| Titel: | Ueber zwei Arten Pflanzenwachs aus Brasilien; von Hrn. Sigaud. | 
| Fundstelle: | Band 93, Jahrgang 1844, Nr. XXV., S. 70 | 
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                        XXV.
                        Ueber zwei Arten Pflanzenwachs aus Brasilien; von
                           Hrn. Sigaud.
                        Aus der Chemical Gazette, 1844, No. 33.
                        Sigaud, über zwei Arten Pflanzenwachs aus Brasilien.
                        
                     
                        
                           Die erste dieser Wachsarten, unter dem Namen Carnauba
                              bekannt, kömmt von einer Palme, welche in den nördlichen Provinzen Brasiliens,
                              namentlich in Ceara, in Ueberfluß wächst. Das Wachs bildet einen dünnen Ueberzug auf
                              der Oberfläche der Blätter dieses Baums. Die zerschnittenen Blätter werden im
                              Schatten getroknet; es sondern sich bald blaßgelbe Schuppen ab, welche beim Erwärmen
                              schmelzen und eine Masse wirklichen Wachses geben, welches den einzigen Fehler hat,
                              daß es etwas spröde ist. Die ersten Proben dieses Wachses wurden von dem Gouverneur
                              von Rio Grande dem Grafen Galveas zugesandt, welcher sie
                              wieder dem Lord Grenville übermachte. Hr. Brandt machte eine Analyse desselben in den Philosophical Transact. vom J. 1811 bekannt und bemühte
                              sich auch, ein Verfahren aufzufinden, um es zu bleichen, aber ohne Erfolg.
                              Glüklicher war er mit einigen Versuchen, Kerzen daraus zu verfertigen; diese
                              Versuche wurden in Rio Janeiro mit sehr befriedigendem Erfolg wiederholt, so daß
                              diese Substanz jezt einen Handelsartikel bildet. Sie findet auf dem Markt von Rio
                              Janeiro starken Absaz und es gehen Schiffe bis Ceara, um Ladungen davon zu
                              holen.
                           Die zweite Art Wachs, welche im Lande unter dem Namen Ocubawachs bekannt ist, kömmt von einem in der Provinz Para sehr
                              verbreiteten Strauch. Dieser sehr buschige Strauch erreicht kaum die Höhe von 30
                              Handbreiten. Er wächst in sumpfigem Boden und ist an den Ufern des Amazonenflusses
                              und der Umgegend in Ueberfluß vorhanden. Er liefert eine in Gestalt und Größe einer
                              Flintenkugel ähnliche Frucht, welche eine Nuß einschließt, die mit einer diken
                              karmoisinrothen Haut überzogen ist, welche das Wasser roth färbt und eine herrliche purpurrothe Farbe
                              liefert. Nach dem ersten Auswaschen behält die Nuß eine schwarze Farbe; sie werden
                              in Haufen geworfen, zerquetscht, zu einem Teige zerrieben und kurze Zeit lang
                              gekocht, wodurch man ein Wachs erhält, welches sich auf die Oberfläche begibt.
                              Dieses rohe Wachs gleicht sehr dem Bienenwachs; auch hat es viel Aehnlichkeit mit
                              dem Wachs Ibucuiba, welches v. Humboldt nach seiner
                              Zurükkunft von Amerika beschrieb. Einem Reinigungsprocesse unterworfen, wird das
                              Ocubawachs glänzend weiß und eignet sich dann vollkommen zur Kerzenfabrication. In
                              Belem, der Hauptstadt von Para, wurde dieses Wachs schon seit langer Zeit zur
                              Verfertigung wohlfeiler Kerzen benuzt; 16 Kilogr. der Samen geben 3 Kil. Wachs.
                              Diese Bäume sind so häufig in Para, längs der Ufer des Amazonenflusses, daß in den
                              Monaten Januar, Februar und März die ganze Bevölkerung damit beschäftigt ist, die
                              Samen dieser Frucht einzusammeln, wie man sich in Europa in den Monaten September
                              und Oktober der Weinlese widmet.