| Titel: | Ueber Barreswil's Verfahren den Gehalt des Rohzukers, Runkelrübensaftes etc. an krystallisirbarem Zukerstoff zu bestimmen. Ein der Société d'Encouragement von Hrn. Eug. Péligot erstatteter Bericht. | 
| Fundstelle: | Band 93, Jahrgang 1844, Nr. CXVIII., S. 447 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        CXVIII.
                        Ueber Barreswil's Verfahren den Gehalt des Rohzukers,
                           Runkelruͤbensaftes etc. an krystallisirbarem Zukerstoff zu bestimmen. Ein der Société d'Encouragement von Hrn. Eug. Péligot erstatteter
                           Bericht.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, Jun. 1844, S. 266.
                        Barreswil's Verfahren den Gehalt des Rohzukers, Runkelrübensaftes
                           etc.
                        
                     
                        
                           Die Zukerprobe von Barreswil beruht auf einer Eigenschaft
                              der Zukerstoffe, welche vor einigen Jahren von einem deutschen Chemiker, Hrn. Trommer entdekt und empfohlen wurde, um den Rohrzuker
                              leicht vom Stärkezuker unterscheiden zu können.Polytechn, Journal Bd. LXXXV S.
                                       382. Die Methode von Trommer besteht darin, die zu
                              prüfende Zukerauflösung mit einigen Tropfen schwefelsauren Kupferoxyds und dann mit
                              Aezkali zu versezen, worauf man das Gemisch beinahe bis zum Sieden erhizt; der
                              Stärke- oder Traubenzuker, wenn solcher in der Flüssigkeit enthalten ist,
                              reducirt das Kupfersalz und erzeugt einen rothen Niederschlag von Kupferoxydul,
                              während der Rohrzuker bei diesem Salz keine Veränderung hervorbringt.
                           Hr. Barreswil benuzt diese qualitative Prüfungsmethode zur
                              quantitativen Bestimmung des Rohrzukers (krystallisirbaren Zukers) und des
                              Stärkezukers, dieselben mögen einzeln oder beide in einem festen Körper, wie dem im
                              Handel vorkommenden Rohzuker oder in einer Flüssigkeit, z.B. dem Runkelrübensaft und
                              Zukerrohrsaft enthalten seyn. Sein Verfahren gründet sich auf folgende Thatsachen:
                              1) der krystallisirbare Zuker reducirt das in einer alkalischen Flüssigkeit
                              enthaltene Kupferoxyd nicht; 2) er thut dieses aber, nachdem er durch Kochen mit
                              Schwefelsäure in Stärkezuker umgewandelt worden ist; 3) die Quantität des reducirten
                              Kupferoxyds ist der Menge des angewandten Zukers proportional.
                           
                        
                           Wir wollen nun Barreswil's
                              Verfahren kurz beschreiben.
                           Soll die Quantität des in einer Flüssigkeit enthaltenen krystallisirbaren Zukers
                              abgesehen von allen andern organischen Bestandtheilen ermittelt werden, so bereitet
                              man zuerst eine alkalische Auflösung von Kupferoxyd von bestimmtem Gehalt mit
                              Kupfervitriol, neutralem weinsteinsaurem Kali und Aezkali. Man erhält so eine
                              dunkelblaue Flüssigkeit, welche nach dem Filtriren lange Zeit klar und ungetrübt
                              bleibt. Diese Auflösung ist die Probeflüssigkeit, deren
                              Gehalt man nun bestimmen muß, indem man ermittelt: wie viel man von einer Auflösung von
                              reinem und trokenem Kandis, welche mit einigen Tropfen Schwefelsäure versezt und
                              dann zum Sieden erhizt worden ist – braucht, um ein bestimmtes Volumen der
                              Probeflüssigkeit zu entfärben.
                           Nachdem der Gehalt der Probeflüssigkeit sorgfältig bestimmt worden ist, gießt man ein
                              bestimmtes Volumen davon in eine Porzellan- oder Glasschale; man versezt sie
                              dann mit einer sehr concentrirten Auflösung von Aezkali in beliebiger Menge. Dieser
                              Zusaz hat nur zum Zwek, die Dichtigkeit der Flüssigkeit zu erhöhen, damit sich bei
                              ihrem Gebrauch das Kupferoxydul schneller niederschlagen kann. Man läßt hierauf in
                              die heiße Kupferoxydauflösung mittelst des Gay-Lussac'schen Maaßgläschens (burette) tropfenweise die angesäuerte Zukerauflösung fallen, welche auf ihren
                              Gehalt geprüft werden soll und die man zuvor mit einer bestimmten Menge Wasser
                              versezt hat. Sobald die beiden Flüssigkeiten in Berührung sind, entsteht ein gelber
                              Niederschlag von Kupferoxydul-Hydrat, welcher roth wird und nachdem er die
                              Temperatur der Flüssigkeit angenommen hat, sich auf dem Boden absezt. In dem Maaße
                              als sich Kupferoxydul niederschlägt, verschwächt sich die Farbe der Flüssigkeit;
                              nachdem sie ganz entfärbt ist, ist die Operation beendigt. Liest man dann auf dem
                              Maaßgläschen die Anzahl von Abtheilungen ab, welche von der angesäuerten
                              Zukerauflösung zur Entfärbung erforderlich waren, so kann man mittelst einer
                              Proportion das Gewicht des in der geprüften Flüssigkeit enthaltenen Zukers
                              berechnen.
                           Die einzige Schwierigkeit bei diesem Verfahren besteht darin, genau den Zeitpunkt zu
                              beobachten, wo alles Kupferoxydul ausgefällt ist; ist die Zukerauflösung farblos, so
                              läßt sich dieser Zeitpunkt durch die Entfärbung der Flüssigkeit leicht erkennen; ist
                              hingegen der zu prüfende Zuker schon gefärbt, so kann man sich bloß an das Aufhören
                              des wolkigen gelben Niederschlags halten, welcher der Ablagerung des Kupferoxyduls
                              vorangeht.
                           Versezt man die Probeflüssigkeit, nachdem sich das Kupferoxydul vollständig abgesezt
                              hat, mit einem Ueberschuß von Zuker, so entsteht die bekannte braune Färbung des
                              Stärkezukers durch äzende Alkalien.
                           Enthält die zu prüfende Flüssigkeit zugleich krystallisirbaren Zuker und Stärkezuker,
                              so bestimmt man das Verhältniß des lezteren durch einen vorläufigen Versuch mit
                              einer Portion derselben; nur der Stärkezuker reducirt die Kupferauflösung, während
                              der gewöhnliche Zuker nicht darauf wirkt. Man kocht dann eine andere Portion der zukerhaltigen
                              Flüssigkeit mit Schwefelsäure, um allen krystallisirbaren Zuker in Stärkezuker zu
                              verwandeln; durch eine zweite Probe mit der so modificirten Flüssigkeit erfährt man
                              das Gesammtgewicht des nun in ihr enthaltenen Stärkezukers; zieht man davon den
                              Stärkezuker ab, welcher schon in ihr enthalten war und dessen Gewicht die erste
                              Probe ergab, so entspricht die Differenz der Menge des krystallisirbaren Zukers,
                              welcher in dem Gemisch von Wasser, gewöhnlichem Zuker und Stärkezuker enthalten
                              ist.
                           Ich habe das Verfahren des Hrn. Barreswil, welches sich
                              durch seine Einfachheit auszeichnet, streng geprüft und mich dabei überzeugt, daß
                              wenn eine Flüssigkeit bloß krystallisirbaren Zuker enthält, im Verlauf von beiläufig
                              einer Viertelstunde ihr Gehalt an solchem auf 2–3 Proc. genau dadurch
                              bestimmt werden kann. Ueberdieß kann man sich durch einen vorläufigen Versuch immer
                              überzeugen, daß diese Flüssigkeit keine Spur Stärkezuker enthält. Wenn lezterer dem
                              krystallisirbaren Zuker beigemischt ist, wie im Zukerrohr- oder
                              Runkelrübensaft, welche einige Zeit an der Luft aufbewahrt wurden, oder in Cassonade
                              die mit gekörntem Stärkezuker verfälscht wurde, so ist das Verfahren etwas weniger
                              genau; dessenungeachtet erhielt ich, als ich nach dieser Methode Zukerrohrsaft
                              analysirte, welcher nach Appert's Methode conservirt
                              worden war, aber dennoch etwas verändert kürzlich von Guadeloupe ankam, ein
                              Resultat, welches sich sehr demjenigen näherte, welches Hr. Clerget bei der Prüfung derselben Flüssigkeit mit Biot's Polarisationsapparat bekam. Bekanntlich liefert dieser Apparat
                              Resultate, die in Bezug auf Genauigkeit nichts zu wünschen übrig lassen; man kann
                              aber damit nur vollkommen farblose Flüssigkeiten untersuchen und diese schäzbare
                              Methode folglich nur in besonderen Fällen anwenden.
                           Nachdem ich nun die Vortheile von Barreswil's Verfahren
                              auseinandergesezt habe, muß ich auch von dessen Nachtheilen reden. Der Hauptfehler
                              dieses Verfahrens besteht darin, daß man es nur in den einfachen Fällen anwenden
                              kann, wo eine Auflösung von reinem Zuker oder ein Gemisch von diesem Zuker mit
                              Stärkezuker gegeben ist. Denn wenn die zu prüfende Substanz Weinsteinsäure, Dextrin,
                              Milchzuker etc. enthält, so verhalten sich dieselben fast ebenso wie der
                              krystallisirbare Zuker und können folglich mit ihm verwechselt werden; andererseits
                              gibt es ohne Zweifel organische Substanzen, welche die alkalische
                              Kupferoxydauflösung reduciren wie der Stärkezuker selbst; so daß also dieses
                              Verfahren nur dann mit Sicherheit angewandt werden kann, wenn man sich durch
                              vorläufige Versuchüberzeugt hat, daß keine anderen organischen Substanzen dem
                              krystallisirbaren oder Stärkezuker beigemischt sind.Das Verfahren Barreswil's ist ungeachtet seiner
                                    beschränkten Anwendbarkeit für die Zukerindustrie nüzlich, weßhalb ihm die
                                    Société d'Encouragement nicht
                                    nur eine silberne Medaille zuerkannte, sondern überdieß 1000 Frcs. von dem
                                    Preise von 3000 Frcs., welchen sie auf eine vollkommnere und allgemeiner
                                    anwendbare Zukerprobe ausgesezt hatte.