| Titel: | Ueber die Fettstoffe der Wolle; von Hrn. Chevreul. | 
| Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. LIII., S. 222 | 
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                        LIII.
                        Ueber die Fettstoffe der Wolle; von Hrn.
                           									Chevreul.
                        Aus den Comptes rendus, Mai 1842, Nr.
                              								22.
                        Chevreul, uͤber die Fettstoffe der Wolle.
                        
                     
                        
                           In einer der französischen Akademie der Wissenschaften vor mehreren Jahren
                              									mitgetheilten Abhandlung zeigte ich, daß zwei durch ihre Schmelzbarkeit sich von
                              									einander unterscheidende Fette in der mit destillirtem Wasser gewaschenen
                              									(schweißigen) Wolle enthalten sind. Ich nannte den bei 45° C. weichen und bei
                              									60° ganz flüssigen Stoff Stearerin, und den bei
                              									15° flüssigen Elaïerin. Diese beiden Stoffe
                              									entsprechen durch diese Verschiedenheit in ihrer Schmelzbarkeit dem Stearin oder
                              									Margarin und dem Oleïn der thierischen Fette; unterscheiden sich aber sehr
                              									davon hinsichtlich der Einwirkung der Alkalien, denn wenn man sie 60 Stunden lang
                              									mit ihrem doppelten Gewichte in Wasser gelösten Aezkali über dem Feuer läßt, bekommt
                              									man keine lösliche Seife, wie dieß beim Stearin, Margarin und Oleïn der Fall
                              									ist, sondern nur eine Emulsion, deren Fett durch eine Säure abgeschieden, bloß nach
                              									seiner Schmelzbarkeit zu urtheilen, keine große Veränderung erlitten zu haben
                              									scheint. Auf folgende Art kann man nach meinen Resultaten die Fettstoffe der Wolle
                              									von allen bisher bekannten fetten Körpern unterscheiden.
                           1) Das Stearerin und Elaïerin, 125 Stunden lang mit Wasser und ihrem doppelten
                              									Gewichte Aezkali in einer offenen Schale digerirt, geben nie eine Lösung, wie dieß
                              									beim Stearin, Margarin und Oleïn der Fall ist, wenn man sie nur ein paar
                              									Stunden ebenso behandelt.
                           2) Doch erfahren diese Stoffe dabei eine namhafte Veränderung ihrer Eigenschaften,
                              									welche man aber nicht wohl gewahr wird, wenn man nur mit einigen Grammen davon
                              									operirt und besonders wenn man sich darauf beschränkt, die Schmelzbarkeit der aus
                              									ihrer Verbindung mit Kali durch Digestion mittelst Phosphorsäure abgeschiedenen
                              									Stoffe zu beobachten.
                           
                           3) Destillirt man aber die saure Flüssigkeit, woraus die fette Substanz abgeschieden
                              									wurde, so wie das Wasser, womit sie gewaschen wurde, so erhält man eine flüchtige Säure, welche wie Phocensäure riecht, die ich
                              									aus dem Delphinöhl erhielt.Ich behalte mir das vergleichende Studium dieser Säure mit der Phocensäure,
                                    											der Baldriansäure und einer durch die Fäulniß stikstoffhaltiger Körper vor
                                    											20 Jahren erhaltenen Säure, welche ich jezt in schönen Krystallen besize,
                                    											vor.
                              								
                           4) Die flüchtige Säure entwikelt sich beim Entfetten der Wolle mit kohlensaurem
                              									Natron. Auch fand ich sie im Schweiß wieder, welchen das destillirte Wasser der
                              									ungewaschenen Wolle entzieht. – Diese Säure ist verschieden von einer
                              									anderen, ebenfalls flüchtigen Säure, deren Geruch in dem Schweiß in hohem Grade
                              									vorhanden ist. Diese Säure ist in latentem Zustande in mehreren Substanzen
                              									enthalten, die ich aus der Wolle zog.
                           5) Die im Wasser unlösliche Substanz, welche mittelst
                              									Phosphorsäure vom Alkali getrennt wurde, womit man das Elaïerin oder
                              									Stearerin digerirte, besteht wieder aus a) mindestens
                              									zwei ungleich schmelzbaren Säuren, wovon die eine der Stearin- oder der
                              									Margarinsäure, die andere der Oleïnsäure entspricht; doch sind ihre
                              									Unterscheidungsmerkmale hinsichtlich der Schmelzbarkeit, der Krystallisation u.s.w.
                              									nicht auffallend. Die Verbindungen der beiden Säuren aus den Fettstoffen der Wolle
                              									mit den auflöslichen Alkalien gleichen weit mehr den Harzseifen als den aus
                              									thierischen Fetten bereiteten Seifen; b) aus einer oder
                              									zwei neutralen Fettstoffen, welche ich noch nicht in ganz reinem Zustande
                              									erhielt.
                           Folgerungen:
                           I. Es gibt zwei neutrale Fettstoffe in der Wolle, welche sich durch ihre
                              									Schmelzbarkeit von einander unterscheiden.
                           II. Bei der Verseifung unter Zutritt der Luft verwandeln sie sich
                           1) in eine flüchtige Säure, die in Wasser auflöslich ist
                              									und deren Geruch und mehrere andere Eigenschaften an die Phocensäure erinnern;
                           2) in zwei in Wasser unauflösliche Säuren, welche mehr Aehnlichkeit mit den
                              									sogenannten Harzsäuren, als mit der Stearin-, Margarin- und
                              									Oleïnsäure haben;
                           3) in eine oder zwei nicht saure, in Wasser unlösliche Substanzen.