| Titel: | Ueber den gegenwärtigen Standpunkt der Versuche mit elektromagnetischen Maschinen; von M. H. Jacobi. | 
| Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. CVII., S. 437 | 
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                        CVII.
                        Ueber den gegenwaͤrtigen Standpunkt der
                           								Versuche mit elektromagnetischen Maschinen; von M. H. Jacobi.
                        Aus dem Bulletin scientifique de l'Académie de St.
                                 										Petersbourg; Bd. X. S. 71.
                           								Ein Vortrag des Verf. in der Akademie.
                        Jacobi, uͤber die Versuche mit elektromagnetischen
                           								Maschinen.
                        
                     
                        
                           Sie Alle kennen den Zustand, in welchem sich unsere Kenntniß des Elektromagnetismus
                              									beim Beginne meiner Versuche befand. Es war mir zwar gelungen, eine Maschine zu
                              									construiren, die mit verhältnißmäßig geringen Mitteln eine überraschende Wirkung
                              									darbot. Aber diese Construction war aus einem Tatonnement hervorgegangen und konnte
                              									noch keine legitime Grundlage haben. Diese festzustellen mit eben der Sicherheit,
                              									wie sie bei anderen Maschinen stattfindet, betrachtete ich als den eigensten Kern
                              									meiner Aufgabe. Diese Aufgabe resumirt sich in der einfachen Frage: welches Maximum
                              									von mechanischer Arbeit kann man durch die elektrolytische Auflösung einer gegebenen
                              									Quantität Zink erhalten? Um hiezu zu gelangen, war es erforderlich, zuvörderst die
                              									Geseze der elektromagnetischen Erregung und Anziehung, die Bedeutung der Dimensionen
                              									des Eisens, der Drahtumwikelungen u.s.w. zu erforschen. Eine Reihe von Arbeiten, die
                              									wir, mein verehrter College Hr. Lenz und ich,
                              									gemeinschaftlich in dieser Beziehung angestellt hatten, ist Ihnen von Zeit zu Zeit
                              									vorgelegt und im Bulletin scientifique abgedrukt worden.
                              									Eine größere Arbeit, die schon früher begonnen, im Laufe des vorigen Jahres
                              									fortgesezt worden, aber noch nicht ganz zu Ende hat geführt werden können, werden
                              									wir die Ehre haben, Ihnen nächstens vollständig vorzulegen. Einige der markantesten
                              									und für die Theorie der elektromagnetischen Maschinen wichtigsten Resultate dieser
                              									Arbeit habe ich mit meines Collegen Bewilligung vor etwa einem Jahre der brittischen
                              									Association in Glasgow vorgelegt. Diese Arbeiten beziehen sich aber größtentheils
                              									nur auf die statischen Zustände dieser Maschinen, und sie haben dem gegenüber, was
                              									man bei Maschinen überhaupt Leistung oder ökonomischen Effect nennt, gewissermaßen
                              									dieselbe Bedeutung, als die Untersuchungen über die Spannkraft der bei verschiedenen
                              									Temperaturen gesättigten Wasserdämpfe, in Bezug auf die Dampfmaschinen hatten. Wir
                              									wissen, wie es sich später aus andern Untersuchungen ergab, daß, ungeachtet diese Spannkraft in
                              									viel höherm Verhältnisse als die Temperatur wächst, dennoch Hochdrukmaschinen keine
                              									absoluten ökonomischen Vortheile gewähren. Wir werden später die Analogie mit den
                              									elektromagnetischen Maschinen näher bezeichnen, zunächst aber auf einen Unterschied
                              									aufmerksam machen, aus dem für unsern Gegenstand eine ungemeine Schwierigkeit
                              									erwächst. Es sind viele Versuche angestellt worden, aus denen sich mit Bestimmtheit
                              									die Quantität von Brennmaterial ergibt, dessen vollständige Verbrennung z.B. 1
                              									Kubikfuß Wasser in etwa 1700 Kubikfuß Dampf zu verwandeln vermag. Denken Sie sich
                              									diesen Dampf in ein Prisma mit beweglichem Boden eingeschlossen, und dann
                              									vollständig wieder zu einem Kubikfuß Wasser condensirt, nehmen Sie dann die
                              									Erfahrung zu Hülfe, daß der Druk der Atmosphäre auf jeden Quadratzoll 15 Pfd.
                              									beträgt, so können Sie leicht berechnen, daß Sie eine mechanische Kraft zu Ihrer
                              									Disposition haben, die im Stande wäre, etwa 3,672,000 Pfd. auf 1 Fuß Höhe zu heben.
                              									Sie haben hiemit zugleich das Maximum der Arbeit berechnet, welches die gegebene
                              									Quantität Brennmaterial zu produciren vermag. Es liegt im Begriffe des Maximums, daß
                              									es die Gränze ist, über welche nicht hinausgegangen werden kann. Die Verbesserungen,
                              									die an den Dampfmaschinen täglich gemacht werden, bezweken also nur, sich dieser
                              									Gränze mehr und mehr zu nähern, und im glüklichsten Falle sie zu erreichen. Eine
                              									solche Gränze numerisch angeben zu können, ja nur mit Bestimmtheit ihre Existenz zu
                              									wissen, ist ein unschäzbarer Gewinn für derartige Untersuchungen, die ohnedem in der
                              									Luft schweben und des Bodens ermangeln würden. Wir haben zugleich bei der obigen
                              									Betrachtung bemerkt, wie sich in dem Gange, welchen die Erscheinung nimmt, damit die
                              									Wärme eine Quelle von mechanischer Arbeit werde, nirgends eine Lüke befindet, wie
                              									sich nirgends etwas Mystisches darbietet, wie man auch gleich anfangs mit großer
                              									Bestimmtheit wissen mußte, auf welchen Punkt hin man seine Bemühungen zu richten
                              									hätte, um zu Resultaten zu gelangen. Ganz anders verhält es sich mit den
                              									elektromagnetischen Maschinen, bei denen, obwohl die Form der Erscheinung einfach
                              									ist, dennoch das Agens, mit welchem man es zu thun hat, in dichtes Dunkel gehüllt
                              									ist. Wissen wir doch nicht, was bei der galvanischen Thätigkeit Ursache oder Wirkung
                              									sey? Ist die Auflösung dieses Atoms Zink eine Nothwendigkeit oder ein lästiger
                              									Umstand? Die Wärme spricht zu uns auf die mannichfaltigste Weise, wir sehen und
                              									fühlen und messen, wie und mit welcher Kraft sie die Molecule der Körper in Bewegung
                              									sezt; aber schweigsam und starr, wie das Grab, ist das magnetische Eisen.
                           Vor etwa anderthalb Jahren hatte ich die Ehre der Akademie eine Note über die Geseze der
                              									elektromagnetischen Maschinen zu überreichen, worin dieser Gegenstand so weit
                              									erledigt ist, als es der gegenwärtige Zustand unserer Kenntnisse der dahin gehörigen
                              									Erscheinungen zuläßt. Die Ausdrüke, die ich für die Leistung der elektromagnetischen
                              									Maschinen erhalten habe, sind naturgemäß und von der überraschendsten Einfachheit.
                              									Wir ersehen daraus, daß bei jeder Art von Maschinen und Batterien die mechanische
                              									Arbeit in geradem Verhältnisse zur Zinkconsumtion steht und unabhängig von den
                              									Organen der Bewegung ist. Wie überall in der Natur ist auch hier die Wirkung eine
                              									definitive. Ich habe diese Geseze in ihren Details noch nicht einer strengen
                              									experimentellen Prüfung unterwerfen können, aber Alles ist vorbereitet, um die erste
                              									Muße, die mir gegönnt ist, zu dieser umfassenden Arbeit zu benuzen. Die Bestätigung
                              									dieser Geseze hat sich mir bis jezt nur im Allgemeinen und Großen ergeben, indem ich
                              									durch sie im Stande war, eine Masse von Erscheinungen zu erklären, die sich mir
                              									dargeboten und wozu bisher der Schlüssel gefehlt hatte. Jezt aber wird es
                              									nothwendig, die Constanten zu bestimmen und namentlich die mechanische Arbeit zu
                              									ermitteln, welche die elektrolytische Auflösung einer gegebenen Quantität Zink zu
                              									produciren vermag. Indessen mache ich Sie noch auf ein merkwürdiges Factum
                              									aufmerksam, das auch diese Bestimmungen nicht als absolute erscheinen läßt –
                              									ein Factum, das namentlich unsere Herren Collegen von der Chemie in Verwunderung
                              									sezen wird, indem es sich dahin ausspricht, daß dasselbe Atom Zink eine verschiedene
                              									mechanische Arbeit zu produciren vermag, je nachdem es in einer Zinkkupfer-,
                              									oder in einer Zinkplatinbatterie aufgelöst wird. In lezterm Falle ist z.B. diese
                              									Arbeit beinahe 1 3/4 mal größer, als im erstern; im Allgemeinen verhält sie sich
                              									aber wie die elektromotorische Kraft der zu den Batterien verwendeten Metalle. Die
                              									meisten bisher bekannten Aeußerungen des galvanischen Stroms sind demselben
                              									proportional; hier findet sich die erste Ausnahme, und es scheint mir, daß, wenn
                              									irgend eins, so ist es dieses Factum, welches jene wichtige, annoch schwebende Frage
                              									über die chemische oder Contacttheorie zu Gunsten der lezteren zur Entscheidung
                              									bringen müsse.
                           Die definitiven Wirkungen kann man gewissermaßen als die logischen Kategorien in den
                              									exacten Wissenschaften bezeichnen. Sie sind von so durchgreifender Bedeutung, indem
                              									sie der Wissenschaft einen Boden geben und ihre peremtorische Richtung bestimmen.
                              									Man hat also wohl das Recht, die Bemühungen um die elektromagnetischen Maschinen
                              									nicht für fruchtlos zu halten, da sie zu diesem Resultate geführt haben, das, wenn
                              									es mehr entwikelt worden, noch andere Aufklärungen verspricht.
                           
                           Ich will noch erwähnen, daß die großen, beinahe wunderbaren Erwartungen, die man in
                              									Deutschland hegte und laut aussprach, ja nach einer Ihnen neulich mitgetheilten
                              									Correspondenz vielleicht noch hegt, durch die angeführten Geseze auf ihr richtiges
                              									Maaß zurükgeführt werden. Von der Anordnung der Organe der Bewegung läßt sich
                              									allerdings noch manches, von ihrer bloßen Vergrößerung oder Vermehrung mit
                              									Beibehaltung derselben Batterien nichts erwarten. Ich darf es aber wohl nicht
                              									verläugnen, daß wir auch bei unsern Arbeiten hier solchem Irrthume unterlagen und
                              									daß manche bittere Enttäuschung vorherging, ehe wir zu dieser Erkenntniß
                              									gelangten.
                           Ich darf Sie nicht ermüden mit der Vorzählung und Beschreibung der mannichfaltigen
                              									Apparate, welche zu unseren Versuchen construirt worden sind, um so weniger, da vier
                              									unserer Herren Collegen den Gegenstand in allen Details zu verfolgen officielle
                              									Veranlassung hatten. Aber ich will erwähnen, daß durchaus locale Verhältnisse die
                              									Ausführung dieser Arbeiten mit ungemeinen und ermüdenden Schwierigkeiten umgaben,
                              									Schwierigkeiten, die sich mit dem Maaßstabe der Maschinen und zulezt beinahe bis zum
                              									Unerträglichen steigerten. Die im verflossenen Herbste unternommenen Versuche,
                              									welche aus Gründen, die dem Elektromagnetismus eigentlich völlig fremd sind, den mit
                              									dem legitimsten Rechte gehegten Erwartungen nicht entsprachen, liefern die Belege
                              									hiezu. Aus diesen vielen und in großem Maaßstabe angestellten Versuchen habe ich
                              									keine positiven und exacten Maaßbestimmungen ziehen können und auch nicht ziehen
                              									wollen; wer mochte auch Messungen anzustellen geneigt seyn mit Apparaten, bei denen
                              									die theils aus der Anordnung, theils aus der Construction hervorgehenden
                              									Fehlerquellen in so überwiegendem Maaße vorhanden waren. Es wäre unbillig gewesen,
                              									diese Fehler der elektromagnetischen Kraft zum Nachtheile anrechnen zu wollen.
                              									Indessen wird es, wie ich schon oben erwähnt habe, hoffentlich nicht zu lange
                              									dauern, bis diese Lüke ausgefüllt ist, die es bis jezt noch verhindert, den
                              									Standpunkt scharf zu bezeichnen, auf welchem sich diese Angelegenheit gegenwärtig
                              									befindet. Aber wenn auch, wie es beinahe vorauszusehen ist, der ökonomische Vortheil
                              									sich noch auf die Seite der älteren Motoren neigen wird, so haben die
                              									elektromagnetischen Maschinen nichtsdestoweniger eine Zukunft, die ich mir
                              									anzudeuten erlauben will.
                           Ich betrachte den mechanischen Theil, die Anordnung der Organe der Bewegung nämlich,
                              									als beinahe abgeschlossen. Verbesserungen in dieser Beziehung sind zwar möglich; sie
                              									können sich aber ihrer Natur nach nur allmählich entwikeln und würden, wie ich
                              									glaube, die Frage nicht zur Entscheidung bringen. Anders verhält es sich indessen
                              										mit der Erzeugung
                              									der galvanischen Thätigkeit, welche als die Quelle dieser Kraft zu betrachten ist.
                              									Hier treten wir auf einen Boden, der eine reiche Aussicht eröffnet. Wir sehen
                              									zunächst, daß es sich bei der ökonomischen Frage eigentlich nur darum handelt, dem
                              									in den galvanischen Batterien gebildeten Zinksalze eine ausgedehntere technische
                              									Anwendung und somit einen sichern Absaz zu verschaffen, welcher die Kosten der
                              									elektromagnetischen Maschinen ganz oder zum Theil dekte. Daß dieses unmöglich sey,
                              									läßt sich nicht vorweg absprechen; hat doch erst neuerdings Hr. Dumas in einem Berichte an die Pariser Akademie von der
                              									Verzinkung eiserner Gegenstände auf nassem Wege als von etwas höchst Wichtigem
                              									gesprochen. Die Substituirung des Eisens für das Zink erscheint keineswegs
                              									unmöglich, auch hiedurch würden sich die Unterhaltungskosten vermindern lassen.
                              									Gehen wir von den Kupfervitriolbatterien aus, so denken Sie sich z.B. eine große
                              									Anstalt zur Anfertigung galvanoplastischer Gegenstände. Mit demselben Atom Zink oder
                              									Eisen, womit Sie das Kupfer in cohärenter, den technischen oder künstlerischen
                              									Bedürfnissen entsprechender Configuration darstellen, können Sie zugleich ein
                              									gewisses Quantum von mechanischer Arbeit gewinnen. Statt des reinen Kupfervitriols
                              									können Sie, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, auch solches anwenden, das mit
                              									Eisensalzen stark verunreinigt ist, ja sogar die zu Cementkupfer bearbeiteten
                              									Kupferwasser. Ich will es anführen, daß man z.B. solches Cementkupfer jährlich etwa
                              									16 bis 18000 Pud gewinnt. Welche beträchtliche bewegende Kraft könnte man nicht
                              									hiedurch nebenbei erlangen, wenn man das zur Fällung verwendete Eisen auf eine
                              									rationelle Weise elektrolytisch auflöste? Die Kraft wäre freilich nur an
                              									Localverhältnisse gebunden, was indessen gewissermaßen auch bei den Dampfmaschinen
                              									der Fall ist. Noch vielen anderen metallurgischen Processen steht eine von der
                              									Elektrochemie ausgehende Reform bevor; auch hier würde man als Nebenproduct
                              									mechanische Arbeit erhalten. Ich meine daher, man würde anfänglich die Sache lieber
                              									umkehren müssen. Man errichte die galvanischen Batterien nicht um der
                              									elektromagnetischen Maschinen willen, sondern baue solche Maschinen da, wo
                              									galvanische Batterien, oder elektrolytische Processe im Allgemeinen, anderer Zweke
                              									wegen eingeführt sind, oder eingeführt seyn könnten, in den Münzwerkstätten, z.B.
                              									auf Kupferhütten oder bei anderen Gelegenheiten, von denen ich im zweiten Theile
                              									meines Berichtes noch zu sprechen gedenke.
                           Wenn nun bei der Förderung unserer Aufgabe die Verbesserung und Vereinfachung der
                              									galvanischen Batterien immer als die Lebensfrage erscheint, so müssen sich die
                              									elektromagnetischen Maschinen von selbst einstellen, wenn, wie es der nächsten
                              									Zukunft unfehlbar vorbehalten ist, die elektrolytischen Processe eine größere und
                              									allgemeinere Verbreitung erhalten. Der Impuls, der in dieser Beziehung erst seit ein
                              									paar Jahren gegeben worden, hat schon jezt sich der unerwartetsten Erfolge erfreut,
                              									die nicht verfehlen werden, eine günstige Rükwirkung auszuüben. Es wäre daher eine
                              									unverzeihliche Einseitigkeit, wenn ich Untersuchungen, die auf diesem Gebiete
                              									geführt werden, als nicht zu den elektromagnetischen Maschinen gehörig betrachten
                              									oder gewissermaßen proscribiren wollte, weil ihre Resultate sich noch nicht geradezu
                              									mit Händen greifen lassen. Die Phänomene, mit denen wir es zu thun haben, sind so
                              									vielseitig und reichhaltig, daß, sollte es uns nicht gelingen das Problem zu lösen,
                              									indem wir es direct angreifen, wir dennoch nicht verzweifeln dürfen, es von dieser
                              									oder jener Seite her zu bewältigen. Ergeben die vorgesezten Untersuchungen, daß Zink
                              									zu kostspielig ist, so wird man sich ganz einfach darum bemühen müssen, ein
                              									Verfahren zu finden, um dasselbe billiger zu stellen, und so die Zukunft dieser
                              									Maschinen zu sichern. Aber an einem Boden muß man sich festhalten, und das ist der
                              									Boden wissenschaftlicher Entwikelung. Man gebe uns nur Zeit; doch sind wir leider in
                              									dem Falle, daß wenn es dem Astronomen gegönnt ist, sich wissenschaftliche Denkmale
                              									für eine ferne Zukunft zu errichten, unsere Gegenwart begierig darauf wartet ihre
                              									Kinder zu verschlingen, sobald sie sich nur dem Mutterschooße entwunden.