| Titel: | Ueber die Anwendung des Marsh'schen Verfahrens zur Entdekung des Arseniks bei medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen. Ein der französischen Akademie der Wissenschaften von Hrn. Regnault erstatteter Bericht. | 
| Fundstelle: | Band 81, Jahrgang 1841, Nr. LXXI., S. 281 | 
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                        LXXI.
                        Ueber die Anwendung des
                           Marsh'schen Verfahrens zur Entdekung des Arseniks
                           bei medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen. Ein der
                           französischen Akademie der Wissenschaften von Hrn. Regnault
                           erstatteter Bericht.
                        Aus den Comptes
                                 rendus. Jun. 1841, No. 24, S.
                              1076.
                        Mit Abbildungen auf Tab. V.
                        Regnault, über Marsh's Verfahren zur Entdekung
                           des Arseniks.
                        
                     
                        
                           Die Akademie beauftragte eine aus den HHrn. Thenard, Dumas, Boussingault und Regnault zusammengesezte Commission, einen Bericht
                              über mehrere Abhandlungen und an sie gerichtete Mittheilungen in
                              Betreff der Anwendung des Marsh'schen
                              Apparats bei medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen zu
                              erstatten. Diese sind folgende:
                           1) Ueber eine neue Art, die Marsh'sche
                              Vorrichtung bei medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen
                              anzuwenden, von Hrn. J. L. Lassaigne
                              (12. Okt. 1840.);
                           2) ein Schreiben des Hrn. Signoret
                              über die Irrthümer, in welche man bei der Anwendung des Marsh'schen Apparats verfallen kann
                              (2. Nov. 1840);
                           3) ein Schreiben des Hrn. Coulier über
                              denselben Gegenstand (9. Nov. 1840);
                           4) ein Schreiben der HHrn. Koeppelin
                              und Kampmann von Colmar über eine
                              neue Anordnung des Marsh'schen
                              Apparats;
                           5) zwei Mittheilungen der HHrn. Danger
                              und Flandin, betitelt: Medicinisch-gerichtliche Untersuchungen über den
                                 Arsenik (28. Dec. 1840 und 11. Jan. 1841).
                           Ehe wir die in diesen Schriften enthaltenen Resultate und die
                              Versuche mittheilen, welche wir behufs ihrer Bestätigung
                              anstellten, halten wir es für unerläßlich, den Stand des
                              fraglichen Gegenstandes zur Zeit, als die erwähnten Arbeiten der
                              Akademie vorgelegt wurden, kurz darzustellen.
                           Durch die Versuche der HHrn. Stromeyer,
                                 Thenard, Soubeiran u.s.f. weiß man, daß der
                              Arsenikwasserstoff keiner starken Temperaturerhöhung bedarf, um
                              sich zu zersezen; daß man dieses Gas nur durch eine zum
                              Dunkelrothglühen erhizte Röhre streichen zu lassen braucht, um
                              es in reinen Wasserstoff zu zersezen, welcher sich als Gas
                              entwikelt und in metallischen Arsenik, welcher sich im vorderen,
                              kälteren Theile der Röhre anlegt.
                           
                           Wenn man anderseits Arsenikwasserstoffgas entzündet, so verbrennt
                              zuerst das verbrennlichste Element, der Wasserstoff; und wenn
                              man einen kalten Körper in die Flamme hält, so sezt sich der
                              größte Theil des Arseniks in metallischem Zustande daran ab.
                           So oft man aus einer Flüssigkeit, welche arsenige oder
                              Arseniksäure in Auflösung enthält, Wasserstoff entwikelt, ist
                              dieses immer von einer gewissen Quantität Arsenikwasserstoff
                              begleitet, dessen Gegenwart man durch eine der eben angeführten
                              Reactionen darthun kann.
                           Hr. Marsh hatte den glüklichen
                              Einfall, sich dieser Eigenschaften zu bedienen, um in
                              Vergiftungsfällen das Vorhandenseyn des Arseniks bis zur Evidenz
                              zu beweisen. Er läßt die Substanzen, von welchen man glaubt, daß
                              sie arsenige Säure enthalten, mit heißem Wasser digeriren; die
                              Flüssigkeit wird nach dem Filtriren mit einer passenden
                              Quantität Schwefelsäure vermischt und dann in einen besonderen
                              Apparat gebracht, welcher eine Zinkplatte einschließt, die
                              bestimmt ist, Wasserstoffgas zu entbinden.
                           Dieser Apparat besteht aus einem heberartig gebogenen Glasrohre
                              von 2 bis 2 1/2 Centimeter (8 Par. Linien bis 1 Zoll) innerem
                              Durchmesser, das an beiden Enden offen ist; eine mit einem Hahne
                              versehene und mit einer kreisförmigen, sehr engen Mündung
                              endigende Metallröhre wird mittelst eines Stöpsels in den
                              kleinen Schenkel des Rohrs gestekt. In demselben Schenkel wird
                              ein Zinkblech einige Centimeter oberhalb der Krümmung
                              aufgehangen; endlich wird die ganze Vorrichtung mittelst eines
                              Gestelles in verticaler Richtung gehalten. (Fig.
                                 44.)
                           Wenn der Apparat so vorgerichtet und der Hahn geöffnet ist,
                              schüttet man die verdächtige Flüssigkeit durch den größeren
                              Schenkel ein, nachdem man sie vorher mit Schwefelsäure gehörig
                              angesäuert hat; die Flüssigkeit erhebt sich darin bis nicht weit
                              vom Stöpsel, und der Hahn wird geschlossen. Das Zink wird nun
                              angegriffen und es entwikelt sich Wasserstoff, welcher die
                              Flüssigkeitssäule in dem kleinen Schenkel hinabdrükt; das Zink
                              steht sodann bald bloß da und die Gasentbindung hört auf. Man
                              prüft nun das bei dieser Reaction erzeugte Wasserstoffgas, und
                              öffnet zu diesem Zwek den Hahn, entzündet den Gasstrom und hält
                              eine porzellanene Untertasse oder ein Stük kalten Glases gegen
                              die Flamme. Enthält der Wasserstoff Arsenikwasserstoff, so
                              bildet sich ein Niederschlag oder Fleken von metallischem
                              Arsenik. Gibt man derselben Flamme die Richtung in eine an
                              beiden Enden offene Röhre, so zeigt sich an deren Wänden ein
                              Beschlag von arseniger Säure; neigt man die Röhre so, daß sie
                              von der Flamme berührt wird, so sezt sich ein Theil des Arseniks
                              in metallischem Zustande an der Berührungsstelle ab,
                              der andere Theil aber sezt sich weiter hinweg als arsenige Säure
                              ab.
                           In dem Maaße, als das bei der ersten Reaction erzeugte
                              Wasserstoffgas austritt, steigt die saure Flüssigkeit wieder in
                              die Höhe und kommt mit dem Zink wieder in Berührung; die
                              Gasentbindung fängt von Neuem an. Man schließt nun wieder den
                              Hahn, bis der kürzere Schenkel wieder mit Gas erfüllt ist, und
                              so fort. Der Expert kann diese Operationen, so oft er will,
                              wiederholen, bis er von der Gegenwart oder dem
                              Nichtvorhandenseyn des Arseniks in den der Prüfung unterzogenen
                              Substanzen fest überzeugt ist.
                           Dieses Verfahren gelingt ohne allen Anstand, wenn die
                              verdächtigen Flüssigkeiten recht hell sind; dem ist aber nicht
                              so, wenn sie klebrig sind, wenn sie organische Stoffe in
                              Auflösung enthalten, wie dieß bei
                              medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen beinahe allemal
                              der Fall ist. Die Wasserstoffentwikelung veranlaßt in diesem
                              Falle vielen Schaum, und man muß oft sehr lange zuwarten, bis
                              dieser Schaum sich gelegt hat und gestattet, das Gas zu
                              entzünden. Hr. Marsh empfiehlt, um
                              diese Schaumbildung zu verhindern, eine Schichte Oehl auf die
                              Oberfläche der Flüssigkeit zu gießen.
                           Das Marsh'sche Verfahren brachte die
                              Untersuchung auf Arsenik bei Vergiftungsfällen auf eine
                              unerwartete Einfachheit zurük, während die alten
                              Verfahrungsweisen oft sehr langwierig und sehr subtil waren.
                              Auch wurde dasselbe bald von sehr vielen Chemikern geprüft.
                              Hiebei wurde man bald gewahr, daß es grobe Irrthümer veranlassen
                              kann, wenn man sich mit einer nur oberflächlichen Prüfung der
                              erzeugten Fleken begnügte. – So zeigte Hr. Liebig, daß der Marsh'sche Apparat spiegelnde, jenen des Arseniks sehr
                              ähnliche, Fleken geben könne, wenn die untersuchte Flüssigkeit
                              eine nicht ganz unbeträchtliche Menge gewisser Metalle, z.B.
                              Eisens, im Zustande des Chlorürs enthält, was daher rührt, daß
                              das Gas außerordentlich kleine Tröpfchen dieser Auflösung
                              mechanisch mit fortreißt; die in diesen Tröpfchen enthaltenen
                              Metallsalze werden in der Wasserstoffgasflamme mehr oder weniger
                              vollständig reducirt und sezen sich auf das Porzellan in Fleken
                              ab. Hr. Liebig empfahl daher, das Gas
                              durch eine Röhre von schwer schmelzbarem Glase treten zu lassen,
                              welche im Durchmesser einige Millimeter weit ist, und von einer
                              Weingeistlampe erhizt wird; der Arsenik wird dann nicht weit
                              über der erhizten Stelle hinaus einen spiegelnden Ring bilden,
                              während die mit der Lösung mechanisch mit fortgerissenen Metalle
                              im erhizten Theile selbst durch den Wasserstoff reducirt werden
                              und da bleiben. Dieselbe Modification an Marsh's Verfahren wurde zu gleicher Zeit von
                              Hrn. Berzelius vorgeschlagen; und
                              wirklich besizt sie Vorzüge vor dem ursprünglichen
                              Verfahren.
                           Der von Hrn. Marsh vorgeschlagene
                              Apparat fand nicht allgemeine Aufnahme. Seine Einrichtung war
                              etwas complicirt; sie hatte den großen Uebelstand, daß man nur
                              mit sehr kleinen Mengen von Flüssigkeit auf einmal operiren
                              konnte und gab eine nur wenige Augenblike andauernde Flamme. Man
                              zog es vor, sich der gewöhnlichen Flaschen der Laboratorien zu
                              bedienen, um verdächtige Flüssigkeiten der
                              Wasserstoffgas-Entwikelung zu unterwerfen. Hier erhielt
                              man eine fortgesezte Entwikelung statt der intermittirenden des
                              ursprünglichen Marsh'schen Apparates.
                              Allerdings gab es auch hier einen Uebelstand, daß man nämlich am
                              Anfange des Versuchs etwas Gas verlor, welches nicht sogleich
                              entzündet werden konnte, weil gewartet werden mußte, bis die
                              Luft vollkommen ausgetrieben war; aber diesem Uebelstande kann
                              man sehr leicht begegnen, indem man die in der Flasche
                              enthaltene Luft gleich anfangs durch das reine Wasserstoffgas
                              austreibt, welches durch die Einwirkung der bloßen Schwefelsäure
                              auf das Zink erzeugt wird, und erst nachher die zu prüfende
                              Flüssigkeit mittelst eines an der Flasche angebrachten
                              Sicherheitsrohrs einträgt.
                           Enthält die Flüssigkeit, aus welcher man den Wasserstoff
                              entwikelt, statt einer Arsenikverbindung ein auflösliches
                              Antimonsalz, z.B. Brechweinstein, so enthält das entwikelte Gas
                              Antimonwasserstoff und eine nach der Entzündung desselben
                              hineingehaltene Porzellanschale wird mit spiegelnden Fleken von
                              metallischem Antimon überzogen. Diese Fleken sind, wenn sie dik
                              sind, von den Fleken des Arseniks wohl leicht zu unterscheiden;
                              wenn sie aber nur schwach sind, so können Zweifel entstehen, und
                              dieser Einwurf wurde schon gleich Anfangs dem Marsh'schen Verfahren gemacht;
                              derselbe ist von großem Gewicht, indem der Expert verleitet
                              werden könnte, vorhandene Fleken der Gegenwart von Arsenik
                              zuzuschreiben, während dieselben von einer als Arznei genommenen
                              Substanz herrühren.
                           Das alleinige Merkmal der durch das Marsh'sche Verfahren erhaltenen Fleken ist demnach, um
                              auf die Gegenwart von Arsenik zu schließen, ungenügend.
                           Hr. Orfila hat dieses Verfahren in
                              einer Menge in physiologischer und toxikologischer Beziehung
                              wichtiger Untersuchungen angewandt, welche er in mehreren der
                              medicinischen Akademie vorgelesenen Abhandlungen mittheilte.
                           Hr. Orfila hatte sich zu untersuchen
                              vorgesezt, ob in Fällen der Vergiftung mit arseniger Säure das
                              Gift in den thierischen Organismus übergehe, ob es absorbirt
                              werde, und ob es dann nach dem Tode in den verschiedenen Theilen
                              des Körpers wieder gefunden werden könne. Diese Frage ist von
                              der höchsten Wichtigkeit, nicht nur für die Physiologie, sondern
                              auch für die gerichtliche Medicin. Wenn es auch wirklich
                              größtentheils der Fall ist, daß der Expert den Arsenik in den
                              Nahrungsmitteln, welche die Vergiftung herbeiführten, oder in
                              dem Ausgebrochenen, oder endlich in den im Darmcanal
                              zurükgebliebenen Substanzen auffindet, so gibt es doch Fälle, wo
                              es an allen diesen Substanzen gänzlich mangelt, und wo man nur
                              noch jenes Gift aufzusuchen hat, welches in den thierischen
                              Haushalt überging. Vorzüglich dann tritt dieser Umstand ein,
                              wenn die Leiche schon beerdigt ist und eine gewisse Zeit lang
                              unter dem Boden lag.
                           Durch eine große Anzahl Versuche theils an mehreren Individuen,
                              welche das Opfer von Arsenikvergiftungen waren, theils an
                              Hunden, die mit arseniger Säure vergiftet worden waren, welche
                              in die Verdauungswege oder in das Zellgewebe unter der Haut
                              gebracht wurde, zeigte Orfila, daß
                              die arsenige Säure nach dem Tod im Blut, in den Eingeweiden und
                              im Harn wieder gefunden werden kann.
                           Um den auf diese Weise absorbirten Arsenik auszuziehen, muß man
                              die Organe mehrere Stunden lang mit Wasser sieden lassen, und
                              auch da erreicht man diesen Zwek noch nicht ganz vollkommen. Die
                              durch dieses Kochen erhaltene Flüssigkeit enthält eine große
                              Menge organischer Materie in Auflösung und erzeugt eine solche
                              Menge Schaum in dem Marsh'schen
                              Apparat, daß das directe Verfahren unmöglich angewandt werden
                              kann; die aufgelöste organische Materie muß durchaus vorher
                              zerstört werden, aber so, daß keine arsenige Säure dabei
                              verloren gehen kann.
                           Zwei Methoden hat Hr. Orfila zu diesem
                              Zwek vorgeschlagen. Die erste besteht im Abdampfen der
                              Flüssigkeit, ihrer Vermischung mit salpetersaurem Kali, und im
                              Eintragen des Rükstandes der Abdampfung in kleinen Portionen in
                              einen hessischen Schmelztiegel. Man versichert sich durch einen
                              vorgängigen Versuch, daß das Verhältniß des zugesezten Salpeters
                              hinreicht, um die organische Materie vollständig zu verbrennen.
                              Wenn dieß nicht der Fall wäre, wenn nämlich der Rükstand bei
                              diesem Versuche nach der Verbrennung noch kohlig bliebe, so
                              müßte der Salpeter in größerem Verhältniß angewandt werden. Man
                              bringt hierauf die verbrannten Substanzen aus dem Tiegel in eine
                              Porzellanschale und zersezt sie durch Schwefelsäure, welche man
                              bis zum Ueberschusse zusezt. Nun dampft man bis zur Trokne ab,
                              um die Salpetersäure zu verjagen, löst dann wieder in Wasser
                              auf, und behandelt endlich die saure Flüssigkeit im 
                              Marsh'schen Apparat. Die
                              Salpeter- und salpetrige Säure müssen vorher vor der
                              Schwefelsäure völlig ausgetrieben werden, weil das Vorhandenseyn
                              dieser Säuren die Wasserstoffentwikelung verhindern würde und
                              sogar Explosionen herbeiführen könnte.
                           Das zweite, von Orfila angegebene
                              Verfahren ist einfacher und führt schneller zum Zwek. Man
                              behandelt die wässerigen Abkochungen der Eingeweide mit reiner
                              Salpetersäure, dampft zur Trokne ab, um die thierische Materie
                              zu verkohlen, behandelt die Kohle mit siedendem Wasser und prüft
                              dann die Flüssigkeit im Marsh'schen
                              Apparate. Man kann sogar, und diesem lezten Verfahren gibt Hr.
                              Orfila den Vorzug, die Organe
                              sogleich mit der Salpetersäure verkohlen. Zu diesem Ende troknet
                              man die vorher zu kleinen Stüken zerschnittenen Eingeweide und
                              wirft sie in kleinen Portionen in Salpetersäure, die in einer
                              Porzellanschale erhizt ist. Es entwikelt sich hiebei viel
                              salpetrigsaurer Dampf und die Stüke sind bald aufgelöst. Wenn
                              alle Substanz in der Schale ist, dampft man so lange ab, bis die
                              eingedikte Substanz plözlich einen diken Rauch von sich gibt.
                              Man nimmt dann die Schale eilends vom Feuer, weil nun die
                              Verkohlung von selbst vor sich geht. Ließe man die Schale länger
                              am Feuer, so würde in den meisten Fällen eine sehr lebhafte
                              Verbrennung eintreten, welche einen namhaften Arsenikverlust
                              herbeiführen könnte. Die erhaltene Kohle wird in einem
                              Glasmörser gepulvert; man kocht sie zu wiederholtenmalen mit
                              destillirtem Wasser aus und bringt dann die Flüssigkeit in den
                              Marsh'schen Apparat. Wenn die
                              Verkohlung gehörig vor sich ging, so ist die Flüssigkeit hell
                              und gibt keinen Schaum; war sie aber unvollkommen, ist die
                              erzeugte Kohle fett, so erhält man eine Flüssigkeit, welche mehr
                              oder weniger organische Materie enthält, und in dem Apparate
                              Schaum erzeugt.
                           Das Verhältniß der anzuwendenden Salpetersäure ist wandelbar, je
                              nach der Natur des zu zerstörenden Organs. Die fetten Substanzen
                              bedürfen deren am allermeisten.
                           Die Verkohlung durch Salpetersäure hat den Fehler, daß man sehr
                              viel Säure braucht; ein noch weit größerer Fehler aber ist, daß
                              es oft bei der größten, im Operiren angewandten Sorgfalt
                              unmöglich ist, eine lebhafte Verbrennung am Ende der Abdampfung
                              zu vermeiden, welche dann den größten Theil des Arseniks
                              verflüchtigen kann.
                           Auch über die Verschiedenheit der Fleken, welche man manchmal mit
                              dem Marsh'schen Apparat erhält,
                              machte Hr. Orfila viele Versuche,
                              indem er mit Flüssigkeiten operirte, welche keinen Arsenik
                              enthielten, und er gab physische und chemische Merkmale an, um
                              sie von den Arsenikfleken zu unterscheiden. Durch folgende
                              Merkmale lassen sich die Arsenikfleken von den Antimonfleken
                              leicht unterscheiden. Jene sind gelbbraun, spiegelnd und sehr
                              glänzend. War Arsenik in großer Menge vorhanden, so sind sie
                              schwärzlich. Wenn die Fleken durch die Gegenwart einer mehr oder
                              weniger zersezten organischen Substanz, oder durch geschwefelte
                              Substanzen eine Veränderung erleiden, so nehmen sie eine gelbe
                              Farbe an. Die reinen Arsenikfleken ziehen keine Feuchtigkeit aus
                              der Luft an und röthen Lakmus nicht. Der reinen
                              Wasserstoffgasflamme ausgesezt, verflüchtigt sich der
                              Arsenikfleken in ein paar Augenbliken.
                           Der Antimonfleken hingegen hat immer eine deutlich hervortretende
                              bläuliche Nüance, welche durch fremdartige Stoffe keine
                              Veränderung erleidet. An der reinen Wasserstoffgas-Flamme
                              verflüchtigt sich dieser Fleken nicht; im Gegentheil, er dehnt
                              sich anfangs noch aus und verschwindet erst, wenn man die Hize
                              mehrere Minuten lang, besonders im oxydirenden Theile der
                              Flamme, darauf einwirken läßt; der Fleken wird dann weiß, indem
                              sich Antimonoxyd erzeugt, welches manchmal am Ende ganz
                              verschwindet.
                           Die Arsenikfleken sowohl als die des Antimons lösen sich in
                              einigen Tropfen concentrirter Salpetersäure ohne Wärme leicht
                              auf; enthielten die Fleken kleine Kohlentheilchen von der
                              organischen Materie, welche durch das Gas mit fortgerissen
                              wurden, so bleiben einige schwarze Theilchen zurük, welche erst
                              dann verschwinden, wenn die Säure erhizt und zur Trokne
                              abgedampft wird.
                           Wenn die Salpetersäure durch eine langsame Verdampfung verjagt
                              worden ist, so hinterläßt der Arsenik einen weißen, in Wasser
                              löslichen Rükstand; das Antimon hingegen einen gelblichen,
                              unauflöslichen Rükstand. Ein Tropfen völlig neutrale
                              salpetersaure Silberlösung gibt mit dem Arsenikrükstand eine
                              ziegelrothe Färbung, ändert aber nichts an dem
                              Antimonrükstand.
                           Endlich ist diesen Merkmalen noch Folgendes zuzufügen: wenn die
                              Rükstände von der Behandlung der Fleken mit der Salpetersäure
                              mit etwas schwarzem Fluß erhizt werden, was in einem an einem
                              Ende geschlossenen, am anderen in eine Spize ausgezogenen
                              Glasröhrchen geschieht, so gibt der Arsenikrükstand einen
                              flüchtigen Metallring, welcher sich in dem ausgezogenen Theile
                              der Röhre bildet, während der Antimonrükstand diesen Ring nicht
                              gibt.
                           Hr. Orfila hat im Laufe seiner
                              Versuche gezeigt, daß, wenn man eine etwas starke Flamme auf
                              organische Flüssigkeiten wirken läßt, auf der Schale manchmal
                              mehr oder weniger dunkelbraune, ziemlich große Fleken entstehen,
                              welche nicht im Geringsten arsenikalisch sind, und die er Schmuzfleken nannte. Diese Fleken
                              sind nach ihm von jenen des Arseniks leicht zu
                              unterscheiden; sie sind matt, spiegeln ganz und gar nicht und
                              verflüchtigen sich nur schwer, sogar in der Flamme des reinen
                              Wasserstoffgases. Die Salpetersäure löst sie nicht sogleich auf.
                              Hr. Orfila schließt daraus, daß sie
                              mit den Arsenikfleken nicht verwechselt werden können.
                           Aber eine Art Fleken bezeichnete Hr. Orfila als viel wichtiger, weil sie oft vorkommen und
                              mit den Arsenikfleken verwechselt werden könnten. Vorzüglich
                              sieht man sie sich erzeugen, wenn man Flüssigkeiten in den Marsh'schen Apparat bringt, welche
                              aus Muskeln erhalten wurden, die man mittelst concentrirter
                              Salpetersäure verkohlte. Diese Fleken sind verschiedener Art;
                              sie sind entweder 1) weiß, undurchsichtig, verflüchtigen sich
                              sogleich, wenn man sie an der Wasserstoffgasflamme erhizt, und
                              verschwinden beinahe vollkommen nach ein paar Stunden bei der
                              gewöhnlichen Temperatur der Atmosphäre, oder 2) sie sind gelb,
                              oder sogar hellbraun, glänzend mit einem bläulichen oder
                              rostfarbenen Reflex, und könnten dann für Arsenikfleken gehalten
                              werden; wenn man sie aber mit Salpetersäure behandelt, so
                              verschwinden sie nur durch Erhizen, und bringt man auf den
                              Rükstand salpetersaure Silberlösung, so erzeugt sich kein
                              ziegelrother Niederschlag.
                           Hr. Orfila bemerkt bei dieser
                              Gelegenheit, man könne nicht zu umsichtig seyn, wenn man über
                              die Natur der erhaltenen Fleken zu entscheiden hat; der Expert
                              soll dieselben niemals für arsenikalisch erklären, wenn er nicht
                              die Merkmale der Flüchtigkeit und des ziegelrothen Niederschlags
                              mit Silbersolution an ihnen gefunden hat.
                           Die von Hrn. Orfila angegebenen
                              Verfahrungsweisen schienen bei medicinisch-gerichtlichen
                              Untersuchungen zu genügen und ihnen die wünschenswerthe
                              Genauigkeit zu verleihen; aber ein völlig unerwartetes Resultat
                              complicirte die Frage ganz eigenthümlich.
                           Die HHrn. Couerbe und Orfila nämlich machten bekannt, daß
                              sie ihr Verfahren zur Aufsuchung des Arseniks an Leichen solcher
                              Individuen angewandt haben, welche nicht unter dem Einfluß eines
                              Arsenikpräparats gestanden waren, und daß es ihnen gelang, das
                              Vorhandenseyn des Arseniks im menschlichen Körper im
                              Normalzustande zu beweisen. Vorzüglich enthielten die Knochen
                              eine merkliche Quantität. Die Eingeweide zeigten keinen; aber
                              das Muskelfleisch könnte, nach Orfila, eine außerordentlich kleine Quantität davon
                              enthalten, welche aber durch die Versuche nicht mit Evidenz
                              dargestellt werden konnte. Dieselben Versuche bewiesen das
                              Vorhandenseyn von Arsenik in den Knochen des Hundes, des Schafs,
                              des Ochsen, so wie in der Rindfleischbrühe. Endlich machte Hr.
                              Orfila das Vorhandenseyn von
                              Arsenik in dem Erdreiche der Kirchhöfe bekannt.
                              Diese Resultate machten die medicinisch-gerichtlichen
                              Untersuchungen bedeutend complicirter. Es lag in der Pflicht der
                              berichterstattenden Commission, ihre Richtigkeit einer strengen
                              Prüfung zu unterwerfen.
                           Nach diesen Vorausschikungen, welche wir für nöthig erachteten,
                              gehen wir auf die Prüfung der oben erwähnten Abhandlungen
                              über.
                           1. Abhandlung des Hrn. Lassaigne über
                              eine neue Art, die Marsh'sche
                              Vorrichtung bei medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen
                              anzuwenden.
                           Hr. Lassaigne schlägt vor, das Gas,
                              statt es zu entzünden, wenn es sich aus dem Marsh'schen Apparat entwikelt, und
                              den Arsenik dann auf einer Porzellanschale zu condensiren, es
                              durch eine salpetersaure Silberlösung streichen zu lassen;
                              bekanntlich wirkt in diesem Falle der Arsenikwasserstoff auf das
                              salpetersaure Silber ein, es wird metallisches Silber gefällt
                              und die Flüssigkeit enthält arsenige Säure in Auflösung. Man
                              kann die Wasserstoffgas-Entwikelung so lange fortsezen,
                              als man will, bis man wohl überzeugt ist, daß die Flüssigkeit
                              keine Arsenikverbindung mehr enthalten kann. Man schafft
                              endlich, was von salpetersaurem Silber in der Auflösung blieb,
                              weg, indem man das Silber durch Salzsäure fällt, und hat nun
                              eine Flüssigkeit, welche nach dem Abdampfen arsenige Säure
                              liefert, die durch alle gewöhnlichen Proben erkannt werden
                              kann.
                           Die Commission hat dieses Lassaigne'sche Verfahren versucht und gefunden, daß der
                              Arsenik dabei vollständig erhalten wird. Man muß sich aber wohl
                              hüten, auf das Vorhandenseyn von Arsenik in den verdächtigen
                              Flüssigkeiten auf die einzige Thatsache hin schließen zu wollen,
                              daß die salpetersaure Silberlösung getrübt wird, während das Gas
                              durch dieselbe streicht, denn es kann durch mehrere Ursachen ein
                              Niederschlag erzeugt werden. So wird ein schwarzer
                              Schwefelsilber-Niederschlag entstehen, aber keiner von
                              metallischem Silber, wenn das Wasserstoffgas mit
                              Schwefelwasserstoffgas gemischt ist, was immer der Fall seyn
                              wird, wenn der Zink etwas Schwefel enthält. In gewissen Fällen
                              wird durch gekohlte Gase und selbst durch das reine
                              Wasserstoffgas metallisches Silber gefällt, wenn nämlich der
                              Apparat während der Operation dem Licht ausgesezt ist. Man darf
                              also nur dann auf die Gegenwart von Arsenik schließen, wenn es
                              gelungen ist, diesen Körper von der Flüssigkeit durch das eben
                              angegebene Lassaigne'sche Verfahren
                              abzuscheiden.
                           2. Schreiben des Hrn. Signoret.
                           Hr. Signoret kündigt der Akademie an,
                              daß er Versuche angestellt habe, um den Grad der Empfindlichkeit
                              des Marsh'schen Verfahrens zu
                              bestimmen, und dabei fand, daß ein
                              Zweihundert-Milliontheil arsenige
                              Säure noch sichtbare Fleken gibt. Ueber dieses Resultat
                              erstaunt, stellte er einige Versuche mit Zink und Schwefelsäure
                              allein an und fand, daß troz der größten Sorgfalt ganz gleiche
                              Fleken erhalten werden. Hr. Signoret
                              probirte Zink aus verschiedenen Fabriken, welche alle dasselbe
                              Resultat gaben. Er schließt, daß es beinahe unmöglich sey, im
                              Handel reine Reagentien zu erhalten, worauf die Gerichtsärzte
                              das genaueste Augenmerk haben sollten.
                           Wir werden durch die von uns selbst angestellten Versuche
                              beweisen, daß man sich im Handel leicht Zink und Schwefelsäure
                              verschaffen kann, welche keinen Arsenik in dem Marsh'schen Apparat abgeben, und daß
                              es sehr wahrscheinlich ist, daß die von Hrn. Signoret angeführten Fleken von
                              Tröpfchen der Zinksolution, welche mechanisch mit fortgerissen
                              wurden, herrühren.
                           3. Schreiben des Hrn. Coulier.
                           Hr. Coulier macht in seinem Schreiben
                              darauf aufmerksam, daß man bei dem Marsh'schen Verfahren auf gewisse Gläser Acht haben
                              müsse, welche, wenn man sie der Wasserstoffgasflamme unterwirft,
                              für sich selbst Fleken hervorbringen, die leicht mit jenen des
                              Arseniks verwechselt werden könnten.
                           Jedermann weiß, daß die bleihaltigen Gläser in dem
                              Reductionsfeuer schwarz werden, indem ein Theil des Bleioxyds
                              reducirt wird; aber die dadurch entstehenden Fleken können mit
                              jenen des Arseniks nicht verwechselt werden; sie sehen anders
                              aus und die oberflächlichste chemische Prüfung derselben genügt,
                              um sie davon zu unterscheiden; nichtsdestoweniger wird der
                              Expert gut thun, wenn er sich porzellanener Schalen oder Teller
                              bedient, welche keine Bleiglasur haben, was einzig und allein
                              bei dem eigentlichen, sogenannten harten, Porzellan der Fall
                              ist.
                           4. Abhandlung der HHrn. Köppelin und
                              Kampmann.
                           Diese Herren schlagen eine Zusammensezung des Marsh'schen Apparates vor, welche vor
                              dem gewöhnlich angewandten Vorzüge haben soll. In die eine der
                              beiden Tubulaturen der Flasche, in welche die zu untersuchende
                              Substanz gebracht wird (Fig.
                                 45), stekt man eine gerade, wenigstens einen
                              Centimeter (4 1/2 Lin.) weite Röhre, welche bis auf den Boden
                              der Flasche reicht. Man bringt Zink in die Flasche und schüttet
                              dann so viel Wasser hinein, als hinreicht, um die untere
                              Oeffnung der Röhre zu bedeken. In die zweite Tubulatur stekt man
                              eine im rechten Winkel gebogene Röhre, welche mit einer weiteren
                              Röhre in Verbindung steht, die Chlorcalciumstüke enthält. Von
                              dieser Trokenröhre aus geht auf gleiche Weise eine andere Röhre
                              von dikem und schwer schmelzbarem Glase, welche 2 Decimeter
                              (7 Zoll) lang seyn soll, und nicht mehr als 5 Millimeter (2 1/5
                              Lin.) im inneren Durchmesser haben darf.
                           Ein 5 bis 6 Centimeter (2 Zoll) breites und ungefähr 2 Decimeter
                              langes Kupferblech wird steigbügelförmig gebogen, so daß sich
                              zwei parallele Flächen bilden, deren eine von der anderen
                              ungefähr 5 Centimeter weit entfernt ist. Gegen ihr unteres Ende
                              zu werden durch diese Flächen zwei Löcher gebohrt, durch welche
                              man die lezte Röhre stekt. Dieses Metallblech hat den Zwek, die
                              Röhre zu halten und zu verhüten, daß sie sich krümme, was an der
                              Stelle, welche der Hize ausgesezt werden soll, sicherlich
                              geschehen würde; ferner durch seine Gestalt die Wärme einer
                              Weingeistlampe, welche darunter und zwischen seine beiden
                              Schenkel hinein gestellt wird, zu concentriren, endlich als
                              Schirm der dem erhizten, nahe liegenden Theile zu dienen und
                              hiedurch das Absezen des Arseniks zu erleichtern.
                           Nachdem der Apparat so vorgerichtet ist, schüttet man in die
                              Flasche eine kleine Quantität der anzuwendenden Säure. Wenn
                              durch die Wasserstoffentwikelung alle Luft des Apparats
                              ausgetrieben ist, wird eine Weingeistlampe unter jenen Theil der
                              Röhre gestellt, welcher durch den kupfernen Steigbügel geht, und
                              der Gasstrahl am Ende der Röhre entzündet. Ungeachtet der
                              vorausgehenden Ueberzeugung von der Reinheit der angewandten
                              Reagentien muß man sich doch noch vergewissern, daß sich weder
                              in der Röhre, noch auf eine gegen die Flamme gehaltene
                              Porzellanfläche etwas absezt. Dann erst schüttet man in die
                              Flasche eine größere Menge Säure und die zu prüfende
                              Flüssigkeit, sezt sie aber nur in solcher Menge zu, daß durch
                              die Reaction nicht zu viel Schaum erzeugt wird. Die Weite der
                              geraden Röhre gestattet nicht, daß die Luft wieder zutritt; man
                              kann daher die Einwirkung nach Belieben vor sich gehen lassen,
                              ohne weder die Erhizung der Röhre, noch das Verbrennen des
                              austretenden Gasstrahles je unterbrechen zu müssen.
                           Wenn das entwikelte und in der erhizten Röhre troken ankommende
                              Wasserstoffgas die geringste Spur Arsenikwasserstoff enthält, so
                              bilden sich über der Stelle hinaus, wo die Erhizung stattfindet,
                              ringförmige Arsenikfleken. Ein Theil des arsenikhaltigen Gases
                              wird jedoch immer, wenn man auch noch so vorsichtig verfährt,
                              dieser Zersezung entgehen. Deßwegen ist die Röhre am Ende in
                              eine Spize ausgezogen, so daß man das entwikelte Gas entzünden
                              und die lezten Arsenikspuren, welche der ersten Reaction
                              entgingen, sammeln kann.
                           Das Verfahren der HHrn. Köppelin und
                              Kampmann kommt im Allgemeinen auf
                              das von den HHrn. Liebig und Berzelius empfohlene zurük; nur
                              schreiben jene noch vor, das Gas zu troknen und
                              es am Ende der Röhre zu verbrennen, um auch die lezten Antheile
                              des Arseniks zu gewinnen.
                           Das vorgängige Troknen des Gases scheint uns unnöthig. Man kann
                              den größten Theil des mit fortgerissenen Wassers zurükhalten und
                              in die Flasche zurükfallen lassen, indem man das durch den
                              Pfropf gehende Ende der Entbindungsröhre schräg ablaufen läßt
                              und an einem beliebigen Punkte ihrer Höhe eine Kugel bläst. Wenn
                              das Austroknen von Nuzen wäre, so geschähe es besser mittelst
                              einer Röhre, welche mit Glas angefüllt wird, das mit
                              concentrirter Schwefelsäure benezt ist, als durch Chlorcalcium,
                              denn in der Regel muß man so viel wie möglich die Anzahl der bei
                              medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen anzuwendenden
                              Reagentien beschränken.
                           5. Die lezte Arbeit, über welche wir zu berichten haben, ist von
                              größerer Ausdehnung als die vorhergehenden; es ist die der HHrn.
                              Danger und Flandin.
                           Diese Herren prüften die verschiedenen Verfahrungsweisen der
                              Verkohlung, welche empfohlen worden waren und fanden, daß sie
                              sehr ungleiche Resultate liefern hinsichtlich der mehr oder
                              weniger deutlichen oder zahlreichen Fleken, welche die nachher
                              dem Marsh'schen Apparat unterworfenen
                              Flüssigkeiten gaben; sie suchten diese Verfahrungsweisen in der
                              Art zu modificiren, daß die größtmögliche Menge Fleken erhalten
                              wird, und wirklich gelang es ihnen, nach einer Anzahl
                              vergeblicher Versuche ein Verfahren auszufinden, daß sie mit 5
                              Grammen Fleisches von einem Thiere im Normalzustande mehrere
                              Porzellanuntertassen mit großen Fleken anfüllen konnten. Man
                              brauchte hiezu nur die 5 Gramme frischen Fleisches mit 5 Grammen
                              Salpeter einzureiben, 5 Gramme Schwefelsäure hinzuzusezen und
                              das Ganze in einer Retorte unter Aufsammlung der
                              Sublimationsproducte bis zum Rothglühen zu erhizen. Als sie mit
                              größeren Quantitäten Fleisches auf diese Art operirten, gelang
                              es ihnen, in dem Halse der Retorte eine ziemlich beträchtliche
                              Menge einer sublimirten Substanz zu condensiren, wovon ein
                              kleiner Antheil im Marsh'schen
                              Apparate sehr starke braune Fleken gab. Diese Substanz fand man
                              aus schwefligsaurem und phosphorigsaurem Ammoniak, mit etwas
                              organischer Materie vermengt, bestehend. Ein künstliches Gemenge
                              dieser beiden Salze, mit einigen Tropfen Terpenthinöhls, in den
                              Marsh'schen Apparat gebracht, gab
                              ganz dieselben Fleken.
                           Die HHrn. Danger und Flandin sagen, daß diese Fleken nicht
                              nur in ihrem Ansehen eine auffallende Aehnlichkeit mit den
                              Arsenikfleken haben, sondern daß diese Aehnlichkeit sich auch in
                              den chemischen Eigenschaften erhält. So sind nach ihnen die auf
                              einen Porzellanteller abgesezten Krusten, abgesehen von der
                              veränderten Farbe der Flamme und abgesehen von dem
                              Knoblauchgeruche dieser Flamme, an der Spize des Strahls auch
                              flüchtig, auflöslich in Salpetersäure, und ihre Lösung wird von
                              Schwefelwasserstoff gelb, und von salpetersaurem Silber
                              ziegelroth niedergeschlagen.
                           Die Versuche der HHrn. Danger und Flandin zeigen aber nur, daß man,
                              wenn die Verkohlung der organischen Materien unvollkommen
                              geschieht, bei der nachherigen Behandlung der Flüssigkeiten im
                              Marsh'schen Apparat Fleken
                              erhalten kann, welche dem Auge eine große Aehnlichkeit mit
                              Arsenikfleken darbieten; davon hat sich die Commission auch
                              überzeugt. Wenn aber auch die physischen Erscheinungen sich
                              ähnlich sind, verhält es sich doch nicht so mit den chemischen
                              Merkmalen und jene Fleken sind sehr leicht von den Arsenikfleken
                              zu unterscheiden. Leztere lösen sich nämlich augenbliklich und
                              ohne Wärme in einigen Tropfen Salpetersäure auf; die behufs der
                              Verjagung der überschüssigen Salpetersäure abgerauchte, dann mit
                              ganz neutralem salpetersaurem Silber behandelte Flüssigkeit gibt
                              einen ziegelrothen Niederschlag von arseniksaurem Silber. Die
                              nicht arsenikalischen Fleken lösen sich hingegen schwieriger in
                              Salpetersäure auf und immer bleiben einige Theilchen brauner
                              kohliger Substanz zurük, welche nur dann verschwinden, wenn die
                              Säure erhizt wird. Nachdem alles aufgelöst ist, gibt die
                              neuerdings bis zur Trokne abgerauchte und dann mit
                              salpetersaurem Silber behandelte Flüssigkeit einen gelben
                              Niederschlag von phosphorsaurem Silber. Nichts ist also
                              leichter, als diese Fleken von den reinen Arsenikfleken zu
                              unterscheiden. Es ist wohl wahr, daß diese Merkmale weniger
                              entschieden von einander abweichen, wenn die Arsenikfleken
                              selbst mit fremdartigen Körpern verunreinigt sind, was der Fall
                              ist, wenn die Verkohlung des vergifteten Fleisches unvollkommen
                              geschah; aber ein nur etwas geübter Chemiker kann sich dabei
                              nicht irren.
                           Ferner kann, wenn die Zerstörung der organischen Materie durch
                              Salpetersäure vollkommen geschah, in den Rükständen offenbar
                              weder schweflige Säure, noch phosphorige Säure enthalten seyn;
                              diese Säuren hätten sich sicher höher oxydirt und in
                              Schwefelsäure und Phosphorsäure umgewandelt. Also ist, wenn die
                              Verkohlung vollkommen war, niemals eine Gefahr vorhanden, diese
                              regelwidrigen Fleken zu finden, was sogar aus den Versuchen der
                              HHrn. Danger und Flandin selbst hervorgeht.
                           Obwohl nun die Commission vollkommen anerkennt, daß die von
                              diesen Herren berichteten Thatsachen bei
                              medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen in Erwägung zu
                              ziehen sind, glaubt sie doch darauf bestehen zu müssen, daß
                              diese Fleken mit arsenikalischen Fleken nicht verwechselt
                              werden können, sobald sie der Einwirkung der Reagentien
                              unterworfen werden, welche allein das wirkliche Vorhandenseyn
                              von Arsenik auszusprechen gestatten.
                           Von der Nothwendigkeit einmal überzeugt, eine vollkommene
                              Verkohlung der Organe herbeizuführen, suchten die HHrn. Danger und Flandin ein Verkohlungsverfahren ausfindig zu machen,
                              welches die Uebelstände der bisherigen nicht mit sich führe, und
                              sie haben ein solches angegeben, welches, nach den Versuchen der
                              Commission selbst, der Verkohlung mittelst Salpetersäure
                              vorgezogen zu werden verdient; es ist folgendes:
                           Die organische Materie wird in eine Porzellanschale gebracht,
                              ungefähr 1/6 ihres Gewichtes Schwefelsäure zugesezt und dann
                              nach und nach erhizt, bis sich schwefelsaure Dämpfe zeigen. Die
                              Masse geht zuerst eine Auflösung ein, verkohlt sich aber nachher
                              während der Concentration der Flüssigkeit; man dampft unter
                              beständigem Umrühren mit einem Glasstäbchen ab. Die Verkohlung
                              geht ohne alles Aufblähen vor sich; man läßt die Hize so lange
                              fortwirken, bis die Kohle zerreiblich und beinahe troken
                              erscheint. Nun läßt man die Schale erkalten, sezt dann mittelst
                              eines kleinen Tropfhebers eine kleine Quantität concentrirter
                              Salpetersäure oder Königswasser mit Ueberschuß an Salpetersäure
                              hinzu, was eine vollständige Oxydation herbeiführt und die
                              arsenige Säure in Arseniksäure umwandelt, welche weit
                              auflöslicher ist; man dampft nun noch einmal bis zur Trokne ab
                              und zieht endlich das Ganze mit siedendem Wasser aus. Die
                              vollkommen helle, manchmal ganz farblose Flüssigkeit wird
                              endlich im Marsh'schen Apparat
                              behandelt und veranlaßt in demselben niemals einen Schaum.
                           Dieses Verfahren ist allerdings der Verkohlung mittelst
                              Salpetersäure bei weitem vorzuziehen; man hat die Operation
                              besser in der Gewalt, braucht weit geringere Quantitäten des
                              Reagens (was sehr zu beachten) und es tritt niemals eine
                              Verbrennung ein. Die Commission hat sich durch viele Versuche
                              überzeugt, daß wenn man nach diesem Verfahren 2 oder 300 Gramme
                              Muskelfleisch behandelt, welchem man nur einen Milligramm
                              arseniger Säure zusezte, Arsenikfleken erhalten wurden, an
                              welchen alle chemischen Merkmale dieser Substanz dargethan
                              werden konnten.
                           Die HHrn. Danger und Flandin, immer mit dem Uebelstande
                              beschäftigt, der aus einer etwaigen nicht vollkommenen
                              Zerstörung der organischen Masse hervorgehen könnte, selbst wenn
                              die Flüssigkeit hell ist und in dem Marsh'schen Apparat keinen Schaum erzeugt, haben einen
                              eigenen Apparat ersonnen, in welchem das Wasserstoffgas, so wie der Arsenik und die mit fortgerissenen
                              Substanzen vollkommen verbrannt werden.
                           Dieser Apparat Fig.
                                 46 besteht:
                           1) aus einem cylindrischen Condensator
                              C, welcher gegen sein unteres Ende
                              mit einer Tubulatur versehen ist und sich in einen Kegel endigt,
                              dessen Spize offen bleibt;
                           2) aus einer Verbrennungsröhre
                              A, welche in der Mitte im rechten
                              Winkel gebogen ist, und mittelst eines Stöpsels in die Tubulatur
                              des Condensators gepaßt werden kann;
                           3) aus einem Refrigerator
                              B, dessen unteres Ende in den
                              konischen Theil des Condensators paßt und dessen Oeffnung
                              verschließt. Das Ganze wird von einem Gestell getragen (Fig. 47.). Um diesen Apparat zu gebrauchen, füllt man
                              den Refrigerator mit destillirtem Wasser und stekt ihn in den
                              Condensator; man paßt die Verbrennungsröhre an, und läßt
                              innerhalb derselben, im Drittheil ihrer Länge von ihrem Ende an,
                              den Flammenstrahl austreten, so lange noch reines Wasserstoffgas
                              sich aus demselben entwikelt. Das Gefäß, worin die chemische
                              Action vor sich geht, ist eine Glasflasche mit weiter Mündung,
                              durch deren Kork zwei Löcher gehen; in dem einen dieser Löcher
                              stekt eine spizausgezogene Röhre, an deren Spize der Wasserstoff
                              verbrannt wird; durch das andere Loch geht ein weiteres Rohr,
                              durch welches man die verdächtigen Flüssigkeiten einbringt. Nun
                              schüttet man die Flüssigkeit hinein und regulirt die Operation
                              so, daß man eine Flamme von 5 bis 6 Millimeter Länge erhält.
                           Der größte Theil des Arseniks sezt sich als arsenige Säure in der
                              Verbrennungsröhre ab und bildet an den Wänden der Röhre leichte
                              Wolken, wenn der Arsenik in sehr kleiner Quantität in der
                              untersuchten Flüssigkeit vorhanden ist; ein kleiner Antheil wird
                              mit fortgerissen und condensirt sich mit dem Wasserdampfe an den
                              Wänden des Refrigerators. Die am untern Ende des Condensators
                              angebrachte Oeffnung gestattet diesem kleinen Antheil der
                              Flüssigkeit den Ausfluß, und in dem untergesezten Schälchen wird
                              sie aufgefangen.
                           Wenn die Operation zu Ende ist, nimmt man die Verbrennungsröhre
                              ab und läßt einige Tropfen Salpetersäure oder Königswasser in
                              dieser Röhre kochen, welche man dann in das zum Aufsammeln des
                              condensirten Wassers dienende Schälchen gießt und zur Trokne
                              abdampft; der trokne Rükstand wird mit einer kleinen Menge,
                              höchstens einigen Centigrammen, schwarzen Flusses gemengt und
                              dann in eine kleine ausgezogene Röhre durch deren weite Oeffnung
                              hineingebracht; leztere Oeffnung wird nun an der Lampe
                              ausgezogen und das fadenförmige Ende abgebrochen; nachdem man
                              hierauf das Gemenge auf den Boden des aufgeblasenen Theiles hat
                              fallen lassen, so wird dieser Theil erhizt; der
                              reducirte Arsenik condensirt sich in der ausgezogenen Röhre und
                              zeigt alle physischen Merkmale des metallischen Arseniks. Es
                              versteht sich, daß man, statt so zu operiren, sich der Auflösung
                              der Arseniksäure bedienen kann, um die Reaction des
                              salpetersauren Silbers darzuthun u.s.w.
                           Die Commission sah mit diesem Apparat mehrere Versuche mit sehr
                              deutlich hervortretenden Resultaten anstellen.
                           Die HHrn. Danger und Flandin haben viele Versuche
                              angestellt, um Arsenik in dem Fleische und den Knochen nicht
                              vergifteter Individuen aufzufinden, fanden aber darin nie
                              solchen; eben so wenig in dem Erdreich der Kirchhöfe. Nur mit
                              wenigen Worten soll hier das Verfahren, welches sie bei diesen
                              Untersuchungen im Allgemeinen beobachteten, beschrieben werden.
                              Sie verkohlten die thierische Masse in verschlossenen Gefäßen,
                              und ließen die flüchtigen Theile durch eine weißglühende
                              Porzellanröhre treten; die flüssigen Producte condensirten sich
                              in einem Ballon und einer tubulirten, sehr kalt gehaltenen
                              Flasche; die Gase leitete man mittelst einer Röhre in einen
                              großen Ballon, wo sie inmitten eines Luftstroms verbrannt
                              wurden; die Verbrennungsproducte verdichteten sich in dem
                              Ballon. Die Porzellanretorte, worin sich die Masse befand, wurde
                              zulezt bis zum Weißglühen erhizt. Nach Beendigung der Operation
                              wurde jedes Product für sich untersucht, mit oxydirenden Säuren
                              behandelt, um den etwa vorhandenen Arsenik in Arseniksäure
                              umzuwandeln, und dann probirte man diese Flüssigkeiten im Marsh'schen Apparat.
                           Die Verfasser schlossen aus ihren Versuchen, daß in dem
                              menschlichen Körper im Normalzustande sich kein Arsenik befinde.
                           Wirklich konnte auch die Commission bei den von ihr angestellten
                              Versuchen, wobei die ins Kleinste gehende Sorgfalt obwaltete und
                              die verschiedensten Verfahrungsweisen angewandt wurden, keinen
                              Arsenik aus den menschlichen Knochen herstellen; auch Hr. Orfila selbst hat bei den vor der
                              Commission angestellten Versuchen keine Arsenikfleken mehr
                              erhalten.
                           (Es folgen nun im Original die zahlreichen Experimente, welche
                              von den Mitgliedern der Commission über diesen hochwichtigen
                              Gegenstand angestellt wurden. Dreizehn in Gegenwart des Hrn. Orfila angestellte Versuche bewiesen
                              deutlich die Richtigkeit der Behauptung des leztern, daß der
                              Arsenik und das Antimon, vorausgesezt jedoch, daß das Thier eine
                              gewisse Zeit lang der Wirkung des Giftes ausgesezt war, von den
                              Organen absorbirt werden und in den Harn übergehen. Drei
                              Versuche, von Hrn. Orfila selbst vor
                              der Commission angestellt, zeigten hingegen kein Vorhandenseyn
                              von Arsenik in den menschlichen Knochen im Normalzustande,
                              obwohl die Versuche gerade so angestellt wurden,
                              wie jene, aus welchen diese Behauptung gezogen worden war.)
                           
                        
                           Resultate
                                 sämmtlicher von der Commission angestellten
                                 Versuche.
                           1) Das Marsh'sche Verfahren läßt
                              1/1000000 arseniger Säure in einer Flüssigkeit leicht erkennen;
                              sogar bei einer Flüssigkeit, welche ungefähr 1/2000000 enthält,
                              beginnen schon Fleken zu erscheinen.
                           2) Die Fleken erscheinen nicht besser, wenn man eine große, als
                              wenn man eine kleine Menge Flüssigkeit im Marsh'schen Apparat anwendet, vorausgesezt, daß in
                              beiden Fällen im Verhältniß dieselbe Quantität arseniger Säure
                              vorhanden ist. Allein sie bilden sich im erstem Fall längere
                              Zeit fort, als im leztern. Daraus geht hervor, daß es
                              vortheilhaft ist, die arsenikalischen Flüssigkeiten zu
                              concentriren und mit einem kleinen Volumen Flüssigkeit zu
                              operiren; man erhält auf diese Weise viel intensivere
                              Fleken.
                           3) Es ist sehr nothwendig, wenn man mittelst des Marsh'schen Apparates Fleken
                              hervorzubringen sucht, dem übertretenden Gase eine wenigstens 3
                              Decimeter (11 Zoll) lange, mit Amianth oder in Ermangelung
                              desselben mit Baumwolle gefüllte Röhre in den Weg zu legen, um
                              die kleinen Tröpfchen der Auflösung, welche von dem Gas immer
                              mit fortgerissen werden, aufzuhalten; indem man sonst Fleken von
                              Zink-Oxysulfurid bekommen könnte, welche oft wie
                              Arsenikfleken aussehen.
                           4) Das von Lassaigne vorgeschlagene
                              Verfahren kann gute Resultate geben. Es besteht darin, daß man
                              das Arsenikwasserstoffgas durch eine völlig neutrale Lösung von
                              salpetersaurem Silber treten läßt, die Flüssigkeit hierauf durch
                              Salzsäure zersezt, abdampft, um die Säuren zu verjagen und dann
                              an dem Rükstand die Arsenikproben macht. Vorzüglich bequem ist
                              es, um in eine kleine Quantität Flüssigkeit einen äußerst
                              kleinen Antheil Arsenik übertreten zu lassen, der in einem
                              großen Volumen Flüssigkeit enthalten ist, welche man nicht durch
                              Abdampfen concentriren kann, wodurch man es folglich möglich
                              macht, die neue arsenikalische Flüssigkeit in einem kleinen Marsh'schen Apparat concentrirt zu
                              behandeln und mit weit hervortretendem Merkmalen versehene
                              Fleken zu erhalten. Nur muß man sich wohl hüten, auf die
                              Gegenwart von Arsenik zu schließen, weil die Silberlösung sich
                              trübt und weil sie während des Durchtretens des Gases einen
                              Niederschlag bildet, indem dieser Niederschlag durch mit
                              Wasserstoff verbundene, nicht arsenikalische Gase, und sogar
                              durch das Wasserstoffgas allein erzeugt werden könnte, wenn
                              unter Zutritt des Lichtes operirt wird.
                           
                           Die salpetersaure Silberlösung kann durch Chlorwasser oder ein
                              Chloralkali ersezt werden.
                           5) Die von den HHrn. Berzelius und Liebig und dann mit mehreren
                              nüzlichen Modificationen von den HHrn. Köppelin und Kampmann
                              neuerdings angegebene Vorrichtung macht Mengen Arseniks noch
                              erkennbar, welche sich durch Fleken entweder gar nicht, oder nur
                              auf eine sehr zweifelhafte Weise zeigen würden. Diese
                              Vorrichtung hat ferner den Vorzug, den Arsenik auf eine weit
                              vollständigere Weise zu condensiren; nur wird sich der Arsenik
                              sehr oft mit Schwefelarsenik gemengt zeigen, was, namentlich
                              wenn die arsenikalische Substanz nur in kleiner Menge vorhanden
                              ist, ihm eine andere Farbe geben könnte.
                           Dieser leztern Vorrichtung gibt die Commission den Vorzug, um den
                              Arsenik zu isoliren; sie glaubt dieselbe aber auf folgende Weise
                              modificiren zu müssen. Eine Flasche mit geradem und weitem Hals
                              A, Fig.
                                 48, wird mit einem Kork mit zwei Löchern verschlossen.
                              Durch das eine dieser beiden Löcher läßt man bis auf den Boden
                              der Flasche eine gerade Röhre B von
                              1 Centimeter (4 1/2 Lin.) Durchmesser hinabgehen; in das andere
                              Loch stekt man eine engere, im rechten Winkel gebogene Röhre C. Diese steht mit einer andern
                              weitern Röhre D in Verbindung,
                              welche ungefähr 3 Decimeter (11 Zoll) lang und mit Amianth
                              gefüllt ist. An dem andern Ende der Amianthröhre wird eine Röhre
                              von strengflüssigem Glase und 2 bis 3 Millimeter (1 Lin.) innerm
                              Durchmesser angepaßt. Diese Röhre, welche mehrere Decimeter lang
                              seyn muß, ist an ihrem Ende F in
                              eine Spize ausgezogen; sie wird ungefähr in der Länge eines
                              Decimeters mit einem Blatte Rauschgolds umwikelt. Die Flasche
                              A wird in der Art gewählt, um
                              die ganze zu untersuchende Flüssigkeit aufnehmen und ungefähr
                              noch ein Fünftheil des ganzen Rauminhalts leer lassen zu können.
                              Doch soll die Flüssigkeit keinen gar zu großen Raum einnehmen,
                              wenn sie nur Spuren arsenikalischer Substanz enthält. Die
                              Entwiklungsröhre C läuft an dem
                              Ende, welches in die Flasche geht, schräg zu und ist an einer
                              beliebigen Stelle ihres verticalen Schenkels zu einer kleinen
                              Kugel aufgeblasen. Diese Maßregel ist zwar nicht unerläßlich,
                              aber bequem, weil hiedurch alles mit fortgerissene Wasser
                              condensirt wird und in die Flasche zurükfällt, was nicht
                              unbeträchtlich ist, wenn die Flüssigkeit sich durch die Reaction
                              erhizt hat. – Nachdem Alles so vorgerichtet ist, bringt
                              man einige Zinkbleche in die Flasche und eine Schicht Wassers,
                              um die Oeffnung der Sicherheitsröhre zu verschließen; dann gießt
                              man etwas Schwefelsäure hinein. Das sich nun entwikelnde
                              Wasserstoffgas treibt die in der Flasche enthaltene Luft aus.
                              Man erhizt die Röhre an der Stelle, wo sie mit Rauschgold
                              umwikelt ist, bis zum Rothglühen mittelst auf einem Roste
                              befindlicher Kohlen. Ein kleiner Schirm verhindert, daß das Rohr
                              sich zu weit von der mit Kohlen umgebenen Stelle erhizt. Hierauf
                              bringt man die verdächtige Flüssigkeit durch die offene Röhre
                              mittelst eines in eine Spize ausgezogenen Trichters auf die Art
                              ein, daß sie längs der Wände der Röhre hinabfließt, um zu
                              vermeiden, daß keine Luft in die Flasche kommt. Wenn die
                              Gasentwikelung nach dem Eintragen dieser Flüssigkeit nachläßt,
                              sezt man noch etwas Schwefelsäure zu und läßt dann die Operation
                              langsam und so regelmäßig als möglich vor sich gehen. –
                              Enthält das Gas Arsenik, so sezt sich dieser in einem Ringe über
                              der erhizten Stelle der Röhre draußen an. Man kann das Gas,
                              welches aus der Vorrichtung austritt, anzünden und die Fleken
                              auf einer porzellanenen Untertasse aufzusammeln suchen. Manchmal
                              erhält man deren wirklich noch, wenn der erhizte Theil der Röhre
                              nicht groß genug ist, oder wenn sie im Durchmesser zu weit ist.
                              – Auch kann man die Röhre noch einmal biegen und das Ende
                              derselben in salpetersaure Silberlösung tauchen lassen, um
                              nöthigenfalls die lezten Antheile des Arseniks zu
                              condensiren.
                           Wenn der Arsenik sich in der Röhre in Gestalt eines Ringes
                              angelegt hat, so ist es ein Leichtes, alle physischen und
                              chemischen Merkmale, welche diesen Körper charakterisiren, zu
                              constatiren. So wird leicht darzuthun seyn:
                           a) seine Flüchtigkeit;
                           b) seine Verwandlung in ein
                              flüchtiges, weißes Pulver, arsenige Säure, wenn man die an
                              beiden Enden offene Röhre in etwas geneigter Richtung
                              erhizt;
                           c) indem man etwas Salpetersäure
                              oder Königswasser in der Röhre erhizt, wird der Arsenik in den
                              Zustand der im Wasser sehr löslichen Arseniksäure übergehen.
                              Dampft man nun die Flüssigkeit in einer kleinen Porzellanschale
                              vorsichtig ab, so wird sie, wenn man einige Tropfen einer völlig
                              neutralen salpetersauren Silberlösung hineinfallen läßt, einen
                              ziegelrothen Niederschlag geben;
                           d) nach allen diesen Proben kann
                              wieder neuerdings der Arsenik in metallischem Zustand isolirt
                              werden. Zu diesem Ende braucht man nur etwas schwarzen Fluß in
                              die Schale zu bringen, worin man den Niederschlag durch das
                              salpetersaure Silber erzeugte, die Masse auszutroknen und in ein
                              kleines Röhrchen zu bringen, dessen eines Ende b (Fig.
                                 49) zu einer Spize ausgezogen ist, und dessen anderes
                              Ende a, nachdem die Substanz
                              hineingebracht worden, an der Lampe geschlossen wird. Man läßt
                              die Substanz in den erweiterten Theil fallen und erhizt diesen
                              bis zum starken Rothglühen; der Arsenik geht dann in
                              metallischen Zustand über und bildet in dem sehr engen Theil des
                              Röhrchens einen Ring, welcher alle physischen Kennzeichen des
                              Arseniks an sich trägt, sogar wenn diese Substanz nur in sehr
                              kleiner Quantität vorhanden ist.
                           6) Es ist im Handel leicht Zink und Schwefelsäure zu finden,
                              welche im Marsh'schen Apparat keinen
                              Arsenik zeigen, selbst wenn man beträchtliche Quantitäten Zinks
                              auflöst. Die von uns angewandte Schwefelsäure war durch
                              Destillation gereinigt worden und der Zink zu dünnem Blech
                              gewalzt.Das gewalzte Zink verdient dem im Handel in Platten
                                    vorkommenden vorgezogen zu werden. Das Walzen bürgt
                                    schon für seine Reinheit. Auch soll das gewalzte Zink
                                    dem gekörnten vorgezogen werden, weil es weniger
                                    Oberfläche darbietet und die
                                    Wasserstoff-Entwikelung durch dasselbe
                                    regelmäßiger bewerkstelligt werden kann.
                              
                           Es ist in jedem Fall nothwendig, daß der Expert vor Allem mit der
                              größten Sorgfalt die bei der Untersuchung anzuwendenden
                              Substanzen prüft. Wir halten sogar dafür, daß hier einige
                              vorgängige Versuche keine hinreichende Bürgschaft leisten, und
                              daß der Expert zu gleicher Zeit, oder unmittelbar nach dem
                              Versuche mit den Vergifteten Substanzen einen ganz ähnlichen
                              Versuch mit Hinweglassung der vergifteten Substanz anstellt, zu
                              welchem er dieselben Reagentien und in der nämlichen Quantität
                              anwendet wie bei der wirklichen Operation. So soll er, wenn er
                              die Substanzen durch Schwefelsäure und Salpetersäure verkohlt
                              hat, in ähnlichen Gefäßen ganz gleiche Quantitäten Säure
                              abdampfen, sie in derselben Menge Wassers wieder auflösen, mit
                              Einem Worte, bei dem Controlversuche über die Reagentien für
                              sich alle Operationen wiederholen, welche er beim wirklichen
                              Versuche machte.
                           7) Das Verfahren, die animalischen Stoffe mittelst Salpetersäure
                              oder salpetersauren Kalis zu verkohlen, kann vollkommen
                              gelingen; doch ist man zuweilen nicht im Stande, eine sehr
                              lebhafte Verbrennung am Ende des Versuches zu verhindern, welche
                              Verbrennung einen bedeutenden Verlust an Arsenik herbeiführen
                              kann. In einer Menge von Fällen scheint der Commission die
                              Verkohlung mittelst concentrirter Schwefelsäure und die
                              Behandlung der erzeugten Kohle mit Salpetersäure oder
                              Königswasser den Vorzug zu verdienen. Dieses von den HHrn. Danger und Flandin angegebene Verfahren erfordert eine weit
                              geringere Menge des Reagens; es ist immer leicht durchzuführen,
                              und wenn dieß gehörig geschehen ist, geht durch dieses Verfahren
                              nur sehr wenig Arsenik verloren, was die Versuche der Commission
                              nachwiesen. Jedem Verlust ist vorgebeugt, wenn man die
                              Verkohlung in einer gläsernen, mit Vorlage versehenen Retorte
                              vornimmt.
                           8) Es ist von sehr hohem Belang, daß die Verkohlung der
                              organischen Masse vollkommen sey; widrigenfalls man nicht nur
                              eine schäumende Flüssigkeit in den Marsh'schen Apparat bekömmt, sondern diese Flüssigkeit
                              auch Fleken geben kann, welche in ihrem Ansehen Aehnlichkeit mit
                              den Arsenikfleken haben. Diese von Hrn. Orfila zuerst beobachteten Fleken, welche er mit dem
                              Namen Schmuzfleken bezeichnet,
                              erscheinen oft in großer Menge, wenn die organische Materie nur
                              theilweise zerstört wurde. Diese Fleken, welche von gekohlten,
                              in der Flamme theilweise zersezten Gasen herrühren, sind
                              übrigens durch die chemischen Reactionen leicht von den
                              Arsenikfleken zu unterscheiden. Sie könnten aber zu großen
                              Irrthümern Anlaß geben, wenn der Expert sich mit den physischen
                              Merkmalen der Fleken zufrieden geben wollte.
                           9) Hinsichtlich des Arseniks, welcher im menschlichen Körper im
                              Normalzustande existiren soll, haben alle Versuche, welche von
                              der Commission sowohl mit dem Muskelfleisch als mit den Knochen
                              angestellt wurden, negative Resultate gegeben.
                           10) Die Commission glaubt, daß das Marsh'sche Verfahren, wenn es mit allen angegebenen
                              Vorsichtsmaßregeln angewandt wird, dem Bedürfnisse der
                              medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen genügt, bei
                              welchen die zur Evidenz zu bringenden Quantitäten von Arsenik
                              beinahe immer viel bedeutender sind als jene, welche die
                              Empfindlichkeit des Apparats noch zu constatiren gestatten
                              würde. Es versteht sich, daß es immer als ein Mittel angewandt
                              werden muß, um das Metall zu concentriren, um seinen chemischen
                              Charakter kennen zu lernen und daß man seine Angaben für nichts,
                              oder doch für sehr zweifelhaft betrachten müßte, wenn der hinter
                              dem erhizten Theil der Röhre sich absezende Niederschlag dem
                              Experten wegen seiner unbedeutenden Dike nicht gestatten würde,
                              die chemischen Charaktere des Arseniks auf eine entscheidende
                              Weise zu bestätigen. Bei den meisten Vergiftungsfällen wird
                              schon die Untersuchung des Ausgebrochenen oder der in der
                              Darmröhre gebliebenen Substanzen den Experten von der Gegenwart
                              des Giftes überzeugen, und er hat nur in jenen Fällen zur
                              Verkohlung der Organe zu schreiten, wo die ersten Versuche ohne
                              Erfolg waren, ferner in jenen sehr seltenen Fällen, wo die
                              muthmaßlichen Vergiftungsumstände deren Nothwendigkeit an die
                              Hand geben.
                           11) In Anbetracht der Wichtigkeit des Gegenstandes und der
                              Bemühungen der HHrn. Danger und Flandin um die verbesserte Anwendung
                              des Marsh'schen Apparats begutachtet
                              die Commission, denselben für ihre verschiedenen
                              Mittheilungen zu danken und glaubt, daß die Akademie auch den
                              HHrn. Lassaigne, Koeppelin und Kampmann für ihre nüzlichen
                              Modificationen an dem Marsh'schen
                              Apparate Dank schuldig sey.
                           Die Beschlüsse dieses Berichtes werden von der Akademie
                              genehmigt.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
