| Titel: | Ueber die wie Kork auf Wasser schwimmenden Mauersteine der alten Griechen und Römer, deren Nuzen, leichte Nachbildung und reichlich vorhandenes Material in Deutschland; von C. G. Ehrenberg. | 
| Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. XCIII., S. 389 | 
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                        XCIII.
                        Ueber die wie Kork auf Wasser schwimmenden
                           								Mauersteine der alten Griechen und Roͤmer, deren Nuzen, leichte Nachbildung und
                           								reichlich vorhandenes Material in Deutschland; von C. G. Ehrenberg.
                        Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie,
                              									1842, Nr. 7.
                        Ehrenberg, uͤber Mauersteine, welche auf Wasser
                           								schwimmen.
                        
                     
                        
                           Es hat seit alten Zeiten als eine Wunderbarkeit Interesse erregt, daß es Steine gibt,
                              									welche schwimmen. Den Griechen und Römern waren die schwimmenden Steine schon sehr
                              									bekannt, da in ihren Ländern sich vulkanische Gegenden fanden, welche Bimsstein in
                              									Menge lieferten, und die Kinder schon spielten wahrscheinlich mit den schwimmenden
                              									Steinen, wie man denn in den Bädern die feineren Sorten, besonders die von der Insel
                              										Sciros, zum Abreiben und Zartmachen der Oberhaut wohl
                              									sehr allgemein verwendete.
                           Außer diesem Interesse der Sonderbarkeit, welches etwa dem der fliegenden Fische
                              									gleich kommt, erhielten aber schon frühzeitig die schwimmenden Steine ein weit
                              									größeres Interesse.
                           Der Historiker Posidonius und nach ihm Strabo, berichten, daß es in Spanien eine thonartige Erde
                              									gebe, die man zum Poliren des Silbers brauche und aus der man dort Bausteine forme,
                              									welche auf dem Wasser schwimmen. Aehnliches geschehe auf einer Insel des
                              									tyrrhenischen Meeres und in Pitane Asiens.
                           Vitruvius Pollio, der römische Baumeister, hat sich über
                              									diese Steine als ein wegen seiner Leichtigkeit zum Bauen ganz besonders zu
                              									empfehlendes Material geäußert, und auch Plinius hat
                              									diese bimssteinartige aber formbare Erde als eine Sache von größter Nüzlichkeit
                              									angepriesen.
                           Diese alten Nachrichten sind Jahrtausende lang ohne andere als die sehr locale
                              									Anwendung geblieben, weil das Material sonst nicht zu haben war.
                           Im Jahre 1791, also nach 1700 Jahren erst, hat ein Italiener, Giovane Fabroni, eine Erneuerung und Erweiterung der Kenntnisse dieser Art
                              									dadurch herbeigeführt, daß er Versuche zum Formen von Bausteinen mit einer als
                              									Bergmehl bezeichneten Kieselerde machte, die sich bei Santafiora in Toscana findet, und es gelang
                              									ihm wirklich, so leichte Ziegelsteine daraus zu bereiten, daß sie auf Wasser
                              									schwammen. Sie verbanden sich dabei gut mit Mörtel, und widerstanden der Erweichung
                              									durch Wasser vollständig. Diese Steine waren so schlechte Wärmeleiter, daß man ein
                              									Ende derselben in der Hand halten konnte, während das andere rothglühend war. Er
                              									machte ferner auf einem alten Fahrzeuge das Experiment, eine vierekige Kammer aus
                              									solchen Steinen zu wölben und mit Schießpulver anzufüllen. Das mit Holz bedekte
                              									Schiff brannte ganz ab, und als der Boden der Pulverkammer weggebrannt war, versank
                              									es ohne Entzündung des Pulvers. Seine Abhandlung: Di una
                                 										singolarissima specie di mattoni wurde in der Akademie zu Florenz
                              									vorgetragen, und dann in mehrere technische Journale und Einzelwerke in Italien
                              									aufgenommen.
                           In jener Zeit hatte auch Hr. Faujas bei Coiron in
                              									Frankreich, unfern der Rhone, eine eigenthümliche Erdart bemerkt, und Fabroni fand bei seiner Anwesenheit in Paris, daß sie
                              									ganz die gleichen Charaktere des von ihm in Italien zu den leichten Steinen benuzten
                              									Bergmehls habe. Deßhalb veranlaßte der Kriegsminister Hrn. Faujas zu einer wiederholten speciellen Untersuchung jener Erde und ihrer
                              									Localität. Die damaligen anderen Kriegsoperationen, oder die geringe Ergiebigkeit an
                              									Material haben aber, wie es scheint, die weitere Benuzung unterbrochen.
                           Im Jahre 1832 machte der Comte Français de Nantes,
                              									Pair von Frankreich, durch das Journal des connaisances
                                 										utiles seine Landsleute mit jener Entdekung des Fabroni von Neuem bekannt, und forderte sie zu deren Bestätigung und
                              									Benuzung in Frankreich auf: Il est fort a souhaiter que l'ou
                                 										cherche et que l'on découvre en France cette substance blanche et
                                 										pulvérulente commune en Toscane et connue sous le nom de Farine fossile.
                                 										Avec cette poussière on fabrique des tuiles inaltérables der
                                 										éternelles qui surnagent sur l'eau et je puis en montrer quelques unes,
                                 										qui furent faites ils y a deux mille ans.
                              								
                           Hierauf hat der sehr rühmlich bekannte Director der Bergwerksangelegenheiten von
                              									Pont-Gibaud, Hr. Fournet, in Lyon 1832 einen
                              									Aufsaz druken lassen: Notice sur la silice gélatineuse
                                 										de Ceyssat, près de Pond Gibaud, départament de Puy de Dome, et
                                 										sur son emploi dans les arts, worin derselbe die Gleichheit dieser Erde mit
                              									der italienischen anzeigt, und die von Hrn. Fabroni
                              									angegebenen Eigenschaften, so wie ihre technische Nüzlichkeit und Wichtigkeit
                              									bestätigt.
                           Hr. Fournet fand, daß aus dieser Erde bereitete gebrannte
                              										Steine sich mit dem
                              									Messer leicht schneiden lassen, leicht Sculptur aufnehmen zu Abgüssen von Metall,
                              									und den Abguß leicht loslassen, weßhalb er sie für viel vortheilhafter hält als
                              									Sepien Schulpen, indem man sie beliebig groß formen könne. Ferner empfiehlt er diese
                              									Kieselerde für Glashütten als Holz sparend gegen den Sand, so wie zu porösen
                              									Abkühlungsgefäßen für heiße Länder, da man sie durch Ausglühen leicht reinigen
                              									könne. Mit Talg oder Wachs überzogen, schwammen diese Steine auf Wasser. Ferner sagt
                              									er: man sieht leicht den Nuzen ein, welchen eine so leichte Substanz für die Marine
                              									haben muß. Die Pulverkammer, die Küche, die Herde der Dampfmaschinen, die Orte, wo
                              									Spirituosen aufbewahrt, und die, wo leicht glühende Kugeln eingeschlossen werden,
                              									lassen sich dadurch sicher machen. Eben so ist sie wichtig für die Gewölbe der
                              									Schmelzöfen und alle Oefen, wo man die Hize zu hohen Temperaturen concentriren will,
                              									weil sie nicht schmilzt und sich wenig zusammenzieht.
                           Später hat der Graf Montlosier auch auf seiner Domaine von
                              									Randamme dergleichen Erde gefunden, und Hr. Leopoldo
                                 										Pelli-Fabroni in Florenz hat 1838 von Neuem die Aufmerksamkeit auf
                              									die Anwendung solcher Steine gegen Feuersgefahr hingelenkt. Uebrigens ist die
                              									Anwendung desselben Materials in Griechenland wohl auch schon lange in Gebrauch, da
                              									ein solches Bergmehl aus Zante in des verstorbenen Chemikers Klaproth's, dem königlichen Mineralien-Cabinette einverleibter
                              									Sammlung mit der Etikette Πλοχαφουρνο
                              									liegt, welches griechische Wort offenbar „Ofen-Mörtel“ bezeichnet.
                           Man hielt diese Erdarten allgemein für unorganisch und ihr Auffinden für ein
                              									zufälliges Glük, weßhalb denn ihre technische Benuzung sich wenig verbreiten
                              									konnte.
                           Die am meisten gerühmten jener verschiedenen Erdarten Italiens, Frankreichs und
                              									Griechenlands habe ich nun seit einer Reihe von Jahren untersucht, und der Akademie
                              									auch seit 1836 schon mitgetheilt, daß die Erden von Santafiora, Ceyssat (nicht
                              									Ceypah) und Zante ihre Eigenthümlichkeit dem Umstande verdanken, daß sie
                              									Zusammenhäufungen unsichtbar kleiner Kieselschalen von Infusorien sind.
                           Die neueren Fortschritte in der Kenntniß des Einflusses der unsichtbaren kleinen
                              									Thiere haben meine Aufmerksamkeit nun auch auf die technische Anwendbarkeit
                              									derselben gelenkt, und da von vielen Seiten und auch von ganz praktischen Männern,
                              									wozu man doch den Bitruvius Pollio, römischen Baumeister
                              									des Kaisers Augustus, sowohl, als den Bergwerksdirector
                              									Hrn. Fournet in Lyon, zählen muß, die Nüzlichkeit des
                              									Infusorien-Thones (γῆ
                                 										ἀργιλώδης)
                              									für vierlei technische Zweke hervorgehoben worden ist, so scheint es mir zwekmäßig, in wissenschaftlicher
                              									Form auf die nahe Gelegenheit aufmerksam zu machen, welche man in Berlin sowohl, als
                              									wahrscheinlich im ganzen Spree- und Havelthale, ja wohl in allen unteren
                              									Flußgebieten und Küstenniederungen Deutschlands, wie aller Länder hat, diese
                              									Nüzlichkeit zu prüfen und anzuwenden.
                           Das unter den Häusern Berlins am Spreeufer liegende, zuweilen sehr mächtige
                              									Infusorienlager ist da, wo es frisch gegraben, silbergrau, trolen, pfeifenthonartig
                              									weiß aussieht, von ganz derselben Beschaffenheit wie das italienische und das
                              									französische, aber bedeutend mächtiger und ausgedehnter als jene. Durch die
                              									Gefälligkeit des Hrn. Geh. Bergraths Frick, Directors der
                              									königlichen Porzellanfabrik, habe ich einige Mauersteine anfertigen zu lassen
                              									Gelegenheit gehabt, von denen ich der Akademie einige Proben vorgelegt habe. Ein
                              									gewöhnlicher Mauerstein wiegt 7 bis 8 Pfd. und darüber. Ein fast eben so großer von
                              									dem Berliner Infusorienthon wiegt weniger als 2 Pfd. Mit Wachs überzogene Stüke
                              									schwimmen wie Kork auf dem Wasser. Das stärkste Porzellanofenfeuer schmilzt diese
                              									Steine nicht und verkürzt sie wenig. Durch Zusaz von etwas Thon oder Lehm wird die
                              									Festigkeit den gewöhnlichen Mauersteinen gleich, wohl sogar etwas besser, aber die
                              									Schwere nicht bis zur Hälfte erhöht.
                           Die übrigen Benuzungen zum Poliren, zum Formen, zum Ausfüttern aller Feuerstellen,
                              									besonders derer, welche starke Hizgrade zu erleiden haben, zu Brandmauern der
                              									Häuser, zum Bauen von steinernen Behältern oder Unterlagen auf Schiffen, reihen sich
                              									an jene des Wölbens und der gewichtloser zu haltenden inneren Bedekungen an, und
                              									werden, wie ich glaube, in neuer Zeit wie in der alten, mannichfachen Nuzen auch in
                              									Deutschland, Schweden, Finnland, Nordamerika gewähren, sobald die Anwendung mit der
                              									gehörigen Umsicht vorgenommen wird.