| Titel: | Darstellung der Lebkuchenbäkerei. | 
| Fundstelle: | Band 93, Jahrgang 1844, Nr. CXIX., S. 450 | 
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                        CXIX.
                        Darstellung der
                           Lebkuchenbaͤkerei.
                        Darstellung der Lebkuchenbäkerei.
                        
                     
                        
                           Das Wort Lebkuchen kommt von dem altdeutschen, noch jezt
                              im Osnabrück'schen gebräuchlichen Wort lebbe (sehr süß)
                              her, und bedeutet daher „süßen Kuchen.“ Andere Benennungen sind
                              Honigkuchen (weil sie früher ausschließlich mit Honig
                              gemacht wurden), welcher Name (Panis mellitus) auch bei
                              den alten Römern gebräuchlich war, Pfefferkuchen, weil
                              sie vornehmlich mit Pfeffer gewürzt werden, und Gewürzkuchen (auch im Französischen, Italienischen und Englischen: Pain d'épice, Pane de specerie oder aromatico, Spicebread).
                           Die Urstoffe zu den Lebkuchen sind:
                           1) Mehl. Zu den feinen feinstes Weizenmehl; zu den
                              geringeren Roggen- oder Erbsenmehl, oft auch mit Zusaz von Kartoffelstärkmehl
                              oder gekochten Kartoffeln (welche leztere aber schwer zu bakende, wässerige Kuchen
                              geben).
                           2) Honig, Zukersyrup, Farin; zu den feinen weißen auch Meliszuker, seltener Stärkezuker,
                                 Möhrensyrup und Traubensyrup.
                           3) Gewürze, besonders Pfeffer, Ingwer, Gewürznelken,
                              Cardamom, Zimmt, Piment, Muskatnüsse; starker Zusaz von Gewürzen wird häufig
                              angewandt, um den Geschmak des schlechten Syrups zu verdeken. So stark gewürzte
                              Lebkuchen sind aber sehr ungesund, besonders wenn sie auch freie Potasche enthalten,
                              und erregen sehr leicht Zahnschmerzen; daher auch die Zahnausreißer nie mehr zu thun
                              haben, als in manchen Orten um Weihnachten, wo es Mode ist Lebkuchen zu essen.
                           4) Potasche. Diese wird vornehmlich bei den braunen
                              Lebkuchen angewandt, und hat den Zwek, die Säure des Syrups zu sättigen und den Teig
                              aufzulokern, wozu die durch die Säure aus ihr entwikelte kohlensaure Luft beiträgt.
                              Sie darf dann aber erst unter den schon angekneteten festen Teig (auf 2 Pfd. 1 Loth
                              Potasche) gesezt werden.
                              Eben so wirkt kohlensaures Natron, kohlensaures Ammoniak
                              (das die Oberfläche der Lebkuchen glänzend und dunkelbraun macht), kohlensaure Talkerde, welche die Lebkuchen noch mehr
                              auflokert und gesunder (aber auch theurer) als Potasche ist. Colquhoun empfahl, auf das Pfd. Mehl 1/2 Loth kohlensaure Talkerde in das
                              Mehl einzukneten und dann 1 Quentchen Weinsteinsäure mit dem Syrup. Leztere
                              entwikelt Kohlensäure aus der Talkerde, und der Teig ist dann in 2–3 Stunden
                              zum Baken fertig.
                           5) Alaun. Dieses Salz wird hin und wieder unter die
                              Lebkuchen gesezt, und kann keinen andern Nuzen haben, als die Kohlensäure aus der
                              gleichfalls zugesezten Potasche zu treiben, wobei es in Thonerde und schwefelsaures
                              Kali zersezt wird. Da man indessen dasselbe durch andere Säuren bewirken kann, so
                              sollte der Zusaz dieses Salzes unterbleiben, da es der Gesundheit nachtheilig ist,
                              wenn man nicht so viel Potasche oder Natron zugibt, daß es vollkommen zersezt
                              wird.
                           6) Branntwein oder Weingeist
                              kommt unter einige Arten Lebkuchen und hat ebenfalls den Zwek, sie aufgehen zu
                              machen.
                           7) Butter oder Fett wird bei
                              einigen Arten in geringer Menge zugegeben.
                           8) Mandeln, Citronat, eingemachte Pomeranzenschalen (bei
                              den feinen weißen).
                           Die Bereitungsart der Lebkuchen beruht
                           1) auf Vermischen des Mehls mit dem Honig oder Syrup;
                           2) Kneten des entstandenen Teiges, wobei zulezt die Potasche und Gewürze zugesezt
                              werden;
                           3) Formen des Teiges;
                           4) Baken desselben;
                           5) Troknen der gebakenen Lebkuchen, das aber nur bei einigen Arten gebräuchlich
                              ist.
                           
                        
                           1. Vermischen des Mehls mit dem Honig
                                 oder Syrup.
                           Der Honig oder Syrup wird, nachdem er über dem Feuer geklärt und, wenn er unrein, auf
                              eine der bekannten Arten gereinigt ist, sogleich in den Baktrog gegossen, das Mehl
                              nach und nach zugeschüttet und eingerührt. Bäkt man Lebkuchen mit Syrup und Honig,
                              so kann man entweder beide gleich beim Klären unter einander mischen oder den Honig
                              besonders und den Syrup besonders anknetenanneten, und dann erst den Syrupteig mit dem Honigteig zusammenkneten.
                           Auch ist hier zu bemerken, daß man den Honig oder Syrup in dem Baktrog erst abkühlen lassen
                              muß, da sich in zu heißem Syrup das Mehl verbrüht.
                           
                        
                           2. Kneten.
                           Wird die Mischung zu fest, so daß man sie nicht mehr umrühren kann, so knetet man sie
                              mit den Händen wie gewöhnlichen Mehlteig.
                           Man muß sich hüten, zu viel Mehl einzukneten, da dann der Teig im Ofen nicht gut
                              aufgeht, und sich bemühen diesen Fehler, wenn er begangen wurde, wieder gut zu
                              machen, indem man den zu strengen Teig bei dem Gebrauch lokerer knetet.
                           Ist alles Mehl eingeknetet, so knetet man die GewürzeGibt man die Gewürze gleich anfangs in den Teig, so vereinigen sie sich
                                    besser mit demselben, hindern aber die Gährung (Säurebildung), daher er dann
                                    weniger Potasche bedarf, aber auch nicht so gut durch diese aufgeht., die Potasche, Mandeln u.a. Zusäze ein, sticht den Teig mit einem scharfen
                              Holze in verschiedene Stüke, legt sie auf einen Tisch und krazt den Baktrog aus.
                           Der Teig könnte nun zwar gleich den folgenden Tag geformt und gebaken werden,
                              indessen würde er dann keine so gute Waare geben, als wenn er einige Zeit gelegen
                              hat. Durch dieses Liegen vermischen sich die Bestandtheile besser, und geben weit
                              wohlschmekendere Kuchen. In einem kühlen Zimmer kann
                              man den Teig viele Monate ohne Schaden liegen lassen, und früher war es die
                              Hauptregel bei den ausgezeichnetsten Lebkuchenbäkern, nur lange gelegenen Teig zu
                              verbaken. – Auch ist es vortheilhaft, verschiedene Teigarten zusammen zu
                              verbaken, und zu einem, der lange gelegen hat, einen, der erst kürzlich angemacht
                              wurde, zu mischen, da auf diese Weise einer die Fehler des andern verbessert.
                           Durch das Liegen wird der Teig zugleich trokener und kann nicht mehr mit den Händen
                              geknetet werden. Man knetet oder bricht ihn daher mit der Breche, und sezt dieß eine
                              Viertelstunde fort. Dieses Brechen bewirkt auch hauptsächlich, daß die braune,
                              größtentheils von dem Syrup herrührende Farbe in eine gelbliche verwandelt wird, und
                              muß daher so lange fortgesezt werden, als noch braune Streifen im Teige sind.
                              Zugleich wird der Teig dadurch fester.
                           Außer der Ausgleichung der Bestandtheile hat das Liegen offenbar keinen andern Zwek,
                              als durch die entstehende Gährung den Teig aufzulokern, wozu, im Fall der Teig
                              Potaschezusaz erhält, auch die entstehende Säure, welche kohlensaure Luft aus der
                              Potasche entwikelt, beiträgt. Da es indessen kostspielig ist, so wendet man es jezt
                              wenig mehr an, sondern gibt Potasche unter den Teig, welche, wenn der Syrup oder der Teig Säure
                              enthält, ihn ebenfalls schon aufgehen macht, und wenn er keine enthält, doch schon
                              bei kurzem Liegen (wobei Säurebildung stattfindet) das Aufgehen bewirkt. Man kann
                              auch dieses entbehrlich machen, wenn man dem Teige (oder dem Syrup) eine Säure
                              beimischt, z.B. reinen Essig, oder etwas Salzsäure und dann so viel kohlensaures
                              Kali, kohlensaures Natron oder kohlensaure Talkerde, daß diese wieder vollkommen
                              gesättigt wird. Wendet man Salzsäure und kohlensaures Natron an, so entsteht
                              Kochsalz, das als ein unschädlicher Zusaz anzusehen ist.
                           
                        
                           3. Formen des Teigs.
                           Ist der Teig hinlänglich mit der Breche durchgearbeitet, so wird ein Stük nach dem
                              andern auf einem Tisch zu einer langen, einige Zoll diken Walze gerollt, und diese
                              in kleine, einige Zoll lange Stüke zerschnitten, jedes dieser Stüke aber mit der
                              Hand platt gedrükt, mit einem Rollholze oder einer Mange zu einem Kuchen ausgedehnt
                              und in ein Stük von bestimmter Größe und Schwere gebracht oder in Formen
                              gedrükt.
                           Auf den Tisch und zwischen die Stüke des zerschnittenen, gerollten Teiges streut man
                              Mehl, um das Ankleben zu verhindern.
                           
                        
                           4. Baken des Teigs.
                           Die geformten Kuchen werden in einen gewöhnlichen Bakofen gebracht, über dem noch
                              eine Kammer oder ein Gerüst ist, um einige Arten hart zu troknen.
                           Gewöhnlich schiebt man sie auf untergelegtes Papier in den Bakofen, und in der Regel
                              sind die zuerst eingeschobenen ausgebaken, wenn der Ofen vollgesezt ist, und werden
                              daher in derselben Ordnung wieder herausgenommen.
                           
                        
                           5. Besondere Vorschriften.
                           Es gibt sehr verschiedene Sorten Lebkuchen, welche durch ein abweichendes Verfahren
                              oder durch verschiedene Zusäze erhalten werden; die vorzüglichsten sind indessen die braunen und
                                 weißen, von denen erstere ihre Haupteigenschaft dem in ihnen enthaltenen
                              gebrannten Zuker verdanken.
                           1) Weiße Nürnberger Lebkuchen (24 Stük). 3 Pfund Mandeln
                              werden mit kochendem Wasser überbrüht, die Haut abgeschält, klein geschnitten und
                              auf einem Blech erhizt (geröstet), bis sie gelblich sind. Unterdessen öffnet man 30
                              Eier, trennt das Weiße sorgfältig von dem Gelben, schlägt ersteres zu Schaum (es
                              darf nichts Gelbes unter demselben seyn, da sonst kein rechter Schaum entsteht), rührt unterdessen auch
                              das Gelbe mit 3 Pfd. gestoßenem getroknetem Zuker eine halbe Stunde mit 8 Loth
                              geschnittenen Pomeranzenschalen, 8 Loth Citronat, 1 Loth Zimmt, 1/4 Loth Cardamom
                              und 1 Quentchen Nelken, mischt es zu dem Schaume, sezt die Mandeln zu, nebst 3 Pfd.
                              getroknetem Mehl, streicht die Mischung auf Oblaten und läßt sie bei gelindem Feuer
                              langsam baken.
                           2) Weiße Lebkuchen. 1 Pfd. Zuker mit 1/8 Kanne Wasser oder
                              Milch gelocht, 1 1/4 Pfd. Mehl darunter gerührt, nach einigen Stunden 1 Loth Zimmt,
                              1/2 Loth Nelken, 1/2 Loth Cardamom, 4 Eidotter, 1/2 Loth Potasche (diese wird stets
                              in Wasser gelöst angewandt) oder 1 Quentchen kohlensaures Ammoniak.
                           3) Braune Lebkuchen. 6 Pfd. guter Syrup, 5 Pfd. Mehl
                              werden zu Teig gemacht, 14 Tage liegen gelassen, 6 Loth Potasche (in Wasser gelöst)
                              eingeknetet, nebst 1/2 Pfd. Citronat, 1/2 Pfd. Pomeranzenschalen, 3 Pfd. Mandeln, 5
                              Loth Gewürznelken, Cardamom, Pfeffer, Ingwer.
                           4) Andere Art. 4 Pfd. Honig, 4 Pfd. Mehl, 3/4 Pfd.
                              Mandeln, 1 Loth Gewürznelken, 1 Loth Zimmt, 1 Loth Cardamom, 2 Loth Piment, 2 Loth
                              Potasche. Nach dem Baken läßt man sie kalt werden, taucht sie in kaltes Wasser und
                              läßt sie im Ofen abtroknen, oder bestreicht sie mit einem Absud von 1 Maaß Bier, 8
                              Loth Zuker, 3 Loth Stärkmehl und troknet sie im Ofen.
                           5) Bremer Pfefferkuchen, welche aus einem Teig von
                              Roggenmehl und Honig, dem man beim Brechen etwas Syrup, Piment und Anis zusezt,
                              gebaken werden. Nach dem Rollen gibt man dem Kuchen mit einer Form in der Mitte eine
                              vierseitige Vertiefung und legt Mandeln und trokne Pomeranzenschalen darauf. Wenn
                              die Kuchen nach dem Baken erkaltet sind, bestreicht man sie mittelst eines
                              Strohwisches mit Wasser, schiebt sie noch einige Minuten in den Ofen, und gibt ihnen
                              dadurch eine braune und glänzende Farbe.
                           6) Thorner Pfefferkuchen. Sie sind aus besserm Teig als
                              die Bremer, erhalten ebenfalls Citronat und Mandeln und auf dieselbe Art Glanz, oder
                              mit Erbsenmehl eine gelbliche Farbe. Diese Art Pfefferkuchen ist vorzüglich berühmt
                              und soll ihre Güte dem langen Liegen des Teiges verdanken. 2 Pfd. Honig, 2 Pfd.
                              Farinzuker zusammen eingekocht, bis er Blasen wirft; 2 Pfd. Mandeln, 2 Loth
                              Potasche; Pfeffer, Zimmt, Nelken, Cardamom, Muskatnüsse; Mehl. Nach 24 Stunden wird
                              gebaken.
                           7) Berliner Honigkuchen. 3 Pfd. Mehl, 2 Pfd. Zuker, 3/4
                              Quart Honig, 1 1/2 Pfd. Mandeln, 1/2 Glas Branntwein, 2 Loth Muskatnüsse, Nelken,
                              Coriander, Zimmt; 1/4 Pfd. Citronat und Pomeranzenschalen.
                           
                           8) Französische Honigkuchen. 2 Pfd. Honig, 1 Pfd. Zuker
                              und 1 1/2 Pfd. Mandeln, oder 1 Pfd. Honig, 1/2 Pfd. Zuker und 1/2 Pfd. Mandeln, oder
                              1 Pfd. Honig, 2 Pfd. Zuker und 1 1/2, Pfd. Mandeln; 3/4 bis 1/4 Pfd.
                              Pomeranzenschalen; 1/4 bis 1/2 Pfd. Citronat; etwa 2 Loth Coriander, 2 Loth Nelken,
                              2 Loth Zimmt, 2 Loth Potasche, etwas Branntwein, 1 bis 2 Pfd. Mehl. Nach 8 Stunden
                              wird der Teig gebaken, zulezt mit Zuker glasirt und getroknet.
                           9) Berliner Lebkuchen. 1 Pfd. Honig, 1 Pfd. Zuker, 2 Pfd.
                              Mehl einen Tag stehen gelassen, einige Eier hineingearbeitet, 1 Loth Zimmt, 1 Loth
                              Nelken, 1/2 Loth Cardamom, das Gelbe eines Eies, etwas Citronat und
                              Pomeranzenschalen, 1/2 Pfd. geschnittene Mandeln, 1 1/4 Loth Potasche oder 1 1/2
                              Quentchen kohlensaures Ammoniak (in Wasser gelöst), rasch gebaken und, wenn sie aus
                              dem Ofen kommen, mit bis zum Fadenziehen gekochtem Zuker bestrichen.
                           10) Lebkuchen nach Colquhoun. 1 Pfd. Mehl, 1/2 Loth
                              kohlensaure Talkerde, 1/2 Pfd. Syrup, 1/4 Pfd. Farin, 1/4 Loth Weinsteinsäure, 4
                              Loth Butter, 1/4 Loth Ingwer, 2 Loth Muskatnuß, 1/4 Loth Zimmt. Nach 1 Stunde wird
                              der Teig gebaken.
                           11) Pfefferkuchenbilder. Diese werden aus dem schlechten
                              Teig (Bilderteig genannt), aus Roggenmehl und Syrup, gemacht. Die braune Farbe
                              derselben sucht man durch Erbsenmehl zu mildern und drükt ihnen beim Baken
                              verschiedene Bilder ein.
                           12) Pfennigdikstüken. Ebenfalls von schlechtem Teig, aber
                              mit mehr Honig als die vorigen und ohne Erbsenmehl. Sie werden nach dem Baken hart
                              gedörrt.
                           13) Aniskuchen, mit noch weit mehr Honig als der vorige,
                              und mit Anis bestreut.
                           14) Geringe kleine Pfefferkuchen. Aus dem oben erwähnten
                              Teig mit Zusaz von mehr Honigteig. Sie sind glatt, werden bloß mit dem Messer
                              geschnitten und nach dem Baken getroknet.
                           15) Pfeffernüsse. Aus dem oben erwähnten Teig, dem beim
                              Kneten zerstoßener Pfeffer zugesezt wird. Bessere macht man aus einem Teig von 5
                              Pfd. Syrup, 7 Pfd. Mehl, dem man nach 8–14 Tagen 4 Loth Potasche nebst
                              Gewürzen zugibt, – oder aus 8 Eiern, 2 Pfd. Zuker, 2 Pfd. Mehl und Gewürz.
                              (Leuchs' polytechn. Zeitung, 1844, Nr. 20.)