| Titel: | Ueber die veränderte Zusammensezung der Kuhmilch und ihre Ausbeute an Butter und Käse je nach der Bewegung und Fütterung des Thieres; von Dr. Lyon Playfair. | 
| Fundstelle: | Band 91, Jahrgang 1844, Nr. XIV., S. 40 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XIV.
                        Ueber die veraͤnderte Zusammensezung der
                           								Kuhmilch und ihre Ausbeute an Butter und Kaͤse je nach der Bewegung und
                           								Fuͤtterung des Thieres; von Dr. Lyon Playfair.
                        Aus dem Philosophical Magazine, Okt. 1843, S.
                              								281.
                        Playfair, über die Zusammensezung der Kuhmilch und ihre Ausbeute an
                           								Butter und Käse.
                        
                     
                        
                           Da diese Abhandlung vorzüglich zum Zwek hat, die Aufmerksamkeit der Landwirthe auf
                              									die Umstände zu lenken, welche eine Veränderung in dem Producte ihrer Melkereien
                              									hervorbringen, habe ich sie populärer abgefaßt, als wenn sie bloß für
                              									wissenschaftliche Chemiker bestimmt gewesen wäre.
                           Die vielen Schwierigkeiten, womit der Milchproducent zu kämpfen hat, rühren gänzlich
                              									von der Unkenntniß des chemischen Theils seines Gewerbes her. Mein Bestreben ist
                              									hier, auf die Ursachen der vielen Veränderungen der Milch hinzuweisen.
                           Boussingault und LebelAnnales de Chimie et de. Phys. LXXI. 63. stellten Versuche in der
                              									Absicht an, zu beweisen, daß die Zusammensezung der Milch constant bleibt, wenn das
                              									der Kuh gegebene Futter gleich viel Stikstoff enthält; ihre Analysen bestätigten
                              									dieß auch in Betreff des Käsestoffs (Caseins) der Milch; die anderen Bestandtheile
                              									derselben sind jedoch sehr verschieden je nach der Beschaffenheit des Futters. Das
                              									Mittel von acht Analysen liefert nach ihnen folgende Zusammensezung der
                              									Kuhmilch:
                           
                              
                                 Kaͤsestoff (Casein)
                                 3,2
                                 
                              
                                 Butter
                                 4,1
                                 
                              
                                 Zuker
                                 5,1
                                 
                              
                                 Salze
                                 0,2
                                 
                              
                                 Wasser
                                 87,4
                                 
                              
                           Das von diesen Chemikern befolgte analytische Verfahren ist von jenem, dessen sich
                              										Peligot bei seiner Analyse der Eselsmilch bediente,
                              									nicht verschieden.Ebendaselbst LXII. 432. Es bestund
                              									darin, den trokenen Rükstand eines bekannten Gewichtes Milch mit Aether und dann mit
                              									Wasser zu behandeln. Der Gewichtsverlust nach der Erschöpfung mit Aether wurde als
                              									Butter angerechnet und der durch ähnliche Behandlung mit Wasser entstandene, als
                              									Zuker; der trokene unlösliche Rükstand war Casein. Lezteres wurde eingeäschert, um
                              									die Salze der Milch zu bestimmen.
                           Dieses analytische Verfahren hat einen Fehler, welcher jenen Chemikern entgangen zu
                              									seyn scheint. Es ist nämlich vergessen worden,  die vom Wasser aufgelöste unorganische Materie zu
                              									bestimmen. Beim Auswaschen des Gemenges von Casein und Zuker mit Wasser lösen sich
                              									alle in der Milch befindlichen löslichen Salze auf. Die unlöslichen bleiben im
                              									rükständigen Casein und diese allein werden bei der Einäscherung erhalten. In Boussingault's Analysen ist der Gehalt an Milchzuker
                              									daher immer zu hoch und derjenige an unorganischen Bestandtheilen zu gering
                              									ausgefallen.
                           Die von mir angewandte analytische Methode war mit wenigen Modificationen dieselbe.
                              									Eine abgewogene Portion Milch, welcher vorher ein paar Tropfen Essigsäure zugesezt
                              									worden waren, wurde bei der Siedhize des Wassers zur Trokne abgedampft, der trokene
                              									Rükstand mit Aether digerirt, auf ein abgewogenes Filter gebracht und mit erwärmtem
                              									Aether ausgewaschen. Das Gemenge von Zuker und Casein, welches auf dem Filter
                              									zurükblieb, wurde wieder bei 80° R. ausgetroknet und ergab durch seinen
                              									Gewichtsverlust die Menge der von dem Aether aufgelösten Butter. Die ätherische
                              									Lösung selbst wurde zur Trokne abgedampft und bestand dann aus Butter mit, je nach
                              									dem Futter, mehr oder weniger intensivem Farbstoff. Das Gemenge von Casein und Zuker
                              									wurde mit heißem Wasser ausgewaschen und das auf dem Filter zurükbleibende Casein,
                              									nachdem es bei 80° R. getroknet worden, gewogen, dann eingeäschert und das
                              									Gewicht der Asche von dem des Caseins abgezogen. Die bei 80° abgedampfte
                              									Zukerlösung lieferte einen aus Milchzuker und den auflöslichen Salzen der Milch
                              									bestehenden Rükstand. Dieser wurde nach dem Wägen eingeäschert und das Gewicht der
                              									Asche bestimmt. Von dem Gewicht des Rükstandes abgezogen, zeigte dieses die
                              									Quantität des Zukers an, und der Asche des Caseins hinzugerechnet, gab es die
                              									Gesammtquantität der unorganischen Bestandtheile der Milch. Die Asche des Filters
                              									wurde natürlich abgezogen.
                           Die Kuh, mit deren Milch die folgenden Versuche angestellt wurden, war von der Race
                              									der kurzgehörnten. Wie viel Tage es her waren, daß sie zulezt gekälbert hatte, ist
                              									mir nicht bekannt. Zur Zeit der Versuche war sie in gutem Milchzustand.
                           Um den durchschnittlichen Betrag ihrer Milch zu bestimmen, maß ich dieselbe mehrere
                              									Tage hindurch jedesmal vor den Versuchen ab. Während dieser Zeit mußte sich die Kuh
                              									mit Nachgras nähren; die Wiese war eine halbe (engl.) Meile vom Kuhstall
                              									entfernt.
                           
                           
                              
                                 
                                 Morgenmilch.
                                 Abendmilch.
                                 
                              
                                 5.
                                 Oktober
                                 5(engl.)
                                 Quarts
                                 4½
                                 Quarts
                                 
                              
                                 6.
                                 —
                                 5
                                 —
                                 4
                                 —
                                 
                              
                                 7.
                                 —
                                 4½
                                 —
                                 5
                                 —
                                 
                              
                                 8.
                                 —
                                 5
                                 —
                                 4
                                 —
                                 
                              
                                 9.
                                 —
                                 5¼
                                 —
                                 4
                                 —
                                 
                              
                           Das Wetter war für die Jahreszeit schön; da die Nächte aber sehr kalt waren, ließ ich
                              									am 7. Abends die Kuh in den Stall treiben und die Nacht über hier verweilen. Am
                              									Morgen wurde sie wieder zum Grasen geschikt, Abends aber wieder zurükgebracht. Am
                              									Abend des 9. begann ich die Analysen und sezte sie die folgenden Tage fort. Die zu
                              									analysirende Milch wurde erst dann aus dem Melkkübel genommen, nachdem die Kuh
                              									sorgfältig gemolken und die Milch wohl umgerührt worden war. Diese Vorsicht war
                              									nöthig, weil die Abscheidung des Rahms von der Milch zum Theil schon in dem Kuheuter
                              									stattfindet und daher die zulezt daraus gezogene Milch weit mehr Rahm enthält als
                              									die erste.Schuͤbler sagt, daß die zulezt abgezogene
                                    											Milch dreimal so viel Rahm enthalte als die erste. — Dr. Anderson (in Dickson's Practical Agriculture, Vol. II. p.
                                    											517) fand das Verhältniß des Rahms von der lezten Portion Milch zu dem der
                                    											ersten = 16 : 1.
                           Erster Tag. Die auf der Wiese den Tag über mit Nachgras gefütterte Kuh wurde Abends
                              									in den Stall zurükgetrieben. Die sodann erhaltene Milch betrug 3 Quarts. Ein Theil
                              									derselben wurde analysirt; ihr spec. Gewicht war 1,034.
                           
                              
                                 11,128
                                 Gramme Milch gaben
                                 
                                 In 100 Thln.
                                 
                              
                                 
                                 Kaͤsestoff
                                 0,611
                                 5,4
                                 
                              
                                 
                                 Butter
                                 0,404
                                 3,7
                                 
                              
                                 
                                 Milchzuker
                                 0,429
                                 3,8
                                 
                              
                                 
                                 Salze (Asche)
                                 0,068
                                 0,6
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 9,616
                                 86,5
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 11,128
                                 100,0.
                                 
                              
                           Den Tag über hatte die Kuh ziemlich viel Bewegung. Vor dem Melken hatte sie von der
                              									Wiese aus eine halbe (engl.) Meile weit zu gehen. Da das Nachgras nicht so viel
                              									Nahrungsstoff enthält wie das erste Gras, so fraß das Thier mehr als sonst der Fall
                              									gewesen wäre, mußte daher auch mehr umhergehen, um sich so viel Nahrung zu
                              									verschaffen. Die dadurch gemachte Bewegung mußte, da es öfter athmete, auch die
                              									Aufnahme von mehr Sauerstoff in seinen Organismus zur Folge haben. Dieser Sauerstoff
                              									verbindet sich, wie wir nachher sehen werden, mit der Butter und verzehrt sie;
                              									folglich ist in dieser Milch weniger Butter enthalten, als der Fall gewesen wäre,
                              									wenn die Kuh in gehaltreicherem Grase geweidet hätte.
                           
                           Als sie aber wieder in den Stall zurük kam, wurde weniger Sauerstoff eingeathmet und
                              									die Wärme in diesem Raume war einer gewissen Menge stikstofffreien Futters
                              										äquivalent.Es werden hier die Grundzuͤge von Liebig's
                                    											Thier-Chemie als richtig vorausgesezt. Die Nacht über
                              									erhielt die Kuh nichts zu fressen, folglich mußte die Morgenmilch von dem Tags zuvor
                              									verzehrten Nachgras herrühren. Sie maß 4½ Quarts. Specifisches Gewicht
                              									1,032.
                           
                              
                                 15,280
                                 Gramme derselben gaben
                                 
                                 In 100 Thln.
                                 
                              
                                 
                                 Kaͤsestoff (Casein)
                                 0,610
                                 3,9
                                 
                              
                                 
                                 Butter
                                 0,864
                                 5,6
                                 
                              
                                 
                                 Milchzuker
                                 0,468
                                 3,0
                                 
                              
                                 
                                 Salze (Asche)
                                 0,091
                                 0,5
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 13,247
                                 87,0
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 15,280
                                 100,0.
                                 
                              
                           Butter war, wie zu erwarten, in größerm Verhältniß vorhanden als oben; der Käsestoff
                              									hingegen war weniger.
                           Wir verschieben noch die Betrachtung der Ursachen, welche die Verschiedenheit im
                              									Gehalt an lezterm Bestandtheil veranlassen.
                           Zweiter Tag. Die Absicht dieses Versuches war zu erfahren, ob durch Fütterung der Kuh
                              									mit Nachgras im Stall eine Zunahme an Butter hervorgebracht werde. Das Thier wollte
                              									aber dieses Futter nicht fressen und da es von seinen Cameraden entfernt wurde, so
                              									strengte es sich mehrere Stunden an, um seine Freiheit wieder zu gewinnen. Um die
                              									Kuh zur Ruhe zu bringen, gab man ihr einen Cameraden in denselben Stall, was sie
                              									denn vermochte, 28 Pfd. gutes Heu und 2½ Pfd. Hafermehl zu verzehren. Die
                              									Abendmilch maß 3½ Quarts. — Ihr spec. Gewicht war 1,031.
                           
                              
                                 22,684
                                 Gramme davon lieferten
                                 
                                 In 100 Thln.
                                 
                              
                                 
                                 Kaͤsestoff
                                 1,124
                                 4,9
                                 
                              
                                 
                                 Butter
                                 1,150
                                 5,1
                                 
                              
                                 
                                 Zuker
                                 0,867
                                 3,8
                                 
                              
                                 
                                 Salze (Asche)
                                 0,137
                                 0,5
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 19,406
                                 85,7
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 22,684
                                 100,0.
                                 
                              
                           Die Morgenmilch betrug 4 Quarts, wurde aber eines eingetretenen Zufalls wegen nicht
                              									analysirt.
                           Dritter Tag. A. Die Kuh wurde im Stall gelassen und
                              									verzehrte 28 Pfd. Heu, 2½ Pfd. Hafermehl und 8 Pfd. Bohnenmehl. Die
                              									Abendmilch betrug 4 Quarts = 10,34 Pfd. — Ihr spec. Gew. war 1,034.
                           
                           
                              
                                 23,160
                                 Gramme lieferten
                                 
                                 In 100 Thln.
                                 
                              
                                 
                                 Kaͤsestoff
                                 1,262
                                 5,4
                                 
                              
                                 
                                 Butter
                                 0,905
                                 3,9
                                 
                              
                                 
                                 Milchzuker
                                 1,112
                                 4,8
                                 
                              
                                 
                                 Salze (Asche)
                                 0,136
                                 0,5
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 19,745
                                 85,4
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 23,160
                                 100,0.
                                 
                              
                           B. Die Morgenmilch betrug 4½ Quarts = 11,61 Pfd.
                              									— Ihr spec. Gewicht war 1,032.
                           
                              
                                 19,445
                                 Gramme lieferten
                                 
                                 In 100 Thln.
                                 
                              
                                 
                                 Kaͤsestoff
                                 0,758
                                 3,9
                                 
                              
                                 
                                 Butter
                                 0,888
                                 4,6
                                 
                              
                                 
                                 Zuker
                                 0,877
                                 4,5
                                 
                              
                                 
                                 Salze (Asche)
                                 0,129
                                 0,7
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 16,793
                                 86,3
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 19,445
                                 100,0.
                                 
                              
                           Vierter Tag. A. Die wie Tags zuvor im Stall gehaltene Kuh
                              									bekam 24 Pfd. (gedämpfte) Kartoffeln, 14 Pfd. Heu und 8 Pfd. Bohnenmehl. Sie gab
                              									Abends 5 Quarts Milch = 12,9 Pfd. Von 1,033 spec. Gewicht.
                           
                              
                                 17,820
                                 Gramme davon lieferten
                                 
                                 In 100 Thln.
                                 
                              
                                 
                                 Kaͤsestoff
                                 0,707
                                 3,9
                                 
                              
                                 
                                 Butter
                                 1,190
                                 6,7
                                 
                              
                                 
                                 Milchzuker
                                 0,815
                                 4,6
                                 
                              
                                 
                                 Salze (Asche)
                                 0,104
                                 0,6
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 15,004
                                 84,2
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 17,820
                                 100,0.
                                 
                              
                           B. Die Morgenmilch betrug 4 Quarts = 10,32 Pfd. —
                              									Ihr spec. Gewicht war 1,032.
                           
                              
                                 19,641
                                 Gramme dieser Milch enthielten
                                 
                                 In 100 Thln.
                                 
                              
                                 
                                 Kaͤsestoff
                                 0,535
                                 2,7
                                 
                              
                                 
                                 Butter
                                 0,978
                                 4,9
                                 
                              
                                 
                                 Milchzuker
                                 0,991
                                 5,0
                                 
                              
                                 
                                 Salze (Asche)
                                 0,116
                                 0,5
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 17,021
                                 86,9
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 19,641
                                 100,0.
                                 
                              
                           Fünfter Tag. A. Die wie vorher gehaltene Kuh verzehrte 14
                              									Pfd. Heu und 30 Pfd. (gedämpfte) Kartoffeln. Sie gab Abends 5⅛ Quarts Milch =
                              									13,18 Pfd. von 1,030 spec. Gewicht.
                           
                              
                                 18,141
                                 Gramme davon lieferten
                                 
                                 In 100 Thln.
                                 
                              
                                 
                                 Kaͤsestoff
                                 0,716
                                 3,9
                                 
                              
                                 
                                 Butter
                                 0,845
                                 4,6
                                 
                              
                                 
                                 Milchzuker
                                 0,713
                                 3,9
                                 
                              
                                 
                                 Salze (Asche)
                                 0,099
                                 0,5
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 15,768
                                 87,1
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 18,141
                                 100,0.
                                 
                              
                           
                           B. Die Morgenmilch betrug 4¾ Quarts = 12,20 Pfd.
                              									— Ihr spec. Gewicht war 1,030.
                           
                              
                                 16,740
                                 Gramme davon enthielten
                                 
                                 In 100 Thln.
                                 
                              
                                 
                                 Kaͤsestoff
                                 0,600
                                 3,5
                                 
                              
                                 
                                 Butter
                                 0,835
                                 4,9
                                 
                              
                                 
                                 Zuker
                                 0,648
                                 3,8
                                 
                              
                                 
                                 Salze (Asche)
                                 0,082
                                 0,5
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 14,575
                                 87,3
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 16,740
                                 100,0.
                                 
                              
                           Ehe wir zur Betrachtung dieser Versuche schreiten, müssen wir einen Blik auf die
                              									Zusammensezung der verschiedenen angewandten Futterarten werfen. Die Kuh erhielt im
                              									Laufe dieser Versuche Gras, Hafermehl, Heu, Bohnen und Kartoffeln; die
                              									Zusammensezung derselben ist aus folgenden Analysen ersichtlich.
                           
                              
                                 
                                 Heu
                                 Hafer
                                 Bohnen
                                 Kartoffeln
                                 
                              
                                 
                                 Boussingault.
                                 Ders.
                                 Playfair.
                                 Boussingault.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                 38,47
                                 41,57
                                 38,24
                                 12,30
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 4,20
                                 5,25
                                 5,84
                                 1,74
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 32,51
                                 30,10
                                 33,10
                                 12,04
                                 
                              
                                 Stikstoff
                                 1,26
                                 1,80
                                 5,00
                                 0,32
                                 
                              
                                 Asche
                                 7,56
                                 3,28
                                 3,71
                                 1,40
                                 
                              
                                 Wasser
                                 16,00
                                 18,00
                                 14,11
                                 72,20.
                                 
                              
                           Bohnen, welche von Boussingault analysirt wurden, gaben
                              									nur 4 Proc. Stikstoff; das von mir untersuchte Bohnenmehl aber 5 Proc. Multiplicirt
                              									man die Menge des Stikstoffs mit 6 1/5, so entspricht das Product natürlich dem
                              									Käsestoff oder Eiweißstoff in den verschiedenen Futterarten; zieht man dieses
                              									Product sammt dem Wasser und der Asche ab, so muß der Rest die Quantität
                              									stikstofffreier Materie anzeigen.
                           
                              
                                 
                                 Eiweißstoff oder Casein.
                                 Stikstofffreie Materie.
                                 
                              
                                 Heu
                                 7,81
                                 68,63
                                 
                              
                                 Hafer
                                 11,16
                                 67,56
                                 
                              
                                 Bohnen
                                 31,00
                                 51,18
                                 
                              
                                 Kartoffel
                                 1,98
                                 24,42.
                                 
                              
                           Endlich enthält nach Liebig gutes Heu 1,56 Proc. einer
                              									fetten oder wachsartigen Substanz. Braconnot fand 0,70
                              									Proc. einer ähnlichen Substanz in den Bohnen; Vogel 2
                              									Proc. im Hafer und Liebig 0,3 Proc. in den
                              									Kartoffeln.
                           Dumas behauptete kürzlich, daß das Fett der Thiere
                              									gänzlich von der in ihrem Futter enthaltenen Fettsubstanz herrühre. Diese Behauptung
                              									wurde von Liebig sehr glüklich bestritten, indem er sich
                              									auf eine Analyse der Milch von Boussingault bezieht,
                              									welche weit  mehr Butter
                              									enthielt, als für das verzehrte Futter in Anrechnung gebracht werden konnte. Da die
                              									Theorie der Fettbildung für die Milchwirthschaft höchst wichtig ist, so wollen wir
                              									einen unserer obigen Versuche mit Rüksicht auf Dumas'
                              									Theorie näher untersuchen.
                           Am zweiten Tag erhielt die Kuh 28 Pfd. Heu, welches 0,436 Pfd. Fett enthält und
                              									2½ Pfd. Hafermehl mit 0,050 Pfd. Fettgehalt. Die Kuh gab (nach dem spec.
                              									Gewicht berechnet) ungefähr 19 Pfd. Milch, welche 0,969 Pfd. Butter enthielt. Das
                              									Futter aber enthielt zusammen nur 0,486 Pfd. Fett, so daß 0,483 Pfd. Butter von
                              									andern Quellen herrühren muß.
                           Aehnlich verhält sich der Butterertrag des dritten, noch bei weitcm aber abweichender
                              									und gegen Dumas' Behauptung sprechender der des vierten
                              									und fünften Tages zu dem Fettgehalt des der Kuh gegebenen Futters. Die Butter in der
                              									Milch kann demnach ihren Ursprung unmöglich ausschließlich vom im Futter enthaltenen
                              									Fette haben und muß sonach durch Ausscheidung von Sauerstoff aus den Elementen der
                              									stikstofffreien Bestandtheile des Viehfutters erzeugt werden, was mit Liebig's Theorie übereinstimmt.
                           Wir finden auffallende Verschiedenheiten der Butterquantitäten in vorstehenden
                              									Analysen, wie auch Boussingault sie bei seinen Versuchen
                              									erhielt. In der Milch des ersten Tages war wenig Butter enthalten. Die Kuh war den
                              									Tag über auf dem Feld gelassen worden und bedurfte daher einer größern Menge
                              									stikstofffreier Nahrung, um die Hize ihres Körpers ertragen zu können, als
                              									erforderlich gewesen wäre, wenn dieser von Kälte geschüzt gewesen wäre. Am Abend
                              									aber kam sie in einen warmen und gut mit Streu versehenen Stall, wo die ihr
                              									mitgetheilte Wärme einer gewissen Menge Futters äquivalent war, woher es kam, daß
                              									die Morgenmilch viel butterreicher war. Man hat sich übereinstimmend davon
                              									überzeugt, daß eine im Stall gefütterte Kuh eine butterreichere Milch gibt als eine
                              									auf dem Feld gefütterte. Abgesehen von dem Einfluß der bloßen Stallwärme, wird auch
                              									weniger Butter von dem Sauerstosf der Luft verzehrt. Im Stall sind die Athemzüge des
                              									Thiers bei weitem nicht so zahlreich als auf dem Felde und es tritt sonach weniger
                              									Sauerstoff in den Organismus ein. Der Milchökonom hat also vorzüglich dafür zu
                              									sorgen, daß kein Uebermaaß von diesem Gase in den Körper des Thieres gelangt. Aus
                              									diesem Grunde pflegt man die vom Haus ent fernten Kühe auf dem Felde zu melken und
                              									nur jene Kühe behufs der Melkung heim zu treiben, welche nicht weit zum Stalle
                              									haben. Die Bewegung durch das Heimgehen verursacht ein lebhafteres Spiel des
                              									Respirationssystems und vermehrt hiedurch die Quantität des eingeathmeten  Sauerstoffs. Dieser verbindet
                              									sich mit der Butter und verzehrt sie. Ein guter Milchökonom achtet sorgfältig
                              									darauf, daß man die Kühe ihren natürlichen Schritt heim gehen läßt und denselben nie
                              									zu beschleunigen sucht. Dabei tritt nur wenig Sauerstoff in den Organismus. Wird die
                              									Kuh gequält, so daß sie läuft, um der Plage zu entrinnen, so wird ihre Milch sehr
                              									erhizt, nimmt an Volum und Gehalt ab und wird bald sauer. Es ist dieß eine allen
                              									Milchwirthen bekannte Thatsache. Der während des Laufens von der Kuh eingeathmete
                              									Sauerstoff verbindet sich mit der Butter und die durch ihre Verbrennnng entwikelte
                              									Wärme erhöht die Temperatur der Milch und verdampft einen Theil ihres Wassers. Es
                              									wird hiedurch eine Essiggährung eingeleitet, die nicht mehr unterdrükt werden kann.
                              									Darum werden die Kühe bei sehr heißem Wetter nicht mehr auf das Feld getrieben, wo
                              									sie von den Müken geplagt und störrig gemacht werden. Bei solchem Wetter werden
                              									nicht selten die Kühe den Tag über im Stall gefüttert und des Nachts zum Grasen
                              									gelassen, wobei sie ruhig und vor Einathmung zu vielen Sauerstoffs geschüzt bleiben.
                              									Es kann nicht in Zweifel gezogen werden, daß die Stallfütterung im Winter oder bei
                              									kaltem Wetter sehr viel zur Bildung der Butter beiträgt; im Sommer aber ist, wenn
                              									der Weideplaz reich und dem Stalle nahe ist, die kleine Bewegung, welche sie durch
                              									ihn erhalten, ihrer Gesundheit zuträglich und vermehrt ihren Appetit. Sie nehmen
                              									dadurch mehr Futter zu sich als im Stall und geben folglich mehr Milch. Der Verlust
                              									durch Absorption von Sauerstoff wird durch den größeren Appetit des Thiers mehr als
                              									ausgeglichen.
                           Aus obigen Versuchen wird man ersehen, daß die Kartoffeln auf die Ausbeute an Milch
                              									sowohl, als auf die Butterbildung sehr vortheilhaft wirken. Es stimmt dieß mit der
                              									Erfahrung völlig überein. Sie sind reich an Stärkmehl und liefern daher den Stoff,
                              									aus welchem sich die Butter bildet. Der Mehrgehalt der Milch vom vierten Tag an
                              									Butter ist sehr auffallend; an jenem Tag machten 24 Pfd. Kartoffeln einen Theil des
                              									Futters aus. Auch in der Milch des fünften Tages war viel Butter, doch nicht so viel
                              									als in der des vierten, obwohl 6 Pfd. Kartoffeln mehr gegeben wurden. Diese 6 Pfd.
                              									Kartoffeln enthielten nur 1½ Pfd. trokner, stikstofffreier Substanz, die
                              									keinen Ersaz bieten konnten für 8 Pfd. Bohnen (4 Pfd. stikstofffreie Materie
                              									enthaltend), welche einen Theil der Fütterung des vorhergehenden Tages ausmachten.
                              									Das Ergebniß entspricht daher genau unserer Voraussezung. Wenn das Futter viel
                              									Stärkmehl enthielt, so nahm die Quantität des Milchzukers sowohl als der Butter zu.
                              									Der große Buttergehalt der Milch vom zweiten Tage ist auffallend, daher wir den
                              									Zufall bedauern, welcher uns verhinderte,  die Morgenmilch zu analysiren. Es wurde mir oft von
                              									praktischen Landwirthen die Bemerkung gemacht (wie weit sie richtig ist, weiß ich
                              									nicht), daß die Morgenmilch in der Regel gehaltreicher ist, als die Abendmilch. So
                              									weit die kleine Anzahl der hier mitgetheilten Analysen einen Schluß zuläßt, scheint
                              									diese Bemerkung nicht unrichtig zu seyn. Die Ursache hiefür ist einleuchtend; den
                              									Tag über, wo Bewegung stattsindet, ist die Anzahl der Athemzüge groß und es tritt
                              									viel Sauerstoff in den Organismus, was der Butterbildung nachtheilig ist; über Nacht
                              									aber, während des Schlafs, ist die Athmung träger und es wird nicht viel Sauerstoff
                              									eingeathmet. Dieser Zustand begünstigt die Ausscheidung des Sauerstoffs vom
                              									Stärkmehl, um den Abgang (an Butter) wieder zu ergänzen.
                           Alle Erfahrung spricht gegen Dumas' Theorie hinsichtlich
                              									der Bildung der Butter in der Milch und des Fetts in den Thieren. In Schottland ist
                              									die Stallfütterung der Kühe in hohem Grad ausgedehnt. Die Glasgower Milchwirthe
                              									füttern ihre Kühe in warmen Ställen mit Träbern (aus den Bierbrauereien), einigen
                              									Pfunden Bohnen, gedämpften weißen Rüben und Kartoffeln, und soviel
                              									Branntweinschlempe als sie saufen wollen. Die Träber bestehen aus Stärkmehl, Gummi
                              									und etwas Zukerstoff, enthalten aber soviel man weiß kein Fett. Diese Träber sind
                              									das beste Futter und der Buttererzeugung sehr förderlich, was offenbar von ihrem
                              									Gehalt an stikstofffreier Substanz herrührt. Die Bohnen liefern die stikstoffhaltige
                              									Substanz, welche den übrigen Futterarten mangelt und da sie Casein (Käsestoff)
                              									fertig gebildet enthalten, unterstüzen sie die Milchbildung sehr. Ihr Werth ist von
                              									allen schottischen Milchwirthen anerkannt, obwohl sie hierzulande (London) noch
                              									wenig im Gebrauch sind. Die Branntweinschlempe enthält Zuker und Alkohol, trägt
                              									daher zur Erhaltung der Wärme des Körpers bei und sezt dadurch das andere Futter in
                              									den Stand, sich in Butter umzuwandeln. Ihre Hauptfunction aber scheint zu seyn, die
                              									Secretionen zu verdünnen. Neines Wasser tritt nicht schnell in das Blut über; wir
                              									wissen im Gegentheil, daß es die Blutkügelchen zerstört. Bei saurem Wasser aber ist
                              									dieß nicht der Fall, und die Schlempe ist in der Regel sehr sauer. Daher verdünnt
                              									sie die Secretionen. Die Hauptaufgabe bei dieser Art der Fütterung ist, den Kühen so
                              									viel möglich stikstofffreies Futter zu geben und das bessere Futter besteht gerade
                              									aus solchen Körpern, welche die kleinsten Quantitäten Fetts enthalten. Porter und
                              									Bier sind bekanntlich der Buttererzeugung in der Milch sowohl der Frauen als der
                              									Kühe sehr förderlich und diese Flüssigkeiten enthalten kein Fett. Alles dieses
                              									beweist also daß die Praxis gegen die Dumas'sche Theorie
                              									und zu Gunsten der Liebig'schen spricht.
                           
                           Bei der Stallfütterung steht es in unserer Gewalt, die Zusammensezung der Milch, auch
                              									in Bezug auf das Casein, zu verändern. So erhielt die Kuh am zweiten Tag in ihrem
                              									Futter 2½ Pfd. Eiweiß oder eine Substanz von gleicher Zusammensezung (28 Pfd.
                              									Heu, 2½ Pfd. Hafermehl). Sie gab 19 Pfd. Milch, in welcher 0,93 Pfd. Käse
                              									waren. Am darauffolgenden Tag erhielt sie 5 Pfd. oder die doppelte Quantität Eiweiß
                              									in ihrem Futter und die 22 Pfd. wiegende Milch enthielt 1 Pfd. Casein.Nach der Abendmilch berechnet, da die Morgenmilch nicht analysirt worden
                                    											war. Der Theorie nach wäre eine noch größere Vermehrung desselben
                              									zu erwarten gewesen, als wirklich statt fand. Der die Erzeugung von Casein in der
                              									Milch begünstigende Umstand wird weiter unten in Betracht gezogen werden.
                           Die Kuh erhielt in dem am vierten Tag gegebenen Futter 4 Pfd. Casein und Eiweißstoff
                              									(14 Pfd. Heu, 8 Pfd. Bohnen, 24 Pfd. Kartoffeln) und gab 23,22 Pfd. Milch, welche
                              									0,75 Pfd. Casein enthielt. Am fünften Tag erhielt sie bedeutend weniger Casein in
                              									ihrem Futter, nämlich 1,7 Pfd. (14 Pfd. Heu und 30 Pfd. Kartoffeln), aber die Menge
                              									des Caseins in der Milch, obwohl den Procenten nach geringer, war ihrem wirklichen
                              									Betrage nach gleich, weil die Milch überhaupt mehr war. Sie betrug nämlich 25 Pfd.,
                              									wovon 0,94 Pfd. Casein waren. Obwohl hier das Futter nicht viel Casein enthielt, so
                              									erzeugte es doch viel Milch, welche ihr Casein aus dem Blute nehmen mußte. Wäre die
                              									Kuh bei diesem Futter gelassen worden, so hätte ohne Zweifel das Casein der Milch
                              									weniger werden, oder die Kuh an Stärke abnehmen müssen, indem sie diese Substanz auf
                              									Kosten ihrer Gewebe (festen Gebilde) abgegeben hätte.
                           Der Werth dieser Versuche leidet sicherlich sehr darunter, daß sie nicht bei jeder
                              									Futterart auf mehrere Tage erstrekt wurden. Allein in England, wo der Aether so
                              									außerordentlich theuer ist, werden solche Versuche für eine Privatperson zu
                              									kostspielig. Wären sie unter gleichen Umständen in Bezug auf Temperatur und Bewegung
                              									fortgesezt worden, so hätte man Aufschlüsse über den Erfolg der verschiedenen
                              									Futterarten erhalten, obschon die Endursachen der Entdekung ergehen.
                           Lassen wir den zweiten Tag, an welchem sich durch einen zufälligen Umstand eine
                              									abnorme Zunahme des Caseins ergab, unberüksichtigt, so finden wir, daß die Milch vom
                              									dritten Tage 5,4 Proc., die vom vierten 3,9 und die vom fünften ebenfalls 3,9 Proc.
                              									Casein enthielt. Das Futter am dritten Tag enthielt auch sehr viel Casein,  was unmittelbar dessen
                              									Zunahme in der Milch zur Folge hatte. Einige besondere Umstände begünstigten das
                              									Ergebniß an Milch am fünften Tag troz der kleinen Menge Eiweißes im Futter; die
                              									Milch schöpfte ihr Casein aus andern Quellen. Die Milch vom zweiten Tag enthielt 4
                              									Proc. Casein, während die vom vierten Tag nur 3,9 Proc. davon enthielt, obschon die
                              									Kuh an diesem Tag 4 Pfd. Eiweiß im Futter erhielt, und an jenem nur 3,9 Pfd.
                           Solche Abweichungen begegnen stets dem Milchwirth und erzeugen Schwankungen im Werthe
                              									der Milch, wenn auch die Umstände der Fütterung dieselben zu seyn scheinen. Wir
                              									haben nun zu ermitteln, woher diese anscheinend abweichenden Resultate rühren.
                           Bei Versuchen dieser Art muß man bedenken, daß der thierische Körper kein bloßes
                              									chemisches Laboratorium ist, in welchem der Chemiker nach Gefallen operiren kann. Es
                              									existirt eine Kraft, die Lebenskraft, welche über der seinigen steht, und nur durch
                              									deren Beistand werden die von ihm gewünschten Veränderungen hervorgebracht.
                           Am zweiten Tag nun hatte sich das Thier sehr abgearbeitet, um seine Freiheit wieder
                              									zu erlangen und es fand also ein großer Aufwand von Materie behufs der
                              									Krafterzeugung statt. Es ist nicht wohl zu glauben, daß ein Verlust an Geweben
                              									stattfinden könne ohne eine Veränderung in ihrer chemischen Zusammensezung; und doch
                              									können wir (nach dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens) nicht läugnen, daß eine
                              									Veränderung in der Gestalt ebenso einen Verlust hervorbringen könne, als eine
                              									Veränderung in der Zusammensezung. Wir wissen wenig oder gar nichts von dem Wesen
                              									der Secretion. Alles was wir wissen, ist, daß gewisse Drüsen die Kraft haben,
                              									gewisse Theile des Organismus oder des Futters zu assimiliren und Flüssigkeiten zu
                              									erzeugen, welche entweder neue Functionen im Organismus verrichten, oder von
                              									demselben ausgeschieden werden; wie aber diese Secretionen vor sich gehen, ist uns
                              									gänzlich unbekannt. Scherer hat wirklich dargethan, daß
                              									das Eiweiß durch Digestion mit Aezkali in Casein umgewandelt werden kann, und es ist
                              									möglich, daß dieß der Proceß seiner Bildung im Organismus ist. Von dieser Ansicht
                              									ausgehend kann man annehmen, daß der Verlust an Geweben indirect dessen Erzeugung
                              									bewirke. Durch deren Verschwinden werden auch die alkalischen Substanzen welche sie
                              									enthalten frei und können auf den Eiweißstoff des Bluts, ihn in Casein umwandelnd,
                              									einwirken. Sey dem wie ihm wolle, so müssen wir vielen Thatsachen zufolge glauben,
                              									daß das Verschwinden von Geweben die Erzeugung von Casein in der Milch befördert.
                              									Die Milch einer im Stall gefütterten Kuh ist nicht nur absolut, sondern auch relativ
                              									ärmer an Casein als eine auf dem Feld gefütterte, wo Bewegung die Umbildung  der Gewebe vermehrt.
                              									Während des Gebärens sind alle Muskeln in sehr große Thätigkeit versezt. Da die
                              									Nöthen einer Kuh viele Stunden lang fortdauern, muß ein großer Theil von Geweben zur
                              									Erzeugung der zur Anstrengung der Muskeln nöthigen Kraft verwendet werden. Wenn dieß
                              									der Fall ist, so muß, ist unsere Ansicht richtig, in der Kuhmilch sogleich nach der
                              									Geburt Casein in großer Menge vorhanden seyn; bekanntlich ist aber auch diese Milch
                              									ganz dik von Käse. Wir verdanken Boussingault eine
                              									Analyse von der Milch einer Kuh, ehe man das Kalb zum Saugen zuließ. Er fand, daß
                              									sie 15 Proc. Casein enthielt, während die Milch derselben Kuh, ein paar Tage nach
                              									dem Kälbern analysirt, nur 3 Proc. also nur 1/5 obiger Quantität davon
                              										enthielt.Man koͤnnte gegen diese Ansicht einwenden, daß die Analyse dieser
                                    											Milch eine nur sehr kleine Menge unorganischer Bestandtheile gab. Boussingault fand davon naͤmlich nur 0,3
                                    											Proc. Darauf kann aber geantwortet werden, daß die die Bildung des Caseins
                                    											beguͤnstigenden Alkalien aufloͤslich sind und daher in B's
                                    											Analyse vernachlaͤssigt wurden, indem sie im Milchzuker mit
                                    											inbegriffen sind. (Annales de Phys. et de Chimie.
                                       												LXXI. 72.) Wenn nun durch das Verschwinden von Geweben
                              									direct oder indirect die Menge des Caseins in der Milch vermehrt wird, dann sind wir
                              									um die Erklärung nicht mehr verlegen, warum die Milch des zweiten Tags so
                              									ungewöhnlich reich an Casein war.
                           Die Bohnen enthalten 31 Proc. wirkliches Casein, weßhalb sie für die Milchbildung von
                              									so großem Nuzen sind.
                           Die zur Erzeugung von Casein nöthigen Bedingungen sind verschieden von den ver
                              									Butterbildung günstigen Umständen. Ist Butter der Hauptzwek, so darf die Kuh nicht
                              									auf zu reiche Weidepläze gegeschikt werden. In allen Käsedistricten hingegen stimmt
                              									man darin überein, daß armer Boden der Käseerzeugung am
                              									zuträglichsten ist. Arm wird der Boden genannt, nicht wenn das Gras
                              									stikstoffhaltiger, sondern wenn es stikstofffreier Bestandtheile ermangelt. Die
                              									Landwirthe sagen sodann, das „Aequivalent“ sey größer, d. h.
                              									das Thier ist gezwungen, vom armen Gras eine größere Quantität zu verzehren als vom
                              									reichen, um die animalische Wärme zu unterhalten; es muß daher größere Streken
                              									durchziehen, um sich Futter zu verschaffen; hierdurch wird eine erhöhte Einathmung
                              									von Sauerstoff und ein größerer Verlust an Geweben veranlaßt; dieß steigert den
                              									Appetit des Thiers und es verzehrt mehr Futter. Ist die schon ausgesprochene Ansicht
                              									richtig, so befördert das Verschwinden von Geweben die Erzeugung von Casein in der
                              									Milch. Eine Hauptsache in Käsereien ist, die Kühe viel Nahrung zu sich nehmen zu
                              									machen, in welcher Absicht man ihnen in großen Oekonomien täglich neue  Weiden zu kosten gibt. Die
                              									Cheddar-, Cheshire- und Stiltonkäse enthalten bedeutend viel Butter.
                              									In einer berühmten Käserei, ein paar Meilen von Bridgewater, wo ausgezeichneter
                              									Cheddarkäse gemacht wird, pflegt man (wie es mir scheint, sehr zwekmäßig) die Kühe
                              									des Morgens auf Weiden von troknem Sandboden, Abends aber auf solche von zarter
                              									Moorerde zu treiben. Da das Gras auf dem Sandboden arm ist, durchstreichen die Kühe
                              									große Streken, um sich hinlänglich Nahrung zu verschaffen. Sie fressen demnach eine
                              									größere Portion, als dieß auf reichem Boden der Fall wäre, wo ihnen das Auffinden
                              									der Nahrung nicht so viel Anstrengung kosten würde. Hierdurch erzeugt sich viel Käse
                              									in der Milch. Die Nacht über läßt man sie aber auf reichen Pläzen weiden, welche für
                              									die Buttererzeugung geeignet sind, und da die Dunkelheit sie im Umherwandern
                              									hindert, so wird wenig Sauerstoff eingeathmet, der die gebildete Butter verzehren,
                              									oder ihre Bildung verhindern könnte. Da die Abend- und Morgenmilch behufs der
                              									Käsebereitung immer gemischt werden, erhält man auf diese Weise ein geeignetes
                              									Verhältniß beider Bestandtheile. In Districten, wo geringere Käsesorten bereitet
                              									werden, d. h. wo der Landwirth auf seine Butter ebensowohl als auf seinen Käse
                              									hingewiesen ist, weiß er nichts von dem Werthe eines armen Bodens. Die Milchwirthe
                              									gerathen sogar manchmal hierüber in Widerspruch, jedoch niemals solche, die nur
                              									allein vom Käse abhängen und sich um die Butter wenig bekümmern, außer um mit
                              									derselben ihren Käse zu verbessern.
                           Ehe ich diese Abhandlung schließe, benüze ich diese Gelegenheit, um für Praktiker
                              									einige Bemerkungen über die Aufbewahrung der Milch beizufügen, über welchen
                              									Gegenstand schon oft Anfragen an mich kamen.
                           Die Milch besteht aus Käsestoff, Milchzuker und mehreren Salzen, aufgelöst in Wasser,
                              									worin kleine Fett- oder Butterkügelchen schweben. Diese Kügelchen sind mit
                              									einer Hülle oder Schale umgeben, welche (von Otto) für
                              									geronnenes Casein gehalten werden. Das auflösliche Casein, ein stikstoffreicher
                              									Körper, geht sehr leicht in Fäulniß über. Im Sommer findet dieß nicht so bald statt,
                              									da bei der hohen Temperatur der Milchzuker vermöge der Einwirkung der Milchsäure in
                              									Traubenzuker, dann in Alkohol und dieser in Essigsäure umgewandelt wird. Diese
                              									Veränderungen werden durch eine vorausgehende Einwirkung des Sauerstoffs auf das
                              									Casein eingeleitet, welche sich sodann den übrigen Bestandtheilen mittheilt, deren
                              									Atome, wenn sie einmal in Bewegung gesezt sind, die angegebenen Veränderungen bald
                              									eingehen. Die durch die Einwirkung der Luft auf den Alkohol gebildete Essigsäure
                              									wirkt auf das auflösliche Casein  und coagulirt es oder macht es unauflöslich. Hierdurch
                              									wird es aber der Einwirkung des Sauerstoffs der Luft entzogen und kann eine Zeit
                              									lang aufbewahrt werden, ohne in Fäulniß überzugehen. Dieß sind die Veränderungen,
                              									welche die Milch im Sommer erfährt; im Winter aber sind sie ganz verschieden.
                           Im Winter ist die erste Einwirkung die des Sauerstoffs auf das Casein. Die Temperatur
                              									ist nicht hoch genug, um eine geistige Gährung zu verursachen. Das der Zersezung
                              									unterliegende Casein geht gewöhnlich in Fäulniß über, d. h., die Atome desselben
                              									wandeln sich schneller um, als sie sich mit Sauerstoff verbinden. Es entwikelt sich
                              									dann ein fauliger Geruch.
                           Von einer Milch, welche diese Veränderung erlitten hat, kann keine Butter gemacht
                              									werden. Die Ursache davon ist, daß die Butter immer eine gewisse Menge Casein
                              									enthält, die schwer zu entfernen ist. Hat eine anfangende Fäulniß Plaz gegriffen, so
                              									kann ihr durch gewöhnliche Mittel kein Einhalt gethan werden und sie theilt sich den
                              									Körpern mit, womit sie in Berührung kömmt. Aus diesem Grunde hat die im Winter
                              									gemachte Butter gewöhnlich einen ranzig fauligen Geschmak.
                           Die erste Aufgabe, um die Milch im Winter aufzubewahren, ist dem Anfang der Fäulniß
                              									zu begegnen. Ein Verfahren hiezu wurde das Brühen (scalding) der Milch genannt und ist in den Milchereien
                              									allgemein im Gebrauch. Es besteht im Erhizen der Milch, bis der Sauerstoff der Luft
                              									auf das Casein einwirkt und ein Häutchen auf ihrer Oberfläche bildet. Man läßt nun
                              									die Milch ganz ruhig stehen. Die Haut schließt die Luft von dem aufgelösten Casein
                              									aus. Die theilweise Oxydation, durch welche die Haut gebildet wurde, fand bei zu
                              									hoher Temperatur statt, als daß das Product in Fäulniß übergehen könnte. Wird diese
                              									Operation geschikt vorgenommen, so erhält sich die Milch vier bis fünf Tage ganz
                              									gut. Man ist jedoch der Gefahr ausgesezt, daß sie mißlingt und das Verfahren ist
                              									auch nur in kleinen Milchereien anwendbar.
                           Das beste Verfahren, welches ich mit vielem Erfolg in Ausführung bringen sah, scheint
                              									das zu seyn, die Essiggährung in der Milch einzuleiten.
                           Zu diesem Behufe wird der Rahm oder die Milch in einem passenden Gefäß in heißes
                              									Wasser gestellt; als dazu sich am besten eignende Temperatur fand ich
                              									30°–35° R. Man kann über das Ganze ein Tuch breiten, um die
                              									Wärme zusammenzuhalten und wenn das Wasser sich abkühlt, so wird es herausgenommen
                              									und durch frisches von obiger Temperatur ersezt. In einigen Stunden nimmt der Rahm
                              									den Geruch und Geschmak des Essigs an. Die oben beschriebenen  Veränderungen treten ein. In
                              									großen Milchereien kann eine Portion dieses sauren Rahms oder der sauren Milch
                              									frischer Milch zugesezt werden, die man in ein Zimmer von 12½° R.
                              									Temperatur stellt. Durch Zusezen dieses sauren Rahms zur frischen Milch liefern wir
                              									eine Säure, durch welche der Milchzuker in Traubenzuker umgewandelt wird. Der
                              									Käsequark wirkt nun auf den Traubenzuker und verwandelt ihn in Alkohol. Lezterer
                              									wird durch Oxydation zu Essigsäure und so die ganze Milchmasse sauer gemacht, das
                              									Casein aber coagulirt und dadurch vor unmittelbarer Fäulniß geschüzt. Die aus
                              									solcher sauren Milch gemachte Butter ist ganz süß und frei von jenem ranzigen
                              									Geschmak, welcher unsere Winterbutter von der Sommerbutter unterscheidet. Wenn aber
                              									einmal die Fäulniß in der Milch ihren Anfang genommen hat, so hilft dieß alles
                              									nichts mehr, weil sie sich dem unlöslichen Casein mittheilt. Man muß sich daher
                              									vollkommen frischer Milch bedienen. Frische, auf diese Art gesäuerte Milch hält sich
                              									mehrere Tage und läßt ziemlich lange Zeit über Rahm in die Höhe steigen. Meines
                              									Wissens ist dieses Verfahren noch nicht allgemein bekannt, verdient aber eingeführt
                              									zu werden. Im Sommer ist diese Operation natürlich nicht nöthig, da sie auf Kosten
                              									der abgerahmten Milch geschieht. Eine Hauptursache der Fäulniß der Milch ist der
                              									Mangel vollkommener Reinheit in den Milchereien. Wenn ein Tropfen Milch auf den
                              									Tisch fällt, sollte er weggewischt und die Stelle sorgfältig gewaschen werden, da
                              									die Fäulniß desselben die Entwiklung eines faulen Gases herbeiführt und dieses die
                              									Fäulniß der übrigen Milch mittheilt.
                           Das Buttermachen anbelangend können wissenschaftliche Erklärungen dem Praktiker wenig
                              									nüzen. Die Theorie des Kernens ist sehr einfach. Durch das Rühren werden die
                              									Butterkügelchen gebrochen, so daß sie sich zu einer Masse vereinigen. Die Einführung
                              									der Luft beim Kernen, von der dem Rahm oder Milch inwohnenden Wärme noch unterstüzt,
                              									verursacht die Bildung von Milch- oder Essigsäure, leztere coagulirt das
                              									Casein und befördert dadurch die Abscheidung der Butter. Im Sommer, wenn die Hize
                              									das baldige Zusammenhängen der Butter verhindert, wird durch Einschütten einer
                              									Quantität frischen Brunnenwassers, nachdem sich die Buttermilch gebildet, oft der
                              									Zwek erreicht. Die Temperatur wird dadurch erniedrigt, die Butter fester und
                              									zusammenhängender gemacht, während die im Wasser enthaltene Luft die Bildung von
                              									Säure und Gerinnung des Caseins befördert. Alles was vom wissenschaftlichen
                              									Gesichtspunkt aus nach Abtrennung der Butter zu beobachten ist, ist die Befreiung
                              									derselben von der Buttermilch oder dem Casein. Läßt man dieses daran, so erfolgt
                              									Fäulniß und die Butter bekommt einen fauligen Geschmak. Die Trennung desselben ist
                              									daher von höchster Wichtigkeit.
                           
                           Daß gewisse ausländische Butter besser sind und ihren Wohlgeschmak lange Zeit
                              									behalten, beruht mehr auf dem Umstande, daß sie frei von Casein sind, als irgend
                              									einem Geheimniß bei ihrer Bereitung.