltung würde etwas höher kommen, als die
                              Speisung eines Gas- oder Oehlbrenners. Die Auslagen der
                              Unterhaltung eines solchen in den nöthigen Intervallen
                              aufgestellten Signalsystems auf Eisenbahnen bilden daher kein
                              wesentliches Moment, welches sich der in hohem Grade beseitigten
                              Gefahr selbst des geringsten der zahlreichen Unfälle, deren
                              Berichte die öffentlichen Blätter füllen, entgegenhalten
                              ließe.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
