| Titel: | Ueber, die Zusammensezung der eingesperrten Luft; von Hrn. F. Leblanc. | 
| Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. LXX., S. 287 | 
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                        LXX.
                        Ueber, die Zusammensezung der eingesperrten Luft;
                           								von Hrn. F.
                              								Leblanc.
                        Aus den Comptes rendus, Jun. 1842, Nr.
                              								23.
                        Leblanc, uͤber die Zusammensezung der eingesperrten
                           								Luft.
                        
                     
                        
                           Nachdem der Verf. die verschiedenen Ursachen durchgegangen, welche bei den
                              									Erscheinungen des Verderbens der Luft in einem geschlossenen Raume mitwirken können,
                              									theilt er in folgenden Säzen einige allgemeine Betrachtungen und die praktischen
                              									Folgerungen, welche aus seinen Versuchen gezogen werden können, mit:
                           1) Ohne läugnen zu wollen, daß mehrere Ursachen zusammenwirken können, um eine
                              									eingeschlossene Luft ungesund zu machen, stellt der Verf. den aus seinen Versuchen
                              									hervorgehenden Saz auf, daß das Verhältniß der Kohlensäure in bewohnten und
                              									geschlossenen Räumen mit dem Grade der Ungesundheit zunimmt und beiläufig als
                              									Maaßstab dafür dienen kann. Je größer das Verhältniß der Kohlensäure wird, desto
                              									nothwendiger ist eine baldige Erneuerung der Luft. Wenn als Ergebniß der Respiration
                              									dieses Verhältniß 1 Proc. beträgt, so können sich Menschen in einer solchen Atmosphäre nicht mehr aufhalten,
                              									ohne bald ein Uebelbefinden zu fühlen; die Ventilation wird unerläßlich, wenn die
                              									Respiration ihre normalen Bedingungen wieder erhalten soll.
                           2) Nach genauen Versuchen sind 6 bis 10 Kubikmeter Luft das einem Menschen in der
                              									Stunde nöthige Maaß, wenn die Respiration in gewohnter Weise erhalten werden soll.
                              									Zahlreiche, unter der Leitung des Hrn. Peclet angestellte
                              									Versuche, wobei die im ventilirten Raume Anwesenden selbst den Mangel oder Ueberfluß
                              									an Luft zu beurtheilen hatten, sezen dieß außer Zweifel.
                           Bei einer Ventilation, welche auf ein Luftmaaß von 10 bis 20 Kubikmetern auf die
                              									Stunde und den Menschen berechnet ist, kann die aus dem Raume austretende Luft noch
                              									zwischen 2 und 4 Tausendstel Kohlensäure enthalten; dieß ist der Fall bei der franz.
                              									Deputirtenkammer.
                           3) Die Reinheit der Luft in einem ventilirten Raume hängt aber nicht bloß von der
                              									Quantität der in einer gewissen Zeit zuströmenden Luft ab; die Art des Zutritts und
                              									des Austritts der Luft, also ihre Vertheilung müssen von Einfluß auf ihre chemische
                              									Beschaffenheit seyn; das umfassendste Ventilationssystem, wobei die Luft am
                              									Vollkommensten gereinigt würde, ist jenes, wo die ausgeathmete Luft durch eine
                              									aufsteigende Bewegung fortgezogen würde, welche ihr allen Rüktritt in die Region des
                              									Athmens unmöglich machte.
                           Dieses Princip scheint die englischen Baumeister bei den wirksamen
                              									Ventilationsvorrichtungen im brittischen Unterhause geleitet zu haben; die
                              									Oeffnungen zum Ein- und Austritt der Luft sind hier viel zahlreicher als in
                              									unseren ventilirten Sälen.Wenn es sich um einen Saal mit stufenweise hintereinander stehenden Sizbänken
                                    											handelt, werden bei dem Ventilationsverfahren vielleicht einige
                                    											Modificationen nöthig; wenn alle Luft von Unten einströmt, kann ein Theil
                                    											der Anwesenden von einem zu starken Zuge belästigt werden, während der
                                    											andere auf den höheren Bänken sizende Theil sich etwas unbehaglich befindet,
                                    											weil die Respirationsproducte nicht hinreichend ausgetrieben werden; dieß
                                    											zeigt sich manchmal in der franz. Deputirtenkammer.
                              								
                           4) Da man die zur Ventilation bestimmte Luft in der Regel in der zuträglichsten
                              									Temperatur zu schöpfen sucht, so wäre es in dieser Hinsicht am besten, sie aus
                              									unterirdischen Gewölben zu ziehen. Als die Ventilation der Pairskammer besprochen
                              									wurde, machte Hr. Talabot sogar den Vorschlag, die Luft
                              									aus den unter dem Stadtviertel St. Jacques hin sich erstrekenden Steinbrüchen
                              									herzuleiten; vor der Ausführung desselben hätte man aber jedenfalls die
                              									Beschaffenheit der aus einer solchen Quelle kommenden Luft untersuchen müssen, weil
                              									sie schon zu viel Kohlensäure hätte enthalten können.
                           
                           Ich überlasse es anderen, die Verbesserungen zu untersuchen, deren die
                              									Ventilationsverfahren noch fähig wären, und will nur zeigen, wie nüzlich es ist, den
                              									Kohlensäuregehalt der Luft zu bestimmen, um in jedem Augenblik und in jeder Lage
                              									über die chemische Beschaffenheit der Luft unterrichtet zu seyn; diese Bestimmung
                              									ist gewissermaßen ein Reagens, durch welches wir zu einer zwekmäßigen Ventilation
                              									veranlaßt werden müssen.
                           5) Die von Hrn. Peclet angenommenen Zahlen stimmen
                              									ziemlich mit den Resultaten des Hrn. Dumas über die
                              									menschliche Respiration überein; die Berechnung ergibt nämlich nach den Daten des
                              									Hrn. Dumas, daß ein Mensch in der Stunde auf 3 Kubikmeter
                              									Luft 4 Tausendstel, oder auf 6 Kubikmeter Luft 2 Tausendstel Kohlensäure
                              									erzeugt.
                           Allein das Verhältniß der Kohlensäure beschränkt sich in der Wirklichkeit dem
                              									Anschein nach nicht immer auf dieses Verhältniß und zwar in Folge der ungleichen
                              									Vertheilung der frischen Luft in den ventilirten Räumen.
                           In der Deputirtenkammer ist das Verhältniß der Kohlensäure in der Luft, welche durch
                              									die Appellkamine weggeht, zwei- bis dreimal so stark, als es nach der
                              									Berechnung unter der Annahme seyn müßte, daß die Luft vollkommen rein eintritt und
                              									nur einmal durch die Lungen passirt. Dieses Verhältniß wurde zu 0,0025 gefunden bei
                              									einer Ventilation von 18 Kubikmetern per Menschen und
                              										per Stunde. Man muß daher gewärtig seyn, bis 5
                              									Tausendstel Kohlensäure zu finden, wenn die Ventilation auf ihrem Minimum ist.
                              									Daraus folgt, daß ein Verhältniß von 5 Tausendsteln Kohlensäure in Folge der Athmung
                              									in einem Raume angehäuft, eine Gränze ist, die man nicht überschreiten lassen darf.
                              									Im Sommer, wo die Temperatur 20° C. in einem Saale beträgt, ist es keine
                              									Seltenheit, daß man eine Ventilation von 16 bis 18 Kubikmetern kaum hinreichend
                              									findet.
                           6) Bewohnte Räume betreffend, welche nicht mit Ventilirvorrichtungen oder Kaminen
                              									versehen sind, beweist die Erfahrung, daß auf eine sehr wirksame Erneuerung der Luft
                              									mittelst der Fugen der Thüren und Fenster nicht zu rechnen ist; in den meisten
                              									Fällen reduciren dieselben das Verderbniß der Luft höchstens auf die Hälfte
                              									desjenigen, welches unter sonst gleichen Umständen in einem streng verschlossenen
                              									Raume stattfände. Wenn der geschlossene Raum nicht ventilirt wird, muß daher die
                              									Capacität desselben nach den Grundlagen wie oben bestimmt werden. Ein Schlafsaal für
                              									50 Individuen, welcher 8 Stunden geschlossen bleibt, müßte demnach haben 6 ×
                              									8 × 50 = 2400 Kubikmeter, oder beiläufig die Nacht hindurch 50 Kubikmeter per Individuum; nach Verlauf dieser Zeit würde die
                              									Ventilation nothwendig.
                           7) Meine Versuche ergaben, daß mehrere Spitalsäle im Verhältniß zur Anzahl der
                              									Kranken bei weitem nicht groß genug sind. In einem Mansarden-Schlafsaal in
                              									der Salpetrière beträgt das für ein Individuum per Stunde sich berechnende Luftmaaß nur 1,5 Kubikmeter. Ich könnte einen
                              									Schlafsaal in einem Gefängniß anführen, wo diese Zahl auf 0,7 Kubikmeter
                              									heruntergeht. Dasselbe ist der Fall in dem Amphitheater der Sarbonne. Würde in
                              									Spitälern die beständige Erneuerung der durch so viele Ursachen verdorbenen Luft
                              									nicht bedeutende Vorzüge darbieten gegen die periodische Ventilation, zu welcher man
                              									durch Oeffnen der Fenster die Zuflucht nehmen muß, wie niedrig auch die äußere
                              									Temperatur seyn mag?
                           Die Umstände, unter welchen sich in vielen Werkstätten und Fabriken die Arbeiter
                              									aufhalten, geben ebenfalls Stoff zu unangenehmen Betrachtungen. Welche traurigen
                              									Beispiele physischer und moralischer Entartung könnten nicht erwähnt werden, deren
                              									Hauptursache die unglükliche Beschaffenheit des Mediums ist, worin der Mensch unter
                              									diesen Verhältnissen leben muß?
                           8) Die an die gesunde Beschaffenheit der Militärstallungen
                              									sich knüpfenden Fragen haben seit mehreren Jahren schon die Sorgfalt der Regierung
                              									auf sich gezogen. Nach den Resultaten meiner Analysen ist die zulezt per Pferd vorgeschlagene LuftmengeMan vergl. polytechn. Journal Bd. LXXVII.
                                       												S. 460. wirklich zu klein. Wenn man meine auf die Respiration des Menschen
                              									bezüglichen Betrachtungen auf die Respiration eines Pferdes anwendet, muß man das
                              									einem Pferde in einem geschlossenen Stalle per Stunde zu
                              									gebende Luftmaaß auf 18 bis 20 Kubikmeter festsezen. Ist der Stall aber nicht
                              									geschlossen, so können diese Dimensionen reducirt werden; meine Analyse der Luft des
                              									Stalles der alten Reitschule in der École
                                 										militaire ergibt, daß daselbst in dieser Hinsicht das beste Verhältniß
                              									ist.
                           9) In Bezug auf das Vorkommen miasmatischer Stoffe in der eingeschlossenen Luft
                              									sielen die Resultate meiner Analysen unter den Umständen, unter welchen sie
                              									angestellt wurden, negativ aus; ich beobachtete keine merkliche Färbung der
                              									Schwefelsäure oder des Kali's, keine sichtbare Einwirkung auf essigsaures Blei.
                           10) Die Analysen künstlicher Atmosphären ergeben, daß das
                              									Verhältniß reiner Kohlensäure, welches ein Mensch ertragen könnte, ohne unmittelbar
                              									zu unterliegen, ziemlich bedeutend ist, wenigstens nach den an Thieren beobachteten
                              									Wirkungen zu urtheilen.
                           
                           Ein Hund kann in einer Atmosphäre, welche 30 Proc. Kohlensäure und 70 Proc.
                              									gewöhnliche Luft enthält, noch einige Augenblike fortleben; das Gemenge enthält also
                              									noch 16 Proc. Sauerstoff.
                           Das Thier widersteht unter diesen Einwirkungen der Asphyxie um so weniger, je höher
                              									seine eigene Temperatur ist.
                           In einer Atmosphäre, welche 5 bis 10 Proc. Kohlensäure enthält, erlischt die Flamme
                              									einer Wachskerze; das Leben kann fortdauern, aber die Respiration ist mühsam und die
                              									warmblütigen Thiere sind schon einem starken Uebelbefinden ausgesezt.
                           Man hat in Bergwerken schon öfters beobachtet, daß Arbeiter in einer Atmosphäre
                              									fortleben konnten, wo die Verbrennung nicht mehr fortdauerte; aber die große Gefahr
                              									des Aufenthalts in einem solchen Medium wurde schon durch zu viele Unglüksfälle
                              									dargethan, als daß wir länger dabei verweilen müßten.
                           11) Eine Atmosphäre, worin die Kohlensäure in demselben Verhältniß vorhanden ist, wie
                              									in der von unseren Lungen ausgeathmeten Luft, müssen wir daher als schädlich
                              									betrachten. Die Erfahrung lehrt sogar, daß auch unter dieser Gränze die Respiration
                              									nicht mehr normal vor sich geht. Man kann sich dieß erklären, wenn man bedenkt, daß
                              									das Verhältniß der Kohlensäure immer mehr zunimmt, je mehr die eingeathmete Luft in
                              									den Strom der Circulation übergeht, so daß in den Augenbliken, welche ihrer
                              									Ausstoßung vorausgehen, unsere Organe der Berührung eines bedeutend mehr Kohlensäure
                              									enthaltenden Gases ausgesezt sind, als die unter gewöhnlichen Umständen ausgeathmete
                              									Luft es ist. Die Erfahrung und Theorie beweisen also übereinstimmend, daß unsere
                              									Organe von weniger als 1 Proc. Kohlensäure influencirt werden können.
                           12) Es gab bisher noch kein entscheidendes Experiment, bei welcher Verdorbenheit in
                              									Folge der Verbrennung von Kohlen, die Luft Erstikung veranlaßt; ich war erstaunt,
                              									eine auf 3 bis 4 Proc. Kohlensäure gebrachte Atmosphäre Plözlich für einen großen
                              									Hund tödtlich werden zu sehen, während man nicht weniger als 30 bis 40 Proc. reine
                              									Kohlensäure bedurft hätte, um dieselbe Wirkung hervorzubringen. 1 Kilogr. glühender
                              									Kohlen, und um so mehr in freier Verbrennung begriffener Kohlen, kann die Luft eines
                              									geschlossenen Zimmers von 25 Kubikmetern asphyktisch machen. Die Luft wird nicht nur
                              									durch die Bildung von Kohlensäure und das Verschwinden von Sauerstoff unathembar,
                              									sondern sie kann auch, wie man sieht, schnell höchst schädliche Eigenschaften
                              									annehmen.
                           13) Wie ist nun die tödtliche Wirkung einer asphyktischen Atmosphäre unter diesen
                              									Einflüssen zu erklären, da doch das Verhältniß der Kohlensäure allein, so wie der
                              									Mangel an Sauerstoff unzureichend sind, um solche hervorzubringen? Ich fand in solcher Luft
                              									bei der Analyse ein halbes Proc. Kohlenoxydgas und einige Zehntausendstel
                              									Kohlenwasserstoffgas. Die gefährlichen Wirkungen des Kohlenoxyds und
                              									Kohlenwasserstoffs wurden schon von mehreren beobachtet.Samuel White athmete etwas Kohlenoxyd ein, verlor
                                    											darauf sein Bewußtseyn und wurde nur schwierig wieder ins Leben gebracht;
                                    											man mußte zum Einblasen von Sauerstoffgas seine Zuflucht nehmen (Bibl. brit., Sciences et Arts, t. XI.); auch Devergie erklärt dieses Gas ohne Anstand, Nysten's Behauptung entgegen, für tödtlich. Das
                                    											Kohlenwasserstoffgas kann nach Seguin, wenn es im
                                    											Verhältniß von 1/10 der Luft beigemischt ist, Ohnmachten veranlassen. Das Verhältniß dieser beiden Gase, so wie es sich durch die Analyse ergab,
                              									schien mir anfangs keine so schädliche Einwirkung auf die thierische Oekonomie üben
                              									zu können. Aber einige mit Thieren angestellte Versuche zeigten mir, daß das
                              									Kohlenoxydgas sogar in einem sehr geringen Verhältniß schwere und selbst tödtliche
                              									Zufälle veranlaßt; in einer Luft, welche 5 Proc. davon enthält, stirbt ein Sperling
                              									schon augenbliklich; enthält die Luft 1 Proc. davon, so stirbt er in höchstens 10
                              									Minuten.
                           Die Sumpfluft hingegen bringt im Verhältniß von 1 Proc. in viel längerer Zeit keine
                              									üble Wirkung hervor; das öhlbildende Gas im Verhältniß von einigen Procenten in der
                              									Luft verbreitet, hat gar keine nachtheilige Wirkung.
                           Das Kohlenoxyd scheint also bei den traurigen Wirkungen, welche durch Verbrennung von
                              									Kohlen entstehen, die Hauptrolle zu spielen und die Gefahren, welche mit dessen
                              									Vorhandenseyn in der Luft verbunden sind, über welche man meines Wissens (wenigstens
                              									in dem Fall, wo es nur in sehr geringer Menge der Luft beigemischt ist) bis jezt
                              									noch nicht hinlänglich unterrichtet war, Verdienen allgemein bekannt zu werdenMan findet in Devergie's
                                    											Traité de Chimie légale die
                                    											traurige und wahrhaft außerordentlichen Fälle ausgezählt, deren Opfer
                                    											mehrere Personen in einem Raume wurden, wo gar keine Ursache des Unwohlseyns
                                    											vorhanden zu seyn schien; doch fand man bald, daß diese Wirkung von der
                                    											langsamen und erstikten Verbrennung eines Balkens herrührte, wobei die
                                    											gasartigen Products sich in das Zimmer zogen.; man begreift daher wohl, daß mit einer gleichen Quantität wirklichen
                              									Kohlenstoffs, welcher in einem Zimmer verbrannt wird, je nach dem Grade der
                              									Verbrennlichkeit der angewandten Kohle und je nach den relativen Mengen von Luft und
                              									Brennmaterial, die eine gegebene Zeit lang mit einander in Berührung sind, sehr
                              									verschiedene Wirkungen entstehen können.