| Titel: | Ueber die Beleuchtung des Innern der Gebäude mit sogenanntem Leuchtspiritus; von Hrn. V. Andouard. | 
| Fundstelle: | Band 91, Jahrgang 1844, Nr. LIII., S. 195 | 
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                        LIII.
                        Ueber die Beleuchtung des Innern der
                           								Gebaͤude mit sogenanntem Leuchtspiritus; von Hrn. V. Andouard.Man vergleiche uͤber diesen Gegenstand Luͤdersdorff's ausfuͤhrliche
                                 										Abhandlung im polytechnischen Journal Bd. LX.
                                    											S. 166.A. d. R.
                        Im Auszug aus dem Journal de Chimie médicale. Dec. 1843.
                              									S. 717.
                        Ueber die Beleuchtung des Innern der Gebäude mit
                           								Leuchtspiritus.
                        
                     
                        
                           In Aix soll eine neue Kunst- und Gewerbschule eröffnet werden; durch den
                              									Minister des Akerbaues und Handels mittelbar veranlaßt, erstattete Hr. Andouin über die Frage, ob in diesem Institute
                              									Weingeistbeleuchtung eingeführt werden könne, den hier (im Auszug) folgenden
                              									Bericht.
                           Erste Frage. Kann die Weingeist-Beleuchtung im Innern
                                 										der Gebäude leicht im Großen ausgeführt werden?
                           Es wurden vor Kurzem zu Beziers von einer städtischen Commission Versuche über
                              									Anwendung von Leuchtspiritus (in Weingeist aufgelöstem Terpenthinöhl) zur
                              									Straßenbeleuchtung angestellt. Diese Versuche können, wie wir scheint, was die
                              									Beleuchtung im Innern anbelangt, nicht zur Grundlage dienen; auch scheinen sie,
                              									obgleich mit der größten Gewissenhaftigkeit, doch nicht mit der gehörigen
                              									Genauigkeit angestellt worden zu seyn.
                           Ich bin nun bald seit einem Jahre mit Versuchen über Weingeistbeleuchtung im Innern
                              									der Häuser beschäftigt, glaube mich aber hier auf die Mittheilung ihrer Resultate
                              									beschränken zu müssen.
                           Eine Lampe mit einem einzigen Brenner mit Zugrohr und doppeltem oder dreifachem
                              									Luftstrom, die mit einem rundem Dochte von ungefähr 32 Millimeter Durchmesser, im
                              									Mittel 82 Gramme Flüssigkeit, oder wenn der Brenner acht sogenannte Gaslöcher von
                              									ungefähr 1½ Millimeter Durchmesser hat, 90 Gramme Flüssigkeit in der Stunde
                              									consumirt, erleuchtet, so wie so, einen Raum von 5 Meter Länge, 4 Meter Breite und 6
                              									Meter Höhe vollkommen in allen seinen Theilen. Es versteht sich, daß sie in der
                              									Mitte dieses Raums hängen muß.
                           Um diese neue Beleuchtungsart im Großen anzuwenden, bedürfte es natürlich nur einer
                              									Vervielfältigung der Brenner wie bei der Beleuchtung mit Oehl. Die erforderliche
                              									Anzahl der Brenner, dann die Quantität und Kosten der stündlich, monatlich oder
                              									jährlich zu verbrauchenden Flüssigkeit in einer Reihe von Sälen ließe sich demnach
                              									leicht berechnen.
                           
                           Es gilt dieß sowohl von den Speisesälen als von den Arbeitssälen. Leztere müßten
                              									wahrscheinlich oft mehr gegen unten beleuchtet und deßhalb jedem Brenner ein Dekel
                              									oder Reflector gehörig angepaßt werden.
                           Dieselben Hänglampen mit Zugröhren könnten auch zur Beleuchtung der Vorpläze, Gänge,
                              									Treppen, der Hausflur und sogar der Küchen dienen. Für Schreibzimmer und die
                              									Seitentische der Säle eigneten sich Stehlampen; für die Schlafzimmer endlich und die
                              									Privatzimmer würde man sich sogenannter tragbarer Lampen, mit flachem, sichtbarem
                              									Dochte bedienen.
                           Zweite Frage. Kann dieser Zwek mit den bisher erfundenen
                                 										Leuchtspiritus-Lampen erreicht werden?
                           Behufs der Beantwortung dieser Frage prüfte der Verfasser nacheinander die Robert'sche, Fangeaud'sche,
                              										Apollis'sche, Granal'sche
                              									und endlich die kleine tragbare Lampe mit flachem Docht. Seinen Erfahrungen zufolge
                              									gibt er den Lampen mit rundem sichtbarem Docht den Vorzug sowohl wegen der geringern
                              									Kosten als wegen des leichtern Anzündens; er fand, daß abgesehen davon, daß der
                              									unsichtbare Docht schwieriger anzubringen und zu unterhalten ist und beim Anzünden
                              									sehr viel Schwierigkeiten macht, die sogenannten Dampflampen- oder Gasbrenner
                              									bei gleichem Licht auch ungefähr 1/10 mehr Brennsflüssigkeit consumiren —
                              									eine schon von Hrn. Cauvy zu Montpellier angegebene
                              									Thatsache. Doch bedürfen auch die Lampen mit sichtbarem Dochte noch einiger
                              									Modificationen, um im Großen angewandt werden zu können. Der Verfasser stellte in
                              									Verbindung mit dem geschikten Uhrmacher, Hrn. Carrière,
                              									Versuche mit der sogenannten Carcel'schen Lampe an,
                              									wonach es wahrscheinlich ist, daß durch Erniedrigung des Niveau's, Verhinderung
                              									aller Verdunstung und Ersezung der ledernen Kolben durch metallene, die
                              									vortreffliche Carcel'sche Lampe und jede andere nach
                              									demselben Princip construirte zu einer Leuchtspiritus-Lampe gemacht werden
                              									könnte. Der Docht, sagt Hr. Andouard, ließe sich dann so
                              									schnell wie ein Gasbrenner entzünden; ohne eines höherstehenden Reservoirs zu
                              									bedürfen, würde dieser Docht beständig in gleichem Grad befeuchtet seyn und folglich
                              									gleich stark beleuchten, während weniger Flüssigkeit verzehrt würde, als in den
                              									Dampflampen. Der Leuchtspiritus gibt in der modificirten Carcel'schen Lampe ein weißes, reines Licht von wahrhaft
                              									bewunderungswürdigem und leicht zu regulirendem Effect. Man wird vielleicht
                              									einwenden, daß die mechanischen Lampen leichter eine Störung erleiden; wenn dieser
                              									Einwand auch nicht ganz ungegründet ist, so hat man doch um so weniger sich daran zu
                              									stoßen, da die Carcel'sche Lampe zur Oehlbeleuchtung  schon längst eingeführt
                              									ist und den Vorzug hat vor vielen andern Lampen, die nicht so leicht eine Störung
                              									erleiden. Einmal zu Leuchtspiritus-Lampen umgebildet, müßten sie dann auch
                              									ausschließlich zu Häng- und Stehlampen eingeführt werden.
                           Dritte Frage. Welchen Vortheil würde die
                                 										Spiritus-Beleuchtung im Innern der Häuser gewähren?
                           Der zur Beleuchtung am besten sich eignende Weingeist ist solcher von 40°
                              									Cartier oder 95 Proc. Alkoholgehalt (oder ungefähr 0,818 spec. Gew.) bei 15°
                              									C. Umsonst stellte der Verfasser eine Zeit lang Versuche an, ob nicht ein
                              									schwächerer Weingeist dazu verwendet werden könnte; aber sie führten alle zu dem
                              									Resultate, daß die Leuchtkraft desselben proportional ist der Menge rectificirten
                              									Terpenthinöhls, welche er aufzulösen vermag. Es ist außer allem Zweifel, daß, um
                              									eine schöne Beleuchtung, wie die mit gutem Olivenöhl oder wohl gereinigtem
                              									Kohlenwasserstoffgas zu bezweken, unumgänglich Weingeist von 40° Cartier
                              									genommen werden muß, welcher das Viertheil seines Volums Terpenthinöhl auflöst.
                              									Bedient man sich eines solchen von geringerer auflösenden Kraft, so vermindert man
                              									um eben so viel seine Leuchtkraft. Viele nehmen Weingeist von 38° Cartier
                              									(0,829 spec. Gew.), welcher nur das Fünftheil seines Volums Terpenthinöhl auflöst.
                              									Vergleicht man aber die Leuchtkraft dieser beiden Flüssigkeiten, so ergibt sich ein
                              									auffallender Unterschied. Der Verfasser überzeugte sich, daß man wohlfeiler zukömmt,
                              									wenn man sich des Weingeists von 40° bedient, indem man, um dieselbe
                              									Lichtintensität hervorzubringen, geringere Kosten hat, als bei Anwendung eines
                              									Weingeists von 38°.
                           Um zu erfahren, wie viel Terpenthinöhl ein Weingeist auflösen kann, braucht man seine
                              									Stärke nicht mittelst des Aräometers oder der Weingeistwaage zu messen; es genügt,
                              									wenn man einen Fingerhut mit Terpenthinöhl anfüllt, dasselbe in ein kleines
                              									Fläschchen schüttet und 4 Fingerhüte voll Weingeist zusezt. Wird nach hinlänglichem
                              									Schütteln die Mischung ganz durchsichtig, so löst derselbe das Viertheil seines
                              									Volums auf und ist zur Beleuchtung ganz geeignet; wird die Mischung aber nur
                              									milchig, so sezt man noch ½ Fingerhut voll Weingeist zu und schüttelt wieder;
                              									man fährt mit solchen kleinen Zusäzen fort, bis die Flüssigkeit ganz hell wird und
                              									erfährt auf diese Weise die auflösende Kraft des Spiritus. Allerdings ist dieses
                              									Verfahren nicht ganz scharf; derselbe Spiritus, von welchem man im Winter 4⅛
                              									Volum auf 1 Volum des Oehls braucht, löst nämlich im Sommer ¼ seines Volums
                              									auf; der Unterschied ist aber doch so gering, daß es für die meisten Fälle
                              									auszureichen scheint.
                           Es wurde behauptet, daß Leuchtspiritus, welcher durch Destillation  einer Mischung von Weingeist
                              									und Terpenthinöhl bereitet ist, eine größere Leuchtkraft besizt, als die durch
                              									bloßes Mischen erhaltene Flüssigkeit. Der Verfasser bereitete beide Flüssigkeiten,
                              									konnte aber keinen Unterschied in dieser Hinsicht bemerken. Die Destillation der
                              									Mischung enthebt nur der vorläufigen Rectification des Terpenthinöhls, welche, wenn
                              									man ein beständig schönes Licht haben will, unentbehrlich ist.
                           Es wurde schon mehrmals versucht, dem Terpenthinöhl andere Substanzen von ungefähr
                              									gleichem Werthe beizumischen oder zu substituiren. Der Verfasser stellte deßhalb
                              									mehrere Versuche mit hinlänglich rectificirtem, bituminösem Wachholderöhl (huile de cade) an. Der Erfolg schien ihm aber nicht so
                              									gut zu seyn, die Flamme erscheint dichter, satter, hat aber eine eigenthümliche
                              									etwas gelbliche Farbe, welche ihre Leuchtkraft sehr beeinträchtigt, und raucht sehr
                              									oft. Weitere Versuche stellte er an mit dem Brandöhl oder Harzöhl, welches man durch
                              										trokene Destillation des Colophoniums in
                              									verschlossenen Gefäßen erhält. Dieses Oehl ist gefärbt und riecht stärker als das
                              									Terpenthinöhl; gehörig rectificirt, hat es jedoch weniger Farbe und Geruch. Es kann
                              									statt des Terpenthinöhls dem Weingeist beigemischt werden und gibt beim Verbrennen
                              									eine jener des Leuchtspiritus sehr ähnliche Flamme. Es kömmt nicht höher als das
                              									Terpenthinöhl zu stehen und die Beleuchtung mit demselben würde den sehr
                              									beschränkten Absaz des Colophoniums vermehren. Bekanntlich ist lezteres der
                              									reichliche Rükstand in der Retorte nach der mit dem flüssigen Terpenthin behufs der
                              									Gewinnung des Oehls vorgenommenen Destillation. 100 Theile Terpenthin geben in der
                              									Regel 25 Theile Oehl; der ganze Rükstand ist Harz oder Colophonium.
                           Die Kosten anbelangend, kann für den zur Beleuchtung sich eignenden Weingeist von
                              									40° Cartier (in Frankreich) ein Durchschnittspreis von 72 Fr. per Hektoliter angenommen werden.Wenn ein Hektoliter oder 100 Liter 72 Fr. kosten, so koͤmmt, da 1096
                                    											Liter 1000 bayerische Maaß ausmachen, 1 bayerische Maaß auf ungefaͤhr
                                    											21¼ kr. — ein Preis, zu welchem sich in Deutschland ein so
                                    											weit rectificirter Spiritus gegenwaͤrtig nicht wohl stellen
                                    											laͤßt, abgesehen von den weiterhin bezeichneten Verlusten, durch
                                    											welche sich sein erster Preis noch mehr erhoͤht. Diese
                                    											Beleuchtungsart wuͤrde sich daher in Deutschland etwas hoͤher
                                    											berechnen.—x. Der die Flüssigkeit
                              									vermehrende Zusaz des Terpenthinöhls (oder jedes andern Kohlenwasserstoffs von
                              									ungefähr gleichem Mischungsverhältniß) erhöht den Preis desselben nur um 5–6
                              									Centimes per Liter; allein der Verlust durch die
                              									Verdunstung durch das Faß, die Steuer, der Nuzen des Fabricanten und Detailleurs, in
                              									manchen Fällen die Transportkosten,  werden den Preis des Hektoliters wenigstens bis auf 100
                              									Fr. erhöhen; es wäre sonach der Liter zu 1 Fr. anzunehmen.
                           Da nach obiger Angabe eine Lampe mit rundem Docht etc. in der Stunde 83 Gramme
                              									verbrennt, der Liter Leuchtspiritus aber 830 Gramme wiegt, so berechnen sich die
                              									Kosten auf 98/1000 Fr. Die 90 Gramme einer Dampflampe kämen auf 108/1000 Fr. zu
                              									stehen. Gutes Olivenöhl brauchte man in der Lampe mit Docht 55 Gramme, was, das
                              									Kilogr. zu 1,70 Fr. angenommen, 93/1000 Fr. beträgt. Rübsamenöhl, oder sogenanntes
                              									Lampenöhl, ebenfalls 55 Gramme, käme zu 1,40 Fr. das Kilogr., auf 77/1000 Fr. zu
                              									stehen. Die beste Qualität desselben aber beleuchtete nicht so gut wie das Baumöhl;
                              									es kann daher mit der hier als Basis angenommenen Menge Spiritus nicht in Vergleich
                              									kommen.
                           Nach obigen Zahlen kömmt das Olivenöhl noch wohlfeiler als der Leuchtspiritus zu
                              									stehen, und zwar, je nach der angewandten Lampe, im Verhältniß = 93 : 98 oder 108.
                              									Aus ökonomischen Gründen also ist die Spiritusbeleuchtung im Innern der Gebäude im
                              									Großen nicht einzuführen; allein der unbedeutende Mehrbetrag der Kosten kann nicht
                              									in Anschlag kommen, wenn man den großen Vorzug des Spiritus vor dem Oehl und sogar
                              									jedem andern Leuchtmaterial hinsichtlich der Gesundheit betrachtet. Das reinste Oehl
                              									gibt Rauch, ein Product des Ueberschusses an Kohlenstoff, welcher nicht hinreichend
                              									Sauerstoff zur Verbrennung erhalten konnte. Dieser Kohlenstoff, in seiner äußerst
                              									feinen Vertheilung, erfüllt die Luft der Zimmer, dringt beim Einathmen bis in die
                              									Lungen, troknet die das Respirationssystem innerlich bekleidende dünne und
                              									empfindliche Membran aus und veranlaßt dadurch bei vielen Leuten Brustbeschwerden.
                              									Ueberdieß legt er sich auf Möbeln, Plafonds, Tapeten, Vergoldungen etc. und
                              									verunreinigt dieselben bald mit einem schwärzlichen Ueberzug, durch welchen sie
                              									verderben. Gut präparirter, in einer passenden Lampe
                                 										brennender Leuchtspiritus hat keinen dieser Fehler.
                           Daß geschikte Arbeiter bald hiezu geeignete Lampen zu verfertigen im Stande seyn
                              									werden, ist gar nicht zu bezweifeln.