| Titel: | Ueber das mechanische Gerbeverfahren und andere neuere Verbesserungen in der Gerberei. | 
| Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. XVI., S. 62 | 
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                        XVI.
                        Ueber das mechanische Gerbeverfahren und andere
                           neuere Verbesserungen in der Gerberei.
                        Aus dem Echo du monde savant, 1843, No. 10, No. 12 und No.
                              14.
                        Ueber das mechanische Gerbeverfahren und neuere Verbesserungen in
                           der Gerberei.
                        
                     
                        
                           In der neueren Zeit wurden in der Gerberei viele Verbesserungen gemacht. Ein neues
                              Verfahren, welches am meisten verspricht, die mechanische Gerberei, gestattet das
                              Gerben der Ochsenhäute in 90 Tagen, der Kühhäute in 60, der Kalbfelle in 30 Tagen,
                              während man zu ersteren sonst 1 1/2 Jahre, zu den zweiten 1 Jahr und zu den lezteren
                              8 Monate brauchte, und dabei ist überdieß für alle Perioden des Processes die
                              Schwefelsäure verbannt.
                           Die ohne alle Zubereitung getrokneten Häute faulen bekanntlich leicht, ziehen Wasser
                              ein und verderben durch wiederholte Reibung. Allem dem wird aber begegnet und sie
                              werden zu unserer Fußbekleidung tauglich gemacht durch Benuzung der ihnen, so wie
                              allen thierischen Geweben gemeinen Eigenschaft, sich mit dem Gerbestoff innig zu
                              verbinden. Taucht man ein Stük Haut in eine wässerige Lösung von Gerbestoff oder in
                              den Absud irgend einer adstringirenden Substanz, so entzieht sie dem Wasser
                              allmählich lezteren Stoff, so daß es nach einer gewissen Zeit keine Spur mehr davon
                              enthält. Die dadurch erhaltene Verbindung ist sehr zähe, gänzlich unauflöslich, der
                              Fäulniß nicht fähig und kann abwechselnd Trokne und Feuchtigkeit vertragen, ohne
                              Wasser zu absorbiren. Darauf beruht die Theorie des Gerbens oder des Processes, die
                              Thierhäute in Leder umzuwandeln.
                           Das Gerben schreibt sich aus der ältesten Zeit her; aber erst seit vier Decennien machte diese
                              Kunst ungeheure Fortschritte, vorzüglich durch die Bemühungen mehrerer Chemiker,
                              u.a. Séguins; sie hat jedoch keineswegs schon ihre
                              höchste Stufe erreicht.
                           Es wäre überflüssig, uns über die Wichtigkeit dieses Industriezweiges hier zu
                              verbreiten; vor einigen Jahren hat Say die Anzahl der in
                              Frankreich verfertigten Schuhe auf 100,000,000 Paare geschäzt und den Arbeitslohn
                              auf 300,000,000 Fr.
                           Die Hauptaufgabe beim Gerben, deren Lösung große Schwierigkeiten darbietet, besteht
                              darin, die Verbindung des Gerbestoffs mit den Bestandtheilen der Haut vollkommen und
                              in kurzer Zeit herbeizuführen, ohne daß leztere irgend eine nachtheilige Veränderung
                              erleidet.
                           Die rohe Haut ist wie folgt zusammengesezt:
                           
                              
                                 Haare, Epidermis, Gelenkgewebe,anhängendes Fleisch, welche
                                    entferntwerden können.
                                 
                                    
                                    
                                 WasserZell- und faseriges
                                    GewebeEiweißFleischextractIn Alkohol lösliche
                                    SubstanzFettstoff in wandelbaren Mengen
                                   57,5  32,55    1,55    7,6    0,8
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Vauquelin's mechanisches GerbeverfahrenVauquelin's Verfahren mit dem Bericht von Dumas über
                                    dasselbe wurde schon im polyt. Journal Bd.
                                       LXXXIII. S. 208 mitgetheilt; hier ist es zum Theil ausführlicher
                                    beschrieben. Die Maschinen, welche dabei gebraucht werden, ließ sich Poole in England patentiren; sie sind im polyt.
                                    Journal Bd. LXXXIII S. 365
                                    beschrieben und abgebildet. A. d. R., welches vorzugsweise unsere Beachtung verdient, besteht darin, die Häute,
                              nachdem sie wie sonst, nur nicht so lange, gewässert wurden, der Wirkung des Dampfes
                              in einer Kammer oder eines Stromes lauwarmen Wassers auszusezen, dessen gemäßigte
                              Einwirkung die Haut schwellen macht, so daß das grobe Haar leichter ausgerissen
                              werden kann, während man das Fleisch von der Haut dadurch entfernt, daß man sie über
                              einen Cylinder ausspannt und mit dem Schabemesser
                              behandelt, welches sie ganz rein herstellt, so daß nur der wahrhaft nüzliche Theil
                              dem Gerbeproceß unterworfen zu werden braucht. Die Schabsel können zur
                              Leimfabrication verwendet werden, während sie vom schon gegerbten Leder gewonnen
                              nicht mehr nuzbar sind. Es gewährt diese Behandlung den Vortheil, daß die Flußarbeit
                              erspart wird, bei welcher sich ein so übler Geruch entwikelt und wobei die Haut
                              überdieß durch die große Menge Kalk, von welcher sie durchdrungen wird und die
                              schwer ganz daraus zu entfernen ist, Schaden leidet.
                           Die Häute, namentlich wenn sie geschwellt sind, verderben schnell, wenn man sie
                              liegen läßt; da sie aber nicht sogleich verarbeitet werden können, bringt sie Hr. Vauquelin, wenn sie vom Dampfe oder dem lauwarmen Wasser
                              herkommen, in ein sehr schwaches Kalkwasser, dessen er sich statt der gewöhnlichen
                              Kalkmilch bedient; statt dann das Wasser mittelst des Puzmessers oder der Presse
                              wieder herauszuziehen, spannt er die Häute auf Rahmen mit doppelten Klingen, die
                              sich an der Schabmaschine befinden, und zieht dadurch das Wasser mit weit weniger
                              Kosten an Arbeitslohn heraus. Die Häute kommen nun in eine Walkmühle; die hölzernen,
                              durch Däumlinge in Bewegung gesezten Hämmer schlagen auf die Häute, welche durch die
                              Beweglichkeit des Kastens, worin sie sich befinden, successive ihrer Wirkung
                              ausgesezt werden; lauwarmes Wasser oder ein Dampfstrom hat in diesen Kasten
                              Zutritt.
                           Um das Treiben zu bewerkstelligen, kommen die Häute in
                              Behälter, worin sich auf einem horizontalen Wellbaum krumme oder gerade Pflöke
                              befinden; sie werden von lezteren in schwacher, lauwarmer Lohbrühe gewendet. Man
                              behandelt nun die Häute so oft in der Walkmühle und dem Behälter mit Pflöken in
                              starker Lohbrühe, bis die Gerbung vollendet ist.
                           Der Stoß der Hämmer macht die Häute geschmeidig, daher der Gerbestoff in sie dringt,
                              ohne ihr Gefüge zu beschädigen; die Folge davon ist, daß die Gerbung sehr schnell
                              vor sich geht, gleichförmig ist und sich mit Häuten vornehmen läßt, welche der
                              gewöhnlichen Behandlung widerstehen. So wird von Vauquelin aus dem Kreuzleder der Pferde
                              (Schwanztheil der Haut) Leder bereitet, welches sich zu Militärstiefeln eignet,
                              während dieser Theil bisher nur zu Sattlerarbeit verwendet werden konnte. Die durch
                              die zu hohe Temperatur des Klima's ihrer Heimath zu stark ausgetrokneten oder von
                              Natur aus für das gewöhnliche Gerbeverfahren zu trokenen Häute liefern ebenfalls
                              sehr schöne Producte.
                           Das Zurichten. Man spannt die Haut über eine starke Tafel
                              aus, besprengt sie mit Wasser, tritt sie mittelst einer am Ende eines Armes
                              befestigten Holzmasse, die mit Pflöken versehen ist, ein, oder auch mittelst der mit
                              starken Schuhen bekleideten Füße und entfernt mit dem Schabeisen alles Fleisch, um
                              der Haut eine gleiche Dike zu geben. Man breitet über eine starke Tafel zwei Häute,
                              mit der Narbenseite gegen einander gekehrt, aus und macht die Haut mittelst eines
                              auf seiner oberen Seite gebogenen Holzes, dem Krispelholze (Pommelle genannt) oder eines anderen (Marguerite genannten) Instrumentes geschmeidig, indem man sie auf allen
                              Punkten stark damit reibt; eben so verfährt man dann mit der Narbenseite.
                           Die Haut wird nun auf den Marmor gespannt und mit einer Kupfer- oder
                              Eisenplatte mit stumpfen Schneiden gekrazt. Zulezt wird sie mit einem nur wenig
                              geschliffenen kreisrunden Messer, der Schlichtklinge oder dem Schlichtmonde noch
                              vollends zugerichtet.
                           In diesem Zustande aber hätten die Häute noch nicht die gehörige Geschmeidigkeit und
                              übrigen Eigenschaften; man tränkt daher die Narbenseite derselben noch mit einer
                              Mischung von Thran und Kali, und auf diese Weise wohl zugerichtet, werden sie in
                              Haufen aufgeschichtet, mit der Fleischseite in Thran gesezt, worauf man sie
                              aufgehangen troknen läßt; nachdem das überflüssige Fett hinweggenommen, puzt man
                              noch einmal mit dem englischen Messer und wichst.
                           Die nach dem gewöhnlichen Verfahren zugerichteten Häute verlieren beim Zurichten
                              dadurch, daß man mit dem Schabeeisen alle fremdartigen Theile entfernen muß, welche
                              bei der Flußarbeit nicht weggebracht werden konnten; beim Vauquelin'schen Verfahren aber verschafft die Tripparbeit mittelst seines
                              Schabemessers, welches Felle mit bloßgelegten Adern gibt, dem Gerber ein größeres
                              Gewicht.
                           Die Beine und Vorderfüße können bei diesem Verfahren in einem gebogenen Zustande
                              zugerichtet werden, ohne ihre Form zu verlieren, was von großem Vortheil ist.
                           Zwischen der Dauer des gewöhnlichen Gerbens und der mechanischen Gerberei ist gar
                              kein Vergleich anzustellen; bei der lezteren dauert das Einweichen der Häute, je nach ihrer Art, nur 24 bis 48 Stunden; das Stampfen dauert 1/2 Stunde bis eine Stunde; das Enthaaren, welches in der mit Pflöken versehenen Kufe,
                              einer Art mechanischen Trogs, vorgenommen wird, der 20 Duzend Häute aufnehmen kann,
                              erheischt nur 12 Stunden. Nimmt man dieses Enthaaren in dem Fasse mit Pflöken vor,
                              einem Cylinder, welcher 12 Duzend Häute faßt, so braucht man dazu nur eine Stunde.
                              Das Treiben, welches ebenfalls in der Kufe mit Pflöken
                              geschieht, in welche 310 Theile Wasser und 75 Th. Lohe kommen, dauert nur 5
                              Stunden.
                           Man sieht, daß durch dieses Verfahren das Gerben sehr schnell vor sich geht; es ist
                              auch zu bemerken, daß das so bereitete Leder einer Temperatur von 80° R.
                              widersteht.
                           Folgende weitere Verbesserungen erfuhr die Gerberei in neuerer Zeit.
                           Hr. Félix Boudet in St. Germain empfahl die Häute
                              mittelst Aeznatrons zu enthaaren. Auf 1000 Pfd. Häute nimmt man 20 Pfd.
                              krystallisirte Soda und 15 Pfd. gebrannten und gelöschten Kalk, welche man mit
                              Wasser in die Aescher bringt. In 2 bis 3 Tagen schon ist der Proceß beendigt.
                           Beide Methoden, das Enthaaren mit Kalk und mit äzendem Natron, haben ihre Vorzüge und
                              ihre Nachtheile. Das mit Kalk nämlich ist gut für dike Häute und schlecht für die
                              dünnen, wie z.B. der Schafe, Kälber etc., weil sie leicht verderben, wenn der Kalk
                              nicht ganz vollkommen gelöscht ist.
                           Ferner bildet der Kalk im Innern der Haut unlösliche Kalksalze; auch absorbirt er
                              Gerbestoff, es bildet sich gerbesaurer Kalk, der rein verloren geht. Dieß sind große
                              Fehler, welche die mit Natron entstehenden Salze nicht haben, weil sie bekanntlich
                              auflöslich sind. Der einzige Uebelstand, welcher aus einer fehlerhaften Anwendung
                              des Natrons hervorgehen könnte, ist, daß ein Uebermaaß davon die Haut zu weich
                              machen würde. Uebrigens absorbiren die Häute durch das Natron mehr Gerbestoff. Es
                              gibt noch ein Verfahren die Haare zu beseitigen, und zwar ohne sie zu berühren; es
                              ist dieß das Enthaarungsverfahren der Orientalen. Man macht eine teigige Mischung
                              von Kalkhydrat Und Operment (gelbem Schwefelarsenik), welche 1 Linie dik auf die
                              Haarseite der Haut aufgetragen wird.Dr. Rudolph Böttger
                                    empfahl anstatt dieses Gemenges das direct bereitete
                                    schwefelwasserstoffsaure Schwefelcalcium anzuwenden, welches sein wirksamer
                                    Bestandtheil ist (man sehe polytechn. Journal Bd. LXXII. S. 455 und Bd. LXXIX. S. 226). Nur der Umstand,
                                    daß sich die Gerber dieses Präparat nicht wohl selbst darstellen und es auch
                                    nicht im Handel beziehen können, scheint seine so wünschenswerthe Anwendung
                                    bisher verhindert zu haben.A. d. R.
                              
                           Die Enthaarung hat noch andere Verbesserungen erfahren. Man ließ vorerst die Häute
                              eine anfangende Fäulniß eingehen, wodurch man Hufe und Klauen ablösen konnte. Sodann
                              bediente man sich des Dampfes; zu diesem Behuf spannte man die Häute in einem
                              verschlossenen Raume aus, in welchen man den Dampf eintreten ließ. Die HHrn. Ogerau und Sterlingue, zwei
                              unserer vorzüglichsten Gerber, haben diese Methode zuerst in ihren Gerbereien
                              eingeführt.
                           Bekanntlich besteht Seguin's Verfahren des Schwellens der
                              Häute darin, sie nach dem Enthaaren in Wasser, welches anfangs mit 1/1500, und nach
                              und nach bis 1/100 Schwefelsäure augesäuert wird, einzuweichen. Nach 48stündigem
                              Einweichen sind die Häute hinlänglich geschwellt und haben bis in ihr Inneres eine
                              gelbe Farbe angenommen. Schneidet man ein Ekchen von einer solchen Haut ab, so
                              gewahrt man keine weißen Streifen mehr darin und sie hat durch und durch eine gelbe
                              Farbe und Durchscheinenheit angenommen. Die im Handel sehr wohlfeile Schwefelsäure
                              wird jezt allerwärts in den Gerbereien täglich zum Schwellen, in manchen sogar zum
                              Enthaaren der Häute angewandt. Ein jeder modificirt dieses schnelle
                              Schwellungsmittel nach seiner Art. Einige Gerber verdünnen die Säure mit einer großen Menge
                              gewöhnlichen Wassers; andere bringen eine ganz kleine Portion in die mehr oder
                              weniger starke Lohbrühe.
                           Worauf beruht nun diese Schwellmethode? Bringt man Hausenblase (Fischleim) in Wasser,
                              so schwellt sie nach und nach um die Hälfte ihres Volums auf; außerordentlich aber
                              schwellt sie auf, wenn man sie in mit Wasser verdünnte Schwefelsäure bringt. Der so
                              geschwellte Leim nun verliert, in Gerbestofflösung gebracht, seine Geschmeidigkeit,
                              wird hart, mit einem Worte, wird gegerbt.
                           Die intelligenten Gerber streben stets dahin, die Einwirkung der Schwefelsäure zu
                              schwächen; denn sie wissen wohl, daß das schlechte Leder, wenn es erwärmt wird,
                              bricht, indem die Schwefelsäure nicht flüchtig ist, sich daher concentrirt und das
                              Leder gänzlich desorganisirt. Diese Säure wird schon wieder weniger angewandt. Hr.
                              Dumas äußerte sich in einer seiner lezten Vorlesungen
                              im vorigen Jahre dahin, daß die Säure in nicht sehr langer Zeit ohne Zweifel ganz
                              außer Gebrauch kommen werde. Wir haben oben schon gesehen, daß in der mechanischen
                              Gerberei des Hrn. Vauquelin die Schwefelsäure bereits
                              verpönt ist.
                           Vor einigen Jahren machte man in England den Versuch der Schnellgerbung mittelst
                              gewaltsamer Hindurchtreibung der Lohbrühe durch die Haut. Man erzwekte dadurch eine
                              vollkommene Gerbung aller mit dem Gerbestoff in Berührung kommenden Punkte der Haut;
                              man hätte aber voraussehen können, daß alle solche Punkte durch Zwischenräume
                              getrennt sind, welche die Flüssigkeit hindurch ließen, so daß die Haut zu einem
                              wahrhaften siebförmigen Nez mit unzähligen Poren wird. Dieses Verfahren fand keinen
                              weitern Eingang.
                           Für dünne Felle bedient man sich übrigens schon seit langer Zeit der sogenannten Dänisch-Gerberei, eines dänischen Verfahrens,
                              welches darin besteht, die Felle wie Säke zusammenzunähen, mit Lohe und Wasser
                              anzufüllen, zuzunähen und in mit Lohe und Wasser angefüllte Gruben zu legen. Zwei Monate sind zu dieser Art von Gerberei
                              hinlänglich.
                           Auch kann man die Gerbung sehr beschleunigen, indem man auf die in den Kufen
                              liegenden Häute die mittelst einer Pumpe aufgesammelte Lohbrühe strömen läßt. Im
                              Jahre 1835 nahm Hr. Loisel für dieses Verfahren ein
                              Patent.
                           Die gegerbten Häute enthalten eine große Menge Wasser, wovon wenigstens ein Theil
                              entfernt werden muß; man hängt sie zu diesem Behuf auf Böden auf, welche mittelst
                              beweglicher Läden nach Belieben gelüftet werden. Allein die hygrometrische
                              Veränderlichkeit der Luft und der Temperaturwechsel machen die Austroknung sehr unregelmäßig und
                              langwierig. In viel kleineren Räumen kann man durch Ventilatoren mit
                              Centrifugalkraft das Leder schnell troknen (man vergl. polyt. Journal Bd. LXXXI. S. 56) und hiemit einem Uebelstand
                              der Lederbereitung abhelfen.
                           Hrn. Ogerau gelang es erst kürzlich, die Dauer des Gerbens
                              durch eine neue Methode sehr zu verkürzen. Sein Verfahren kann Gerbung durch fortgesezte Filtration für das dike Sohlenleder genannt
                              werden. Bekanntlich erreichte man die Gerbung der kleinen Häute durch Kneten
                              derselben mit der Rinde; dieses Kneten macht, indem es den Hautnerv bricht, die Haut
                              zarter und für die Gerbung empfänglicher; die so behandelte Haut bleibt weich,
                              seidenzart und zu ihrer Anwendung tauglich. Hr. Ogerau
                              gerbt auf diese Weise jährlich eine bedeutende Menge kleiner Häute. Das dike
                              Sohlenleder hingegen muß den Nerv, die Cohäsion und Festigkeit, welche die Güte der
                              Sohle bedingen, behalten und durfte daher nicht wie die kleinen Felle behandelt
                              werden. Es mußte in seine Zubereitung Bewegung und Leben gebracht werden, ohne daß
                              es jedoch zerklopft oder sonst in seinem Zusammenhang verändert würde. Folgende
                              Einrichtungen traf hiezu Hr. Ogerau.
                           Die bis zum Erdboden herauf angehäuften Gruben in den Höfen, dem Witterungswechsel
                              der verschiedenen Jahreszeiten ausgesezt, schienen ihm nicht geeignet zu seyn; er
                              brachte dieselben daher über dem Erdboden, an einem verschlossenen und bedekten Ort
                              an, so daß jedoch die Luft, je nach den Jahreszeiten nach Belieben zugelassen werden
                              kann, möglichst stark nämlich bei mäßiger Temperatur und wieder schüzend vor Frost
                              und großer Hize.
                           Nach ihrer ersten Behandlung, dem Enthaaren und Schwellen, werden die Häute wie
                              gewöhnlich in diese Gruben gebracht, jede mit einer Schicht Lohe bedekt.Seit einigen Jahren ersezen mehrere Gerber die Lohe ganz oder zum Theil durch
                                    das Dividivi oder Divi, dem Auswuchs eines amerikanischen Baumes. Die bis auf 1 Fuß von ihrer Mündung beschikte Grube wird nun mit Wasser
                              angefüllt. Die Grube ist unten mit einem Doppelboden mit einigen kleinen Oeffnungen
                              versehen, welche bloß Flüssigkeit hindurchlassen. Aus dem Doppelboden gelangt die
                              Flüssigkeit in einen Recipienten, woran eine Pumpe angebracht ist, welche dieselbe
                              Brühe wieder oben in die Grube schafft; hiedurch ist eine fortgesezte Circulation
                              der Flüssigkeit hergestellt, die, wenn sie sich oben in der Grube befindet, durch
                              die Masse hindurchzieht und im Recipienten anlangt, von wo aus sie wieder auf die
                              Oberfläche gebracht wird. Während dieses Uebergangs nimmt sie Luft in sich auf und gelangt
                              verstärkt wieder auf die Felle. Bei diesem Verfahren kann die Stärke der Brühe jeden
                              Augenblik geprüft werden und der geübte Fabrikant kann sie nach seinem Gutdünken
                              vermindern oder erhöhen.
                           Die Felle bleiben so einen Monat in der ersten Lohe, 6 Wochen in der zweiten und eben
                              so lange in der dritten; bis dahin ist das Fell ganz durchdrungen.
                           Die gerbenden Substanzen werden gerade so wie gewöhnlich angewandt; jede Haut wird
                              auf dieselbe Weise wieder eingelegt. Die Arbeit ist dabei dieselbe. Da sich die
                              Flüssigkeit nur sehr langsam im Recipienten sammelt, so braucht man nur ein paar
                              Augenblike, um sie wieder über die Grube zu bringen; ein Arbeiter verrichtet dieß
                              bei mehreren Gruben täglich in zwei Stunden.
                           Die so erhaltenen Felle haben dieselbe Beschaffenheit, Farbe, dasselbe Aussehen und
                              Gewicht wie die auf gewöhnliche Art zubereiteten. Man wird daher die Wichtigkeit des
                              neuen Ogerau'schen Verfahrens einsehen, wenn es im Großen
                              eingeführt wird.
                           Drei bis vier Monate reichen hin zur Bereitung des diken Sohlenleders, statt 18 bis
                              20 Monate, die man in Frankreich, und 2, 3 bis 4 Jahre, die man in Belgien unter
                              übrigens gleichen Umständen braucht.
                           Der schon erwähnte Hr. Sterlingue besizt eine Maschine,
                              welche in der Stunde 1500 Kilogr. Eichenrinde zerhaken kann. Er hat sich zuerst
                              eines Walkapparats bedient, um die von Buenos-Ayres kommenden Häute recht
                              geschmeidig zu machen; auch war er es, wenn wir nicht irren, der das mechanische
                              SchlagenDas Nähere darüber findet man im polyt. Journal Bd. LXXXVI. S. 418. des Sohlenleders statt des Schlagens mit der Hand einführte.
                           Wir schließen diese Abhandlung mit einigen Worten über ein in jüngster Zeit von Hrn.
                              D'Arcet vorgeschlagenes neues Gerbeverfahren.
                           Das Gerben mittelst des schwefelsauren
                                 Eisen-Sesquioxyds ist ein ganz neues Verfahren, für welches ein
                              Patent gelöst wurde. Es ist einfach und nicht kostspielig, dauert sehr kurze Zeit
                              und das Material dazu ist sehr wohlfeil. Die Auflösung des schwefelsauren
                              Eisenoxydul-Oxyds bringt, in eine Gallerte- oder Eiweißlösung
                              geschüttet, einen reichlichen Niederschlag hervor, welcher consistent und dem durch
                              Gerbestoff erhaltenen ähnlich ist. Es können demnach die vorher präparirten Häute in
                              eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul-Oxyd gelegt werden, um sie zu
                              gerben.
                           
                           Ein Uebelstand findet vielleicht dabei statt, daß nämlich das Salz eine gewisse Menge
                              freier Schwefelsäure im Fell zurükläßt; ferner stören die Eisensalze den
                              Zusammenhang der organischen Materie, welchem leztern Uebelstande nach Hrn. Dr. Boucherie jedoch durch
                              Anwendung von Leinöhl abgeholfen werden kann. – Man macht also diesem
                              Verfahren denselben Vorwurf wie dem Seguin'schen; man
                              glaubt, daß das Leder nach einiger Zeit brechen könnte, wenn es die beim Zurichten
                              zugesezte fette Substanz verliert; demnach müßte man seine Fußbekleidung aus solchem
                              Leder immer mit fetten Substanzen imprägniren.
                           Dieses Gerbeverfahren geht sehr schnell vor sich; vier
                                 Tage reichen für dünne Felle hin; acht Tage für dike Häute. Im Allgemeinen
                              kann diese Methode in manchen Fällen vortheilhaft seyn; ehe man sie verdammt, muß
                              sie jedenfalls durch die Erfahrung geprüft werden.
                           Vor einigen Monaten machte Hr. Valery-Hannoye ein
                              auf die Anwendung der Real'schen Filterpresse beruhendes Gerbeverfahren bekannt. Durch dasselbe sollen
                              Kalbfelle in 20 Tagen, Ochsenhäute in 60 Tagen gegerbt werden. (Siehe polytechn.
                              Journal Bd. LXXXVII. S. 157.)
                           Auch Hr. Warington hat erst vor ein paar Monaten ein
                              neues, das gewöhnliche an Schnelligkeit übertreffendes Gerbeverfahren vorgeschlagen
                              (polytechn. Journal Bd. LXXXVII. S. 157).
                              Allein wir fürchten sehr, daß dasselbe als zu kostspielig keinen Eingang finden
                              werde.
                           Im Allgemeinen ist das Gerben, wie es noch größtentheils in den großen Gerbereien von
                              Paris und seinen Umgebungen, in ganz Frankreich und dem Ausland betrieben wird, ein
                              äußerst langwieriger Proceß, erfordert große Capitalien und sezt unangenehmen
                              Wechselfällen aus. Die Gerberei macht daher heutzutage mehr noch einen Handelszweig,
                              als einen Industriezweig aus; sie erheischt von demjenigen der sie treibt, alle
                              Eigenschaften des Kaufmanns, während er zugleich Techniker seyn muß. Die Kosten des
                              Brennmaterials und der Triebkraft, welche bei den meisten Industriezweigen eine so
                              große Rolle spielen, werden hier von Zeit- und Geldkosten vertreten.