| Titel: | Ueber die Fabrication von Sicherheitspapier in Frankreich. Knecht's künstliche lithographische Steine und Litho-Typographie. | 
| Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. XCIV., S. 372 | 
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                        XCIV.
                        Ueber die Fabrication von Sicherheitspapier in
                           Frankreich. Knecht's
                           kuͤnstliche lithographische Steine und Litho-Typographie.
                        Aus dem Moniteur industriel, vom 30. April
                              1843.
                        Knecht's künstliche lithographische Steine.
                        
                     
                        
                           Seit mehreren Jahren machte man in Frankreich die Erfahrung, daß auf dem zu
                              gerichtlichen Verhandlungen gebrauchten Stempel Papier die Schrift mittelst eines
                              chemischen Verfahrens verschwinden gemacht und eine neue an ihre Stelle gesezt
                              wurde. Dieser den Staatsinteressen sehr nachtheilige Betrug zog natürlich die
                              Aufmerksamkeit des Finanzministers auf sich und es mußte diesem Uebel abgeholfen
                              werden, sey es nun durch Ermittelung einer unauslöschlichen Tinte, oder durch eine
                              veränderte Bereitung des Papiers selbst.
                           Man ernannte im Jahr 1838 eine Commission, welcher alle Notabilitäten der
                              Wissenschaft zur Abgabe ihrer Ansicht über diese schwierige Frage beigesellt wurden.
                              Die Commission gab den frühem Gedanken einer unauslöschlichen Tinte auf und
                              bezeichnete nach Instructionen der Akademie der Wissenschaften die zur Fabrication
                              des Papiers einzuschlagenden Verfahrungsweisen summarisch, indem sie an den Minister den Antrag
                              stellte, für diejenigen, welche sich mit Versuchen darüber befassen wollten, einen
                              Concurs zu eröffnen. In Folge desselben wurde ein Preis von 60,000 Fr. unter drei
                              Mitbewerber, welche die Aufgabe zwar nicht vollständig, aber doch nahehin gelöst
                              hatten, zu ungleichen Theilen vertheilt.Man vergl. polyt. Journ. Bd. LXVI S.
                                       303 u. Bd. LXIX S. 446.
                              
                           Nachdem der Concurs aber schon geschlossen war, machte einer der Concurrenten
                              nachträglich noch solche Verbesserungen in seinem Verfahren, daß die Commission nun
                              das Problem als vollkommen gelöst erklärte, indem durch
                              das neue Verfahren nicht mehr die geringste Verfälschung
                              zu befürchten sey, und die Administration nun, was die Stempelabgabe betreffe, jede
                              Defraudation zu verhindern im Stande sey.
                           Einer der am Preis participirenden Concurrenten, Hr. Knecht, Vormaliger Lithograph, richtete zu gleicher Zeit seine
                              Bestrebungen auf die Darstellung künstlicher lithographischer Steine, welche ihm
                              auch gelang und die, abgesehen von der Hauptaufgabe, ihm großes Verdienst
                              sichert.
                           Zwar hat schon Sennefelder, der berühmte Erfinder der
                              Lithographie, sich mit der künstlichen Darstellung solcher Steine sehr eifrig
                              beschäftigt, auch war derselbe schon dahin gelangt, ein allen Anforderungen beinahe
                              vollkommen entsprechendes Product zu liefern, als der Tod ihn in Wien, wohin er sich
                              nach Abtretung seines Etablissements in Paris, an seinen Freund und Schüler Knecht begeben hatte, plözlich von seinen noch
                              unvollendeten Versuchen abrief. In den Papieren des Verstorbenen fand der leztere
                              nur sehr unvollkommene Notizen; seinen beharrlichen Bemühungen aber gelang es
                              endlich, unwiderlegbar darzuthun, daß durch eine Ueberzugmasse oder einen Teig,
                              dessen Zusammensezung sein Geheimniß ist, der gewöhnliche lithographische Stein zu
                              Abdrüken mittelst der Presse sich vortheilhaft ersezen läßt.
                           Indem diese künstlichen Steine nur als Typen betrachtet
                              werden, welche, wie Hr. Knecht behauptet,
                              Abklatschplatten (clichés), bewegliche Lettern,
                              Zinn-, Stahl-, Kupfer- und Holzschnittplatten vortheilhaft und
                              mit geringern Kosten ersezen können, wird hiemit der Maculatur, vorzüglich aber dem
                              Nachdruk ernsthafter Krieg angekündigt. – Da nämlich diese unveränderliche
                              Masse sich nicht nur mit dem Metall, auf welches sie gebracht wird, sondern auch mit
                              dem schlechtesten Papier innig zu verbinden vermag, so hindert den Herausgeber eines
                              neuen Werks nichts, einen genauen Abdruk desselben auf Papier, den wir eine Abklatschung (cliché)
                              benennen, mit allen Planen, Abbildungen, Vignetten etc. ins Ausland, z.B. nach Belgien, diesem
                              Musterland des Nachdruks, zu schiken, so daß das Werk denselben Tag, dieselbe Stunde
                              zu Paris und zu Brüssel erscheinen kann, vorausgesezt, daß, wie zu erwarten ist, Knecht's Verfahren im Auslande eben so Aufnahme finde,
                              wie in Frankreich.
                           Dem Verf. liegt ein solcher künstlicher Stein vor Augen. Derselbe besteht bloß aus
                              einem ganz dünnen Zinkblech, welches mit einer sehr dünnen Schichte einer harten und
                              compacten, an Farbe und Korn dem gewöhnlichen lithographischen Stein ganz ähnlichen
                              Masse überzogen ist. Deßgleichen liegen ihm typographische, Musik- und
                              Bilder-Abdrüke vor, welche direct von solchen Steinen abgezogen wurden und
                              hinsichtlich der Reinheit und Sattheit nichts zu wünschen übrig lassen.
                           Jeder solche Stein könnte direct ein Tausend guter Abdrüke geben. Da sie aber, wie
                              oben schon gesagt wurde, nur als Typen zur Aufnahme der
                              frischen Abdrüke des Kupferstichs etc. dienen, welche nachher wieder auf die
                              gewöhnlichen lithographischen Steine übertragen werden, so geht daraus hervor, daß
                              wenn man zehn Typen von einem einzigen künstlichen Stein macht, man auf diese Weise zehn Auflagen eines
                              und desselben Originals erhält, was Auflagen bis ins Unendliche gestattet, weil jede
                              Copie oder jeder Uebertrag wieder als Type dienen würde
                              zum Abziehen von wenigstens tausend Exemplaren.
                           Wir wollen hier nicht die Vorzüge dieses Verfahrens hinsichtlich der Kosten erörtern,
                              welche es bei Journalen, periodischen Schriften, illustrirten Werken, Musikalien und
                              überhaupt allen Werken darbietet, wovon viele Abdrüke gemacht werden müssen und die
                              zuweilen sogar doppelten Saz erfordern. Ueber die Ausführung dieses neuen
                              typographischen Verfahrens aber, welches wir Litho-Typographie benennen, wollen wir noch einiges erwähnen. Vier
                              Maschinen gingen dazu aus den Werkstätten des Maschinenbauers Hrn. Neuber hervor.
                           1) Eine Maschine zum Zurichten und Ueberpoliren der lithographischen Steine nach
                              neuem System;
                           2) eine Maschine zum Graviren in Stein und in Metalle in Linien, Kreislinien und
                              Perspective (Erfindung des Hrn. Neuber);
                           3) eine große Presse, welche zu gleicher Zeit auf mechanischem Wege anfeuchtet,
                              schwärzt und drukt und in der Minute zwanzig Großformat-Abdrüke geben kann,
                              was täglich mehr als 12 Rieß auf beiden Seiten bedrukt, von 430 Seiten, oder 500
                              Bände, jeder von 430 Seiten, gibt. Sie erfordert außer einem Druker nur zwei
                              Handlanger.
                           
                           Endlich auch eine Presse mit Circularsystem, zum leichtern und wohlfeilern Bedruken
                              der Zeuge und Tapeten.