| Titel: | Einiges über den gegenwärtigen Stand der Rübenzukerfabrication in Deutschland; von Professor Siemens in Hohenheim. | 
| Fundstelle: | Band 93, Jahrgang 1844, Nr. XIII., S. 29 | 
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                        XIII.
                        Einiges uͤber den gegenwaͤrtigen
                           Stand der Ruͤbenzukerfabrication in Deutschland; von Professor Siemens in Hohenheim.
                        Aus Riecke's Wochenblatt für Land- und
                           Hauswirthschaft etc., 1844, Nr. 23.
                        Siemens, über den gegenwärtigen Stand der
                           Runkelrübenzukerfabrication in Deutschland.
                        
                     
                        
                           Im Herbst 1843 hatte ich Gelegenheit, mehrere Rübenzukerfabriken im Magdeburg'schen, in der Gegend von Berlin, so wie auch einige der böhmischen
                              Fabriken wiederum in Augenschein zu nehmen, über deren Betrieb einige Mittheilungen
                              um so mehr von Interesse seyn dürften, als sie geeignet sind, die bei uns ziemlich
                              allgemein herrschende Ansicht über den gänzlichen Verfall dieses Industriezweigs zu
                              berichtigen und aufzuklären.
                           In der nächsten Umgebung von Magdeburg hat sich nicht
                              allein die Zahl der dort schon länger existirenden Fabriken nicht vermindert,
                              sondern im Gegentheil noch um einige vermehrt, welche sämmtlich so schwunghaft
                              betrieben werden, daß hier allein im lezten Herbst etwa 11,000 preußische Morgen
                              Pachtland mit Rüben bestellt waren, die von 13 Fabriken verarbeitet wurden. Alle
                              diese Fabriken haben in neuester Zeit in der Fabrication so wesentliche Fortschritte
                              gemacht, daß sie unmittelbar aus dem Safte einen schönen Meliszuker erzeugen, der
                              dem raffinirten Zuker in keiner Beziehung nachsteht. Nicht weniger intelligent als in
                              der Gegend von Magdeburg, wo die Fabrication gewöhnlich
                              nicht mit einer Gutswirthschaft verbunden ist, findet man in der Provinz Sachsen die Rübenzukerfabrication auch auf größern Gütern
                              betrieben, wie dieß namentlich in Staßfurt der Fall ist, wo vom Oberamtmann Benneke auf einem Areal von etwa 2000 Morgen im
                              Sommerfelde allein jährlich 60–80,000 Cntr. geerntet werden. Aber auch selbst
                              mit kleinen Gütern trifft man diese Fabrication sehr einträglich verbunden, wie z.B.
                              bei Hrn. Frede in Halberstadt auf einem Gute von
                              4–500 Morgen. In der Gegend von Berlin sah ich nur
                              die Fabrik des Hrn. Jakobs zu Tresko und die des Hrn.
                              Amtsrath Koppe zu Kienitz im Oderbruche. Erstere hatte
                              für den verflossenen Winter etwa 60,000 Cntr. Rüben zu verarbeiten, die fast
                              sämmtlich auf dem dortigen Gute von 2000 Morgen leichten Sandboden gewonnen waren.
                              Die Fabrik zu Kienitz wird im lezten Jahre wohl gegen 100,000 Cntr. Rüben
                              verarbeitet haben, da der Stand der Rübenfelder eine so reiche Ernte erwarten
                              ließ.
                           Sämmtliche Fabriken, mit Ausnahme der Frede'schen bei
                              Halberstadt, arbeiten mittelst Dampf und sind nicht allein mit allen neueren
                              besseren Apparaten und Maschinen versehen, sondern haben so wesentliche Fortschritte
                              in der Fabrication gemacht, daß die meisten selbst unter den gegenwärtig ungünstigen
                              Verhältnissen wohl mit Gewinn betrieben werden. Dieser kann zwar bei denen nicht
                              groß seyn, welche, wie es wohl mehrere gibt, die bedeutende Anlage mit
                              verhältnißmäßig größerem Aufwande und hoch zu verzinsenden Capitalien errichteten.
                              Und sicher wird auch die große Capitallast, welche viele der ältern Fabriken durch
                              unnüze Anlagen und bezahltes Lehrgeld zu tragen haben, die Ursache seyn, wenn einige
                              von ihnen bei einer höheren Besteuerung, die man befürchtet, ihre Arbeiten
                              einstellen sollten. Die Aussicht auf hohen Gewinn, wie ihn gewöhnlich die
                              Berechnungen versprechen, hat bei der Anlage der meisten Zukerfabriken, wie
                              anderswo, so auch im Magdeburgischen, manches Hinderniß zum wahren Gedeihen
                              derselben übersehen lassen, was nun den Untergang solcher Fabriken, ohne daß dieß
                              die Fabrication verschuldet, herbeiführt.
                           Zu diesen Hindernissen gehört zunächst, neben der Anlage ohne hinreichendes eigenes
                              Vermögen, eine mangelhafte Rübencultur, da die Landwirthschaft im allgemeinen noch
                              viel zu weit zurük ist, um den Zukerfabriken geeignete Rüben zu liefern. Die welche
                              auf gutem Boden nach starker frischer Düngung ein großes Rübengewicht und mit diesem
                              viel Salz und Wasser erzeugten, mußten denn mit Schaden erfahren, daß hieraus kein
                              Zuker zu produciren sey. Wie sehr aber eine zwekmäßige Cultur mit einer richtigen Auswahl der für
                              den Boden geeigneten Rübenart die Production an Zukermenge per Morgen zu vermehren vermag, davon lieferten die im vorigen Herbst
                              geernteten Rüben in den meisten der genannten Fabriken hinlänglichen Beweis, indem
                              ihr Saft ein Gewicht von 9–10° B. zeigte, während der Jahrgang doch
                              mehr feucht als troken gewesen war.
                           Im Magdeburgischen ist es aber nicht der Rübenbau allein, welcher hier die
                              Runkeln-Zukerfabrication vorzugsweise gedeihen läßt; es ist die größere
                              Intelligenz der dortigen Gegend überhaupt. Es wurden hier im Jahr 1836 durch die
                              großen Versprechungen, welche das Zier'sche Geheimniß von
                              dem Gewinn der neuen Fabrication machte, die meisten Fabriken, wenn auch nicht
                              unmittelbar, ins Leben gerufen, die dann durch die dortigen günstigen Verhältnisse
                              sich erhielten. Die Zukerfabrication war hier kein ganz neues Gewerbe; die
                              vorhandenen Raffinerien und die Nähe von Hamburg, wo dieß
                              Geschäft früher so ausgedehnt betrieben, später aber täglich mehr eingeschränkt
                              wurde, machten, daß bald eine Menge geübter Arbeiter zu Gebot standen, was den
                              Betrieb ungemein erleichterte. Sehr viel trugen aber auch die in der Nähe schon
                              damals vorhandenen und jezt so ausgedehnten Maschinenfabriken zum bessern
                              Fortbestehen und zur Vervollkommnung der Fabrication bei. Endlich trifft man fast in
                              allen diesen Fabriken, daß die Besizer sämmtliche Fabrikgeschäfte persönlich leiten,
                              wodurch sie alle Bedürfnisse und Mängel erkennen, ihnen gleich abzuhelfen wissen und
                              so vielen Schaden abzuwenden vermögen.
                           Daß auch die oben erwähnten, auf Gütern betriebenen Fabriken sich eines besonders
                              guten Fortgangs erfreuen, wovon ich mich nicht nur durch die Beobachtung des
                              Betriebs, sondern bei einigen auch durch Einsicht der darüber geführten Bücher auf
                              das Zuverläßigste überzeugte, wird sicher noch durch einige Nebenumstände
                              begünstigt, die hier einer Erwähnung verdienen. Es ist dieß zunächst, daß die
                              Besizer jener Fabriken anerkannt zu den intelligentesten Landwirthen gehören; ferner
                              daß bei den Fabriken zu Tresko und Staßfurt Hr. Jakobs in
                              Potsdam, welcher daselbst eine der größten Raffinerien im preußischen Staate besizt,
                              betheiligt seyn soll, was erwarten läßt, daß diesen Fabriken durch geschikte
                              Arbeiter etc. manche Hülfe zu Theil werde oder doch geworden sey; Hr. Amtsrath Koppe aber, der als Landwirth so hoch steht, hat sich mit
                              einem eben so ausgezeichnet praktischen Techniker, dem Hrn. Fischer, verbunden und diesem den Betrieb der Fabrik ganz überlassen.
                           Mit bei weitem geringeren Erfolg fand ich die Rübenzukerfabrication in Böhmen betrieben, obgleich für diese der geringe Taglohn und das billige
                              Brennmaterial dort so günstig sind. Eine nähere Untersuchung zeigt aber bald die
                              Gründe des Mißlingens. Zunächst ist es wohl wieder die Rübencultur, welche auf den
                              größern Gütern sogar den Gewichtsertrag an Rüben durchschnittlich per Morgen kaum über 100 Cntr. bringt; – ferner
                              das bisher befolgte Streben, mit möglichst einfachen Maschinen die Fabrication zu
                              betreiben, was im allgemeinen wohl, namentlich für den Landwirth sehr wünschenswerth
                              ist, hier aber die nachtheiligsten Folgen hat. Man glaubt nämlich diese
                              Vereinfachung dadurch zu erreichen, daß der Landwirth aus den Rüben zunächst nur
                              einen verkäuflichen Syrup gewinnt, der dann von eigentlichen Fabrikanten weiter
                              verarbeitet werden soll. Dabei vernachlässigt man aber die für die weitere
                              Verarbeitung des Safts so nöthige vollständige Reinigung vor dem Abdampfen, und
                              erzeugt dadurch ein werthloses Product, was von den Raffinerien, die es kaufen
                              sollen, kaum mit den Erzielungskosten bezahlt werden kann. Daß dieß nicht
                              ungegründet ist, beweist auf vielen Fabriken der Mangel an den zur Gewinnung und
                              Wiederbelebung der thierischen Kohle nöthigen Apparaten, ohne welche die Fabrication
                              doch wohl nicht vortheilhaft zu betreiben ist. Die Verarbeitung eines unvollständig
                              gereinigten Safts hat aber von vornherein jeden weiteren Fortschritt in der
                              Fabrication gehemmt. Erst in neuester Zeit fängt man an bessere Apparate anzuwenden,
                              und wird dadurch, wenn man die Fortschritte Anderer benüzt, bald günstigere
                              Resultate erlangen. Ueberdieß findet man in Böhmen noch selten, daß der
                              Fabrikbesizer das Geschäft selbst leitet. Auf den Gütern ist dieß in der Regel einem
                              besondern Beamten überlassen, der gewöhnlich noch unter der Controle eines nur von
                              Zeit zu Zeit anwesenden Fabrikdirectors steht, welcher zugleich mehrere Fabriken zu
                              beaufsichtigen hat, so daß jener nicht allen vorkommenden Mängeln für sich abhelfen
                              kann.
                           Wesentlich nothwendig ist es, die Rüben so zu bauen und aufzubewahren, wie es für die
                              Fabrication am geeignetsten ist, sollte dieß auch nicht ganz mit dem directen Nuzen
                              der Wirthschaft übereinzustimmen scheinen. Ist der Landwirth zugleich Fabrikant, so
                              wird dieser Nachtheil gegen den höheren Werth einer solchen Rübe für die Fabrik nur
                              gering seyn. Aus diesem Grunde baut der Magdeburger
                              Fabrikant seine Rüben fast alle selbst, obgleich er dadurch den Pachtzins des Landes
                              und somit auch den Preis der Rüben erhöht. Man zahlt hier für den Morgen Aker im
                              zweiten Jahre der Düngung je nach der Güte des Landes 16–24 Thaler Pachtgeld
                              (34–52 fl. für den würt. Morgen). Die Erzielungskosten betragen dann per Cntr. 7–8 Silbergroschen, welchen Preis man auch für die nicht
                              selbst gebauten Rüben in dortiger Gegend bezahlt.
                           Beim Anbau der Rüben ist die Wahl der Rübenart je nach der Beschaffenheit des Bodens
                              von Wichtigkeit. Auf einem leichten sandigen Boden, welcher einen dichten Stand der
                              Pflanzen erlaubt, eignet sich die ganz weiße schlesische Rübe am besten, wohingegen
                              auf einem schwerern und fruchtbarern Boden die weiße französische Rübe mit
                              röthlicher Schale den Vorzug verdient, weil erstere auf solchem reichem Boden zu
                              üppig wächst und zur Aufbewahrung nicht tauglich wird. Die Erfahrung hat ferner
                              gezeigt, daß nur ein tieferer, vorzüglich wärmerer Boden, auf welchem die Rübe
                              reichlich und so schnell wächst, daß sie die zu ihrer Aufbewahrung nöthige Zeitigung
                              oder Reife erlangt, sich zum Anbau der Zukerrübe eigne, denn ohne diese Zeitigung
                              wird sie bei ihrer Aufbewahrung bald auswachsen und dadurch in ihren Bestandtheilen
                              eine Veränderung erleiden, wodurch sich der darin enthaltene krystallisirbare Zuker
                              in Schleimzuker umändert, was sie zur Zukergewinnung dann mehr oder weniger
                              untauglich macht. Aus diesem Grunde muß man das Wachsen der Rüben so viel als
                              möglich zu beschleunigen suchen, was durch die richtige Auswahl und gute
                              Vorbereitung des Bodens, namentlich aber auch durch eine sorgfältige Pflege der
                              jungen Pflanzen geschieht. Eine frische Düngung wirkt hier aber hauptsächlich
                              dadurch schädlich, daß sie die Zeitigung der Rübe verzögert, was nach Beschaffenheit
                              des Bodens mehr oder weniger der Fall ist. Ferner sucht man durch eine möglichst
                              frühzeitige Aussaat die Reife der Rübe zu erlangen; um diese aber auf einem feuchten
                              und schweren Boden vornehmen zu können, legt man hier die Kerne auf Kämme. Die
                              Akerkrume wird hiedurch nicht allein für die Pflanzen vertieft, sondern ihr
                              ungestörter Wuchs auch noch dadurch gesichert, daß sie hier niemals von einer festen
                              Erdkruste eingeschlossen werden. Aus demselben Grunde wirkt auch eine fleißige
                              Auflokerung des Bodens und die Vertilgung des Unkrauts so wohlthätig und verhindert
                              die Bildung von Nebenwurzeln, was nur die Folge eines
                                 gestörten Wuchses ist.
                           Bei der Ernte der zur längeren Aufbewahrung bestimmten Rüben sucht man sorgfältig
                              jede Verlezung zu vermeiden, und entfernt, um das Auswachsen noch mehr zu
                              verhindern, sowohl durch hinreichend tiefes Abhauen der Kronen alle Blatttriebe, als
                              auch die anhängende Erde möglichst vollständig. Bei Amtsrath Koppe bediente man sich zum Ausheben der Rüben einer senkrecht stehenden
                              eisernen Gabel mit zwei starken dreiseitigen Zinken, womit man bei der Ernte gerade
                              an der Rübe hinunter sticht und sie dann durch Umbiegen der Gabel emporhebt, was mit großer Leichtigkeit
                              geschieht, selbst wenn die Rübe sehr fest und tief stehen sollte. Das Abhauen der
                              Blattkrone wird dort nach dem Ausheben der Rüben mit einem Beile von der Form eines
                              großen Messers vorgenommen, womit diese Arbeit sehr schnell auszuführen ist.
                           Zur Aufbewahrung dienen allgemein nicht sehr hohe, lange und schmale Miethen. Sehr
                              wünschenswerth wäre es, hiebei zu versuchen, ob man nicht durch diese Miethen von
                              Zeit zu Zeit mittelst eines kräftigen Ventilators, wie diese in den Brennereien zur
                              Abkühlung der Maische schon angewandt werden, einen Luftwechsel bewirken könnte,
                              wodurch die nach der Ernte gewöhnlich eintretende Erwärmung unschädlich gemacht und
                              es erlauben würde, die Rüben unmittelbar nach der Ernte, selbst wenn diese bei
                              feuchter Witterung vorgenommen werden muß, sogleich zu bedeken. Das so schädliche
                              Auswachsen ließe sich dadurch vielleicht ganz verhindern.
                           Die Verarbeitung der Rüben geschieht fast ausschließlich nach dem ältern Reib-
                              und Preßverfahren. Im Magdeburgischen hatte man zwar im lezten Sommer einige
                              Trokenanstalten errichtet, um die Rüben auch nach dem Schüzenbach'schen Verfahren zu verarbeiten, es ist aber noch kein Ergebniß
                              darüber bekannt.
                           Die Waschtrommeln zum Reinigen der Rüben trifft man jezt gewöhnlich ganz von Eisen;
                              in Böhmen sah ich sie unmittelbar neben der Reibmaschine aufgestellt, so daß die
                              gewaschenen Rüben dieser direct zugeführt wurden, was das Reiben beschleunigt und
                              Arbeit erspart. In den größeren Fabriken erhalten die Reibcylinder wenigstens
                              tausend Umdrehungen in der Minute bei einem Durchmesser von 24–30 Zoll und
                              sehr eng stehenden Sägeblättern, so daß damit gegen 1000 Cntr. Rüben binnen 24
                              Stunden verarbeitet werden können. Zum Betrieb dieser Maschinen, so wie der
                              allgemein angewandten hydraulischen Pressen findet man nur Dampfmaschinen. Das
                              Auspressen des gewonnenen sehr feinen Breies geschieht gewöhnlich in wollenen
                              Tüchern zwischen Eisenblechtafeln, wobei selten mehr als einmal gepreßt wird, da man
                              den Vortheil einer möglichst raschen Saftgewinnung höher schäzt, als den Mehrgewinn
                              des Safts durch eine wiederholte Pressung. Im Durchschnitt gewinnt man dennoch gegen
                              80 Proc. Saft, der, wie schon erwähnt, in den meisten Fabriken 9–10°
                              Beaumé zeigte.
                           Von den Pressen wird der Saft sofort in die Defecationskessel geleitet, wozu man nur
                              solche mit doppelten Böden anwendet. Bei der Klärung wird der Saft ohne weiteren
                              Zusaz möglichst schnell auf 60–65° R.
                              erhizt und dann mit so viel Kalkbrei versezt, daß die Klärung bei langsamer weiterer
                              Erhizung erfolgt. Selten unterhält man, nachdem der Saft den Siedepunkt erreicht hat, ein
                              längeres Kochen, welches Verfahren wohl nur bei sehr guten Rüben vortheilhaft ist.
                              (Wo nur nach frischer Düngung gewachsene Rüben erarbeitet werden, fand ich es immer
                              für nöthig, den Saft bei der Klärung so lange siedend zu erhalten, bis ein stärkerer
                              Ammoniakgeruch bemerkbar wird, wenn die bloße Klärung des Safts auch schon früher
                              erfolgte.) Nach der Defecation oder Klärung läßt man den Saft in den meisten
                              Fabriken sogleich über so viel wiederbelebte Kohle fließen, bis er dadurch zur wasserhellen Entfärbung gereinigt erscheint, da als
                              Hauptregel gilt, nur einen vollständig gereinigten Saft zur
                                 Abdampfung zu bringen, was gewiß wesentlich zur Gewinnung eines schönen
                              Products beiträgt, indem die Verunreinigungen des Safts bei dessen Abdampfung nur
                              nachtheilig auf die Krystallisation des Zukers einwirken. Dabei ist aber zu
                              berüksichtigen, daß mit dieser vollständigern Reinigung zugleich auch fast aller
                              Kalk aus dem Safte entfernt wird, was, wie es scheint, nur bei der Verarbeitung
                              vorzüglicher Rüben ohne Nachtheil geschehen kann, so daß dort, wo die vorhandenen
                              Salze einen größeren Ueberschuß an Kalk erfordern, dieser nach jener Reinigung in
                              gehörigem Maaße wieder zugesezt werden muß. Die darüber von mir gemachten Versuche
                              scheinen dieß zu bestätigen, wobei sich zeigte, daß der mit so wenig Kalk weiter
                              verarbeitete Saft salzreicher Rüben einen weichen, an der Luft stark Feuchtigkeit
                              anziehenden Zuker liefere, was bei einem stärkeren Kalkzusaze nicht der Fall war. So
                              wird auch in der Fabrik zu Kienitz, wo man meist sehr große Rüben verarbeitet, der
                              Saft nach der ersten Reinigung und Abdampfung aufs neue mit Kalk versezt und dadurch
                              ein sehr fester Zuker gewonnen.
                           In den meisten Fabriken wird der Saft nach der ersten Reinigung bis auf
                              20–25° B. abgedampft, dann nochmals durch Kohle filtrirt, auch wohl
                              mit feiner Kohle und Blut geklärt und so zu Zuker eingekocht. Zum Abdampfen
                              verwendet man gewöhnlich Pecquer'sche Pfannen, zum
                              Einkochen aber in allen größern Fabriken Roth'sche oder
                              Degrand'sche Vacuumpfannen mit Condensation und einer
                              Luftpumpe, wodurch es dann auch möglich wird, sogleich einen schönen Meliszuker zu
                              gewinnen. Das Deken dieses Zukers geschieht in der Regel mittelst Zukerwassers und
                              Clairce, so daß man aus den größern Formen, welche einige 30 Pfd. Zukermasse
                              enthalten, ein fertiges Brod oder einen Hut von 12–15 Pfd. erhält.
                           In fast allen Magdeburgischen Fabriken hat man in neuerer Zeit eine von Schüzenbach erfundene Methode zur Reinigung des zweiten
                              Productes mit dem günstigsten Erfolge eingeführt. Nach dieser Methode kocht man den
                              Syrup zur Bildung möglichst großer Krystalle in Reservoirs und füllt aus diesen die
                              Zukermasse nach erfolgter Krystallisation in vierekige hölzerne Kästen von etwa 1
                              1/2 Fuß Länge und Breite und 5–6 Zoll Höhe, die unterhalb mit einem Geflechte
                              von Eisendraht versehen sind, so daß der Syrup möglichst schnell abfließt. Zur
                              Aufnahme desselben befindet sich unterhalb des Kastens ein flaches Beken von
                              Weißblech, von welchem der Syrup aus mehreren der über einander gesezten Kästen
                              durch kleine Rinnen in einen darunter stehenden Topf geleitet wird. Um das Abfließen
                              des Syrups zu befördern, werden die Kästen in einem Raume aufgestellt, der durch
                              Hinzuleitung von Dampf stets so feucht erhalten wird, daß der Syrup an den
                              Krystallen nicht troknet, diese sich aber auch durch die Feuchtigkeit nicht lösen.
                              Die Temperatur des Locals soll hiezu 25° R. und die Feuchtigkeit dabei am Deluc'schen Fischbeinhygrometer 75 Grad betragen. Sobald
                              der erste Syrup abgeflossen ist, werden die in den Kästen zurükgebliebenen Krystalle
                              mit einem etwas besseren Syrup übergossen oder gedekt und dieses nach dem
                              jedesmaligen Abfließen so oft mit neuem Syrup immer besserer Qualität wiederholt,
                              bis der Zuker dadurch hinlänglich gereinigt zurükbleibt, was in der Regel nach der
                              fünften Dekung und binnen 8–14 Tagen der Fall ist. Der abgelaufene Syrup wird
                              dann stets so lange zum Deken unreinerer Krystalle benüzt, als diese dadurch noch
                              weiter gereinigt werden, worauf man ihn selbst wieder zu Zuker einkocht.Dieses Verfahren ist in der folgenden Abhandlung näher entwikelt.A. d. R.
                              
                           Großen Fleiß verwendet man auf die Wiederbelebung der gebrauchten Kohle, was auf die
                              bekannte Weise durch Gährung, Behandlung mit Salzsäure, fleißiges Waschen und durch
                              Ausglühen in schmalen senkrecht stehenden Cylindern geschieht.