| Titel: | Ueber bleifreie Glasuren für Töpfergeschirre, insbesondere über die bleifreie Glasur der Gebrüder Hardtmuth in Wien. | 
| Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. XXXIV., S. 136 | 
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                        XXXIV.
                        Ueber bleifreie Glasuren fuͤr
                           Toͤpfergeschirre, insbesondere uͤber die bleifreie Glasur der
                           Gebruͤder Hardtmuth in Wien.
                        Aus dem Monatsblatt des Gewerbvereins für das Großherzogthum
                                 Hessen, 1842, S. 234.
                        Hardtmuth, über bleifreie Glasuren für Töpfergeschirre.
                        
                     
                        
                           Die Gebrüder Hardtmuth in Wien haben als Erfinder einer
                              metallfreien Glasur für Kochgeschirre, zum Ersaz der gewöhnlichen Bleiglasur, dem
                              großherzogl. Gewerbsverein mit dankenswerther Bereitwilligkeit die Vorschrift ihrer
                              Glasur mitgetheilt, weßhalb von Seiten jenes Vereins eine Commission zur Prüfung
                              dieses in sanitätspolizeilicher Hinsicht so wichtigen Gegenstandes ernannt wurde. Es
                              haben nun die Gebrüder Hardtmuth zur Industrieausstellung
                              in Mainz außer verschiedenen anderen, aus ihrem großartigen Etablissement
                              hervorgegangenen Fabricaten (weißes Steingut, Steingeschirr, künstliche Bimssteine,
                              Bleistifte und elastische Rechentafeln) auch Proben von Kochgeschirren, mit jener
                              metallfreien Glasur versehen, eingesandt, die in Rüksicht der Form der Gefäße, so
                              wie der ausgezeichnet schönen Glasur und der ungemein billigen Preise, das Interesse
                              des Publicums in hohem Grade erregten.
                           Ueber die Darstellung der bleifreien Glasur haben die Erfinder dem genannten
                              Gewerbverein folgende Vorschrift mitgetheilt:
                           
                              „Die zur Glasur anzuwendenden Materialien bestehen aus Borax, Feldspath und Lehm- oder Tiegelerde.
                              
                           
                              Die Behandlung der Materialien, bevor sie zur Mischung geeignet sind,
                                    ist folgende: der Borax wird, wie er im
                                 Handel vorkommt, klein gestoßen und gesiebt. Der Feldspath wird in rohem Zustand, ohne besondere Berüksichtigung seiner
                                 Reinheit oder weißen Farbe, einfach in Wasser abgespült, dann im stärksten Feuer
                                 eines Töpferofens gebrannt und fein gestoßen. Die Lehm- oder Tiegelerde,
                                 auch Ziegelthon genannt, und jedem Töpfer zur Genüge bekannt, wird fein gesiebt
                                 und ebenfalls im Feuer verglüht, so daß dieselbe eine röthliche Farbe
                                 annimmt.
                              
                           
                              Mischung. Es werden 100 Pfd. Borax, 50 Pfd. Feldspath
                                 und 50 Pfd. Lehmerde auf vorbeschriebene Weise zubereitet, in einem dazu
                                 geeigneten Gefäße sorgsam gemengt, so daß weder das eine, noch das andere
                                 Material für sich allein sichtbar ist; inzwischen jedoch werden mehrere
                                 Cassetten aus feuerfestem Thone vorbereitet und müssen mit feingestoßenem Kiesel
                                 (der früher verglüht worden ist, um ihn leichter zu Pulver zu stoßen, und
                                 nachher mit Wasser zu einem ziemlich diken Brei angemacht wird) am Boden und an
                                 den inneren Wänden 1/2 Zoll dik bekrustet werden, damit die durch das Feuer in
                                 Fluß zu bringende Glasur nicht anklebt und leicht herauszubringen ist. Die aus
                                 solche Weise gefüllten Cassetten werden nun dem stärksten Feuer des Töpferofens
                                 ausgesezt, wo dann die Masse zu Glaszelten zusammenrinnt. Dieses Verfahren muß
                                 indessen jedem Töpfer bekannt seyn, der sich einigermaßen mit der Erzeugung
                                 einer Schmelzglasur beschäftigt.
                              
                           
                              Glasirung. Die Glasur wird bis auf 40° nach
                                 Baumé's Aräometer mit Wasser verdünnt; es steht jedoch jedem Töpfer frei,
                                 dieß nach seinem Praktischen Ermessen abzuändern, je nachdem seine Geschirre
                                 stark oder schwach verglüht sind und daher weniger oder mehr einsaugen. Eben so
                                 wenig ist über die Art des Tunkes etwas zu sagen nöthig, weil das Verfahren
                                 hiebei bekannt ist, und keine Aenderung erleidet.
                              
                           
                              Das Brennen. Das praktische Verfahren hinsichtlich
                                 des Einsezens der Geschirre in den Töpferofen und des Brennens derselben wird in
                                 der bis jezt in allen Töpfereien üblichen Art bewerkstelligt; nur muß bemerkt
                                 werden, daß der Grad des anzuwendenden Feuers sowohl als die Dauer der Brennzeit
                                 nur bei jenen Töpfern unverändert bleiben dürfte, die sich mit der Erzeugung
                                 eines guten, obgleich mit Metallglasur versehenen Kochgeschirres beschäftigen,
                                 und die nicht wie viele ihrer HHrn. Collegen, um Holz
                                 zu ersparen, es bequemer finden, die Schädlichkeit der Glasur durch
                                 allzuschwaches Brennen noch zu steigern. Obgleich der Herstellungspreis dieser
                                 Glasur bedeutend höher kommt, als bei der gewöhnlichen Bleiglasur, so ist doch
                                 nach den Versicherungen der Erfinder durch die Aussprüche einer Commission erwiesen,
                                 daß der Unterschieb bei der beschriebenen Glasirung für ein Wiener Maaß nur
                                 etwas weniger als 3/4 kr. W. W. beträgt.“
                              
                           Die von dem großherzogl. hessischen Gewerbsverein zur Prüfung dieses Gegenstandes
                              ernannte Commission, bestehend aus Hrn. Dr. Moldenhauer, Lehrer der Chemie und Mineralogie an der
                              höheren Gewerbsschule in Darmstadt, und Hrn. Gärtler,
                              Hafner und Ofenfabrikant daselbst, hat über die Hardtmuth'sche bleifreie Glasur folgenden Bericht an jenen Verein
                              erstattet:
                           
                              „Wir waren vor Allem bemüht, uns die nöthigen Materialien in möglichst
                                 reinem Zustande zu verschaffen, um sodann nach der uns mitgetheilten Vorschrift
                                 zu verfahren. Im Handel kommt bei uns, wenigstens in Darmstadt, kein Feldspath
                                 vor, und da uns ferner die Umgegend keine Lager einer reinen Sorte Feldspaths
                                 bietet, so wurde aus den Vorräthen, welche die hiesige höhere Gewerbschule darin
                                 besizt, namentlich ein ganz weißer reiner Feldspath aus Böhmen, zu den Versuchen
                                 ausgewählt. Da es nun allerdings wohl seine Schwierigkeiten haben dürfte, an
                                 allen Orten sich guten Feldspath zu billigen Preisen zu verschaffen, so
                                 beschlossen wir, zugleich auch Versuche anzustellen mit Mischungen, denen der
                                 Feldspath im Preise ziemlich gleich kommen dürfte, und wählten dazu folgende
                                 Zusammensezung: 100 Theile Borax, 20 Th. hierländischen Hafnerthon, 22 Th.
                                 weißen Sand von Ueberau und 12 Th. Potasche des Handels.
                              
                           
                              Nach beiden Zusammensezungen wurden nun die Mischungen vorgenommen und
                                 gleichmäßig gefrittet, nämlich Nr. 1 nach der ersten Vorschrift, und Nr. 2 nach
                                 der von uns gewählten Zusammensezung bereitet. Nr. 2 hatte sich hiebei besser
                                 verglast wie Nr. 1 und scheint deßhalb unsere Mischung etwas leichtflüssiger,
                                 als die in der Hardtmuth'schen Vorschrift angegebene,
                                 sich zu verhalten. Beide Glasuren wurden nun nach einander auf der Glasurmühle
                                 fein gemahlen, in Wasser regelrecht vertheilt und auf bereits verglühtes
                                 Geschirr, wie dieß die Vorschrift angibt, aufgetragen, endlich in einem
                                 Hafnerofen mit anderem Geschirr aufgebrannt.
                              
                           
                              Beide Mischungen gaben eine kaum zu unterscheidende schöne und feste Glasur von
                                 blaßröthlich gelber Farbe.
                              
                           
                              In den meisten Fällen kommt es nun wohl kaum darauf an, daß die Glasur die
                                 erwähnte schöne Farbe besizt, weßhalb wir uns entschlossen, auch noch einen
                                 dritten Versuch mit einem weniger reinen Feldspath, nämlich mit dem den
                                 Mineralogen bekannten Feldstein, welcher sehr häufig
                                 in den Porphyrlagern bei Darmstadt und anderwärts vorkommt, und daher so gut wie
                                 umsonst zu haben ist, anzustellen. Bei einer zu diesem Ende in Gemeinschaft vorgenommenen Excursion
                                 wählten wir einen Feldstein des Porphyrbruchs hinter der Ludwigshöhe aus, der
                                 eine ziemlich lichte Farbe und daher keinen zu großen Gehalt an Eisen und Mangan
                                 besizt. Des größeren Kieselgehaltes wegen änderten wir die Urvorschrift noch,
                                 wie folgt, ab: 100 Th. Borax, 50 Th. Feldstein, 50 Th. Darmstädter Hafnerthon
                                 und 4 Theile calcinirte Soda Mit dieser Mischung (Nr. 3) wurde wie mit der
                                 vorhergehenden verfahren. Sie lieferte eine ganz vorzügliche Glasur, die jedoch
                                 den beiden anderen in der Farbe, die graubraun war, sehr nachstand und sich auch
                                 etwas strengflüssiger verhielt, dem indessen durch einen größeren Zusaz von Soda
                                 leicht abgeholfen werden könnte.
                              
                           
                              Beweisen nun diese Versuche auch zur Genüge, daß die Wiener Vorschrift, so wie
                                 auch die nach ihr, mit Umgehung des Feldspaths gewählten anderen
                                 Zusammensezungen Glasuren liefern, die mit der gewöhnlichen bleihaltigen
                                 Hafnerglasur, was die Dauer und Wasserdichtigkeit betrifft, vollkommen gut
                                 concurriren können, so ist doch auf der anderen Seite nicht zu läugnen, daß die
                                 Kosten derselben, selbst abgesehen von dem hohen Preise des Boraxes (des
                                 Hauptmaterials dieser bleifreien Glasur) dadurch beachtenswerth höher zu stehen
                                 kommen, daß die Materialien zuerst gefrittet, dann gemahlen und so erst, in
                                 Wasser vertheilt, auf bereits verglühtes Geschirr
                                 aufgetragen werden müssen, wo hingegen die bleihaltige Hafnerglasur, wie
                                 bekannt, unmittelbar aus gleichen Raumtheilen Bleiglanz (Hafnererz) und Sand
                                 oder sandigen Lehms, auf der Glasurmühle gemischt, in Wasser vertheilt und auf
                                 lufttroknes Geschirr aufgetragen wird. Es ist bei dem lezteren also kein
                                 Brennmaterial weder zum Verfritten, noch zum Verglühen der Geschirre, was
                                 besonders zu beachten, zu verbrauchen. Dessen ungeachtet scheint es uns, was
                                 Versuche im Großen nun lehren müssen, daß Geschirre mit erwähnter bleifreier
                                 Glasur nur etwa noch einmal so theuer als ordinäres Hafnergeschirr kommen
                                 würden.“
                              
                           Hr. Schneider, Sohn, Thonwaarenfabrikant in Mainz, hat vor
                              Kurzem in einer Versammlung der dasigen Localsection des großh. hessischen
                              Gewerbvereins gleichfalls auf die von Hardtmuth zur
                              Industrieausstellung gesandten Geschirre mit bleifreier Glasur aufmerksam gemacht
                              und die vorzüglichen Leistungen dieses Fabrikanten sehr ehrenvoll hervorgehoben.
                              Auch er findet jedoch in dem Preise der metallfreien Glasur einen zur allgemeinen
                              Verbreitung derselben hinderlichen Umstand, und findet sich hiedurch veranlaßt, der
                              Versammlung die Resultate von Versuchen mitzutheilen, die er nach einem von Hrn. Bernagoud in Mainz ihm angegebenen Verfahren anstellte, und welches zum Zwek
                              hatte, durch Ersparung des Boraxes, als des besonders theuren Materials (er kostet
                              in Mainz 50 bis 55 st. per Centner, während der Cntr.
                              Hafnererz nur 15 bis 16 fl. kostet), auf möglichst billigem Wege die Herstellung
                              einer metallfreien Glasur zu erzielen. Die hiebei angewendete Mischung bestand aus
                              100 Theilen Kieselerde (gewaschenem Rheinsand), 80 Th. gereinigter Potasche, 10 Th.
                              Salpeter und 20 Th. Aezkalk (welcher durch Befeuchten mit Wasser zu Mehl, zu
                              Kalkhydrat zerfallen war). Sämmtliche Bestandtheile werden gemengt und im
                              Graphit-Tiegel oder in einem Reverberirfeuer so lange geschmolzen, als die
                              Masse ruhig fließt; sie muß während des Schmelzens öfters umgerührt werden, weil sie
                              sich durch die entweichende Kohlensäure der Potasche im Anfang zu stark aufbläht.
                              Die geschmolzene Masse wird auf reine eiserne Platten ausgegossen und nach dem
                              Erkalten zu einem feinen Pulver zermahlen. Die Geschirre werden erst schwach
                              gebrannt, dann eine Zeit lang unter Wasser gesezt und auf die Weise mit der Glasur
                              versehen, daß das Pulver sehr gleichmäßig aufgesiebt wird. Man läßt nun die
                              Geschirre lufttroken werden und brennt die Glasur im Töpferofen auf die gewöhnliche
                              Weise ein.
                           Diese Glasur widersteht den Säuren fast eben so gut wie das gewöhnliche Glas; auch
                              kann man ihr durch Zusaz von Schmalte oder anderen Metalloxyden eine beliebige Farbe
                              geben.
                           Hr. Schneider erwähnt ferner des von Hrn. Oberbergrath Fuchs in München als Glasurmittel für Töpfergeschirre
                              empfohlenen Wasserglases. Mit der Auflösung desselben
                              sollen die Gefäße zuvor getränkt und dann erst das trokene Pulver aufgestreut
                              werden. Die flüssige Substanz soll, indem sie in die Poren der Geschirre eindringt,
                              denselben eine größere Festigkeit ertheilen. Hr. Bernagoud hatte sich, nach den Mittheilungen des Hrn. Schneider, auch dieses Wasserglases bedient, indessen die
                              erwähnte größere Festigkeit der Geschirre nicht gefunden, vielmehr die Bemerkung
                              gemacht, daß diese Geschirre später beständig Kali auswittern, und deßhalb dieses
                              Wasserglas weniger anwendbar sey.
                           Hr. Schneider erwähnt schließlich noch der bleifreien
                              Glasur aus Hohofenschlake
                              Polyt. Journal Bd. LXXXII. S.
                                       281. und bemerkt, daß er auch hierüber Versuche gemacht, aber gefunden habe, daß
                              diese Glasur nicht allgemein anwendbar sey, indem die Eisenschlake erst bei solcher
                              Weißglühhize schmelze, bei welcher auch der Thon zusammen zu sintern anfängt und
                              vielleicht unter 10 Thonarten nur eine sich befinde, die hiezu sich eignen würde. Da
                              durch das starke Brennen jedoch die Geschirre die Eigenschaft verlieren, den Wechsel der Temperatur zu
                              ertragen, indem sie in solchem Falle sehr leicht springen, so scheine diese
                              Schlakenglasur dem Zwek, nämlich der Herstellung einer billigen, bleifreien Glasur,
                              nicht sonderlich zu entsprechen.
                           Dieses Resultat stimmt in der Hauptsache mit demjenigen überein, welches die von Hrn.
                              Gärtler in Darmstadt aus Veranlassung des großh.
                              hessischen Gewerbvereins angestellten Versuche erwiesen haben.
                           Immerhin bleibt es eine höchst verdienstliche Aufgabe, die zur Glasirung der
                              Töpfergeschirre fast allgemein angewendete Bleiglasur durch eine andere, der
                              Gesundheit nicht nachtheilige Glasurmasse zu ersezen. Denn es sind nicht bloß die
                              hier und da, und zwar nicht selten vorkommenden, plözlich eintretenden
                              Vergiftungsfälle, welche zur möglichsten Verdrängung solcher schädlichen Glasuren
                              auffordern, sondern es ist auch die Befürchtung gewiß nicht ungegründet, daß der
                              Genuß von Speisen, welche in schlecht glasirten Gefäßen bereitet werden, zu
                              mancherlei langwierigen Leiden Veranlassung geben kann, deren Ursache entweder
                              unergründet bleibt, oder vielleicht in ganz anderen Veranlassungen gesucht wird.
                              Wenn auch die von den oben angeführten Technikern gegen die allgemeine Anwendbarkeit
                              der Hardtmuth'schen Glasur erhobenen Einwürfe
                              rüksichtlich des allzu hohen Preises nicht ganz ungegründet scheinen, so kann man
                              doch nicht läugnen, daß sowohl der Umstand, daß die Erfinder in großen Quantitäten
                              die mit ihrer Glasur versehenen Geschirre in den Handel liefern, als auch ihre in
                              dieser Beziehung oben angeführte Angabe und namentlich die ungemein billigen Preise
                              der zur Industrieausstellung in Mainz gelieferten Geschirre einigermaßen gegen jene
                              Einwürfe reden. Es wäre daher sehr erwünscht, wenn diese Mittheilungen zu weiteren,
                              und zwar möglichst im Großen anzustellenden Versuchen Veranlassung geben würden.