| Titel: | Die Schnellessigfabrication, in Bezug auf den dabei sich ergebenden Verlust und dessen Quellen; beurtheilt von Dr. Fr. Knapp, außerordentlicher Professor der Technologie in Gießen. | 
| Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. XXXVII., S. 139 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXXVII.
                        Die Schnellessigfabrication, in Bezug auf den
                           								dabei sich ergebenden Verlust und dessen Quellen; beurtheilt von Dr. Fr. Knapp, außerordentlicher
                           								Professor der Technologie in Gießen.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie. Mai
                              								1842.
                        Knapp, uͤber die Schnellessigfabrication in Bezug auf den
                           								dabei sich ergebenden Verlust.
                        
                     
                        
                           Die Schützenbach'sche Methode, Branntwein in Essig zu
                              									verwandeln, die sogenannte Schnellessigfabrication, nimmt
                              									unter den rationell betriebenen Industriezweigen durch die Eleganz des Verfahrens
                              									einen hohen Rang ein. In wenigen Fällen ist es gelungen, den irgend einem Betriebe
                              									zu Grunde liegenden Chemismus in so vollkommener Klarheit und Bestimmtheit zu
                              									entwikeln und zugleich die technische Einrichtung auf eine so einsichtsvolle Weise
                              									mit den von der Wissenschaft überlieferten Principien in Einklang zu bringen.
                              									Obgleich die Wirkung des atmosphärischen Sauerstoffs auf Alkohol, in ihrem
                              									Endresultate wenigstens, der Bildung der Essigsäure, schon länger bekannt war, so
                              									datirt sich doch die gründliche Einsicht in die durch Oxydation hervorgebrachten
                              									Metamorphosen des Alkohols, wie sie uns nunmehr zu Gebote steht, erst von der
                              									Entdekung und dem Studium des Verhaltens des Aldehyds durch Liebig her, so wie von dessen AnleitungPolytechn. Journal Bd. LXV. S.
                                       											50. die aufgefundenen Wahrheiten in der Praxis vortheilhaft zu benuzen, welche
                              									seitdem alle rationellen Fabrikanten als Richtschnur befolgen. So abgeschlossen auch
                              									unsere Kenntniß des chemischen Vorgangs erscheint, so verdienen doch einige Punkte
                              									des praktischen Verfahrens selbst, also der eigentlichen Fabrication, wegen ihres
                              									Einflusses auf den Erfolg und der geringen Berüksichtigung, welche sie bis jezt
                              									erfahren haben, eine nähere Beleuchtung.
                           Da man praktisch nicht im Stande ist, genau die zur Verwandlung des Alkohols in Essig
                              									erforderliche Luftmenge (960 Kubikfuß hessisch = 15 Centimeter auf die Ohm Essig von
                              									5 Proc. Säure) den Essigbildnern zukommen zu lassen, da im Gegentheil bei den
                              									gewöhnlichen Einrichtungen gerade so, wie es in jedem Zimmerofen der Fall ist, ein
                              									großer Ueberschuß an Luft hindurchpassirt, so muß es dem Fabrikanten von Interesse
                              									seyn, die Größe dieses Ueberschusses zu kennen. Es ist derselbe nämlich in Bezug auf
                              									die Säurung nicht allein
                              									unthätig, sondern auch durch Wärmeentziehung und Entführung von Weingeistdampf sogar
                              									noch positiv schädlich.
                           Die Ausmittelung dieses schädlichen Einflusses ist der Gegenstand der folgenden
                              									Untersuchung.
                           Sämmtliche angestellte Versuche wurden in einer Schnellessigfabrik von sechs Bildnern
                              									nach der gewöhnlichen Einrichtung angestellt. Der Durchmesser der Zuglöcher
                              									derselben beträgt 1,3 Zoll. Um Verlust zu vermeiden, wird daselbst das Essiggut
                              									nicht in Eimern auf die Fässer getragen, sondern aus einem geschlossenen Bottich,
                              									worin es sich nach dem Ablaufen sammelt, in ebenfalls geschlossenen Röhren
                              									wiederholt aufgepumpt. – Da man, was die hiesige Localität betrifft, keinen
                              									starken Essig zu consumiren gewohnt ist, so verfertigt man denselben für den
                              									gewöhnlichen Gebrauch nur zu 3 bis 4 Proc. Säuregehalt. Die gebräuchliche Mischung
                              									von
                           
                              
                                 
                                 180
                                 Maaß
                                 (à 2 Liter)
                                    											Wasser,
                                 
                              
                                 
                                   20
                                   –
                                 Branntwein à 44 bis
                                    											45 Proc. Tralles,
                                 
                              
                                 
                                     6,5
                                   –
                                 Essig à 3,5 Proc.
                                    											Säure,
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                 zusammen
                                 206,5
                                 Maaß
                                 = 2 Ohm 46 Maaß,
                                 
                              
                           liefert nach dem jährlichen Durchschnitt nahe eine gleiche
                              									Quantität Essig obiger Stärke, nämlich 203 bis 204 Maaß.
                           In Folge der empyrischen Erfahrung der Fabrikanten ist es vortheilhafter, den Essig,
                              									anstatt auf den Schnellessigfässern allein, vielmehr mit Beihülfe des älteren
                              									Verfahrens in der Art darzustellen, daß das Gut seine Hauptsäuerung in jenen
                              									Bildnern erhält und dann der Rest des Alkohols durch Lagerung in Essigsäure
                              									verwandelt wird. Es widerstehen nämlich die lezten Antheile Alkohol der Einwirkung
                              									der Luft beträchtlich länger als die ersteren. Die Combination beider
                              									Verfahrungsweisen ist in dem in Rede stehenden Etablissement eingeführt. –
                              									Die Ventilation des Zimmers findet durch zwei mit Schiebern versehene Oeffnungen
                              									statt, wovon sich die eine am Boden zum Eintritt der frischen, die andere über den
                              									Fässern nahe an der Deke zum Austritt der verbrauchten Luft befindet. Die Temperatur
                              									der Zimmerluft ist 26,2° C.; nur in den heißen Sommermonaten wird die Heizung
                              									eingestellt. – Die angeführten Verhältnisse wurden bei den angestellten
                              									Beobachtungen, wie sich von selbst Versteht, gehörig berüksichtigt.
                           Als Ausgangspunkt für die Lösung der Hauptfrage ist zuvörderst die Ermittelung der
                              									absoluten Luftmenge von Wichtigkeit, welche das Faß durchstreichen muß, um ein
                              									bestimmtes Gewicht der bekannten Mischung in Essig von einer gegebenen Stärke zu
                              									verwandeln. Bei dem bekannten Durchmesser der Zugöffnungen ist nur die Kenntniß der
                              									Geschwindigkeit der einstreichenden Luft nöthig, um die in einer Minute, Stunde etc.
                              									durchpassirende Luftmenge zu berechnen. Aber gerade die Messung der Geschwindigkeit
                              									auf gewöhnlichem mechanischem Wege bietet unübersteigliche Hindernisse. Wie man
                              									nämlich an und für sich weiß, ist diese Geschwindigkeit sehr gering; jeder
                              									angebrachte Meßapparat, Manometer etc. muß aber begreiflicher Weise je nach seiner
                              									Natur entweder eine Verzögerung oder Beschleunigung des Luftstroms bewirken, welche
                              									von jener geringen Geschwindigkeit ein viel zu großer Bruchtheil ist, um nicht die
                              									Genauigkeit des Resultats zu beeinträchtigen, oder vielmehr dessen Brauchbarkeit
                              									gänzlich zu verwischen. Die Ueberzeugung der Unstatthaftigkeit dieses einfacheren
                              									Weges führte auf einen umständlicheren, aber vollkommen genauen, welcher sich auf
                              									den chemischen Vorgang der Essigbildung stüzt.
                           Wenn man nämlich in Erwägung zieht, daß 100 Pfd. gebildetes Essigsäurehydrat die
                              									Consumtion von 53 Pfd. Sauerstoff, oder 227 Pfd. Luft = 5591,6 Kubikfuß64 Kubikfuß hessisch = 1 Kubikmeter. hessisch bei 0° und 760 Millimeter Barometerstand voraussezen; wenn
                              									man ferner erwägt, daß der Sauerstoffgehalt der ausströmenden Luft nur von der
                              									überschüssig durchgeströmten Luft herrührend und also geringer seyn muß, als der der
                              									Atmosphäre, so ist es einleuchtend, daß die Summe der überhaupt durch die Bildner
                              									gestrichenen Luft gefunden werden könne durch Vergleichung der in Wirklichkeit
                              									gebildeten Menge Essigsäure mit dem Verhältniß des Sauer- und Stikstoffs der
                              									ausströmenden Luft. Es ist mit anderen Worten die Quantität der ausströmenden Luft
                              									gleich dem Stikstoff des wirklich thätig gewesenen Theils und dem ganzen,
                              									unverändert durchpassirten Antheil zusammen genommen. Jener, der Stikstoff, ergibt
                              									sich aber aus der Menge des zu Essigsäure gewordenen Alkohols. Bezeichnet 1/n das Sauerstoffverhältniß der ausströmenden Luft, a den Stikstoff des zur Essigbildung verwendeten Theils
                              									und x die überschüssige Luft, so ist (Sauerstoffgehalt
                              									der Atmosphäre 21,00 Proc. des Vol.):
                           0,21 nx = a + x, also x = a/(0,21 n – 1)
                           und die ganze Menge der ausströmenden Luft = (0,21 an)/(0,21 n –
                              									1.)
                           Der Bestimmung dieser Quantität muß also die Ermittelung der wirklich gebildeten
                              									Menge Essigsäurehydrat, so wie die Untersuchung der ausströmenden Luft
                              									vorangehen.
                           Untersuchung der Stärke des Essigs. Die gewöhnliche
                              									Methode, nach welcher der Essig mit Ammoniak neutralisirt wird, so lange, bis die anfangs zugesezte
                              									Lakmustinctur wieder blau wird, gewährt für den vorliegenden Zwek nicht hinlängliche
                              									Genauigkeit. Man bestimmte deßhalb den Säuregehalt des Essigguts, welches eben die
                              									Gradirfässer verlassen hatte, nachdem es darin 48 Stunden in Arbeit war, durch
                              									reinen Kalkspath. Einem genau bestimmten Gewicht Essig wurde feingepulverter
                              									Kalkspath zugesezt, das Ganze lauwarm gehalten und der Rükstand nach geschehener
                              									Sättigung gewogen. Zur Controle diente die directe Bestimmung des aufgelösten Kalks
                              									durch Fällung mit kleesaurem Ammoniak.
                           1) 21,576 Essig hinterließen von 4,759 Kalkspath 4,290, entsprechend 2,597 Proc.
                              									Essigsäurehydrat.
                           2) 54,130 Essig hinterließen von 12,478 Kalkspath 11,396, entsprechend 2,388 Proc.
                              									Essigsäurehydrat.
                           3) 54,130 Essig neutralisirt und mit kleesaurem Ammoniak gefällt, gaben 1,038
                              									kohlensauren Kalk, entsprechend 2,339 Proc. Essigsäurehydrat.
                           4) 42,05 Essig hinterließen von 3,629 Kalkspath 2,632, entsprechend 2,830 Proc.
                              									Essigsäurehydrat.
                           5) 42,05 Essig neutralisirt und mit kleesaurem Ammoniak gefällt gaben 0,965
                              									kohlensauren Kalk, entsprechend 2,742 Proc. Essigsäurehydrat.
                           6) 42,042 Essig hinterließen von 3,021 Kalkspath 2,053, entsprechend 2,751 Proc.
                              									Essigsäurehydrat.
                           7) 34,063 Essig erforderten von einer Lösung zu 3,48 Proc. kohlensaures Kali 29,23,
                              									entsprechend 2,610 Proc. Essigsäurehydrat.
                           Im Mittel 2,608 Proc. Essigsäurehydrat.
                           Das Essiggut, in dem Zustand, in welchem es die Gradirfässer verläßt, ist noch nicht
                              									vollständig gesäuert, enthält mithin noch unveränderten Alkohol, welcher in Rechnung
                              									gebracht werden muß. Man erhält denselben in einen geringen Umfang eingeengt als
                              									starken Weingeist, wenn man den vorher abgestumpften Essig mit der Vorsicht
                              									destillirt, daß das Kühlrohr sehr kalt gehalten und gegen die Retorte zu stark
                              									geneigt wird. Nur die flüchtigsten (alkoholreichsten) Dämpfe gelangen dann in die
                              									Vorlage.
                           1) 381,5 Gr. (spec. Gew. des Essigs = 1,0038) vorsichtig mit schwacher Aezkalilauge
                              									genau neutralisirt, gaben 18,427 Gr. Destillat mit dem spec. Gew. = 0,9774 bei
                              									21° C.; ferner 18,84 Gr. Destillat mit dem spec. Gew. = 0,9980 bei 21°
                              									C.
                           Das erste Destillat enthält also 3,62 Proc. absoluten Alkohol, das zweite 0,5 Proc.,
                              									also der Essig 1,0 Proc. absoluten Alkohol.
                           2) 602 Gr., 4 Essiggut lieferten 55 Gr., 3 Destillat zu 0,9870 spec. Gew., entsprechend 5,53 Proc.
                              									des Destillats, also 0,92 Proc. des Essigs.
                           In 100 Theilen von den Bildnern abgenommenen, den Lagerfässern zu übergehenden
                              									Essigs, sind also nach diesen Bestimmungen enthalten:
                           
                              
                                   96,4
                                 Wasser,
                                 
                              
                                     2,6
                                 Essigsäurehydrat,
                                 
                              
                                     1,0
                                 Alkohol,
                                 
                              
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 100,0.
                                 
                                 
                              
                           Untersuchung der aus den Gradirfässern ausströmenden
                                 									Luft. Daß eine nur unvollkommene Sauerstoffentziehung derselben auf ihrem
                              									zurükgelegten Wege stattgefunden hat, beweist schon der oberflächliche Versuch eines
                              									eingehaltenen brennenden Spans, welcher darin keineswegs erlischt. Zur genauen
                              									Bestimmung des rükständigen Sauerstoffs diente Gay-Lussac's Methode, welcher denselben aus dem Gasgemenge mittelst
                              									zuvor mit verdünnter Schwefelsäure benezten Kupfers absorbiren läßt. Besonders
                              									zwekmäßig ist zur Dike des Postpapiers ausgewalztes Kupferblech, welches man
                              									blankgescheuert zusammenrollt und in die graduirte Versuchsröhre einführt. Zwei bis
                              									drei Stunden reichen zur vollkommenen Absorption hin; man beobachtete indessen
                              									jedesmal erst am folgenden Tage, also nach 8–12 Stunden. – Wie von
                              									selbst einleuchtet, ist es wesentlich, daß bei dem Probenehmen die äußere Luft
                              									vollständig ausgeschlossen bleibt; zu dem Ende richtete man die dazu bestimmte
                              									Flasche in folgender Weise vor. Durch den die Mündung verschließenden Kork gehen
                              									zwei (etwa 0,5 Linien weite) Glasröhren; die eine bis auf den Boden, die andere nur
                              									wenig in den Hals der Flasche. Erstere ist nach Außen kürzer, leztere um etwa 2 Zoll
                              									länger. Wird der Apparat mit einer Flüssigkeit gefüllt und umgekehrt, so fließt
                              									dieselbe durch das zweite Rohr, gleichsam als dem längeren Heberschenkel, aus, die
                              									Luft strömt dagegen durch das erstere, als dem kürzeren, ein. Man hat also nur
                              									nöthig, die zweite (länger hervorragende) Röhre (mit etwas Wachs etc.) zu
                              									verschließen, beide bis an die Mündung der Flasche in eines der oberen Zuglöcher
                              									einzuführen, so wird im Augenblik, wo man den (Wachs-) Pfropf abstößt, die
                              									Flasche anfangen sich mit Flüssigkeit zu entleeren und mit der zu untersuchenden
                              									Luft anfüllen. Da während des Umkehrens nur eine Röhre offen ist, so kann wegen des
                              									engen Durchmessers weder Wasser ausfließen, noch Luft eindringen, man ist also mit
                              									dieser Vorrichtung sicher, reine Proben zu erhalten.
                           Außerdem ließe sich voraussezen, daß die Intensität, mit welcher die Verwandlung
                              									einer bestimmten Menge Branntwein in Essig geschieht, während der Dauer der Verwandlung wechsele, daß
                              									mithin ein einzelner Versuch leinen Anhaltspunkt gewähre. In dem Folgenden hat man
                              									darum die Säurung einer Mischung (von 2 Ohm 46 Maaß) mit der Luftanalyse
                              									schrittweise Verfolgt, in der Art, daß die Proben nacheinander in Verschiedenen
                              									Perioden der Bildung dem Faß entnommen wurden.
                           Probe 1) Aus dem Fasse I. entnommen, als die frisch
                              									aufgegossene Mischung anfing abzulaufen, also gerade im Beginn des Processes.
                              									Temperatur im Faß 25° C., durch die kältere Mischung herabgestimmt.
                           2) Deßgleichen aus dem Fasse VI., worin 31°,0 C.
                           3) Aus dem Faß I. 1/2 Stunde nach 1) Temperatur im Bildner 28° C.
                           4) Nach dem 2ten Aufpumpen der Mischung aus dem Faß I. bei 28° C. nach 4
                              									Stunden.
                           5) Deßgleichen aus Faß I. etwas später als 4) Temperatur im Bildner 29° C.
                           6) Deßgleichen aus Faß VI. bei 27° C. (gleichzeitig mit 5).
                           7) Nach dem 8ten Aufpumpen, nachdem das Gut abgelaufen war, nach 26 Stunden.
                              									Temperatur im Bildner 34° C.
                           8) Nach dem 9ten Aufpumpen, während die Fässer in Thätigkeit waren, aus Faß I. bei
                              									30° C. nach 30 Stunden.
                           9) Deßgleichen aus dem Faß VI. bei 32° C.
                           10) Nach dem 12ten Aufpumpen, nach 38 Stunden aus Faß I. bei 26° C.
                           11) Deßgleichen aus Faß VI. bei 26° C.
                           In nachstehender Tabelle sind die analytischen Resultate der beschriebenen Proben
                              									nach vorgenommener Correction der Temperatur und Feuchtigkeit zusammengestellt: 
                              								
                           
                              
                                 No. der
                                    											 Probe.
                                   
                                    											Untersuchte       Luft
                                    											inKubikcentimeter.
                                     Absorbirter   Sauerstoff
                                    											inKubikcentimeter.
                                 Zuruͤkgebliebener    Stikstoff
                                    											inKubikcentimeter.
                                 Sauerstoff in 100der
                                    											untersuchten      
                                    											Luft.
                                 
                              
                                 No. 1.
                                       31,44
                                       6,42
                                       25,02
                                       20,61
                                 
                              
                                   –  
                                    											2.
                                       30,04
                                       6,07
                                       24,97
                                       20,21
                                 
                              
                                   –  
                                    											3.
                                       22,54
                                       4,45
                                       18,09
                                       19,74
                                 
                              
                                   –  
                                    											4.
                                       32,05
                                       5,51
                                       26,54
                                       17,19
                                 
                              
                                   –  
                                    											5.
                                       33,59
                                       5,63
                                       27,96
                                       16,78
                                 
                              
                                   –  
                                    											6.
                                       32,15
                                       6,29
                                       25,86
                                       19,56
                                 
                              
                                   –  
                                    											7.
                                       32,51
                                       5,73
                                       26,78
                                       17,62
                                 
                              
                                   –  
                                    											–
                                       32,80
                                       6,11
                                       26,69
                                       18,63
                                 
                              
                                   –  
                                    											8.
                                       33,52
                                       6,34
                                       27,18
                                       18,94
                                 
                              
                                   –  
                                    											9.
                                       32,90
                                       6,31
                                       26,59
                                       19,18
                                 
                              
                                   – 10.
                                       33,20
                                       6,40
                                       26,80
                                       19,26
                                 
                              
                                   –  
                                    											–
                                       33,50
                                       6,59
                                       26,96
                                       19,67
                                 
                              
                                   – 11.
                                       33,90
                                       6,60
                                       27,30
                                       19,47
                                 
                              
                                   –  
                                    											–
                                       31,54
                                       6,08
                                       25,46
                                       19,28
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                               
                                    											Controll-
                                 Versuch
                                       19,10
                                    											Mittel.
                                 
                              
                                   – 12.
                                       27,01
                                       5,79
                                       21,22
                                       21,43
                                 
                              
                           Die vorliegenden Zahlenresultate erscheinen in mehrfacher Beziehung auffallend; sie
                              									zeigen zuvörderst, daß bei dem gewöhnlichen Gang und Einrichtung der Essigbilder nur
                              									1/10 des in der Luft durchströmenden Sauerstoffs absorbirt wird, 9/10 aber
                              									unverändert ausströmen; sie zeigen ferner, daß die Sauerstoffaufnahme, also die
                              									Essigbildung mit beinahe gleichbleibender Intensität fortschreitet, obgleich die
                              									Temperatur der Bildner sehr wechselt. Leztere, die Faßtemperatur, kann also nicht
                              									wohl als Maaßstab für den guten Gang des Processes gelten: so wenig es nämlich
                              									bestritten werden kann, daß durch die Sauerstoffaufnahme des Alkohols Wärme in den
                              									Fässern frei und als Temperatur fühlbar wird, so wirken doch äußere Umstände, wie
                              									Temperatur des Locals, der aufgegossenen Mischung etc. bald abkühlend, bald im
                              									entgegengesezten Sinne darauf ein.
                           Wie die Versuche ergeben, ist nun der Sauerstoffgehalt in 100 Volumtheilen
                              									ausströmender Luft im Durchschnitt 19,1. Das Verhältniß beider ist mithin 100 : 19,1
                              									= 19,1/100 = 1/5,2356 = 1/n in dem oben gegebenen
                              									allgemeinen Ausdruk. Da das jedesmalige Mischungsquantum weiterhin 2 Ohm 46 Maaß
                              									Essig zu 2,6 Proc., also 824 Pfd. Essig liefert, worin 21,4 Pfd. Essigsäurehydrat
                              									enthalten sind, so ergibt die Rechnung, daß zur Bildung desselben (der 21,4 Pfd.)
                              									1311 Kubikfuß (bei der Temperatur des Locals = 26° C.) erforderlich waren;
                              									275 Kubikfuß wurden davon als Sauerstoff dem Essiggut einverleibt, 1036 Kubikfuß
                              									Stikstoff (bei 26°) entweichen dagegen durch die oberen Oeffnungen mit der Temperatur des
                              									Fasses. Beide Daten zusammengefaßt, nämlich n = 5,2356,
                              										a = 1036, ergibt sich für die Masse der unthätig
                              									durchgestrichenen Luft:
                           x = 1036/(0,21 × 5,2356 – 1) = 10415
                              									Kubikfuß bei 26°Auf 1 Pfd. Alkohol 647 Kubikfuß, auf 1 Pfd. Essigsäurehydrat 487 Kubikfuß
                                    											Luft..
                           Rechnet man dazu 1036 Kubikfuß Stikstoff, so ist die Masse der während der Säurung
                              									ausgeströmten Luft 11451 K. F., der überhaupt in das Faß gestrichenen Luft 11726 K.
                              									F., eine sehr beträchtliche Quantität. – Bei dem bekannten Durchmesser der
                              									Zugöffnungen, deren in der Regel 4 offen sind, entspricht dieß einer Geschwindigkeit
                              									von 1,3 Zoll in der Secunde bei 48 Stunden Arbeitszeit. – Da man auf 1 Pfd.
                              									Essigsäurehydrat 55,9 K. F. Luft der Theorie nach nöthig hätte, in der Wirklichkeit
                              									aber 548 K. F., also gerade das Zehnfache angewendet hat, so ist es einleuchtend,
                              									daß dieser Ueberschuß einen sehr schädlichen und fühlbaren Einfluß auf die
                              									Production äußern muß, sowohl durch Wärmeentziehung, als auch durch Verdampfung von
                              									Weingeistdämpfen. Die Größe dieses Einflusses läßt sich aber aus den gegebenen Daten
                              									mit Genauigkeit finden.
                           Die jedesmal in Arbeit genommene Mischung von 180 Maaß Wasser, 20 Maaß Branntwein
                              									(spec. Gew. = 0,9430, entsprechend 35,5 Proc. dem Gewicht nach) und 6,5 Maaß Essig
                              									(gelagerten à 3,5 Proc.) beträgt nach Pfunden
                              									ausgedrükt, wenn man den als Ferment zugesezten Essig unberüksichtigt läßt:
                           
                              
                                 Wasser,Alkohol
                                 768,5
                                    											Pfd.  27    
                                    											––––––––––795,5  –
                                 
                                    
                                    
                                 oder
                                 
                                    
                                    
                                 WasserBranntwein à 45 T.
                                 720  
                                    											Pfd  75,5  –––––––––795,5
                                    											Pfd.
                                 
                              
                           Auf der anderen Seite beträgt die in der Praxis daraus erzeugte Quantität Essig (zu
                              									2,6 Proc. Essigsäurehydrat und 1 Proc. Alkohol) 206 Maaß, welche nach Abzug jener
                              									6,5 Maaß als Ferment zugesezten fertigen Essigs entsprechen:
                           
                              
                                 WasserEssigsäurehydratAlkohol
                                 769
                                    											Pfd.  21  –    8  ––––––––798
                                    											Pfd.
                                 
                                    
                                    
                                 oder
                                 
                                    
                                    
                                 WasserEssigsäurehydratBranntwein à 55
                                    											T.
                                 754,5  21,0  22,5–––––798,0
                                 
                              
                           Das Gesammtresultat des Gradirprocesses in den Bildnern beschränkt sich also auf die
                              									Bildung von 21 Pfd. Essigsäurehydrat oder die Oxydation einer entsprechenden Menge
                              									Branntwein, nämlich 45,3 Pfd. à 54 Trall. (= 16,1
                              									Pfd. Alkohol). – Es waren nun der Einwirkung der Luft überhaupt 75,5 Pfd.
                              									Branntwein geboten, davon findet man 22,5 Pfd. unverändert im Essig, mithin sind 75,5 – 22,5 =
                              									53 Pfd. in den Fässern verschwunden. Diese lezteren sollten sich eigentlich
                              									vollständig als Essigsäure wieder vorfinden, was nicht der Fall ist; nur 45 Pfd.
                              									davon sind als Essigsäure (21 Pfd.) erhalten worden und der Rest, oder 53 –
                              									45 Pfd. = 8 Pfd. sind der bei der Fabrication sich ergebende Verlust. Derselbe
                              									beträgt demnach etwas mehr als 10 Proc. nach dem Gewichte oder 8,5 Maaß von der Ohm
                              									(= 80 Maaß) des angewandten Branntweins.
                           Begreiflicher Weise bewirkt die Unvollkommenheit des Verfahrens nicht allein eine
                              									Verminderung der Stärke, sondern auch der absoluten Menge des Products, welche der
                              									Theorie nach größer werden müßte. Wenn man den als Ferment zugesezten fertigen Essig
                              									nicht berüksichtigt, so besteht die verarbeitete Mischung aus:
                           
                              
                                 720  Pfd.
                                 Wasser,
                                 
                              
                                   75,5 –
                                 Branntwein,
                                 
                              
                                 –––––––
                                 
                                 
                              
                                 795,5
                                 Mischung.
                                 
                              
                           Da nun 8 Pfd. Branntwein verloren gehen, so ist dasjenige Quantum Gemisch, welches
                              									für die Essigbildung übrig bleibt.
                           
                              
                                 720  Pfd.
                                 Wasser,
                                 
                              
                                   67,5 –
                                 Branntwein,
                                 
                              
                                 –––––––
                                 
                                 
                              
                                 787,5.
                                 
                                 
                              
                           Nach Oben haben nur 45 Pfd. der Säurung unterlegen, indem sie 11 Pfd. Sauerstoff
                              									aufnahmen, das Uebrige hat sich nicht verändert. Nach der Berechnung sollten daher
                              									aus 787,5 Gemisch entstehen 787,7 + 11 = 798,5 Pfd. Essig, nach Abzug des Verlustes
                              									an Branntwein. Die aus der Praxis sich ergebende Ausbeute ist 203 bis 204 Maaß oder
                              									nach Abzug der zugesezten 6 Maaß 197 bis 198 Maaß = 788 bis 792 Pfd., also um 7 bis
                              									10 Pfd. geringer, als die berechnete. Das Verlorne ist nur Wasser, welches von den
                              									11,451 Kubikfuß Luft dampfförmig weggeführt wurde.
                           Bei der Temperatur, mit welcher dieselben aus dem Faß austreten (31° C.),
                              									nahmen sie den Raum von 11657 K. F. ein. Nach Biot
                              									verhält sich aber der Wasserdampf zu der bei 31° zu seiner Verdunstung
                              									erforderlichen Luft dem Raume nach, wie 1 : 23,46, d.h. 11657 K. F. Luft haben bei
                              									31° C. sich mit 497 K. F. Dampf beladen, vorausgesezt, daß die Luft damit
                              									gesättigt war; 497 K. F. Dampf wiegen 11 Pfd., woraus man schließen muß, daß diese
                              									Voraussezung, nämlich die vollkommene Sättigung der Luft mit Wasserdampf nicht ganz,
                              									aber doch nahe richtig ist. Wäre dieß genau der Fall, so mußten nicht 7–10
                              									Pfd., sondern 11 Pfd. Wasser durch Verdunstung verloren gehen.
                           Die Luft belädt sich also beim Durchströmen durch die sehr zertheilte Flüssigkeit mit Wasser-
                              									und Alkoholdämpfen bis zu einem Punkte, welcher wenigstens für ersteren der
                              									Sättigung nahe kommt, und bewirkt auf diese Weise den berechneten Verlust.
                           Es war naheliegend und von Interesse, auf dem Wege der Erfahrung auszumitteln,
                              									inwiefern bei übrigens gleichen Umständen der Grad der Verdünnung des
                              									Branntweingemisches auf die Größe des Verlustes influire, oder was dasselbe ist, ob
                              									es für den Fabrikanten mehr Vortheil bietet, einen gewöhnlichen Essig unmittelbar,
                              									oder durch Verdünnung eines stärker dargestellten mit Wasser zu verfertigen. Um
                              									hierüber ins Reine zu kommen, war es hinreichend, die oben angeführten Versuche auf
                              									ganz gleiche Weise bei einer branntweinreicheren Mischung zu wiederholen. Die
                              									schwächere Mischung der ersten Versuche enthielt 1/9 Branntwein, die stärkere, auf
                              									deren Säurung sich die folgenden Versuche beziehen, enthielt auf 180 Maaß Wasser 38
                              									Maaß Branntwein à 45 Proc. T., welche indessen
                              									nicht auf einmal, sondern in 2 Portionen nacheinander zugegossen wurde.
                           Die Quantität von 180 Maaß Wasser, 38 Maaß Branntwein und 11 Maaß Essig, zusammen
                              									also von 868 Pfd., blieb 48 Stunden in Arbeit, während welcher Zeit die folgenden
                              									Luftproben in verschiedenen Zeitabständen genommen wurden.
                           No. 1. Aus dem Fasse I. entnommen. Temp. des Fasses
                              									30° C., des Zimmers 29° C. Die Mischung enthielt erst 19 Maaß
                              									Branntwein. Beim ersten Aufgießen.
                           No. 2. Beim zweiten Aufgießen aus Faß I.; Temperatur wie
                              									bei No. 1.
                           No. 3. Aus dem Faß I., nachdem das ganze
                              									Branntweinquantum aufgegeben und zum drittenmal aufgegossen war. – Temp. des
                              									Fasses und Zimmers 29° C.
                           No. 4. Aus Faß I. nach dem vierten Uebergießen,
                              									Temperatur wie oben bei 1.
                           No. 5. Aus dem Faß I. nach dem siebenten Aufpumpen.
                              									Temp. des Fasses 33°, des Zimmers 29°.
                           No. 6. Aus dem Faß I. nach dem neunten Aufpumpen. Temp.
                              									33° C., des Zimmers 29°.
                           No. 7. Aus Faß VI. Temp. darin 33°, des Zimmers
                              									29° nach dem eilften Aufgießen.
                           Die folgende Tabelle enthält die Resultate der mit den Proben angestellten Analysen,
                              									nach deren Correction für Temperatur etc. zusammengestellt: 
                              								
                           
                              
                                 No. der
                                    											 Probe.
                                 Kubikcentimet.  untersuchte    
                                    											Luft.
                                 Kubikcentimet.  absorbirter  Sauerstoff.
                                   Kubikcentimet.zuruͤkgebliebener    
                                    											Stikstoff.
                                 Procent Sauerstoff der
                                    											untersuchten        
                                    											Luft.
                                 
                              
                                 No. 1.
                                     33,10
                                       6,25
                                       
                                    											26,85
                                         18,88
                                 
                              
                                  –   2.
                                     31,40
                                       5,86
                                       
                                    											25,54
                                         18,66
                                 
                              
                                  –   3.
                                     27,60
                                       5,20
                                       
                                    											22,40
                                         18,84
                                 
                              
                                  –   4.
                                     33,02
                                       6,07
                                       
                                    											26,95
                                         18,
                                    											38
                                 
                              
                                  –   5.
                                     32,13
                                       5,87
                                       
                                    											26,26
                                         18,27
                                 
                              
                                  –   6.
                                     32,88
                                       5,48
                                       
                                    											27,40
                                         16,67
                                 
                              
                                  –   7.
                                     32,30
                                       6,21
                                       
                                    											26,09
                                         19,22
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Controll-
                                 
                                 
                                 
                                         18,41 im
                                    											Mittel.
                                 
                              
                                 Versuch.
                                   313,36
                                     66,67
                                      246,69
                                         21,26
                                 
                              
                           Die Stärke des Essigs, nachdem derselbe 48 Stunden in den Fässern gradirt worden war,
                              									ergab sich in drei Versuchen zu 2,63 im ersten, 2,84 im zweiten und 2,75 im dritten
                              									Versuche, also im Mittel zu 2,74 Proc. Essigsäurehydrat.
                           Man sieht hieraus, daß durch den größeren Branntweinzusaz weder die Absorption von
                              									Sauerstoff, noch auch die Stärke des Essigs um ein wesentliches gesteigert, also
                              									auch der statthabende Verlust nicht bemerkenswerth gemindert wurde. Es wird den
                              									Fabrikanten Essig aus 20 Maaß Branntwein, oder zu 2,6 Proc. vor der Lagerung, eben
                              									so hoch zu stehen kommen, wenn er denselben aus der stärkeren Mischung durch
                              									Verdünnen oder unmittelbar darstellt.
                           ––––––––––
                           Die bisher dargelegten Thatsachen lassen auf mehrere für die Fabrication nicht
                              									unwichtige Umstände schließen.
                           Wenn auch die gemachten Beobachtungen in ihrem ganzen Umfang nur für den speciellen
                              									Fall und die besondern Umstände, unter welchen sie angestellt wurden, wahr sind, so
                              									lassen sich doch daraus auf die Schnellessigfabrication im Allgemeinen Folgerungen
                              									ziehen, welche Beachtung verdienen.
                           Es kann zuvörderst nicht geläugnet werden, daß der zu 10 Proc. des verwendeten
                              									Branntweins berechnete Verlust in dem Falle geringer ausfallen muß, wo die aus dem
                              									Bildner austretende Luft durch Röhren unmittelbar ins Freie geleitet, folglich
                              									verhindert wird, sich mit der frischen Luft des Zimmers zu vermischen, wie es denn
                              									auch in besser eingerichteten Localen geschieht. Der Verlust wird bei dieser
                              									Einrichtung vermindert, keineswegs aber gehoben; ohnehin konnte die Einmischung
                              									verbrauchter Luft in frische eintretende wegen der vortrefflichen Ventilation des
                              									beschriebenen Locals von keiner Bedeutung seyn. Nach der Erfahrung der Praktiker,
                              									wie auch Liebig in seiner Abhandlung anführt, sinkt der
                              									Verlust selbst bei dem besten Gang und tadelloser Einrichtung niemals unter
                              									7–8 Proc. des Essigquantums, welches man nach der Berechnung erhalten sollte.
                              										Otto äußert in seinem sonst eben so gründlichen als
                              									umfassenden „Lehrbuch der
                                    										Essigfabrication“ die Meinung, als ob die Verdichtung der von
                              									der Luft entführten Essig- oder Weingeistdämpfe ganz und gar überflüssig und
                              									unbelohnend sey – eine Meinung, welcher nach der entwikelten Erfahrung
                              									rationelle Fabrikanten nicht beipflichten können. Wohl aber ist die Art und Weise,
                              									wie man diese Verdichtung zu bewerkstelligen geglaubt hat, wie sie wenigstens in
                              									einigen Werken über Essigfabrication vorgeschlagen wurde, als gänzlich widersinnig
                              									zu verwerfen. Nach dieser Proposition sollte die aus den Fässern strömende Luft
                              									vermittelst Röhren gesammelt werden, welche sich in einem Hauptrohre vereinigen;
                              									lezteres tritt durch die Wand in ein anliegendes kühles Local, um darin abwärts nach
                              									einem Kühlfasse zu steigen und als Schlange nach einiger Wendung daselbst
                              									auszutreten. Bedenkt man nun, daß der Luftwechsel in den Essigbildnern auf gleiche
                              									Weise bedingt ist, wie der Zug in Kaminen, nämlich in dem Temperaturunterschied der
                              									Luft innerhalb, als der wärmeren, und außerhalb, als der kältern; daß also die
                              									verhältnißmäßig kühlere Luft der Essigstube über die wärmere und also leichtere des
                              									Fasses ein Uebergewicht hat, also fortwährend in das Faß einfallend, diese
                              									verdrängt, so kann man sich leicht einen Begriff von der Wirksamkeit eines Apparates
                              									machen, welcher die Grundbedingung des Zugs, also auch der Säurung in den Fässern
                              									geradezu aufhebt.
                           Die Ursachen des Verlustes an Branntwein sind nicht eigentlich in der Natur der Sache
                              									liegend und unvermeidlich, sondern innerhalb der Gränzen einer möglichen
                              									Verbesserung. Drei Punkte sind es aber, nach welchen hin eine solche gerichtet seyn
                              									muß; einmal die Vermeidung überschüssiger, also möglichst
                                 										vollständige Absorbtion des Sauerstoffs der einströmenden Luft, zweitens
                              									bessere Oekonomie der bei der Essigbildung auftretenden Wärme, endlich drittens
                              									Wiedergewinnung der entwichenen Dämpfe auf einem Weg, welcher den Gang der Fässer
                              									nicht stört.
                           Der erste Punkt ist mit den meisten Schwierigkeiten verknüpft; in der That ist die
                              									Zertheilung der Essigmischung, oder was dasselbe ist, die Oberfläche derselben, mit
                              									welcher diese in Berührung kommt, in den gewöhnlichen Gradirfässern weniger groß als
                              									man der Einrichtung nach voraussezen sollte. Die Schuld liegt zum Theil daran, daß
                              									die Siebbütte wegen Ungenauigkeit ihrer Stellung und Verschleimung der Oeffnungen
                              									die Mischung nicht gleichförmig über den ganzen Querschnitt des Fasses, sondern
                              									einseitig vertheilt; theils auch darin, daß man das Gemisch, anstatt in einem
                              									gleichförmigen ununterbrochenen Regen, sich schokweise über die Späne ergießen läßt.
                              									Es müssen hiedurch abwechselnd Intervalle entstehen, in welchen die Luft bald die
                              									Masse des niedertropfenden Essigs nicht bewältigen kann, bald nicht hinreichend Gut
                              									zur Säurung vorfindet.
                           Es ist der Erfahrung gemäß, daß die Wärme, welche durch Säurung (Verbrennung zu
                              									Essigsäure) aus dem Alkohol entwikelt wird, vollkommen hinreicht, um eine Mischung
                              									der obigen Art auf der Temperatur der Essigbildung zu erhalten. Die Zimmerheizung
                              									hat demnach einzig und allein den Zwek, das, was an jener Wärme verloren geht, zu
                              									ersezen.
                           Je kleiner nun die Quantität Essiggut, welche man auf einmal bearbeitet, um so größer
                              									der Wärmeverlust. Unsere gewöhnlichen Schnellessigfabriken leiden sämmtlich an dem
                              									Uebelstand, daß die tägliche Production an Essig, in einer Anzahl Fässer vertheilt
                              									bearbeitet wird, welche eine allzugroße Abkühlung bedingt und das erforderliche
                              									Zusammenhalten der entwikelten Wärme verhindert. Jeder Fabrikant weiß, daß wenn man
                              									Gefäße von einer gewissen Kleinheit anwendet, also für das tägliche Quantum
                              									5–6mal so viel kleinere Fässer, als man gewöhnlich größere benuzt, man die
                              									Gränze erreicht, über welche hinaus die Schnellessigbildung nicht mehr möglich ist.
                              									Bei der bekannten Einrichtung der Stuben (mit 6 Fässern auf ein tägliches Quantum
                              									Essig von etwa 1 1/2 Ohm) hat man sich von dieser Gränze weniger fern gehalten, als
                              									es nothwendig scheint.
                           Der Wiedergewinnung der Weingeistdämpfe durch Verdichtung endlich hat man bisher
                              									wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
                           Dem Tact und der umsichtigen Gewandtheit der Engländer, welche dieses Volk immer
                              									bewiesen hat, wenn es sich darum handelt, der Anwendung fähige wissenschaftliche
                              									Grundsäze oder Erfahrungen praktisch auszubeuten; der Fertigkeit, die industriellen
                              									Kräfte den in der Natur des Gegenstandes liegenden Bedingungen mit dem größten
                              									Effect auf die einfachste Weise anzupassen; mit einem Wort, der außerordentlichen
                              									Geschiklichkeit in der „Kunst zu fabriciren“, welche man in
                              									jedem englischen Etablissement zu bewundern Gelegenheit hat, ist es gelungen, alle
                              									Schwierigkeiten mit Erfolg zu überwinden, denen man bei der Schützenbach'schen Essigfabrication begegnet. Ein Blik auf die Art des
                              									Betriebs, wie man sie gegenwärtig in jenem Lande befolgt, mag davon überzeugen.
                           Bekanntlich ist die Darstellung des Essigs aus Branntwein unmittelbar, in Folge des Preises und der hohen Besteuerung des lezteren
                              									(in England) unzulässig. Die trokene Destillation des Holzes war bisher eine
                              									Hauptquelle für den Essigbedarf der brittischen Inseln und wurde lediglich zu diesem
                              									Zwek in weitläufigen Etablissements vorgenommen. Kosten und Schwierigkeit liegen
                              									hauptsächlich in der langwierigen und umständlichen Reinigung. Die englische
                              									Schnellessigfabrication, welche man angefangen hat jener zu substituiren, beruht nun
                              									auf dem Verhalten des Stärkemehls gegen Säuren, welche dieses in Zuker umwandeln.
                              									Man geht also nicht vom Branntwein aus, wie bei uns, sondern von der Stärke und hat
                              									somit zwei Stadien mehr zu durchlaufen, des Zukers, Alkohols und Aldehyds bis zur
                              									Essigsäure. Das Natürlichste war nun, die aus der Stärke dargestellte gegohrne
                              									Zukerflüssigkeit von der Schwefelsäure durch Destillation zu trennen. In diesem
                              									Falle würde aber das Destillat von der Behörde sogleich als Branntwein declarirt und
                              									der Steuer unterworfen werden. Man trennt daher die Schwefelsäure nicht von der
                              									geistigen Flüssigkeit, sondern läßt alles zusammen den Essigproceß durchlaufen, um
                              									erst den fertigen Essig von der Schwefelsäure abzudestilliren, was natürlich im
                              									Wesentlichen jenes Processes nichts ändert. Die gebräuchliche Methode der
                              									Essigbildung ist die Schützenbach'sche und die
                              									Einrichtung folgende.
                           Ein sehr großes, schwach konisches Faß, am Boden 14, oben 15 Fuß weit, bei 13 Fuß
                              									Höhe, liefert täglich dieselbe Essigmenge, welche bei uns in derselben Zeit von 6
                              									Fässern (8' hoch 4' weit)
                              									abgenommen wird. Man darf nicht übersehen, welchen Vortheil ein derartiges Faß schon
                              									durch das größere Verhältniß des Inhaltes zum Umfange gewährt; die Oberfläche des
                              									leztern ist nämlich nicht größer, als die der sechs gewöhnlichen Essigbildner
                              									zusammengenommen (das englische hat 611 Quadratfuß, die sechs zusammen 603
                              									Quadrats.), dagegen übertrifft sein Inhalt (2145 Kubikfuß) 3,5mal den Gesammtgehalt
                              									der sechs andern (603 Kubikfuß). Eine nothwendige Folge davon ist das bessere
                              									Zusammenhalten der Wärme; in der That geschieht die selbstständige Erwärmung des
                              									Fasses so vollkommen, daß man das Local zu heizen niemals nöthig hat, wobei das
                              									mildere Klima Englands allerdings nicht ohne Einfluß ist. – Seiner Höhe nach
                              									ist ein solches Faß durch einen falschen Boden, etwa 2,5 Fuß über dem wirtlichen in
                              									zwei Abtheilungen getheilt; die obere ist mit kleinen Holzabschnitten angefüllt, die
                              									untere ist zum Auffangen der Mischung bestimmt. – In einer gewissen Höhe (um
                              									hinreichend Fall zu erzeugen) über dem Faß ist das Reservoir für die Mischung
                              									angebracht; ein Rohr steigt daraus senkrecht nieder, geht durch eine weite Oeffnung
                              									des Faßdekels und trägt unterhalb desselben (des Dekels) ein Kreuz aus zwei Röhren,
                              									deren Länge etwas weniger als der Durchmesser des Fasses beträgt. Jede der drei
                              									Röhren ist senkrecht auf die beiden andern gerichtet; die zwei leztern liegen
                              									horizontal wenige Zolle
                              									über den Holzabschnitten unter dem Dekel. Die Enden der Röhren sind überall
                              									geschlossen und der einzige Ausweg, welchen man der darin herabfließenden Mischung
                              									gelassen hat, ist eine Reihe kleiner Oeffnungen, welche an der unteren Seite des
                              									Kreuzes längs der Achse der Röhren angebracht sind. Das Röhrenkreuz selbst ist in
                              									dem oben befindlichen Behälter drehbar und wird mittelst der Betriebskraft
                              									(Dampfmaschine) in einer langsamen Rotation um die Achse des senkrecht absteigenden
                              									Rohrs erhalten. Die Mischung entströmt nur in dünnen Strahlen der untern Fläche des
                              									Kreuzes und besprengt nach und nach gleichmäßig, so wie die Achsendrehung erfolgt,
                              									die ganze Oberfläche der Späne oder vielmehr Holzabschnitte. Daß eine solche
                              									Vorrichtung den Zwek der gleichmäßigen Zertheilung besser erfüllt, als die
                              									gewöhnlichen Siebhütten, ist einleuchtend; sie ist ganz dieselbe, welche die
                              									englischen Brauer anwenden, um Malz zu infundiren. Die Mischung geht also
                              									nacheinander aus dem Reservoir in den Besprengapparat, von da durch die Späne,
                              									sammelt sich im untern Raum des Fasses, um nach Oben zurükgepumpt zu werden, worauf
                              									sie ihren Weg von neuem beginnt.
                           Nicht minder vortheilhaft ist der Luftzufluß in den Fässern etablirt. Die
                              									Lufterneuerung geschieht nämlich nicht nach dem Princip der Kamine, sondern in
                              									umgekehrtem Sinne von Oben nach Unten, mittelst einer hydraulischen Pumpe. Was den
                              									Eintritt der Luft betrifft, so geschieht dieser durch dieselbe Oeffnung im Dekel,
                              									durch welche das Zuflußrohr der Mischung eintrifft, indem jene, viel weiter als der
                              									Röhrendurchmesser, dafür einen Zwischenraum läßt. Die Luftpumpe besteht im
                              									Wesentlichen aus zwei in einen Wasserbehälter umgestülpten Gefäßen (sie sind an den
                              									übrigen Seiten durch die Wände, gegen Unten aber durch den Wasserspiegel
                              									geschlossen), welche durch die (Dampf-) Kraft abwechselnd bis fast über den
                              									Spiegel des Sperrwassers gehoben und wieder gesenkt werden, so daß beide in jedem
                              									Moment genau die entgegengesezte Stellung einnehmen. Beim Aufsteigen wird also die
                              									Luft streben in das Gefäß einzudringen, beim Niedergehen daraus zu entweichen.
                              									Vermöge der ganzen Disposition wird nun zur Erfüllung des aufsteigenden Gefäßes Luft
                              									mitten aus dem Faß verwendet und beim Niedergehen genöthigt,
                                 										durch das Sperrwasser zu entweichen. Dicht unter dem falschen Boden nämlich
                              									ist seitswärts durch die Dauben ein Luftsaugrohr eingelassen, welches bis zum
                              									Centrum des Fasses ragt, um dort auszumünden; damit die saugende Wirkung sich mehr
                              									über den Querschnitt des Fasses ausbreite, ruht über dieser Mündung (parallel mit
                              									dem Boden) eine Scheibe von Holz von etwa 5'
                              									Durchmesser, welche zugleich das herabträufelnde Essiggut verhindert, in das
                              									Luftrohr zu gelangen.
                              									– Der außer dem Faß befindliche Theil desselben geht nach der hydraulischen
                              									Pumpe, um sich vor derselben in zwei Schenkel zu theilen, von denen jeder in den
                              									Boden eines der Aspirationsgefäße mittelst eines nach Innen sich öffnenden Ventiles
                              									eintritt. Neben diesem ist ein zweites Ventil, aber mit entgegengesezter Bewegung
                              									angebracht, und zwar so eingerichtet, daß es sich erst dann öffnet, wenn es unter
                              									den Wasserspiegel getreten ist. Das Spiel dieses einfachen Mechanismus ist von
                              									selbst verständlich. Beim Aufsteigen tritt die Luft aus dem Faß in das Saugrohr und
                              									füllt das Gefäß, nach vollbrachtem Niedergang läßt das zweite Ventil die aufgesaugte
                              									Luft durch das Wasser entweichen. Während sich das erste Gefäß füllt, ist das zweite
                              									im Entleeren begriffen, die Pumpe wirkt also stetig.
                           Die Vortheile einer solchen Einrichtung liegen auf der Hand; die durch die
                              									Alkoholverwesung entwikelte Wärme wird viel vollständiger zusammengehalten. Die
                              									Zertheilung der Mischung ist vollkommen gleichförmig und ohne Unterbrechung. Ferner
                              									hängt die Ventilation des Bildners nicht von seinem Wärmezustand ab und kann mit
                              									Leichtigkeit so regulirt werden, wie es der Zufluß der Mischung erfordert.
                           Alle Weingeistdämpfe werden in dem Sperrwasser verdichtet und bleiben darin zurük; da
                              									man nun dieses zur Anfertigung der Mischung benuzt, so wird der verdunstete
                              									Weingeist zu Gute gemacht und der Verlust, der bei dem gewöhnlichen Verfahren
                              									7–10 Proc. beträgt, auf 0 reducirt.
                           Zur Beurtheilung des Ganges der Säurung untersucht man die Fähigkeit der aspirirten
                              									Luft, die Verbrennung zu unterhalten. Ein Lunten aus Bindfaden, den man mit
                              									Bleizukerlösung imprägnirt und getroknet hat, muß nämlich angezündet, darin gerade
                              									verlöschen. Findet das Gegentheil statt, so vermehrt man die Thätigkeit des
                              									Aspirators. In der Regel ist die Luft so weit entsauerstofft, daß der erste Fall
                              									eintritt, niemals aber ist sie es so wenig, daß ein gewöhnlicher Bindfaden darin
                              									weiter glimmt. Es kann also die Luft nur mit einem unbedeutenden Sauerstoffgehalt
                              									austreten, also auch wenig oder gar keine überschüssige Luft durch das Faß
                              									streichen.
                           Der Essig wird in dem Bildner unmittelbar fertig, d.h. auf den dort gebräuchlichen
                              									Gehalt von 5,5 Proc. Essigsäurehydrat gebracht und ohne weitere Lagerung dem Handel
                              									übergeben.
                           Es kann kaum bezweifelt werden, insofern schon eine geringe Betriebskraft ausreicht,
                              									daß wenigstens unsere größeren Fabriken nach dieser Einrichtung mit Vortheil
                              									betrieben werden können. Wo man dagegen den Essig nur nebenbei und in kleinem
                              									Maaßstabe producirt, sind die Verhältnisse natürlich anders.