| Titel: | Ueber die Zersezung des Kaliumsilbercyanids bei der galvanischen Versilberung; von James Napier. | 
| Fundstelle: | Band 95, Jahrgang 1845, Nr. XVII., S. 52 | 
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                        XVII.
                        Ueber die Zersezung des Kaliumsilbercyanids bei
                           der galvanischen Versilberung; von James Napier.
                        Aus dem Philosophical Magazine, November 1844, S.
                              379.
                        Napier, über die Zersezung des Kaliumsilbercyanids.
                        
                     
                        
                           Wer sich mit der galvanischen Versilberung beschäftigt hat, weiß, daß das
                              Kaliumsilbercyanid, in reinem und neutralem Zustande, mit einer positiven
                              Silber-Elektrode angewandt, wenn man sich nicht einer sehr kräftigen Batterie
                              bedient, kein Metall absezt; daß aber, wenn nur ein wenig Cyankalium der Lösung
                              zugesezt wird, ein sehr schwacher elektrischer Strom schon hinreicht, um die
                              Ablagerung des Metalls zu bewirken. Man pflegt diese Erscheinung dadurch zu
                              erklären, daß reines oder neutrales Kaliumsilbercyanid ein schlechter Leiter der
                              Elektricität ist, daß aber der Zusaz von freiem Cyankalium ihm leitende Kraft
                              ertheilt, entweder indem es das leitende Medium selbst sey, oder einen disponirenden
                              Einfluß auf das zu zersezende Salz habe. Daß eine Flüssigkeit einer andern eine
                              solche Eigenschaft ertheilen kann, ist ein Absurdum; bekanntlich ist das leitende
                              Medium in irgend einer Flüssigkeit die zersezte Substanz. Gewiß ist, daß das freie
                              Cyankalium, welches in der Absicht zugesezt wird, die Leitung zu befördern, nicht
                              zersezt wird. Es frägt sich also, welche Rolle spielt es bei diesem Processe? Ich
                              habe bemerkt, daß bei Anwendung des neutralen Salzes die positive Elektrode, obwohl
                              sie vor dem Einlegen in die Flüssigkeit glänzend polirt war, sogleich ein mattes
                              Ansehen erhielt. Wahrscheinlich rührte dieß von der Bildung von Cyansilber her,
                              welches, unlöslich im neutralen Salz, den elektrischen Strom durch seine Anlegung
                              aufhielt. Um mich davon zu überzeugen, brachte ich eine Quantität in Wasser gelösten
                              krystallisirten Kaliumsilbercyanids in ein langes flaches Gefäß, hielt die beiden
                              Elektroden in bedeutender Entfernung von einander getrennt und verband sie 48
                              Stunden lang mit einer Batterie von 20 Plattenpaaren: es zeigte sich eine bedeutende
                              Silberablagerung auf der Kathode, die Lösung um sie herum war stark alkalisch und
                              der gebildete Niederschlag wurde durch Zusaz eines Tropfens salpetersauren Silbers
                              leicht wieder
                              aufgelöst; während der die Anode umgebende Theil der Flüssigkeit neutral geblieben
                              war, hatte sich die Anode mit einem graulichweißen Pulver überzogen, welches
                              ausgewaschen alle Eigenschaften des Cyansilbers besaß. Daraus ging nun deutlich
                              hervor, daß der Zusaz freien Cyankaliums zur Silberlösung nicht die Circulation des
                              Stroms befördert, sondern das an der Elektrode gebildete Cyansilber wieder auflöst.
                              Um mich davon noch mehr zu versichern, löste ich 2 Aequivalente (400 Gran)
                              Kaliumsilbercyanid auf und brachte die Lösung in ein durch eine poröse Scheidewand
                              abgetheiltes Gefäß; in die Abtheilung, worin sich die Anode befand, brachte ich ein
                              Aequivalent oder 66 Gran Cyankalium; die vorher abgewogenen Elektroden wurden mit
                              einer Batterie von 4 Paaren verbunden und es trat sogleich Zersezung ein; der Strom
                              wurde 12 Stunden lang fortgesezt; gegen das Ende der Operation begann Wasserstoff
                              sich von der Kathode zu entwikeln und auf der Anode ein Pulver sich zu zeigen; man
                              hielt nun mit dem Experiment inne; die Anode gewaschen und gewogen, zeigte einen
                              Verlust von 108,7 Gran; die Flüssigkeit, worin sie sich befand, war neutral und gab
                              abgedampft und geschmolzen 214,3 Gran Silber; die Kathode hatte nun 107,4 Gran an
                              Gewicht zugenommen; die Flüssigkeit, worin sie sich befand, reagirte stark
                              alkalisch, roch stark nach Blausäure und enthielt kaum eine Spur von Silber.
                              Lezterer Umstand verdiente besondere Beachtung und veranlaßte mich, den Versuch mit
                              verschiedenen Modificationen zu wiederholen, auch mit Gold, Kupfer und Zink, welche
                              alle ähnliche Resultate gaben.
                           Eine andere Frage bot sich noch hinsichtlich der Zersezung des Kaliumsilbercyanids
                              dar, nämlich ob das mit dem Cyansilber verbundene Cyankalium an diesen Zersezungen
                              Antheil hat? Um diese Frage zu beantworten, wurde der oben beschriebene Versuch
                              wiederholt, dabei aber die Kraft des elektrischen Stroms vermindert, sobald sich an
                              der Kathode eine Spur von Gas wahrnehmen ließ; nach Beendigung des Versuchs wurde
                              die die negative Elektrode enthaltende Flüssigkeit mittelst salpetersauren Silbers
                              auf ihren Gehalt an Cyankalium untersucht; es zeigte 67,4 Gran an, was, abgesehen
                              von Verlust durch Zersezung, mehr als ein Aequivalent beträgt. Daß das Cyankalium
                              mehr als ein Aequivalent beträgt, rührt daher, daß beständig eine Endosmose
                              stattfindet, wenn ein elektrischer Strom in der Richtung der negativen Abtheilung
                              durchgeht. Es geht aus diesem Versuche hervor, daß das mit dem Cyansilber verbundene
                              Cyankalium durch den elektrischen Strom keine Veränderung erleidet, wenn derselbe
                              nach dem Zustand der Lösung regulirt wird, so lange als Cyansilber zugegen ist: dieß
                              zeigt sehr schön die Verschiedene Leitungsfähigkeit der beiden Salze; und so lange nicht
                              mehr Elektricität vorhanden ist, als der beste Leiter fortpflanzen kann, geht sie
                              durch Kaliumsilbercyanid besser als durch jedes andere damit vermischte Salz, wenn
                              gleich lezteres auch ein vortrefflicher Leiter ist. Ist aber der Strom stärker, als
                              ihn der beste Leiter fortpflanzen kann, so geht er durch den nächsten besten, der
                              vorhanden ist, welcher folglich zersezt wird, so daß wenn beim Kaliumsilbercyanid
                              der Strom stärker ist, als ihn das Cyansilber fortpflanzen kann, das Cyankalium
                              ebenfalls zersezt wird, daher zwei Aequivalente Cyan an die positive Elektrode
                              übergehen, durch deren Auflösung die Menge des Silbers in der Flüssigkeit vermehrt
                              wird, während Kalium an der negativen Elektrode frei wird und unter
                              Wasserstoffgas-Entwikelung Wasser zersezt.
                           Benuzt man Platin-Elektroden, so braucht kein freies Cyankalium zugesezt zu
                              werden, indem die reine Lösung durch einen schwachen Strom zersezt wird und das an
                              der Anode frei werdende Cyan wird von der Lösung absorbirt, die dadurch dunkelbraun
                              wird und einen etwas schwärzlichen Niederschlag, wahrscheinlich Paracyan zurükläßt;
                              verstärkt man aber den Strom auf 7–8 Plattenpaare, so wird von der Anode
                              Sauerstoffgas entwikelt und Cyansilber auf ihre Oberfläche niedergeschlagen unter
                              Zersezung des Cyans, welches Ammoniak und wahrscheinlich Ameisensäure bildet, welche
                              leztere das mit dem Cyansilber verbundene Cyankalium zersezt und Blausäure und
                              ameisensaures Kali bildet, während das Cyansilber niedergeschlagen wird.
                           Das Kaliumsilbercyanid in neutralem Zustande ist sonach offenbar ein sehr guter
                              Leiter der Elektricität. Ein kleiner Zusaz von Cyankalium befördert jedoch seine
                              Zersezung; und merkwürdig ist, daß wenn das Cyankalium in dem Verhältniß zugesezt
                              wird, daß eine Verbindung von 2 Aequivalenten Cyankalium mit 1 Aequivalent
                              Cyansilber gebildet wird, dieß wahrscheinlich die am leichtesten zersezbare Substanz
                              ist, welche wir besizen. Ich erhielt mit Leichtigkeit einen Silberniederschlag aus
                              derselben bei Anwendung von nur 1 Quadratzoll in Wasser getauchtem Kupfer und Zink,
                              obgleich die Temperatur der Lösung bloß 75° F. (19° R.) trug.