| Titel: | Ueber Bleiweiß u. Bleiweißfabrication, von Prof. Schubarth. | 
| Fundstelle: | Band 82, Jahrgang 1841, Nr. XLIX., S. 193 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XLIX.
                        Ueber Bleiweiß u. Bleiweißfabrication, von Prof.
                           Schubarth.
                        Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
                                 Gewerbfleißes in Preußen 1841, 3te Lieferung.
                        Schubarth, über Bleiweiß und Bleiweißfabrication.
                        
                     
                        
                           Ueber die chemische Zusammensezung des Bleiweißes, ob es ein neutrales, oder ein
                              basisches kohlensaures Salz sey, sind in neuerer Zeit widersprechende Meinungen
                              veröffentlicht worden. Robiquet und Pfaff erklärten das nach der älteren (sogenannten holländischen) Methode
                              dargestellte Bleiweiß für ein basisches Salz, wogegen Bischof dasselbe als ein neutrales erkannte. Hiegegen sprechen die von Mulder angestellten Analysen, und bestätigen die früheren
                              Ergebnisse.
                           Mulder fand, daß holländisches Bleiweiß eine chemische
                              Verbindung von neutralem kohlensaurem Bleioxyd mit Bleioxydhydrat sey, welche einige
                              unbedeutende fremde Einmischungen verunreinigen. Es bestand gutes Bleiweiß aus
                              11,66–67 Kohlensäure, 86,36 – 24 Bleioxyd und 2,46–43 Wasser
                              (b + 2 b). Eine Sorte englisches Bleiweiß gab fast genau
                              dieselben Zahlen.
                           Ein von Stratingh nach einer nicht bekannt gemachten
                              Methode dargestelltes Bleiweiß, welches sich dadurch vor gewöhnlichem auszeichnete,
                              daß es, außer seinem schönen Weiß, seine Farbe an der Luft nicht verändert, bestand
                              dagegen aus: 12,22 Kohlensäure, 85,74 Bleioxyd, 1,75 Wasser und 0,12 Essigsäure
                              (b + 3 b).
                           Diese Bleiweißsorten absorbiren, wenn man sie im feuchten Zustande der Einwirkung von
                              kohlensaurem Gas aussezt, etwas davon, und nehmen dadurch sehr wenig am Gewichte zu,
                              allein sie werden nicht in ein absolut neutrales kohlensaures Salz umgewandelt; die
                              Kohlensäure treibt das chemisch gebundene Wasser nicht vollkommen aus.
                           Eine dritte chemische Varietät von Bleiweiß hat früher v. Bonnsdorff beschrieben. Man erhält dieselbe, wenn man Bleioxyd, mit Wasser
                              übergossen, längere Zeit der Luft aussezt. Das Bleioxyd schwillt auf und zerfällt zu
                              einer in der Flüssigkeit sich leicht aufschwämmenden Materie. Das so erhaltene
                              Bleiweiß besizt keine Dekkraft. Es besteht nach v. Bonnsdorff aus 86,51 Bleioxyd, 9,93 Kohlensäure und 3,55 Wasser
                              (b + b). Bei der Bekanntmachung der Notiz über dieses
                              eigentümlich zusammengesezte Bleiweiß in dem Jahresberichte von Berzelius äußerte lezterer die Vermuthung, es möchte wohl
                              diese Verbindung durch eine länger dauernde Einwirkung der Luft in neutrales
                              kohlensaures Bleioxyd übergehen, das Hydrat ebenfalls kohlensaures Salz werden, und
                              dadurch die fehlende Eigenschaft des Dekens erlangen. Allein v. Bonnsdorff bemerkt darauf, daß dieses nicht erfolge, was
                              auch mit den späteren Resultaten Mulder's (vergl. das Vorstehende) übereinstimmt, welcher fand, daß
                              die Kohlensäure das chemisch gebundene Wasser vollständig auszutreiben nicht
                              vermögend sey.
                           Die in den untersuchten Bleiweißsorten von Mulder
                              entdekten Verunreinigungen bestanden: in dem Bleiweiß von Stratingh in etwas essigsaurem Bleioxyd, in dem gewöhnlichen holländischen
                              Bleiweiß in einer Spur Chlorcalcium, schwefelsaurem Bleioxyd, Schwefelblei und
                              metallischem Blei. In dem Kremserweiß fanden sich Spuren von absichtlich zugefügter
                              blauer Farbe, welche Indigo zu seyn schien.
                           Das neutrale kohlensaure Bleioxyd wird dagegen theils durch Fällung eines Bleisalzes
                              mittelst neutraler kohlensaurer Salze, oder eines basischen Bleisalzes durch
                              kohlensaures Gas erhalten; es besteht aus 83,26 Bleioxyd und 16,74 Kohlensäure
                              (b).
                           
                           Es sind also bis jezt folgende vier verschiedene Sorten Bleiweiß durch genaue
                              chemische Untersuchungen unterschieden worden:
                           
                              
                                     1)
                                    neutrales kohlensaures Bleioxyd
                                 (ohne Bleioxydhydrat) b,
                                 
                                 
                              
                                     2)    
                                    –              –                – 
                                 mit Bleioxydhydrat, und zwar:
                                 
                                 
                              
                                 a. 1 Mischungsgewicht kohlens. Bleioxyd
                                 mit 1 Mischungsgew. Bleioxydhydrat,
                                 b + b,
                                 
                              
                                 b.
                                    2            
                                    –                
                                    –            
                                    –
                                   –                  –       
                                 b + b,
                                 
                              
                                 c.
                                    3            
                                    –                
                                    –            
                                    –
                                   –                  –       
                                 b + 3 b.
                                 
                              
                           Mulder hält den Gehalt an Bleioxydhydrat für die Ursache
                              der Farbenveränderung des lezteren an der Luft, indem Schwefelwasserstoffgas auf das
                              Bleioxydhydrat leichter seinen Einfluß ausübt, als auf das neutrale kohlensaure
                              Bleioxyd. Ein Bleiweiß, welches die kleinste Menge Kohlensäure bei der Analyse
                              lieferte, veränderte sich, mit Mohnöhl abgerieben, am leichtesten und stärksten,
                              während neutrales kohlensaures Bleioxyd selbst im Dunkeln unverändert blieb. Es
                              scheint daher die Güte eines Bleiweißes desto höher zu stehen, je mehr es nur reines
                              neutrales kohlensaures Bleioxyd ist, je weniger es Bleioxydhydrat enthält. Daß aber
                              durch Behandlung mit kohlensaurem Gase lezteres nicht zersezt und in ersteres
                              umgewandelt werden könne, geht aus Vorstehendem hervor.
                           Ein anderer Grund der Verschiedenheit des Bleiweißes liegt, wie Payen und Ure gezeigt haben, darin, daß das
                              neutrale, durch Präcipitation dargestellte, kohlensaure Bleioxyd halbkrystallinisch,
                              daher bis auf einen gewissen Grad durchsichtig ist, während das nach holländischer
                              Weise dargestellte keine Krystallform besizt (amorphes Bleiweiß), und mit Oehl
                              abgerieben undurchsichtig bleibt.
                           Sind nun diese Resultate der Untersuchungen richtig, so muß bei der Darstellung des
                              Bleiweißes darauf hingearbeitet werden, 1) so wenig wie möglich Bleioxydhydrat neben
                              dem kohlensauren Salze zu erzeugen, 2) das Salz in einem nicht krystallinischen
                              Zustande zu erhalten.
                           Unter den verschiedenen Methoden der Bleiweißerzeugung, welche in der neuesten Zeit
                              sehr vermehrt worden sind – namentlich in England ist eine große Anzahl von
                              Patenten, auf verschiedene Methoden Bleiweiß darzustellen, ertheilt worden –
                              verdient wohl die von Benson beschriebene besondere
                              Beachtung. Dieselbe ist zwar durch das Dingler'sche
                              polyt. Journal Bd. LXXIV. S. 233 und Bd. LXXIX. S. 221 veröffentlicht worden,
                              allein es schien mir nicht überflüssig, da ich auf meiner vorjährigen Reise durch
                              England Gelegenheit hatte, in Birmingham die Fabrik zu besuchen, in welcher jene
                              Methode ausgeübt wird, einige Mittheilungen darüber zu machen.
                           
                           Die Fabrik von Gossage und Benson liegt außerhalb der Stadt, etwa 2 engl. Meilen von derselben
                              entfernt, ist erst vor wenigen Jahren erbaut, zwekmäßig und sehr elegant
                              eingerichtet. In einer Abtheilung derselben findet die Scheidung des Bleies von
                              Silber statt. Das Blei von Nordwales enthält in der Tonne (20 engl. Cntr.) 10 bis 30
                              Unzen Silber (das ärmste englische Blei 3, das reichste 120 Unzen); Preis einer
                              Tonne 19 Pfd. Sterl. Auf einem beweglichen Mergelherd wird in einem Reverberirofen
                              ein Armtreiben vorgenommen. Neben dem Treibofen ist ein Herd zum Schmelzen des
                              Bleies erbaut, von welchem aus das leztere kellenweis auf den Treibherd aufgegeben
                              wird. Der zum Treiben nöthige Wind wird – wie überhaupt in England ganz
                              allgemein geschieht – durch einen Centrifugal-Ventilator beschafft;
                              Pressung desselben 3 3/4 Pfd. Das Gebläse versorgt gleichzeitig mehrere Oefen mit
                              Wind. Alle 24 Stunden wird Reichblei ausgehoben, während die Glätte in einem steten
                              Strome durch die Glättgasse abläuft; ist eine genugsame Menge Reichblei gesammelt,
                              so wird ein Reichtreiben angestellt. Man gewinnt auf diesem Wege monatlich gegen 450
                              Unzen Silber. Die abgezogene Bleiglätte wird fein gemahlen und gesiebt; die zu
                              beiden Operationen erforderlichen mechanischen Vorrichtungen werden, so wie
                              überhaupt alle zur Fabrication nöthigen Maschinen, durch eine große Dampfmaschine in
                              Bewegung gesezt.
                           Um einen Theil des während des Abtreibens sich verflüchtigenden Bleioxydes wieder zu
                              gewinnen, stehen die Treiböfen mittelst unterirdischer Canäle mit Nichtfängen in
                              Verbindung, welche im Untertheile des sehr hohen, runden, schlanken Schornsteins
                              angelegt sind. Von Zeit zu Zeit werden die Fänge geräumt, das aus denselben
                              gewonnene schwefelsaure Bleioxyd mit etwas Bleiglanz gemengt in einem kleinen
                              Flammofen geröstet, und dadurch metallisches Blei gewonnen.
                           Die gemahlene und gesiebte Bleiglätte wird nun mit einer Lösung von essigsaurem
                              Bleioxyd zu einem Teig angerührt; die dazu verwendete Menge Bleizuker ist sehr
                              unbeträchtlich, etwa 1 Proc. vom Gewichte der Glätte. Der Teig kommt hierauf in
                              eigenthümlich construirte horizontale hölzerne Behälter, in welchen er mit
                              kohlensaurem Gase in Berührung gebracht wird. In dem großen Mittelraume der Anstalt
                              befindet sich nämlich ein langer, hölzerner, in mehrere niedrige horizontale
                              Abtheilungen getheilter Kasten; jede Abtheilung ist dicht geschlossen, und empfängt
                              kohlensaures Gas, welches durch Verbrennen von Kohks in einem eigens dazu angelegten
                              Ofen mit Ventilator erzeugt wird. Um das Gas abzukühlen, wird es durch in Wasser
                              lagernde Röhren nach dem Kasten geleitet.
                           
                           Um das Bleioxyd auf dem Boden der Behälter auszubreiten und stetig zu wenden, dienen
                              geriffelte Walzen, welche über den Boden in gewissen Abständen hinter einander
                              mittelst Baucanson'scher Ketten ohne Ende vorwärts und
                              rükwärts gezogen werden. Die Bewegung der Ketten geschieht vermittelst Treibwalzen,
                              die von einer stehenden Welle an der Vorderseite des Kastens in Umdrehung gesezt
                              sind. Der Wechsel in der Bewegung geschieht auf die bekannte Weise durch die
                              Maschine.
                           Ist nun binnen einiger Tage die Absorption des kohlensauren Gases durch den Teig
                              vollendet, so wird derselbe mit Wasser in einem eisernen Behälter, vermittelst einer
                              mit Messern besezten verticalen Welle, gemengt und das Gemeng auf Mühlgängen
                              mittelst Steinen vermahlen, sodann mit Wasser vermengt, geschlämmt. Dabei bleiben
                              die essigsauren Kupfer- und Eisensalze in Wasser gelöst, während sich das von
                              diesen befreite Bleiweiß niedersenkt. Das Bleiweiß, wenn es sich gehörig abgesezt
                              hat, wird aus den Sümpfen ausgestochen und in Trokenstuben erst bei 230° F.
                              (88° R.), dann bei etwa 300° F. (119° R.) getroknet. Die
                              Trokenstuben werden mit heißer Luft geheizt, welche theils durch die Kohksöfen,
                              theils durch die Dampfkesselfeuerung, ohne besondere Kosten, erwärmt wird. –
                              Die Fabrik erzeugt wöchentlich 50 Tonnen (1000 Cntr.) Bleiweiß; Preis 25 Pfd. Sterl.
                              die Tonne.
                           Vergleicht man dieses Verfahren mit dem französischen Verfahren, Bleiweiß aus einer
                              Auflösung von basisch essigsaurem Bleioxyd durch kohlensaures Gas niederzuschlagen,
                              so ergibt sich, daß hier das Verfahren fast auf troknem Wege stattfindet, während
                              bei jenem auf nassem Wege operirt wird. Es wird nur eben so viel basisch essigsaures
                              Bleisalz gebildet, als hinlänglich ist, um durch Vermittlung der Feuchtigkeit eine
                              Zersezung durch die Kohlensäure einzuleiten, und durch die dabei ausgetriebene
                              Essigsäure neue Partien Bleioxyd in ein basisch essigsaures Salz zu verwandeln.
                              Hiedurch kommt das Bleioxyd aus dem starren Zustande gar nicht heraus, und kann also
                              auch nicht wohl ein krystallinisches kohlensaures Salz liefern, sondern nur ein
                              amorphes.