| Titel: | Bericht des Generalmajors Pasley, Generalinspectors der englischen Eisenbahnen, an das Handelsbureau (board of trade) in Betreff der Achsenbrüche und anderer Veranlassungen zu Unfällen auf Eisenbahnen. | 
| Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. CII., S. 415 | 
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                        CII.
                        Bericht des Generalmajors Pasley, Generalinspectors der
                           englischen Eisenbahnen, an das Handelsbureau (board of
                              trade) in Betreff der Achsenbruͤche und anderer Veranlassungen zu
                           Unfaͤllen auf Eisenbahnen.
                        Pasley's über Achsenbrüche und andere Veranlassungen zu
                           Unglüksfällen auf Eisenbahnen.
                        
                     
                        
                           Nach dem unglüklichen Ereigniß am 6. Decbr. v. J. auf der Bahn von London nach
                              BirminghamIn Folge eines Achsenbruchs der Locomotive, wodurch Maschine und Tender aus
                                    den Schienen kamen und mit zwei Wagen umstürzten, wurden mehrere Angestellte
                                    der Bahn, wie auch vier Reisende, tödtlich verwundet., begab ich mich in den Bahnhof der South-Western-Eisenbahn zu
                              Bauxhall, um eine gerichtliche Untersuchung eines ohne nachtheilige Folgen
                              gebliebenen Vorfalles aufzunehmen. Derselbe ereignete sich am 10. d. M. in Folge des
                              Bruches einer gebogenen Achse einer der Gesellschaft gehörigen sechsräderigen
                              Locomotive. Das Eisen, dessen Bruchstelle ich untersuchte, schien von guter
                              Qualität; allein es war nicht gehörig bearbeitet, indem die flachen Eisenplatten,
                              dem als besser anerkannten Gebrauche zuwider, parallel zusammengeschmiedet
                              waren.
                           Ich hatte auf dieser Station Gelegenheit, die vierrädrigen und sechsräderigen
                              Maschinen miteinander zu vergleichen, und da ich auch seitdem meine auf der
                              Croydon-Bahn in Betreff dieses Gegenstandes gemachten Erfahrungen wiederholt
                              geprüft habe, so erlaube ich mir hiemit Ew. Herrlichkeiten die Resultate meiner
                              Forschungen über die auf den Eisenbahnen – ob durch Construction der
                              Locomotive oder andere Ursachen – veranlaßten Unfälle nachstehend
                              vorzulegen.
                           
                        
                           1. Vergleichung der gewöhnlichen
                                 Construction der verschiedenen Sorten von Locomotiven.
                           Die London-Birminghamer-Eisenbahngesellschaft, welche sich der Ansicht
                              des Hrn. Bury, Ober-Intendanten des Departements
                              der Locomotiven, anschließt, verwendet ausschließlich vierrädrige Maschinen mit
                              inwendigem Nahmengestelle.
                           Da häufig Achsen dieser Locomotive gebrochen sind, ohne irgend unglükliche Folgen zu
                              erzeugen, und diese Bahn, welche auf das Vollkommenste administrirt wird, wenn nicht
                              mehr als alle übrigen, doch mindestens eben so viel von Unfällen befreit blieb, so
                              war ich nicht vermögend, vor dem am 6. d. M. stattgehabten Ereignisse irgend eine
                              nachtheilige Bemerkung gegen die vierräderigen Maschinen auszusprechen.
                           
                           An jenem Tag aber brach die Vorderachse einer solchen Locomotive ganz nahe am Innern
                              der Nabe quer durch, dergestalt, daß das Rad abgelöst und so zu sagen
                              weggeschleudert wurde. Die Locomotive, welcher nur noch drei Räder blieben, verlor
                              ihre frühere directe Richtung und nahm eine kreisförmige Bewegung, wodurch sie aus
                              den Schienen kam und die Böschung hinabstürzte; die Maschine hatte dabei eine
                              Wendung in einem Halbcirkel gemacht, so daß der Rauchfang gerade in entgegengesezter
                              Richtung sich befand, als sie stille stand. In meinem Schreiben vom 13. d. M. habe
                              ich Ew. Herrlichkeiten über alle andern auf diesen Unfall bezüglichen Details
                              berichtet.
                           Als ich mich mit dem Hrn. Bury und Hrn. Creed, dem Secretär der Gesellschaft, über den Gegenstand
                              unterhielt, sprachen beide Herren ihre Ansicht dahin aus, daß eine sechsräderige
                              Locomotive unter denselben Umständen ein gleiches Schiksal gehabt haben würde, und
                              da sich nur vierräderige Maschinen auf der Bahn befanden, so konnte ich damals keine
                              Vergleichung zwischen den beiden Constructionen anstellen.
                           Seit dieser Zeit aber habe ich sie, wie Eingangs erwähnt, mit großer Aufmerksamkeit
                              geprüft, und halte für meine Pflicht – ungeachtet aller Achtung, die ich für
                              beide Herren hege – die Verschiedenheit meiner Ansicht von der ihrigen hier
                              auszusprechen.
                           In dem Falle, daß die Achse einer vierrädrigen, nach dem London-Birminghamer
                              Modell construirten Maschine am Innern der Nabe abbricht, muß sich nothwendig das
                              Rad plözlich abtrennen, weil es durch keinen auswendigen Rahmen mehr gehalten
                              wird.
                           Wenn aber im entgegengesezten Falle die Achse einer sechsräderigen Locomotive mit
                              auswendigem Nahmen bricht, so muß der Bruch – da die Längebalken außenher
                              umlaufen – innerhalb des Gestells stattfinden, wobei keine ernste Gefahr zu
                              befürchten ist, wie nicht allein die Erfahrung mit sechsräderigen, sondern auch mit
                              vierrädrigen Maschinen bewiesen hat. Man hat behauptet, und ich glaube mit Recht,
                              daß, wenn eine Achse zwischen dem Gestelle zerbricht, die Räder mehr derangirt und
                              leichter aus den Schienen kommen werden, wenn sie nach Außen, als wenn nach Innen
                              befestigt sind; die Vorderräder einer vierräderigen Maschine mit auswendigem
                              Rahmengestell können sich aber in keinem Fall plözlich ablösen, wenn nicht die Achse
                              gleichzeitig an zwei Stellen und zwar unmittelbar an beiden Seiten der Nabe eines
                              der Räder bricht, was indessen unmöglich ist.
                           Wenn wir also die Voraussezung eines doppelten Bruchs bei Seite lassen und nur den
                              einfachen Bruch der Achse einer sechsräderigen Locomotive, an welcher Stelle es auch seyn mag, annehmen,
                              so wird das Rad immer noch kräftig durch den starken äußern Rahmen und die Wand des
                              Kessels festgehalten und somit verhindert, sich ganz zu entfernen. Mag hiedurch
                              allerdings der Lauf des Convoi's beeinträchtigt und gestört werden, so wird doch die
                              Locomotive weder zusammenstürzen, noch heftig aus den Schienen gerathen; mit einem
                              Wort, es ist nicht wahrscheinlich, daß ein die Sicherheit der Reisenden verlezendes
                              Ereigniß eintrete. Sollte aber die mittlere Achse einer sechsräderigen Maschine
                              brechen, so reichen die vordern und hintern Räder hin, das Gewicht der Locomotive zu
                              tragen und deren Umsturz zu verhüten. Bricht die Hintere Achse und beide Räder kämen
                              dabei aus den Schienen – was jedoch nicht möglich ist – so könnte doch
                              daraus kein die Reisenden gefährdendes Resultat folgen, weil der Schwerpunkt bei
                              dieser Gattung von Locomotiven sich etwas nach der Vorderachse neigt, wodurch die
                              Maschine immer in hinreichendem Gleichgewicht erhalten würde.
                           
                        
                           2. Zusammenstoßen von Convois oder
                                 Locomotiven.
                           Die gefährlichsten Ereignisse sind das Zusammentreffen zwei gegen einander fahrender
                              Convois. Sie können auf Bahnen mit doppelter Schienenlage nicht stattfinden, wenn
                              die Excentrics so construirt sind, daß sie sich von selbst richten, und einen in
                              Folge von Nachlässigkeit der Conducteurs schnell daher eilenden Wagenzug verhindern,
                              feine eigene Bahn zu verlassen, wenn er in die Nähe der Kreuzungspunkte gelangt.
                           Dagegen ist es unmöglich, durch mechanische Vorrichtungen das Zusammenstoßen zweier
                              sich folgenden Wagenzüge zu vermeiden. Wenn aber die Dienstreglements gehörig
                              abgefaßt, und die Maschinisten geschikte, urtheilsfähige Leute sind, die
                              Geistesgegenwart besizen, so können dergleichen Collisionen nur in Folge von
                              Trunkenheit vorkommen. Die Nüchternheit ist also bei dieser Classe von Angestellten
                              unerläßliche Bedingung, und alle übrigen Eigenschaften sind von weit geringerer
                              Bedeutung.
                           
                        
                           3. Zusammenstürzen der Locomotiven oder
                                 Eisenbahnwagen.
                           Wenn eine Locomotive oder deren Tender an der Spize eines Convoi's zusammenstürzt, so
                              leidet der Wagen, welcher sich unmittelbar hinter dem Tender befindet, am meisten,
                              aber der zweite und dritte Wagen können ebenfalls mehr oder weniger beschädigt
                              werden. Gewöhnlich wurde bei Unfällen dieser Art der vorderste Wagen in Stüke
                              zertrümmert und die darin befindlichen Personen getödtet oder schwer Verwundet, während jene
                              im folgenden Wagen unverlezt davon kamen oder nur geringe Beschädigungen erlitten.
                              Aus diesem Grunde wird das Anhängen eines leeren Wagens unmittelbar hinter dem
                              Tender als der Sicherheit förderlich betrachtet; ein mit schwerem Material beladener
                              Platformwagen aber würde an dieser Stelle mehr Unheil stiften als nüzen. Man hat in
                              dieser Beziehung den Wunsch, und wie ich glaube, mit Recht geäußert, daß zu diesem
                              Zwek besondere Wagen aus Kork und mit wirksameren Federn angefertigt werden möchten,
                              aber es ist noch viel wichtiger, Maßregeln zu treffen, welche den Sturz der
                              Locomotiven zu verhindern im Stande sind, und jedes Hinderniß beseitigen, welches
                              solchen veranlassen könnte.
                           
                        
                           4. Einstürzen der Durchschnitte und
                                 Böschungen.
                           Diese Unfälle wurden unabänderlich durch die frühere Gewohnheit, die Abdachungen zu
                              steil anzulegen, erzeugt, vielleicht eine Folge des Mangels an Erfahrung der
                              Ingenieure, welche so zu sagen eine neue Kunst zu schaffen hatten; denn niemals,
                              selbst bei dem schlechtesten Terrain, hatten die Böschungen weniger Fall als 2 zu 1,
                              und ich selbst betrachtete dieses Verhältniß bei unzulänglicher Erfahrung für
                              vollkommen hinreichend. Die Beobachtungen, welche ich indessen seitdem gemacht habe,
                              haben mich aber zu der Ansicht gebracht, daß bei allen tieferen Einschnitten in
                              thonige Erde die Böschung auf einer Seite wie 4 zu 1 und auf der andern wie 3 zu 1
                              angelegt werden müsse, denn obschon beide Seiten in derartigem Boden zum Einstürze
                              geneigt seyn möchten, so ist doch immer die eine Seite in Folge der natürlichen
                              Steigung der Erdschichten mehr solchen Ereignissen ausgesezt als die andere.
                              Jedenfalls kann man sich überzeugt halten, daß nicht in allen Fällen Mangel an
                              Erfahrung die Ingenieurs veranlaßte, ungenügende Abdachungen zu adoptiren, denn in
                              dem Werke des Sir H. Parnell über die Construction der
                              Straßen ist als anerkannte Regel nach der Praxis und Erfahrung des berühmten
                              verstorbenen Civilingenieurs Hrn. Telford festgestellt,
                              daß zu London, so wie überhaupt zu allen gypsartigen Formationen es nicht ohne
                              Gefahr sey, die Neigung der Böschungen oder Einschnitte, welche 4 Fuß Höhe
                              übersteigen, unter 3 zu 1 anzulegen. Da die Mehrzahl aller Eisenbahnen seit dieser
                              Epoche erbaut wurden und diese Einschnitte und Aufdämmungen einiger von 15 bis 20,
                              ja sogar bis 70 Fuß betragen, so kann man wohl fragen, ob Unerfahrenheit allein die
                              Ursache war, welche jenes heilsame Princip vernachlässigen machte. Mag nicht
                              vielmehr die Besorgniß, das Publicum von Subscriptionen zu neuen Bahnen abzuhalten,
                              das ihrige beigetragen haben, in vielen Fällen starken Abdachungen den Vorzug zu geben, weil sanftere die
                              Kostenanschläge der Erbarbeiten bedeutend erhöht haben würden? Sey dem übrigens wie
                              ihm wolle, so hat die Erfahrung bewiesen, daß wenn die Dämme sich einmal gesezt
                              haben, dabei weniger Einstürze zu befürchten sind, als bei tiefen Einschnitten, an
                              welchen Erdeinstürze noch nach einer guten Reihe von Jahren vorkommen können, wenn
                              die Böschung nicht 2 zu 1 übersteigt. So haben z.B. auf beiden Seiten der
                              Croydon-Bahn zwei Jahre nach deren Eröffnung zahlreiche Verschüttungen
                              stattgefunden und der Einsturz an der westlichen Seite des Durchschnitts zu Bugbrook
                              auf der Bahn von London nach Birmingham ereignete sich, nachdem die Linie schon vier
                              Jahre im Betriebe war.
                           Diese beiden Fälle hatten, obgleich beide Schienenlagen durch die ungeheuren
                              Erdmassen ganz verschüttet waren, dennoch für die Reifenden keine gefährlichen
                              Folgen, weil die Durchschnitte glüklicherweise sorgfältig überwacht wurden. Eine
                              beständige und gute Aufsicht ist also bei Dämmen und Einschnitten in thoniger Erde
                              und besonders bei den lezteren unerläßlich, denn eine noch so unbedeutende
                              Verschüttung, die vielleicht in wenigen Stunden hätte beseitigt werden können, kann,
                              indem sie eine schnell daher eilende Locomotive plözlich aufhält, das Leben aller in
                              den vordersten Wagen befindlichen Reisenden gefährden, wie ein vor zwölf Monaten auf
                              einer andern Bahn stattgehabtes Beispiel gezeigt hat.
                           Wird aber der Zustand der Böschungen und Einschnitte mit Sorgfalt überwacht, so ist
                              kein ernster Unfall von einem auch noch so bedeutenden Einsturze zu befürchten. Ich
                              füge nur bei, daß es sich wohl bewährt hat, wie nicht allein die Natur der
                              Abdachungen, sondern auch der Abflußcanäle bei Einschnitten und Dämmen sehr
                              wesentliche Punkte sind, welche alle Beachtung verdienen, sowohl um Einstürzen in
                              Folge des zu Grunde liegenden Princips vorzubeugen, als auch deren Wiederholung auf
                              ungünstigem Boden zu verhindern.
                           
                        
                           5. Achsen und Räder der
                                 Eisenbahnwagen.
                           Der Bruch von Locomotiv-Achsen kömmt, wie ich glaube, häufiger vor, als das
                              Publicum sich vorstellt, und obgleich derselbe nur selten verderbliche Folgen hat,
                              so kann dieß doch auch der Fall seyn, wie der Unfall auf der
                              London-Birminghamer-Bahn am 8. d. M. erwiesen hat. Wahr ist, daß ein
                              Achsenbruch solcher Art mit unglüklichen Folgen an vierräderigen Locomotiven dieser
                              Gesellschaft nur ein einzigesmal binnen sechs Jahren sich ereignet hat; nimmt man
                              indessen an, daß ein ganz ähnlicher Achsenbruch wiederholt vorkommen kann, so müssen
                              auch die gleichen Resultate zugegeben werden. Ich sehe kein anderes Mittel, um sich
                              gegen diese Gefahr bei vierräderigen Locomotiven mit inwendigem Gestelle zu versichern, als
                              einen leichten auswendigen Rahmen anzubringen, welcher nicht so schwer beschlagen zu
                              seyn brauchte, als der innere, und noch weniger auf die Achse einwirken müßte, wenn
                              die Maschine in ihrem vollkommenen Stande ist. Dieser zweite Rahmen müßte, obgleich
                              nicht in Berührung mit der Achse, doch so nahe gerükt seyn, um im Falle eines
                              Achsenbruchs die entsprechende Wirkung zu thun. Mit Hülfe solcher Vorrichtung
                              könnten sich die Räder unter keinen Umständen ablösen.
                           Auf der South-Western-Bahn habe ich eine derartige Einrichtung an der
                              Vorderachse einer sechsräderigen Maschine, mit Gestelle und Spindeln außerhalb,
                              gesehen. Hr. John Gooch, Ober-Intendant des
                              Locomotivwesens, hatte am Innern der Räder sogenannte Hörner (cornes) angebracht, welche dazu bestimmt waren, vom Augenblik eines
                              etwaigen Achsenbruchs an – aber auch nur dann – zu wirken; diese
                              Vorsichtsmaßregel, so gut sie auch ist, bleibt indessen bei sechsräderigen Maschinen
                              überflüssig. Ich habe ferner Mittel- oder Triebräder einer sechsräderigen
                              Maschine mit doppelten Rahmen, Federn und Beschläge sowohl an einer alten Locomotive
                              von N. Stephenson und einer andern der
                              South-Western-Bahn gehörigen, als auch an einigen neuen Maschinen von
                              Sir John und von Hrn. George Rennie gesehen. Nach sorgfältiger Prüfung des Gegenstandes bin ich
                              indessen der Ansicht, daß auswendige Rahmen für die Vorder- und Hinterachsen
                              mit inneren Rahmen für die Kurbelachse sechsräderiger Maschinen ganz entsprechende
                              Vorrichtungen sind und hinreichende Sicherheit gewähren, insbesondere wenn man sich
                              der „Hörner“ bedient, die wir vorstehend als eine Art von Stüze
                              der Vorderachse im Falle eines Bruchs bezeichnet haben. Ich hatte mir diese Ansicht
                              schon gebildet, als man mir berichtete, daß Hr. Gray auf
                              der Hull-Selby-Bahn, deren Locomotiven ich noch nicht gesehen habe,
                              diese Vorrichtung adoptirt und in Ausführung gebracht hätte. Von dieser Idee
                              durchdrungen, kann ich die Abänderung des Hrn. Stephenson, welcher die inwendigen Gestelle für alle Achsen seiner neuen
                              patentirten sechsräderigen Maschinen adoptirt hat, für keine Verbesserung halten;
                              ich betrachte unter andern die Weglassung von Randleisten um die mittleren Räder
                              (welches eine der besonderen Eigenthümlichkeiten seiner Locomotive ist) vielmehr für
                              einen Mangel als für einen Vorzug.
                           
                        
                           6. Hohle Achsen etc. etc.
                           Es ist gebräuchlich geworden, die Achsen der Locomotiven und Eisenbahnwagen mehr oder
                              weniger streng zu Probiren und jene zu verwerfen, welche sich als schlecht erweisen; man glaubt
                              aber auch, daß ursprünglich gute Achsen mit der Zeit verderben, und zwar nicht
                              allein durch Abnüzung, sondern auch wegen der Eigenthümlichkeit des Metalls, daß es
                              gradationsweise die fibröse Textur weichgeschmiedeten Eisens verliert, um sich zu
                              krystallisiren und zerbrechlich wie Guß zu werden. Außer dem magnetischen Einflüsse,
                              welcher zwischen den eisernen und kupfernen Wellen besteht, und der von mehreren
                              Personen als die Hauptursache dieser Verschlechterung betrachtet wird, sind die
                              Achsen der Locomotiven und Eisenbahnwagen noch zwei anderen schädlichen Einwirkungen
                              ausgesezt:
                           1) Den Stößen und Sprüngen, welche bei großer Geschwindigkeit durch die kleinen
                              Unebenheiten der Schienen entstehen, und deren Einfluß dem Hämmern im kalten
                              Zustande gleichkommt.
                           2) Den Windungen, welche statt haben, wenn die Locomotive den Krümmungen der Curven
                              etc. folgt. Bei meinen Fahrten auf sechs- und vierrädrigen Maschinen habe ich
                              beobachtet, daß die ersteren gewöhnlich einen weit sanfteren Gang haben, woraus
                              hervorgeht, daß die Stöße viel heftiger auf die Achsen der lezteren wirken
                              müssen.
                           Hr. John Olivier York hat kürzlich ein Patent auf hohle
                              Achsen genommen, bei welchen die beiden halbzirkelartigen Stangen weichen Eisens
                              allein zusammengeschweißt sind, während bei dem gewöhnlichen Verfahren eine große
                              Menge Barren zusammengerollt und mit einander verbunden werden, um eine volle Achse
                              zu bildenSie sind beschrieben und abgebildet im polyt. Journal Bd. LXXXVII S. 241; man vergl. auch
                                    in demselben Bande S. 392 den Bericht über die damit angestellten Versuche.
                                    A. d. R.. Es ist bekannt, daß besonders die ursprüngliche Operation des
                              Zusammenschweißens die Ursache ist, welche das Eisen verdirbt, und sey diese Theorie
                              nun wahr oder falsch, so habe ich durch angestellte Versuche mit hohlen Achsen von 4
                              Zoll äußerem Durchmesser und massiven Achsen von 3 1/2 Zoll Durchmesser, welche alle
                              den Schlägen eines 38 Pfd. schweren Hammers ausgesezt wurden, die Ueberzeugung
                              erlangt, daß erstere viel stärker waren, obgleich sie weit weniger Eisen enthielten.
                              Wenn nun die hohlen Achsen auch in Betreff der Windung dieselbe Superiorität gegen
                              massive, wie bei den Schlägen bewähren, worüber Versuche auf der Station von Camden-Town der
                              London-Birminghamer-Bahn nach dem Wunsche des Hrn. Bury angestellt werden sollen, welcher die Wirkungen der
                              Windungen für gefährlicher hält, als jene der Stöße – so ist es
                              wahrscheinlich, daß alle Eisenbahncompagnien sich alsbald für Anwendung der hohlen
                              statt der bisherigen massiven Achsen entscheiden werden. – In Bezug auf die
                              Kurbel- oder Triebachsen der Locomotiven ist das hohle System durchaus
                              unanwendbar, dagegen kann es ohne Ausnahme für die übrigen Achsen der Locomotive,
                              für jene des Tenders, Wagen und Platformen auf Eisenbahnen benuzt werden, und ich
                              betrachte diese Erfindung als recht glükliche Resultate versprechend.
                           
                        
                           7. Signale auf Eisenbahnen.
                           Diejenigen Signale, welche ich auf Eisenbahnen inspicirt habe, sind sich beinahe alle
                              gleich. Die Farbe oder rothes Licht ist das Zeichen der Gefahr, und fordert zum
                              Anhalten des Convoi auf; grün ist das Signal zur Vorsicht. Auf einigen Bahnen ist
                              aber das rothe Zeichen, welches sich am lezten Wagen des Convoi befindet, so tief
                              unten angebracht, daß es durch den geringsten Gegenstand verdekt und der Maschinist
                              eines nachfolgenden Wagenzuges verhindert werden kann es zu erbliken; dieß war auch
                              die Veranlassung zu der Collision auf der Croydon-Bahn. Es ist deßhalb sehr
                              zu wünschen, daß alle Bahnen dem Beispiele einiger Hauptlinien folgen, und dem
                              lezten Wagen eines jeden Convoi's zwei rothe Lichter, auf jeder Seite eins,
                              beigeben, welche so hoch angebracht werden müssen, daß sie durch nichts verdekt
                              werden können. Auf den Bahnen, von welchen ich spreche, hat man auch das Licht in
                              der Mitte beibehalten, obgleich dieß weniger nothwendig ist. Bei Nebel sendet man
                              von jeder Station ein rothes Licht auf hinlängliche Entfernung aus, um die Convois
                              zum langsamen Fahren aufzufordern, und im Fall ein Convoi auf der Bahn zu halten
                              genöthigt ist, so schikt man Jemand mit einem rothen Lichte rükwärts, um den
                              nachfolgenden Train stille stehen zu lassen und einer Collision vorzubeugen.
                           Auf der London-Birminghamer-Bahn hat man kürzlich eine sehr sinnreiche
                              Idee für Nebel oder Gefahren eingeführt; sie besteht darin, daß man Jemanden
                              absendet, welcher eine eisenblecherne Büchse, die eine Ladung Pulver mit etwas
                              Knallpulver enthält, auf die Oberfläche der Schienen sezt, über welche der Convoi
                              ankommen muß. Sobald das Rad der Locomotive über die Büchse geht, entzündet sich die
                              Ladung und die Explosion ist stark genug, um selbst in der stürmischsten Nacht
                              gehört zu werden, ohne dabei so viel Gewalt zu haben, um der Locomotive oder den
                              Schienen Schaden thun zu können. Diese Einrichtung ist vorkommenden Falles als
                              nächtliches Signal einem rothen Lichte weit vorzuziehen, weil weder Nachlässigkeit
                              noch Unaufmerksamkeit des Locomotivführers, Heizers oder anderer Angestellten
                              Veranlassung geben kann, vorüber zu fahren, ohne die Explosion zu bemerken, welche
                              unausbleiblich stattfinden muß.
                           Indessen würde vielleicht eine Combination beider Systeme noch zwekmäßiger seyn, als die
                              einseitige Anwendung eines jeden derselben für sich allein.
                           
                        
                           8. Noch nicht erprobte Erfindungen zur
                                 Verhinderung von Unfällen auf Eisenbahnen.
                           Viele Erfinder haben mir seit einem Jahre eine große Menge angeblicher Verbesserungen
                              an Locomotiven, Wagen und Signalen auf Eisenbahnen, als auch an den Schienen,
                              Excentrics etc. etc. mitgetheilt, um eine vermehrte Sicherheit zu erlangen und dem
                              Einsturze der Böschungen vorzubeugen. Viele dieser Erfindungen sind äußerst
                              sinnreich, aber manche sind auch sehr complicirt.
                           Stets habe ich indessen den Erfindern die gleiche Antwort gegeben, wie ich mich
                              glüklich schäzen würde, ihre Entdekungen für meine Person zu prüfen, dieselben aber
                              weder empfehlen, noch auch nur meine Ansicht darüber sagen könne, indem die
                              Anwendung von Neuerungen ausschließlich den Directoren der Compagnie überlassen wäre
                              und das board of trade dieselben nicht verbindlich
                              machen wolle, kostspielige Einrichtungen versuchsweise auszuführen. (Aus dem
                              Archiv für Eisenbahnen,
                                 1843, Nr. 5.)
                           London, den 29. Dec. 1842.