| Titel: | Ueber die Reinigung des Steinkohlengases; von Hrn. Mallet, Prof. der Chemie in St. Quentin. | 
| Fundstelle: | Band 82, Jahrgang 1841, Nr. LXXVII., S. 343 | 
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                        LXXVII.
                        Ueber die Reinigung des Steinkohlengases; von
                           Hrn. Mallet, Prof. der
                           Chemie in St. Quentin.
                        Aus dem Moniteur industriel 1841, No. 532 und
                              533.
                        Mallet, über die Reinigung des Steinkohlengases.
                        
                     
                        
                           Auf die vorliegende Verbesserung kam ich durch eine im Jahre 1839 angestellte
                              Untersuchung über die vortheilhafteste Benuzung des ammoniakalischen Wassers,
                              welches sich zugleich mit dem Theer in den Röhren verdichtet, die das Gas in die
                              Reinigungsgefäße leiten.
                           Was die Ammoniakverbindungen betrifft, fand ich das Wasser zusammengesezt aus
                              kohlensaurem, schwefelwasserstoffsaurem, salzsaurem, schwefelsaurem,
                              schwefligsaurem, blausaurem und schwefelblausaurem Ammoniak. Die beiden ersten
                              dieser Salze machen den größten Theil dieser Salze aus, und das blausaure Salz ist
                              hinreichend darin vorhanden, um mich für einen Augenblik auf den Gedanken zu
                              bringen, dieses ammoniakalische Wasser zur Bereitung von Berlinerblau zu
                              benuzen.Was in England bereits geschehen ist (man vergl. polytechn. Journal Bd. LXVII. S. 206), wo man auch die
                                    vom Verf. empfohlenen Reinigungsmittel schon angewendet hat.A. d. R. Das Vorkommen des blausauren Salzes in diesem Wasser ist noch wenig bekannt
                              und das von schwefelblausaurem Salze bisher noch gar nicht ausgesprochen. (Bei der
                              Analyse des Kalks aus den Reinigungsgefäßen fand ich eine sehr merkliche Quantität
                              Blausäure im Zustande von Cyancalcium.)
                           Als ich dieses ammoniakalische Wasser aus so flüchtigen Salzen zusammengesezt fand,
                              dachte ich, daß ihre Condensation nicht vollständig vor sich gehen könne und daß ein
                              guter Antheil derselben bis zu dem Kalkbehälter gelangen muß. Da nun aber der Kalk
                              nur die Säuren aufnehmen kann und das Ammoniak daraus abscheiden muß, so wird
                              Ammoniak im Gas bleiben, was directe Versuche mir auch bestätigten, und zwar ist es
                              in hinreichender Menge darin vorhanden, um stark geröthetes Lakmuspapier zu bläuen,
                              wenn man es über einen angezündeten Gasstrahl hält, gleichviel in welcher Entfernung
                              vom Gasometer der Versuch angestellt wird. Ich fand das Ammoniak im Leuchtgas aus
                              Anstalten von sehr verschiedener Betriebsart immer wieder. So geht in mehreren
                              derselben das Gas, ehe es in den Kalk gelangt, durch Waschgefäße, die gewöhnliches
                              Wasser enthalten, welches also ebenfalls nicht alle vom Gase mit fortgerissenen
                              Ammoniaksalze auflösen kann.
                           Das durch Kalk gereinigte Gas enthält aber nicht nur noch Ammoniak, sondern es ist
                              beinahe unmöglich (vielleicht habe ich unrecht, beinahe
                              zu sagen), daß der Kalk bei gewöhnlicher Temperatur die Ammoniaksalze vollkommen
                              zersezt, so daß das zur Verbrennung gelieferte Gas größtentheils noch
                              hydrothionsaures, blausaures und kohlensaures Ammoniak enthält. Ich habe mich von
                              der Gegenwart dieser Salze in dem Wasser der Cisternen aller Gasometer, welche ich
                              untersuchte, überzeugt.
                           Das freie Ammoniak sowohl als die Ammoniaksalze können offenbar das Gas in seiner
                              Leuchtkraft nur beeinträchtigen und ihm schädliche Eigenschaften mittheilen; wenn
                              solches Gas durch Rizen in den Röhren etc. austritt, muß es einen stinkenden,
                              widerlichen, leider sehr bekannten Geruch verbreiten.Das im Gas enthaltene Ammoniak muß auch die Leitungen und namentlich die
                                    messingenen Theile des Apparats angreifen.
                              
                           Das Reinigungsverfahren mit Kalk allein ist offenbar fehlerhaft und nur die genauere
                              Kenntniß der Producte der Steinkohlendestillation kann zu einem bessern Erfolge
                              führen. Da man eine so große Menge Ammoniak in dem gereinigten Gase findet, so kann
                              es keinen freien Schwefelwasserstoff, sondern nur neutrales Salz enthalten.
                           Wie soll nun aber das Gas von seinem Ammoniakgehalt befreit werden? Soll nach den
                              Kalkbehältern ein Waschgefäß mit reiner oder verdünnter Säure angebracht werden,
                              durch welches das Gas streichen muß? Dieses Mittel ist nicht anzuwenden, und zwar
                              aus folgenden Gründen.
                           Ich will nicht von den Kosten und Uebelständen reden, welche die Anwendung bleierner
                              Gefäße mit sich brächte, aber darauf aufmerksam machen, daß das Zusammentreten der
                              Säure und des Ammoniaks eine ungeheure Wärme-Entwikelung hervorbrächte, und
                              die Temperatur des Gases hiedurch auf eine schädliche Weise erhöht würde. Ferner
                              müßte die Reaction der heiß gewordenen Schwefel oder Salzsäure auf die gasförmigen
                              oder flüchtigen Kohlenwasserstoffverbindungen, welche im Leuchtgas enthalten sind,
                              die Leuchtkraft des Gases vermindern und vielleicht sogar eigenthümliche Producte
                              erzeugen.Der directe Versuch ergab, daß das Waschen mit Wasser die Leuchtkraft des
                                    Gases vermindert. Auch würde das so gewaschene Gas eine gewisse Menge Säure mit sich reißen,
                              namentlich wenn man Salzsäure anwendet, die beim Verbrennen sehr schädlich wäre und
                              die Leitungen angreifen müßte. Man könnte zwar nach dem Waschen mit der Säure noch
                              mit Wasser waschen; das wäre aber dann ein Waschen ohne Ende. Kurz, die Säure würde
                              der unvollständigen Einwirkung des Kalks auf die Ammoniaksalze nicht abhelfen; die
                              Basis der vom Kalk nicht zersezten Salze würde absorbirt, die Säure aber unberührt
                              mit übergehen. Oder soll das Gas vor seinem Eintritt in
                              den Kalk mit Säure gewaschen werden? Dieses zweite Mittel würde mehrere der beim
                              ersten angeführten Uebelstände mit sich führen; außerdem wäre eine unmittelbare
                              Folge davon, daß eine sehr bedeutende Menge Schwefelsäure oder Salzsäure in den Kalk
                              gelangte, wodurch dieser nuzlos neutralisirt würde.
                           Es kann demnach nicht ernstlich daran gedacht werden, Säure anzuwenden, um das Gas
                              von Ammoniak zu befreien. Ist es überdieß nicht vorzuziehen, zu gleicher Zeit die
                              Basis und die Säuren der fast neutralen Ammoniaksalze zu entfernen? Um diesen Zwek
                              zu erreichen, ließ ich mich gänzlich von der Theorie leiten.
                           Mehrere der oben angeführten Salze, das kohlensaure, das schwefelwasserstoffsaure und
                              das blausaure Ammoniak, gerade die flüchtigsten und die den größten Theil
                              ausmachenden, bringen, wenn man sie mit Lösungen von Metallen zusammenbringt, eine
                              Doppelzersezung hervor; es fallen kohlensaure Salze, Sulphuride, Cyanide und
                              schwefligsaure Metallsalze nieder, und in der Auflösung bleibt ein Ammoniaksalz
                              zurük, dessen Säure jene der angewandten Metallauflösung ist. Das wenig flüchtige
                              schwefelsaure und das schwefelblausaure Salz, welches leztere nur in kleiner
                              Quantität vorhanden ist, werden leicht aufgelöst; lezteres wird je nach dem
                              angewandten Metallsalze auch zersezt.
                           Das schwefelsaure und salzsaure Mangan, welches die Chlorkalk-Fabrikanten ins
                              Wasser oder in Abzugsgruben schütten müssen und die Eisenvitriol-Rohlauge
                              sind Körper, welche wohlfeil in großer Menge zu haben und zu diesem Zwek sehr
                              brauchbar sind. Nur muß man, wenn man das bei der Chlorbereitung als Rükstand
                              erhaltene schwefelsaure und salzsaure Mangan anwendet, ihren oft bedeutenden
                              Säureüberschuß neutralisiren. Der Säureüberschuß in der angewandten Metallauflösung
                              würde zur Folge haben, daß sich die Säure des Ammoniaksalzes verflüchtigt, wodurch
                              die Doppelzersezung, wenigstens eine Zeit lang, verhindert und außerdem noch die
                              oben erwähnten Uebelstände veranlaßt würden.
                           Es ist mir wohl bekannt, daß man seit einiger Zeit zur Reinigung des Gases die
                              Anwendung des salzsauren Kalks empfiehlt; allein das schwefelwasserstoffsaure und blausaure Ammoniak
                              fällen die Kalksalze nicht, daher durch dieses Mittel nur das kohlensaure und
                              schwefligsaure Ammoniak entfernt würden.
                           Es handelte sich nun nur mehr um die anzuwendende Vorrichtung.
                           Als man das Gas durch Kalkmilch reinigte, tauchte das einleitende Rohr ungefähr 15
                              Centimeter (5 1/2 Zoll) tief in die Flüssigkeit, welcher Druk sich in mehreren,
                              gewöhnlich in drei, Gefäßen wiederholte. Jedermann weiß, daß dieser Druk schädlich
                              auf die Retorten wirkt und Gasverlust herbeiführt; was ich aber zu bemerken für
                              nöthig erachte, ist, daß dieser ungeheure Druk unnüz ist, indem das Gas bei einem
                              drei- bis viermal geringeren Druk eben so gut gewaschen wird. Wenn das Gas
                              einen starken Druk erleidet und eine flüssige Schicht von einer gewissen Höhe
                              herabdrüken soll, muß es sich zu compacten, dichten Blasen bilden, deren Umfang oder
                              äußere Oberfläche allein in Berührung mit der Flüssigkeit kommt, während das Innere
                              nicht an dieselbe gelangt; die Ausdehnung dieser Blasen findet erst statt, wenn sie
                              durch die lezten Schichten der Flüssigkeit streichen. Mit einem schwachen Druk geht
                              also das Waschen eben so gut vor sich, was ich übrigens auch direct beobachtet habe.
                              Nur ist es gut, um ein vollständigeres Waschen zu bezweken und die
                              Berührungsoberflächen zu vermehren, die Gasblasen mittelst nicht gar zu enger
                              Metallgewebe zu zertheilen.
                           Mit einem Totaldruk von 10 bis 15 Centimetern, und indem man das Gas durch drei
                              Waschgefäße streichen läßt, welche die eben erwähnten Metallauflösungen enthalten,
                              kann die vollständige Absorption der ammoniakalischen Producte sehr wohl erreicht
                              werden. Die Waschgefäße müssen staffelförmig abwärts gestellt werden und die
                              Flüssigkeit von einem zum anderen übergehen, bis sie vollkommen zersezt ist, so daß
                              diejenige Flüssigkeit, deren Absorptionsvermögen am stärksten ist, sich im dritten
                              Waschgefäße befindet, wohin das Gas zulezt gelangt. Der sich bildende Bodensaz ist
                              so zart daß er die Ablaßhähne durchaus nicht verstopfen kann. Dieses Uebertreten des
                              Gases sezt die Flüssigkeit in beständige Bewegung, wodurch alle Schichten
                              hinreichend mit einander vermischt werden. Die Ammoniaksalze bleiben aufgelöst,
                              können sehr gut verwendet werden, und der Werth derselben dekt die Kosten des
                              Reinigungsmittels.
                           Das so eben beschriebene Verfahren ist in der Gasanstalt der HHrn. Gebrüder Semet in St. Quentin, welche seit
                              einem Monat im Gange ist, eingeführt. Mehrere Hunderttausend Hektoliter Gas wurden
                              bereits auf diese Weise behandelt, ohne nach dem Waschen eine Spur Ammoniak zu
                              enthalten. Man fand, wie dieß auch offenbar seyn mußte, daß die Absorption der nun völlig freien,
                              überschüssigen Schwefelwasserstoffsäure durch den Kalk leichter vor sich geht und
                              noch Kalk erspart wird. Die Gasflamme ist schöner und weißer, verbreitet nicht den
                              geringsten Geruch und die Metalle laufen, nach der Bestätigung zunächst dabei
                              interessirter Abonnenten, weder durch das verbrennende, noch durch das
                              nichtverbrennende Gas an. Endlich dringt aus den Fugen nicht der ungesunde und
                              widerliche Geruch, welchen man in allen mit Steinkohlengas beleuchteten Städten
                              kennt. Nur ein empyreumatischer Geruch hängt dem Gase noch an, welcher von
                              flüchtigen (öhlartigen) Kohlenwasserstoff-Verbindungen herrührt, von denen
                              man das Gas nicht befreien könnte, ohne ihm einen Theil seiner Leuchtkraft zu
                              benehmen, welcher Geruch übrigens auch unentbehrlich ist, um durch denselben zu
                              finden, wo Gas austritt.