| Titel: | Ueber das Parietin, einen gelben Farbstoff, und die unorganischen Bestandtheile der Flechten; von Robert D. Thomson, Professor der Chemie an der Universität zu Glasgow. | 
| Fundstelle: | Band 93, Jahrgang 1844, Nr. XCV., S. 373 | 
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                        XCV.
                        Ueber das Parietin, einen gelben Farbstoff, und
                           die unorganischen Bestandtheile der Flechten; von Robert D. Thomson, Professor der Chemie an der
                           Universitaͤt zu Glasgow.
                        Im Auszug aus dem Philosophical Magazine, Jul. 1844, S.
                              39.
                        Thomson, über das Parietin.
                        
                     
                        
                           Der Zwek vorliegender Abhandlung ist: 1) zu zeigen daß, im Widerspruch mit der
                              gewöhnlichen Ansicht, die Pflanzengattung, welche man
                              „Flechten“ nennt, unorganischer Stoffe zu ihrer Nahrung
                              bedarf, die sie aus der Stelle schöpft, wo sie haftet; 2) den gelben Farbstoff aus
                              der gelben Wandflechte zu beschreiben und seine Eigenschaften, Zusammensezung und
                              Anwendung als Reagens für Alkalien anzugeben.
                           Bis jezt wurden nur wenige gelbe Farbstoffe dargestellt und analysirt. Es erklärt sich dieß dadurch,
                              daß diese Stoffe nur schwer in demselben Zustande dargestellt werden können, in
                              welchem sie sich in der Pflanze befanden. Das Hinderniß liegt darin, daß sie sich so
                              leicht mit Sauerstoff verbinden und dadurch in einen minder schönen Körper von nicht
                              krystallinischem Gefüge umwandeln.
                           Die bisher analysirten gelben Farbstoffe sind verschiedene Theile phanerogamischer
                              Gewächse, hauptsächlich Wurzeln und Blüthen. Der Gegenstand dieser Abhandlung wird
                              aus einer andern Pflanzenclasse, derjenigen der Flechten, gewonnen, und zwar aus der
                              Parmelia parietina,
                              gelben Wandflechte, deren Laub Hooker wie folgt beschreibt: „kreisrund, glänzend gelb; die
                                 Lappen am Rande strahlenförmig, angedrükt, abgerundet, gekerbt und kraus, im
                                 Mittelpunkt gekörnt; unterhalb blasser und faserig, mit tief orangegelben,
                                 concaven, ganzrandigen Schüsselchen.“ Die glänzendgelbe Farbe der
                              Flechte beweist schon, daß sie einen Farbstoff enthält, welchen ich Parietin zu nennen vorschlage; auf die wirkliche
                              Intensität desselben würde man aber beim bloßen Ansehen der Pflanze doch nicht
                              schließen.
                           
                        
                           Unorganische Bestandtheile der Flechten.
                           William Hooker sagt, daß man an den Flechten
                              „zuweilen unvollkommene Wurzeln findet, welche aber mehr den Zwek
                                 haben, die Pflanze auf ihrem Standpunkt zu befestigen, als ihr Nahrung
                                 zuzuführen, welche die Luft allein herbeizuschaffen scheint.“ (English Flora, Vol. V. part.
                              I. p. 129.) Auch daraus, daß andere Schriftsteller das
                              Vorkommen unorganischer Stoffe in den Flechten nur mit sehr wenigen Beispielen
                              belegen und als etwas sehr Sonderbares anführen, scheint hervorzugehen, daß die
                              unorganischen Substanzen durchaus kein notwendiger Bestandtheil der Flechten seyen;
                              oralsaurer Kalk wurde zwar schon in mehreren Flechtenarten gefunden; man betrachtet
                              aber dieß als besondere Fälle. Auch wurden schon kleine Portionen
                              doppeltweinsteinsaures Kali und phosphorsaurer Kalk in einer oder ein paar Species
                              entdekt; doch scheinen diese Beispiele nicht zu irgend einem allgemeinen Schluß oder
                              auch nur auf den Gedanken geführt zu haben, daß unorganische Stoffe sehr häufig in
                              der Familie der Flechten angetroffen werden. Ich war daher auf die merkwürdigen
                              Resultate, welche mir die Analyse der gelben Wandflechte gab, nicht gefaßt. Bei
                              einem Versuche lieferten mir 50 Gran der von den Glimmerschiefer-Felsen zu
                              Dunson an der schottischen Westküste erhaltenen Pflanze nach sorgfältigem Waschen,
                              Troknen und Glühen 3,4 Gran unorganische Materie; bei einem andern Versuch gaben 40
                              Gran, eben so behandelt, beim Verbrennen einen Rükstand von 2,7 Gran; bei einem
                              dritten Versuch gaben 7 Gran sorgfältig abgesonderter oberer Theile des Laubs, welche
                              mit dem Felsen nie in Berührung standen, nach dem Waschen etc. bei der Einäscherung
                              0,47 Gran eines Skelets, welches noch die Form der Flechte besaß und aus Kieselerde,
                              Eisen, phosphorsauren Salzen etc. bestand.
                           Ich gehe bei Beschreibung dieser nur im Kleinen angestellten Versuche deßhalb so ins
                              Detail, weil ich es bei größeren Mengen sehr schwierig fand, von den auf Felsen
                              vorkommenden Flechten die fremdartigen Substanzen, welche ihnen in Menge anhängen,
                              zu trennen. Diese drei Versuche ergaben einen Procentgehalt an Asche von
                           
                              
                                      I.
                                       II.
                                      III.
                                 
                              
                                     6,8
                                     6,75
                                     6,71.
                                 
                              
                           Eine andere Probe von den obern Theilen des Laubs gab nur 5 Proc. Asche, in welcher
                              phosphorsaure Thonerde der vorherrschende Bestandtheil war.
                           Die Analyse zweier Proben Dieser Aschen ergab:
                           
                              
                                 
                                       I.
                                     II.
                                 
                              
                                 Kieselerde
                                   68,46
                                   64,62
                                 
                              
                                 Aufloͤsliche Salze, bestehend in
                                    schwefelsaurem, phosphorsaurem und salzsaurem Natron
                                     0,75
                                 
                                 
                              
                                 Thonerde und phosphorsaure Thonerde
                                 
                                     0,83
                                 
                              
                                 Eisenoxyd und phosphorsaures Eisen- und
                                    Kalksalz
                                   22,04
                                   34,55
                                 
                              
                                 Kohlensaurer Kalk
                                     8,75
                                 
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00.
                                 
                              
                           Aus diesen Thatsachen geht hervor, daß diese Flechte derselben unorganischen
                              Bestandtheile zur Nahrung bedarf, wie andere Pflanzen, und ihr Gehalt an solchen
                              größer ist als bei höhern Pflanzenordnungen; die Flechte nähert sich in dieser
                              Hinsicht den Seegewächsen.
                           Es war nun von Interesse, sich zu überzeugen, ob andere Flechten eben solche
                              Resultate geben. Es wurde in dieser Absicht eine Reihe von Versuchen mit mehreren
                              Species angestellt, deren Resultate in folgender Tabelle zusammengestellt sind.
                           
                              
                                 
                                 Aufloͤsliche Salze.
                                            Proc.
                                 Unaufloͤsl. Salze.
                                            Proc.
                                 Gesammt-Aschegehalt.
                                                
                                    Proc.
                                 
                              
                                 
                                    Cladonia rangiferina
                                    
                                         9,75
                                         2,71
                                             12,47
                                 
                              
                                 
                                    Scyphophorus pyxidatus
                                    
                                 
                                 
                                               6,09
                                 
                              
                                         
                                    –          bellidiflorus
                                         0,59
                                         0,59
                                               1,48
                                 
                              
                                 
                                    Ramalina scopulorum
                                    
                                         0,33
                                         3,84
                                               4,18
                                 
                              
                                 
                                    Parmelia omphalodes
                                    
                                         0,33
                                         7,79
                                               8,12
                                 
                              
                                     
                                    –        saxatilis
                                 
                                 
                                               6,91
                                 
                              
                                     
                                    –        parietina
                                 
                                 
                                               6,75
                                 
                              
                                 
                                    Cetraria islandica
                                    
                                 
                                 
                                               1,84.
                                 
                              
                           
                           Bei der Analyse ergaben diese unorganischen Substanzen dieselben Bestandtheile wie
                              bei der gelben Wandflechte.
                           Um zu sehen, ob die unorganische Materie einigermaßen von dem Felsen abhänge, von
                              welchem die meisten dieser Wanzen genommen wurden, wurde eine Probe von Parmelia saxatilis, welche von dem Stamm einer Esche 10
                              Fuß vom Boden genommen worden war, eingeäschert, wobei sie ungefähr 7 Proc. Asche
                              lieferte, die aus Eisenoxyd, phosphorsaurem Eisen, Kalk und Alaunerde bestand.
                           Eine andere Probe von Parmelia saxatilis von dem Felsen
                              an dem Ufer des Venachar-Sees (wo sie, wie im ganzen schottischen Hochland,
                              zur Erzeugung eines schönen Purpurs auf Wollenzeugen mittelst Alaunbeize gebraucht
                              wird) lieferte nur 3 Proc. Asche, was, wie noch viele andere von mir beobachtete
                              Thatsachen beweist, daß der Gehalt an unorganischer Materie in den Flechten sehr
                              wandelbar ist, wie es wohl von allen organischen Körpern gilt.
                           Man hat schon längst beobachtet, daß die Flechten sehr viel zur Aufhebung des
                              Zusammenhangs der Felsen beitragen, da sie (nach Hooker)
                              „die ersten Pflanzen sind, welche den nakten Felsen überziehen und
                                 Humus bilden für andere Pflanzen einer höhern Organisation, die darin leben und
                                 blühen.“ Vorstehende Versuche machen es einleuchtend, daß die
                              Flechten diesen Boden zu erzeugen vermögen, indem sie von dem Felsen, auf welchem
                              sie festsizen, die zum Wachsthum sowohl ihrer selbst als einer höhern
                              Pflanzenordnung erforderlichen Bestandtheile ausziehen. Sie können daher als
                              Düngererzeuger oder als Quelle der zur Ernährung der Pflanzen
                                 nöthigen Materien angesehen werden.
                           Wo die Flechten in großer Menge erzeugt werden können, lassen sie sich sehr
                              vortheilhaft als Dünger verwenden, indem sie mehr unorganische Substanzen enthalten,
                              als alle andern Pflanzen, mit Ausnahme der Seegewächse. Folgende Tabelle enthält das
                              Resultat meiner Analysen dreier Holzarten, des Lima-, Sapan- und
                              Blauholzes, woraus man ersieht, daß sie viel weniger Salze enthalten, als die
                              meisten Flechten.
                           
                              
                                 
                                  Limaholz.
                                 Sapanholz.
                                   Blauholz.
                                 
                              
                                 Organische Materie
                                   971,255
                                   987,083
                                   971,400
                                 
                              
                                 Kieselerde und Sand
                                       1,800
                                 
                                       7,800
                                 
                              
                                 Kochsalz
                                 
                                       0,517
                                       0,129
                                 
                              
                                 Phosphorsaures u. schwefelsaures
                                    Natron
                                       2,000
                                       0,850
                                       1,371
                                 
                              
                                 Phosphorsaurer Kalk
                                       0,725
                                 
                                       1,021
                                 
                              
                                 Kohlensaurer Kalk
                                     24,140
                                     11,650
                                     18,279
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 1000,000
                                 1000,000
                                 1000,000.
                                 
                              
                           
                           Der Gehalt an organischer und unorganischer Materie beträgt bei
                           
                              
                                 
                                 Limaholz.
                                 Sapanholz.
                                 Flechten.
                                 Algen.
                                 
                              
                                 Organische Materie
                                   971,25
                                   987,08
                                   922,5
                                   762
                                 
                              
                                 Unorganische Materie
                                     28,75
                                     12,92
                                     67,5
                                   238.
                                 
                              
                           In dieser Tabelle wurde die Zusammensezung der gelben Wandflechte für die Flechten
                              aufgenommen, während bei den Algen das Resultat der Analyse eines riesenmäßigen
                              Meergrases (seaweed) von Cap Horn, welches ich von Dr. Jos. Hooker erhielt,
                              aufgeführt wurde. 490 Gran dieser Pflanze gaben 116,7 Gr. Asche, was 23,8 Proc.
                              entspricht.
                           Das Wasser des Oceans kann alle unorganischen Bestandtheile der Seegewächse liefern;
                              Bäume und Flechten aber haben keine an Salzen so reiche Atmosphäre, aus welcher sie
                              diese Nahrung schöpfen könnten, sie müssen also die unorganischen Materien, welche
                              sie enthalten, dem Boden verdanken, auf welchem sie wachsen; da sonach die Flechten
                              sicherlich unorganische Substanzen verschiedener Art enthalten, wie dieß aus obigen
                              Thatsachen hervorgeht, so folgt daraus nothwendig, daß diese Pflanzenspecies nicht
                              nur aus der Atmosphäre ihre Nahrung schöpft, auf welche bisher die Botaniker ihre
                              Nahrungsquelle zu beschränken schienen, sondern daß sie auch im Stande ist,
                              unorganische Substanzen aus den Felsen und Bäumen zu ziehen, über deren Oberfläche
                              diese Pflanzengattung sich so sehr verbreitet.
                           
                        
                           Darstellung des Parietins.
                           Wenn die gelbe Wandflechte in kaltem Weingeist von 0,840 spec. Gewicht digerirt wird,
                              erhält man eine gelbe Flüssigkeit – offenbar eine Folge der Auflösung des
                              gelben Farbstoffs. Beim Kochen nimmt die Flüssigkeit eine dunklere Farbe an, und
                              wenn eine hinreichende Menge Weingeist genommen wurde und man die Flüssigkeit
                              freiwillig verdunsten läßt, so sezt sich der Farbstoff an den Seiten des Gefäßes in
                              feinen, manchmal 1/4 Zoll langen gelben Nadeln ab. Die Flechtenproben, aus welchen
                              diese Krystalle gewonnen wurden, kamen von einer trokenen Mauer in der Nähe der
                              See.
                           Um den Farbstoff der gelben Wandflechte darzustellen, thut man gut, die Flechte bei
                              mäßiger Wärme zu troknen. Vorzüglich gilt dieß für Exemplare von der See, welche
                              viel saftiger sind, als solche aus dem Innern des Landes. Der Weingeist zieht den
                              Farbstoff dann besser aus, ohne heftiges oder lange fortgeseztes Kochen. Das reinste
                              Product würde wahrscheinlich dadurch erhalten, daß man die Flechte durch Troknen in
                              einem Ofen so viel als möglich von Wasser befreien und sie nachher in kaltem
                              Alkohol digeriren würde. Ich habe gesagt, daß der Farbstoff in Nadeln krystallisirt
                              erhalten werden kann, gewöhnlich aber fällt er in Form glänzender gelber Schuppen
                              während des Abkühlens des Alkohols nieder. Am schnellsten erhält man ihn, wenn man
                              die Flechte ein paar Minuten lang mit Alkohol locht, filtrirt und frischen Alkohol
                              zusezt, bis der Farbstoff völlig erschöpft ist. Die Lösung ist kaum noch durch das
                              Filter gegangen, so fängt sie schon an, die glänzenden Parietin-Schuppen abzusezen. Versucht man dieselben durch
                              Wiederauflösen in Alkohol zu reinigen, so findet man, daß nur ein Theil davon sich
                              auflöst und der Bodensaz in der geistigen Lösung, statt den Glanz der früher
                              erhaltenen Substanz zu besizen, das Ansehen eines bräunlich-gelben Pulvers
                              annimmt.
                           
                        
                           Zusammensezung des Parietins.
                           Bei 80° R. getroknet und mit Kupferoxyd verbrannt, ergab das durch Digestion
                              mit heißem Alkohol oder Aether von Fett- oder Harzgehalt gereinigte Parietin
                              und das Product der zweiten Lösung, welches sich wie ein Oxyd desselben verhält,
                              folgende Elementarbestandtheile:
                           
                              
                                 
                                       Parietin.
                                       Parietinoxyd.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                 40 Atom.
                                   65,21
                                   40 Atom.
                                   62,51
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 16   –
                                     4,34
                                   16   –
                                     4,16
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 14   –
                                   30,45
                                   16   –
                                   33,33
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           
                        
                           Parietin als Reagens auf Alkalien.
                           Eine sehr kleine Menge dieser Substanz theilt ihre gelbe Farbe einer sehr großen
                              Quantität Alkohol mit und auf diese Lösung haben Reagentien eine starke Einwirkung.
                              Werden einer solchen Lösung ein oder zwei Tropfen Salpeter-, Salz-
                              oder Schwefelsäure zugesezt, so wird ihre gelbe Farbe stark erhöht und sogar in noch
                              viel kleinerer Menge bringen sie eine sehr merkliche Veränderung hervor. Ist die
                              Lösung concentrirt, so verursacht die zugesezte Säure einen Niederschlag. Wird
                              Aezammoniak in höchst geringer Menge in eine Parietin-Lösung getropft oder
                              ihr mittelst eines Stäbchens zugesezt, so wird die gelbe Flüssigkeit sogleich satt
                              roth, dem Purpurroth ähnlich gefärbt. Dasselbe ist der Fall mit Aezkali, Aezbaryt,
                              kohlensaurem Natron, Aezkalk etc. Diese außerordentliche Empfindlichkeit des
                              Parietins gegen Alkalien macht es zu einem schäzbaren Reagens. Man kann eine
                              alkoholische Lösung desselben vorräthig halten; ein oder zwei Tropfen davon, einer
                              beträchtlichen Menge einer alkalischen Flüssigkeit zugesezt, verursachen eine rothe
                              Färbung derselben. Die alkoholische Lösung kann man einfach durch Digestion der Flechte in kaltem Alkohol
                              von 0,840 spec. Gewicht bereiten, denn ich fand, daß eine kleine Menge Flechte eine
                              große Menge Alkohol intensiv genug färbt, um als sehr empfindliches Reagens auf
                              Alkalien dienen zu können. Gehörig damit imprägnirtes Papier bleibt als Reagens auf
                              Ammoniak wenig oder gar nicht hinter dem Curcumapapier zurük. Man kann solches
                              Reagens-Papier augenbliklich bereiten, wenn es zur Entdekung von Ammoniakgas
                              dienen soll, indem man das Papier in die alkoholische Lösung taucht und in noch
                              feuchtem Zustande dem Ammoniakdunste aussezt. Seine gelbe Farbe geht sogleich ins
                              Purpurrote über, welches besser in die Augen fällt, als die mehr schmuzigbraune
                              Farbe des Curcumapapiers. Vorzüglich empfiehlt sich diese Flüssigkeit dadurch, daß
                              sie aufbewahrt werden kann ohne zu verderben, während die häufig empfohlenen
                              Reagens-Papiere, obgleich sie frisch bereitet sehr empfindlich sind, durch
                              die Aufbewahrung nach und nach ihren Werth verlieren. Säuren wirken auf das Parietin
                              nicht; seine natürliche gelbe Farbe wird durch dieselben bloß erhöht, während bei
                              der Curcuma, welche einen braunen und einen gelben Farbstoff enthält, der erstere
                              von Säuren geröthet und der leztere von Alkalien gebräunt wird. Angefeuchtetes
                              Parietinpapier hingegen wird, frisch bereitet, roth oder Purpurroth – lang
                              aufbewahrt röthlichbraun – wenn es mit Ammoniak und andern Alkalien in
                              Berührung kommt. Die übrigen Reactionen des Parietins sind einfach. Die geistige
                              Lösung desselben wird von salpetersaurem Silber, essigsaurem Blei und andern
                              Metallsalzen gelb niedergeschlagen. Eisenchloridlösung macht ihre Farbe dunkler.
                           Die gelbe Farbe der Parmelia parietina zog schon
                              frühzeitig die Aufmerksamkeit der Techniker auf sich. Sie wurde von Hoffmann, Amoreux und Willemet
                              im J. 1786 genau beschriebenMémoires couronnés en
                                       l'année 1786 par l'Académie
                                       des Sciences, Belles Lettres et Arts de Lyon, sur l'utilité des
                                       Lichens dans la médecine et les Arts. 8. 1787.; lezterer benachrichtigt uns, daß die Schweden auf der Insel Oeland mittelst
                              dieser Flechte und Alaun eine gelbe Farbe auf Wolle erzeugen, und daß auf Leinen und
                              Papier auch Fleischfarbe davon erhalten werde; daß ferner die Ziegen diese Flechte
                              fressen und Haller sie als ein kräftiges Tonicum in der
                              Diarrhoe empfehle. Er selbst habe sie, sezt er hinzu, in seiner Praxis als Tisane
                              angewandt und sie in der im Herbst vorkommenden Form dieses Nebels wohlthätig
                              befunden. Nach Hoffmann wird sie in Norwegen mit Milch
                              gekocht, als Mittel gegen die Gelbsucht gebraucht. Hoffmann sagt, er habe niemals eine gelbe Farbe aus dieser Flechte gewinnen können, mit Weinessig
                              aber eine olivengrüne Farbe und mit achtem Weinessig (aceto
                                 vini vero) und grünem Vitriol einen fleischfarbenen oder aprikosenfarbenen
                              Ton erhalten. Dr. John P. Westring von Nordköping in Schweden, welcher eine umfassende Untersuchung
                              über die Farbstoffe der Flechten anstellte, sagt, daß Lichen
                                 parietinus durch 14tägige Infusion und dann 1/2 ständiges Kochen eine falbe
                              Farbe auf Wolle gebe; durch längeres Kochen werde eine gelbe Farbe erzeugt und diese
                              Mischung werde durch bloße Infusion und ExtractionExtration der rothen florentinischen Wolle gleich. Mit Kochsalz und Salpeter eine
                              halbe Stunde lang gekocht, wurde eine schöne Strohfarbe erzeugt. Auf Seide gab sie
                              ähnliche Farben, welche je nach dem Färbeverfahren in ihrem Tone vom Roth bis zum
                              Gelb wechselten.Kongl. Vetenscaps Acad. XII. p. 300. An.
                                    1791.
                              
                           Hierauf wurde die gelbe Wandflechte von Dr. Sande, welcher sich durch ihre Farbe wahrscheinlich dazu
                              verführen ließ, als ein Surrogat der Chinarinde während des lezten französischen
                              Kriegs empfohlen. Auch wurde sie von Herberger
                              untersuchtBuchner's Repert. f. d. Pharmacie, Bd. XLVII S.
                                    179., aber offenbar nicht mit demselben Resultate, welches die schottischen
                              Proben gaben, indem er keine unorganischen Bestandtheile darin fand, welche sich
                              nach meinen Versuchen doch auf 6–7 Proc. belaufen, andererseits aber viel
                              mehr Farbstoff erhielt, als sich in irgend einer der von mir untersuchten Pflanzen
                              vorfand. Auch fand er einen rothfärbenden Stoff, welcher sich bei meinem Verfahren
                              nicht ergab und daher ein Product der Oxydation des Parietins seyn mag. –
                              Später extrahirte Dr. Gumprecht ein gelbes Oehl aus der Flechte, aber in so kleiner Menge, daß
                              es nicht weiter untersucht werden konnte. Bei meinen eigenen Versuchen fand ich
                              stets, daß der Farbstoff sich beim Erhizen der Flechte verflüchtigt, gerade ehe sie
                              Feuer sing, wodurch ein starker gelber Rauch erzeugt ward. Auch erhielt ich eine
                              beträchtliche Menge Zuker in krystallinischen Körnern, indem ich den zur Extraction
                              des Farbstoffs benuzten Weingeist freiwillig verdunsten ließ.
                           Nachschrift. Seitdem diese Abhandlung in der Philosophical Society vorgelesen wurde und ehe ich die
                              nöthige Menge gelber Nadeln behufs der Analyse erzeugen konnte, wurden sie von Rochleder und Heldt zu Gießen
                              untersucht und aus C⁴⁰ H¹⁶ O¹² bestehend gefunden.
                           Ich fand auch Parietin in der Squamaria elegans (von der
                              Cockburn-Insel im 64° s. Br. von Dr.
                              Joseph Hooker gesammelt und von ihm „die
                                 südlichste Pflanze“ genannt) – eine Thatsache, welche 
                              Griffith's Muthmaßung bestätigt, daß viele gefärbte
                              Flechten, wie Lecanora vitellina und concolor, Squamaria murorum, elegans etc. wahrscheinlich
                              unter verschiedenen Umständen befindliche Parmelia
                                 parietina sind, indem alle diese Pflanzen ihre Farbe dem Parietin zu
                              verdanken scheinen.