| Titel: | Ueber die zwekmäßigste Construction der Schnellwaage; von Dr. Mohr. | 
| Autor: | Dr. Karl Friedrich Mohr [GND] | 
| Fundstelle: | Band 82, Jahrgang 1841, Nr. III., S. 7 | 
| Download: | XML | 
                     
                        III.
                        Ueber die zwekmaͤßigste Construction der
                           Schnellwaage; von Dr. Mohr.
                        Mohr, über die zwekmäßigste Construction der
                           Schnellwaage.
                        
                     
                        
                           Die Schnellwaage steht in dem Rufe eines unzuverlässigen Wägeinstrumentes, und zwar,
                              wie sie gewöhnlich construirt ist, nicht mit Unrecht. Sie hat vor der gemeinen
                              gleicharmigen Waage den Nachtheil, daß man die Schale des Gewichts und der Last
                              nicht verwechseln kann, und daß der Käufer sich nicht durch den Augenschein
                              überzeugen kann, ob die Waage im Zustande der Nichtbelastung richtig stehe; ein
                              dritter Uebelstand ist der, daß der Läufer als eine Masse von unbestimmter, ganz
                              individueller Größe gar keiner Controle unterworfen ist, und daß, wenn er im Laufe
                              der Zeit sich verändert, dieß nicht durch Vergleichung mit Normalgewichten gefunden
                              werden kann. Dagegen ist die Bequemlichkeit mit kleinen Gewichten große Lasten und
                              mit einem oder zwei Gewichten alle möglichen Gewichtsgrößen abzuwägen, so
                              überwiegend, daß die Schnellwaage immer ein sehr brauchbares Instrument bleibt,
                              besonders wenn es gelingt, die obigen Nachtheile zu beseitigen. Ich stellte mir nun
                              noch ferner die Aufgabe, alle möglichen Gewichtsarten auf derselben Waage mit
                              derselben Theilung auswägen zu können.
                           Durch die Acquisition einer in ihren Theilen gut gearbeiteten Schnellwaage von
                              übrigens ganz unrichtiger und unbrauchbarer Theilung wurde ich veranlaßt, die obigen
                              Probleme auszuführen.
                           Der lange Arm der Waage ist im Querschnitt rein quadratisch, die Schneiden nach Oben
                              und Unten gerichtet. Zuerst wurde die alte Theilung ganz weggefeilt, und die beiden
                              Kanten in der senkrechten Diagonale schwach gebrochen.
                           Die zweite Aufgabe war, die Länge des kürzeren Armes in genauen Multiplen auf den
                              längeren Arm aufzutragen. Es ist durchaus unmöglich, dieß genau durch Messen zu
                              thun, weil man aus dem Kleinen ins Große theilt, also die Fehler des Kleinen
                              multiplicirt. Man verschaffte sich demnach genaue Gewichte, womit alle ganzen Zahlen
                              bis 10 zusammengesezt werden konnten, am besten 5, 2, zwei 1 und zwei halbe Pfunde
                              oder Kilogramme, oder jede andere Art von Gewichtseinheit.
                           Die Waage wurde nun mit einer Schale versehen, welche, wenn sie unbelastet war, genau
                              den Waagebalken in horizontaler Linie, also ihm das Gleichgewicht hielt. Durch diese
                              Bedingung kann man an der leeren Waage augenbliklich erkennen, ob etwas in Unordnung
                              gerathen sey, und der Stand der Zunge zeigt dem Käufer an, daß die Waage noch
                              richtig sey. Nun wurden nach einander alle einzelnen Zahlengrößen bis zu 10 Pfd. auf
                              die Schale gelegt, und ein einzelnes Pfund so lange auf dem Balken verschoben, bis
                              die Waage wieder zum Einspielen gebracht wurde. Das Pfund war an einem Ringe eines
                              dünnen seidenen Fadens aufgehangen, von dem man sich vorher überzeugt hatte, daß die
                              Waage denselben an keiner Stelle des Balkens anzeige. Man kann auch den
                              Probegewichten auf der Schale proportionale Längen desselben Fadens zulegen; doch
                              ist dieß bei Seide ganz überflüssig, wenn man nur den Faden so leicht als möglich
                              nimmt. Die zehn bezeichneten Stellen, wo 1 Pfd. successive 1, 2, 3 bis 10 Pfdn. das
                              Gleichgewicht hielt, sind natürlich Multipla der Länge des kürzeren Arms, und an
                              diesen Stellen hält eine Gewichtseinheit so vielen Gewichtseinheiten auf der Schale
                              das Gleichgewicht als die
                              Entfernung des Laufgewichts vom Hypomochlion jene der Waagschale übertrifft. Wo also
                              z.B. 8 steht, ist 1 Pfd. Läufer = 8 Pfd. Last, ebenso aber auch 1 Kilogr. Läufer = 8
                              Kil. Last. Man kann nun jeden beliebigen Läufer wählen, immer multiplicirt man das
                              Gewicht des Läufers mit derjenigen Zahl, welche an der Stelle des Läufers auf dem
                              Balken steht. Bei der Wahl des Läufers hat man nun folgende Rüksichten zu
                              beobachten. Nimmt man den Läufer zu klein, so ist zwar die Auswägung schärfer, aber
                              sie erreicht keine hohen Gewichte. Man richtet demnach das Gewicht des Läufers so
                              ein, daß, wenn er am äußersten Ende des Balkens ist, die Waage gerade diejenige
                              Summe von Pfunden enthalten kann, welche man im höchsten Falle zu wägen gedenkt und
                              die übrigens der Stärke der ganzen Waage entsprechen muß. Ist z.B. die Zahl 10 am
                              Ende des Balkens, und man gedenkt an 80 Pfd. wägen zu können, so nehme man den
                              Läufer genau 8 Pfd. schwer, will man nur 40 Pfd. wägen können, so nehme man den
                              Läufer zu 4 Pfd., und bezeichne ihn genau mit seinem Gewicht. Man kann dadurch den
                              Läufer selbst auf jeder anderen Waage als Gewicht gebrauchen, und ferner kann man
                              jedes mit einem Ringe, Haken oder Schnur Versehene Gewicht unmittelbar als Läufer
                              gebrauchen. Zugleich kann man die Richtigkeit des Läufers jeden Augenblik gegen
                              richtiges Normalgewicht, unabhängig von der Waage, zu welcher er gehört, prüfen.
                           Nehmen wir nun beispielsweise an, der Läufer wiege 8 Pfd., welches eine sehr
                              zwekmäßige Zahl ist, so theilt man die einzelnen auf dem Balken bezeichneten
                              Entfernungen mit dem Cirkel in 8 gleiche Theile; es wird nun jeder einzelne Theil,
                              der 1/8 der Länge des kürzeren Armes ist, auch 1/8 des Läufers oder 1 Pfd.
                              repräsentiren. Um nun in den meisten Fällen jeder Rechnung überhoben zu seyn und aus
                              der Stellung des Läufers direct das Gewicht ablesen zu können, habe ich zwei
                              verschiedene Bezeichnungen auf den beiden schiefen Flächen des Balkens angebracht,
                              die sich übrigens auf dieselbe Theilung der oberen Kante beziehen. Die eine
                              Bezeichnung bezieht sich ausschließlich auf den 8pfündigen Läufer, und gibt direct
                              ohne Berechnung die jeder Stelle entsprechende Last an; die andere Theilung
                              bezeichnet nur die Längenmultipla des kürzeren Armes, und dient für jede Art von
                              Gewicht und für Läufer von beliebiger Größe. Wo auf dieser Seite 1 steht, findet man
                              auf der anderen Seite 8, denn einmal jener besondere Läufer genommen gibt 8 Pfd.; wo
                              auf jener Seite 4 steht, findet man auf dieser 32 oder 4 mal 8. Alle einzelnen,
                              dazwischen liegenden Pfunde sind mit eingehauenen Ziffern versehen, so daß man gar
                              nicht nachzuzählen hat.
                           
                           Wenn der Läufer 8 Pfd. schwer ist, so entspricht jeder Theil der Scale, der 1/8 von
                              der Länge des kürzeren Armes ist, einem Pfunde; wenn der Läufer nur 4 Pfd. ist, so
                              ist jeder Theil 1/2 Pfd., wenn der Läufer 2 Pfd., so ist jeder Theil 1/4 Pfd., und
                              wenn der Läufer 8 Loth oder 1/4 Pfd. ist, so entspricht jeder Theil einem Loth.
                              Gesezt nun, man wollte genauer als 1 Pfd. auswiegen, ohne aber jeden Theilstrich
                              noch in vier kleinere Theile zu theilen, so mache man sich noch einen Läufer von 1/4
                              Pfd. Gewicht. Nachdem der große Läufer auf die nächst kleinste Zahl ganzer Pfunde
                              gestellt ist, stellt man den kleinen Läufer von 1/4 Pfd. zum genauen Einstehen der
                              Waage. Die Zahl beim großen Läufer gibt die Pfunde, die beim kleinen die Lothe an.
                              Auf diese Art kann man die größten und kleinsten Lasten mit gleicher Schärfe
                              auswiegen. Man wolle nun auf derselben Waage in Kilogrammen auswiegen, so verschafft
                              man sich einen Läufer von 8 Kilogr., und es werden nun alle Zahlen, die früher für
                              Pfunde gegolten haben, jezt für Kilogramme oder Zollpfunde und Zollcentner gelten,
                              ohne daß man genöthigt ist, einen ganzen Saz von Kilogrammgewicht oder eine eigene
                              auf Kilogramme graduirte Schnellwaage anzuschaffen.
                           Die wirklich nach diesem System graduirte Schnellwaage gewährte eine solche Schärfe,
                              Bestimmtheit und Bequemlichkeit in der Auswägung, daß man sie jeder anderen Waage
                              vorzog. Gesezt, man wolle nun auf dieser Waage höher wägen, als die auf ihr
                              bezeichneten Zahlen (80 Pfd.) erlauben; in diesem Falle hängt man an den Läufer noch
                              einen Gewichtsstein von 8 Pfd., und nun werden alle Zahlen doppelt genommen werden
                              müssen, und man kann bis auf 160 Pfd. wägen, oder man hängt die beiden 8pfündigen
                              Läufer einzeln an verschiedenen Stellen des Balkens auf und addirt die zwei Zahlen,
                              die sich an diesen Stellen befinden. Die Schnellwaagen sind im öffentlichen Verkehr
                              bei uns verboten, weil ihre Mängel in der That Betrug und Unzuverlässigkeit
                              herbeiführten. Eine nach dem obigen Princip construirte Schnellwaage bietet jedoch
                              dieselbe Bestimmtheit wie eine gleicharmige Waage dar.