| Titel: | Ueber die Anfertigung von Lichtbildern und die dabei zu beobachtenden Manipulationen; vom Apotheker Carl Reißer jun. in Wien. | 
| Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. LXXV., S. 305 | 
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                        LXXV.
                        Ueber die Anfertigung von Lichtbildern und die
                           dabei zu beobachtenden Manipulationen; vom Apotheker Carl Reißer
                           jun. in Wien.Der Hr. Verfasser, welcher durch seine Reisen in Deutschland und Frankreich als
                                 ein vollendeter Künstler in der Verfertigung von Lichtbildern bekannt ist, hat
                                 sich aus rein wissenschaftlichem Interesse entschlossen, zum Nuzen aller
                                 Liebhaber des Schönen, sein Verfahren in allen seinen Theilen bekannt zu machen.
                                 Ich selbst habe hier Gelegenheit gehabt, durch ihn selbst seine Methode genau
                                 kennen zu lernen, sie gibt die schönsten Bilder, die man nur sehen kann, von den
                                 mannichfaltigsten hellen und dunkeln Farbentönen; der tiefe schwarze Metallglanz
                                 der Platte verschwindet völlig und die Bilder sind den schönsten Stahlstichen
                                 gleich und durch Baumwolle z.B. nicht mehr verwischbar, sondern dauernd fixirt.
                                 J. Liebig.
                           
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, März 1843, S.
                              359.
                        Reißer, über die Anfertigung von Lichtbildern und die dabei zu
                           beobachtenden Manipulationen.
                        
                     
                        
                           Die wesentlichen Bedingnisse zur Erzeugung guter Lichtbilder sind:
                           
                        
                           1) Das zwekmäßige Poliren der Platten
                                 und das richtige Erkennen einer vollkommen gut polirten Oberfläche des
                                 Silbers.
                           Um ersteres zu erreichen, wird die silberplattirte Kupferplatte (Plaqué) auf ein mit dünn gewalztem und schwach
                              mit Terpenthinöhl beneztem Kautschuk überzogenes kleines Holzstativ fest angedrükt,
                              so zwar, daß die Silberfläche der Platte nach Oben, die Kupferfläche aber auf dem
                              Kautschuk zu liegen kommt und nun zuerst mit fein geschlämmtem und durch einige
                              Tropfen Alkohols mäßig befeuchtetem Tripel unter Mitanwendung eines Bäuschchens ganz zarter
                              Baumwolle kreisförmig und mit mäßig starkem Druk geschliffen, bis die Platte
                              ziemlich matt blank erscheint. Hierauf bestäubt man die so vorgerichtete Platte von
                              neuem, jedoch dießmal ohne Zusaz von Alkohol, mit etwas
                              Tripel, und schleift ganz in derselben Weise einige Minuten, oder überhaupt so
                              lange, bis die zu dieser Operation angewandte Baumwolle ein grauschwarzes Ansehen
                              zeigt, und die Platte einen schon etwas reineren, obwohl noch immer etwas matten
                              Spiegel angenommen hat. Nach dieser Procedur schreitet man zum eigentlichen Poliren der Platte. Zu dem Ende bestäubt man die Platte
                              mit sehr fein geschlämmtem Englischroth (auch Colcothar oder Polirroth genannt) und
                              sucht dieses Pulver mittelst reiner Baumwolle, unter ganz schwachem Druk, so
                              gleichförmig als nur immer möglich, auf der Platte in fortwährend kreisförmiger
                              Bewegung herumzuführen, oder überhaupt die Platte so lange zu Poliren, bis die
                              Oberfläche derselben vollkommen spiegelblank erscheint. Hierauf polirt man die
                              Platte in entgegengesezter, aber ebenfalls kreisförmiger Bewegung, und beendet den
                              Proceß des Polirens endlich damit, daß man die Platte nur nach einer, und zwar nach der Richtung polirt, die senkrecht ist zu der, auf
                              welcher das Bild auf der Platte nachher zu stehen kommen soll. Man erkennt eine
                              vollkommen gut polirte Platte zum Theil schon daran, daß durch ein leises Behauchen
                              mit dem Munde der Hauch auf der Silberfläche ganz homogen weiß erscheint, und vollkommen flekenlos schnell wieder verschwindet; besser
                              aber ist es zur Beurtheilung einer regelrecht ausgeführten Politur, die Platte einem
                              weißen Papier oder einem anderen weißen Gegenstand entgegen zu halten, so zwar, daß
                              das Papier dem durch das Fenster eindringenden Tageslichte gegenüber, die Platte
                              dagegen mit der Rükseite dem Fenster zugewendet wird. Hiebei erkennt man sogleich,
                              ob die Platte vollkommen regelrecht oder nur scheinbar gut polirt worden war. Zeigt
                              sich nämlich die polirte Oberfläche bei dieser Probe noch wolkig, oder stellenweis
                              dunkel oder streifig, so kann man versichert seyn, daß auf solcher Fläche kein gutes
                              Lichtbild hervortreten wird, man muß daher in diesem Falle mit dem Poliren noch so
                              lange fortfahren, bis erwähnte Mängel gehoben sind. Hiebei muß ich noch die
                              Bemerkung einschalten, daß es ganz unerläßlich ist, die Baumwolle, womit man das
                              Poliren beendigen will, mit dem Polirroth stets gut imprägnirt zu lassen, und nie
                              mit bloßer Baumwolle allein über die Platte hinzufahren,
                              denn in einem solchen Falle würde man die vollkommen reine Metallfläche wieder mit
                              einem kaum sichtbaren fetten Hauche bekleiden, der zur Entstehung schmuzig grauer
                              Bilder Veranlassung gehen würde.
                           
                        
                           
                           2) Das Bekleiden der Platte mit einer
                                 Jodsilberschicht.
                           Das Jodiren geschieht, indem man die rein polirte, in einem passenden Rahmen gefaßte
                              Platte über eine stark mit Wasser verdünnte Jodchlorürlösung (der man
                              erforderlichenfalls auch wohl etwas Bromwasser zusezen
                              kann), die sich in einem mit wohl abgeschliffenen Rändern versehenen flachen
                              Porzellangefäße befindet, und zwar in einer Entfernung von ungefähr 4 Linien vom
                              Niveau der Flüssigkeit, horizontal hinlegt, sie in kurzen Zwischenräumen, bei sehr
                              schnellem Umwenden und nicht zu grellem Tageslichte einem weißen Papiere gegenüber
                              haltend besieht, und sie augenbliklich den Jodchlorürdämpfen entzieht, sobald man
                              bemerkt, daß sie einen leicht röthlichen Farbenton
                              angenommen, und sie endlich eben so schnell in die dazu dienende, vollkommen vor
                              Licht geschüzte Kapsel bringt. Zeigt die Platte beim Gelbwerden über der Flüssigkeit
                              schon eine Spur von grünlichem Schimmer, so kann man sich
                              die Vergebene Mühe sparen, sie in der Camera obscura dem
                              Licht auszusezen, sondern wird gut thun, sie lieber wieder von Neuem abzuschleifen
                              und zu poliren. Die Ursache der grünlichen Färbung der Platte ist gewöhnlich die
                              Transspiration der Hand während des Polirens, besonders wenn man zu wenig Baumwolle
                              genommen, und deßhalb mit den Fingern der Platte zu nahe kam. Außerdem ist es
                              nöthig, daß das Gefäß, worin sich die Jodchlorürlösung befindet, bedeutend breiter
                              und länger sey, als die darauf zu legende polirte Platte, indem sonst die Oberfläche
                              der Flüssigkeit zu sehr concav, und eben deßhalb die Platte in ihren mittleren
                              Theilen weniger jodirt werden würde. Um diesen Uebelstand aber gänzlich zu umgehen,
                              möchte es gut seyn, eine mit verdünnter Jodchlorürlösung getränkte Filzscheibe in
                              jenes Porzellangefäß einzulegen, um dadurch wo möglich eine recht gleichförmige
                              Verdampfung zu bewirken.
                           Vor dem Einstellen der Platte in die Camera obscura ist
                              wohl zu merken, daß das Instrument, im Verhältnisse zu dem abzubildenden
                              Gegenstande, weder zu hoch, noch zu niedrig, sondern in proportionaler Höhe
                              horizontal aufgestellt werde, wobei aber auch vorzüglich noch das zu berüksichtigen
                              ist, daß mehrere zugleich abzubildende Gegenstände, so wie die einzelnen Theile des
                              menschlichen Körpers, möglichst in eine gleiche Linie (d.h. keiner dem Apparate
                              näher oder entfernter, als der andere) gebracht werden, indem sonst bedeutende
                              Verkürzungen oder Verlängerungen entstehen würden, die allerdings zu starten
                              Verzeichnungen Veranlassung geben müßten. Ist dieses alles berüksichtigt, und der
                              Focus der Gläser scharf eingestellt, so sezt man durch momentanes Oeffnen des
                              Objectivglases die
                              vorbereitete Platte und zwar nach Maaßgabe der Lichtintensität, eine kürzere oder
                              längere Zeit der Einwirkung des hellen Tageslichtes aus, und bringt sie dann, nach
                              eben so schnell erfolgter Verdekung des Objectivglases, mit der bekannten Vorsicht
                              in den Queksilberkasten, worin man sie so lange läßt, bis das Bild deutlich und
                              scharf genug hervorgetreten ist. Um nun die durch das Licht nicht afficirte
                              röthliche Jodsilberschicht gänzlich von der Platte zu entfernen, ist es am
                              rathsamsten, die Platte, statt sie unter Kochsalzlösung mit einem Stükchen Zink zu
                              berühren, vielmehr (nachdem man sie zuvor auf der Rükseite
                              Kupferseite. durch schwaches Abwischen mit der Hand ihres Queksilberanfluges beraubt) in
                              eine sehr verdünnte Lösung von unterschwefligsaurem Natron (aus 6 Unzen destillirtem
                              Wasser und 1 Drachme Salz bestehend) recht behende einzulegen, so zwar, daß die
                              Salzlösung die Platte nicht langsam und etwa nur stellenweis, sonder wo möglich auf
                              allen Theilen gleichzeitig benezt, sie unter der Salzlösung etwas hin und her
                              bewegt, und erst dann, wenn sie gehörig weiß geworden, mit einer reichlichen
                              Quantität destillirten oder Regenwassers in etwas geneigter Lage abspült. Nachdem
                              sie so rein abgewaschen, legt man sie waagerecht auf einen verlängerten
                              Messingrahmen oder Rost, gießt aus einer Höhe von 3–4 Zoll eine ungefähr 1
                              Linie dike Schicht Goldsolution (deren Bereitung späterhin angeführt werden wird)
                              darauf, und erwärmt nun die Platte von Unten mit einer kleinen Weingeistlampe, die
                              man in fortwährend kreisförmig horizontaler Bewegung erhält, so lange, bis das Bild
                              mit einem sehr kräftigen schönen Farbentone hervorgetreten ist, wobei man sich aber
                              vorzusehen hat, die Platte ja nicht zu stark und zu lange zu erhizen, in welchem Falle sich das ganze Bild
                              plözlich abblättern und von der Silberfläche völlig losgetrennt werden würde. Man
                              erkennt den richtigen Zeitpunkt, bei welchem man das Erhizen der Platte einzustellen
                              hat, daran, daß der Hintergrund im Bilde eine helle, klare Farbe angenommen.
                           Bei diesem Erwärmen der mit der Goldsolution bedekten Silberplatte entstehen auf
                              derselben in einiger Zeit kleine Luftbläschen, durch die man sich nicht irre machen
                              lassen darf, da sie durch leichtes Anstoßen an den Rahmen oder Rost sogleich wieder
                              entfernt werden können. Hält man das Bild für hinlänglich scharf und deutlich
                              hervorgetreten, so gieße man schnell reines kaltes Wasser darauf, stelle es auf der
                              einen Seite des Rahmens schräg aufwärts, d.h. in einen Winkel von ungefähr 45
                              Graden, süße es hier nochmals mit etwas reinem Wasser aus, und trokne es endlich in
                              dieser Stellung durch Darunterhalten der Weingeistlampe, während man gleichzeitig das Verdampfen des
                              Wassers durch leichtes Daraufblasen begünstigt.
                           Sollten sich bisweilen während des Troknens gelbe Fleken bilden, so kann man selbe
                              durch nochmaliges Abspülen der Platte mit Wasser und Erhizen derselben von Oben nach
                              Unten leicht wieder entfernen.
                           Zeigen sich aber beim Erhizen der mit Goldsolution bedekten Platte auf derselben nebelartige Fleken, so ist dieß ein Beweis, daß das
                              unterschwefligsaure Natron nach dem Entjoden der Platte nicht gehörig entfernt
                              worden war, denn in einem solchen Falle schlägt sich beim Erhizen der Platte
                              jedesmal ein wenig Schwefel auf das Bild nieder. Würde man sich zum Entjoden der
                              Platte, statt des unterschwefligsauren Natrons, einer Kochsalzlösung unter Berührung
                              mit Zink bedienen, so würde man bei der eben beschriebenen Vergoldungs- oder
                              Fixirungsmethode nur graue, unscheinbar aussehende Bilder erhalten.
                           Bilder, die man genau nach vorstehender Anleitung gewonnen, werden von keiner Art
                              Acht im mindesten mehr afficirt, und sind so dauerhaft, daß sie sogar ein schwaches
                              Ueberwischen mit Baumwolle recht gut vertragen.
                           Zum Schluß erlaube ich mir nun noch eine sehr einfache und vollkommen gefahrlose
                              Bereitungsweise des Jodchlorürs, die ich erst in der neuesten Zeit für praktisch
                              befunden und angewandt habe, so wie die Bereitungsweise der Goldsolution hier
                              anzugeben.
                           
                              a. Bereitung des
                                    Jodchlorürs.
                              Dieses Präparat wird am schnellsten, gefahrlosesten und einfachsten dargestellt,
                                 indem man in einer Glasretorte auf bekannte Art aus Braunstein und Salzsäure
                                 Chlor entwikelt, dieses durch eine in den Hals der Retorte luftdicht
                                 eingekittete Glasröhre in einen kleinen, etwa 6 Zoll hohen und 2 Zoll im
                                 Durchmesser haltenden Glascylinder, auf dessen Boden sich troknes, gepulvertes
                                 Jod befindet, leitet, und während der Gasentwikelung die sehr bald flüssig
                                 werdende, dunkel schwarzbraun aussehende Jodmasse von Zeit zu Zeit mit einem
                                 langen Glasstabe umrührt. Ist der größte Theil des Jods in diese schwarzbraun
                                 aussehende Masse verwandelt, so hört man mit der Entwikelung des Gases auf, denn
                                 würde man diese flüssige Verbindung (das Jodchlorür) noch längere Zeit den
                                 Chlordämpfen aussezen, so entstände eine andere feste, gelb aussehende
                                 Chlorjodverbindung, die zu unserem Zwek unbrauchbar wäre. Das dunkel
                                 schwarzbraun aussehende Jodchlorür versezt man nun endlich noch mit ungefähr 16
                                 Theilen Wasser, läßt das sich hiebei ausscheidende Jod ruhig absezen, und gebraucht dann
                                 zum Jodiren die darüberstehende, schwach röthlich gelb aussehende verdünnte
                                 Lösung.
                              
                           
                              b. Bereitung der
                                    Goldsolution.
                              Man löse 16 Gran krystallisirtes gelbes Chlorgold in 16 Unzen destillirten
                                 Wassers, dem man, da das Chlorgold stets etwas sauer reagirt, einen, höchstens zwei
                                 Tropfen Ammoniakflüssigkeit (Liquor ammon. caustic.)
                                 unter Umrühren zusezt. Hierauf bereite man eine aus 50 Gran unterschwefligsaurem
                                 Natron und 16 Unzen destillirten Wassers bestehende Salzlösung, mische dann
                                 beide mit einander, und zwar mit der Vorsicht, daß man die auf ein Papierfilter
                                 gebrachte Goldsolution tropfenweise in die
                                 unterschwefligsaure Natronlösung (unter beständigem Umrühren dieser lezteren mit
                                 einem Glasstabe) einträgt. Das auf diese Weise resultirende Präparat ist
                                 vollkommen farblos und wasserklar, während man, wenn man nicht genau nach dieser
                                 Vorschrift verfährt, und etwa versucht, die unterschwefligsaure Natronlösung zur Goldsolution zu schütten, eine
                                 braungelbe Flüssigkeit erhalten würde, die zu vorstehendem Zwek völlig
                                 unbrauchbar wäre.