| Titel: | Ueber Damascenerstahl; vom Obristen Anosoff. | 
| Fundstelle: | Band 93, Jahrgang 1844, Nr. XX., S. 58 | 
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                        XX.
                        Ueber Damascenerstahl; vom Obristen Anosoff.
                        Aus dem Moniteur industriel, Jun. 1844, Nr.
                              827.
                        Anosoff, über Damascenerstahl.
                        
                     
                        
                           In Rußland versteht man unter Damascenerstahl ein härteres Metall als der gewöhnliche
                              Stahl, welches zur Verfertigung von Waffen angewandt, eine feinere und schärfere
                              Schneide gibt. Unsere alten und neuen Dichter bewaffnen ihre Helden in der Regel mit
                              Damascenerklingen – ein Beweis, daß diese Art Waffen in Rußland längst
                              bekannt ist, wenn man sie auch nicht zu verfertigen verstand.
                           Das Vaterland des Damascenerstahls ist der Orient, und es ist mit Grund anzunehmen,
                              daß seine Eigenschaften in andern Ländern Europa's weniger Anerkennung fanden als in
                              Rußland. Selbst jezt noch ist die Natur des Damascenerstahls ein Räthsel, sowohl
                              hinsichtlich seiner chemischen Constitution als seiner physischen Eigenschaften.
                           Die bisherigen Bemühungen der europäischen Metallurgen und Fabrikanten, einen dem
                              ächten gleichkommenden Damascenerstahl zu erzeugen, führten zu keinem genügenden
                              Resultat; noch nie habe ich einen in Europa verfertigten Damascenerstahl guter
                              Qualität gesehen. Viele Gelehrte wollen auch im Vertrauen auf die chemische Analyse,
                              durch welche sich bisher kein wesentlicher Unterschied zwischen dem
                              Damascener- und anderem Stahl nachweisen ließ, an die bessere Qualität des
                              orientalischen Damascenerstahls nicht mehr glauben, während die Liebhaber ihm einen
                              großen Werth beilegen und schöne Damascenerklingen gern mit 750 Frcs. und höher
                              bezahlen. Seit undenklicher Zeit bedient man sich in Asien des Damascenerstahls und
                              bis zum heutigen Tag ist er in seinem Preise noch nicht gesunken; die Orientalen
                              aber werden, wenn sie auch an Kenntnissen hinter uns zurük sind, sich doch nicht
                              Jahrhunderte hindurch über den Werth von Gegenständen, welche sie immer zu sehr
                              hohem Preise bezahlten, Täuschungen hingeben.
                           Das erste Erscheinen russischen Damascenerstahls vor dem Richterstuhl des Publicums
                              in der nächsten Ausstellung der Producte russischer Fabriken veranlaßt mich, meine
                              durch 10jährige Erfahrung erworbenen Kenntnisse über die Eigenschaften desselben in
                              Kürze mitzutheilen.
                           Jeder Stahl, welcher auf seiner Oberfläche Figuren in schwarzen Linien zeigt, wird
                              Damascenerstahl genannt.
                           Bei einigen Stahlsorten erscheinen die Figuren sogleich nach dem Bruniren, während
                              man bei andern sich verdünnter Säure bedienen muß, um sie hervortreten zu machen. Pflanzensaft und
                              gewöhnlicher Essig reichen hin, um diese Wirkung hervorzubringen. – Das
                              Verfahren, durch welches man die Figuren zum Vorschein bringt, nennt man das Beizen
                              (Aezen).
                           Der auf der Oberfläche des Stahls erscheinende Damast ist sehr verschieden, doch kann
                              er allein dem Stahl nicht den Namen des Damascenerstahls
                              verschaffen. Durch das Beizen kann man auch auf gewöhnlichem Stahl Figuren hervorbringen, wenn man dieselben vorher auf
                              den Stahl zeichnete; aber wie sorgfältig sie auch gemacht seyn mögen, so erkennt das
                              Auge des Sachverständigen leicht die Nachahmung, ohne daß er das Metall erst auf
                              seine Güte zu untersuchen brauchte; daher die Benennung falscher Damascenerstahl.
                           Eine zweite Sorte zeigt ebenfalls einen künstlich hervorgebrachten Damast, welcher
                              gleichwohl dem Metalle selbst angehört, so daß, wenn er polirt wird, dieselben
                              Figuren wieder erscheinen, sobald man ihn wieder beizt. Dieser Damascenerstahl wird
                              künstlicher genannt; er ist aus mehreren mit Eisen
                              vermengten Stahlsorten zusammengesezt. Die Schönheit dieses Damascenerstahls ist
                              verschieden und hängt zum Theil von der Beschaffenheit des angewandten Materials,
                              zum Theil von der Geschiklichkeit, mit welcher es angewandt wurde, ab. Dieser
                              künstliche Damascenerstahl wird vorzüglich in Asien, nämlich in Indien, in der
                              Türkei (Georgien) fabricirt; aber auch der europäische künstliche Damascenerstahl
                              hat sich schon einen großen Ruf erworben, weil die europäischen Arbeiter sich besser
                              auf die Erzeugung zierlicher Figuren verstehen. In der That besizt aber der
                              künstliche Damascenerstahl, z.B. von Solingen und Klingenthal, obgleich er schön
                              damascirt ist, nicht die charakteristischen Merkmale eines vorzüglichen Metalls.
                              Kurz so schön auch der künstliche Damascenerstahl ist, hält er den Vergleich mit
                              gutem natürlichem Damascenerstahl doch nicht aus.
                           Es kommen in Asien mehrere Sorten Damascenerstahl vor; der Unterschied zwischen ihnen
                              hängt von dem Orte, wo er verfertigt, dem Fabricationsverfahren und der Güte des
                              Materials ab. Die verbreitetsten sind die unter den Benennungen Daban,
                              Kara-Daban, Khorassan, Kara-Khorassan, Gundy, Ktoum-Gundy,
                              Neuris und Schaum in Syrien bekannten.
                           Die Orientalen beurtheilen die Güte des Damascenerstahls nach der Zeichnung der
                              Figuren, nach der Farbe der zwischen den Linien gelassenen Zwischenräume und durch
                              das Farbenspiel. Die Dabaner und Khorassaner Klingen, welche manchmal noch den
                              Beinamen Kara oder schwarz haben, betrachten sie als die besten. Die von Schaum sind
                              die am wenigsten geschäzten. Mehrjährige Erfahrung überzeugte mich, daß die Merkmale, worauf
                              die Orientalen ihre Beurtheilung der Güte des Damascenerstahls gründen, ein
                              sichereres Kennzeichen für die Aechtheit des Metalls darbieten, als alle Proben,
                              welche man in Europa damit vornimmt. Da das Zeichen des Arbeiters die einzige
                              Garantie für die Güte seiner Arbeit ist, so täuscht sich der Asiate niemals über den
                              wahren Werth des Damascenerstahls und lächelt mitleidig, wenn er den Europäer dessen
                              Güte mittelst der Feile oder des Zerhauens von Eisen prüfen sieht, während doch die
                              Härte des Metalls vorzüglich von dessen Härtung abhängt. Wenn der Damascenerstahl
                              nur gut gebeizt ist, so bedarf es keiner andern Probe.
                           Wie gesagt, das wesentlichste Kennzeichen des Damascenerstahls ist der Damast. Die
                              Qualität des feinen Metalls steht in Verhältniß zur Dike, zur Lebhaftigkeit, zum
                              Phantastischen der Zeichnungen. Der dikste Damast hat die Breite der Musiknoten, der
                              mittlere die des gewöhnlichen Druks; der feinste ist der, welcher mit freiem Auge
                              kaum deutlich gesehen werden kann. Das Verfahren, die Qualität des Damascenerstahls
                              an seinen Dessins und an dem Wiedererscheinen des Damasts zu erkennen, läßt sich,
                              obwohl es unwandelbaren Gesezen unterliegt, nicht wohl durch eine Beschreibung,
                              sondern nur praktisch lernen. Folgende Regeln gibt die Erfahrung an die Hand:
                           1) der hauptsächlich aus geraden, beinahe parallelen Linien gebildete Damast ist ein
                              Zeichen der schlechtesten Qualität;
                           2) werden die Linien kürzer und zum Theil von krummen Linien ersezt, so ist der Stahl
                              schon eine bessere Qualität;
                           3) werden die Linien von Punkten unterbrochen und vergrößern sich die Dimensionen der
                              Curven, so ist dieß ein noch besseres Zeichen;
                           4) sind die unterbrochenen Linien noch kürzer, oder verwandeln sie sich vielmehr in
                              Punkte, so daß sie sich so weit vermehren, daß sie hie und da in der Breite des
                              Stahls eine Art Neze bilden, welche durch von einem Neze zum andern in verschiedener
                              Richtung gehende wellenförmige Fäden verbunden sind, dann nähert sich der
                              Damascenerstahl der Vollkommenheit.
                           Wenn endlich die Ketten weiterhin sich öffnen, um traubenförmige Figuren zu bilden,
                              oder wenn sie die ganze Breite des Stahls einnehmen und ihn in ziemlich gleiche
                              Theile gliedern, dann muß der Damascenerstahl als von erster Qualität erkannt
                              werden.
                           Ein anderes Merkmal, woran die Qualität des Damascenerstahls erkannt werden kann, ist
                              die Farbe des Grunds. Je dunkler sein Ton, desto besser ist das Metall. Der Grund
                              des Metalls kann übrigens grau, braun oder schwarz seyn.
                           Ein drittes Merkmal ist das Farbenspiel auf dem Metall, wenn die Fläche in schiefer
                              Richtung betrachtet wird. Bei dieser Probe zeigt mancher Damascenerstahl keine Farbenveränderung,
                              während andere einen rothen oder vergoldeten Reflex darbieten. Je leichter dieses
                              Farbenspiel wahrzunehmen ist, desto vorzüglicher ist die Qualität des
                              Damascenerstahls. Dessenungeachtet hat die Intensität der Beizung auf diese
                              Eigenschaft einen gewissen Einfluß; ist sie sehr stark, so verschwindet das
                              Farbenspiel. Durch keine Kunst kann aber der rothe Reflex auf einem Damascenerstahl
                              von geringer Güte hervorgebracht werden. Der Damascenerstahl kann sonach in zwei
                              verschiedene Classen eingetheilt werden; eine zeigt sich mit rother Farbe, der
                              andern mangelt sie.
                           Wenn obige drei Merkmale sich in ihrem Maximum vereinigen, so läßt sich mit
                              Zuversicht behaupten, daß der Damascenerstahl von der besten Sorte ist, welchem
                              folgende Eigenschaften nicht abgehen können:
                           Vollkommene Hämmerbarkeit und Strekbarkeit. – Die größte Härte nach der
                              Härtung. – Schärfste und möglichst dauerhafte Schneide. – Elasticität
                              bei gehöriger Härtung.
                           Der Damascenerstahl ist also von verschiedener Güte, je nachdem er obige drei
                              Eigenschaften mehr oder weniger vereinigt.
                           Ich folge nicht den Benennungen der orientalischen Völker bei Bestimmung der
                              verschiedenen Sorten Damascenerstahl, weil sie die verschiedenen Grabe der Güte
                              desselben nicht hinlänglich bezeichnen. Es scheint mir zwekmäßiger zu seyn, in
                              Rußland sich einer bloß auf das Wasser gegründeten Nomenclatur zu bedienen. Hiernach
                              können vier Sorten Damascenerstahl aufgestellt werden: der linienförmige, der gestreifte, der nezförmige, derjenige mit Knoten. Jede dieser vier Sorten muß eine der folgenden Eigenschaften
                              besizen:
                           1) diken, mittlern oder feinen Damast;
                           2) grauen, braunen oder schwarzen Grund;
                           3) eine am Lichte ins Rothe schillernde, oder eine gleichbleibende Farbe.
                           Unter dem Damascenerstahl geringerer Qualität kommt bisweilen solcher vor, welcher
                              dem Gußstahl von mittlerer Güte nachsteht; aber es gibt kein Beispiel, daß der beste
                              Gußstahl mit dem feinsten Damascenerstahl einen Vergleich aushalten könne.
                              Vergleichende Versuche haben mich überzeugt, daß der Damascenerstahl die möglich
                              höchste Vervollkommnung des Stahls darbietet und die Berichte der Reisenden in
                              Japan, Indien, Persien und der Türkei sind nicht so übertrieben als man glaubt. Ein
                              gut gehärteter Säbel von gutem Damascenerstahl haut leicht Knochen, eiserne Nägel
                              und das leichteste in der Luft schwebende Gewebe auseinander; ich möchte aber
                              bezweifeln, daß solche Proben mit europäischen Klingen, wie z.B. jenen von Klingenthal,
                              angestellt werden könnten, wie in neuerer Zeit behauptet wurde.