| Titel: | Ueber die Einwirkung der Kohle auf Metalllösungen; von Chevallier. | 
| Fundstelle: | Band 95, Jahrgang 1845, Nr. XXXIV., S. 129 | 
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                        XXXIV.
                        Ueber die Einwirkung der Kohle auf
                           Metallloͤsungen; von Chevallier.
                        Aus den Comptes rendus, Decbr. 1844, Nr.
                              24.
                        Chevallier, über die Einwirkung der Kohle auf
                           Metalllösungen.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich verdankt man Lowitz die Entdekung der
                              entfärbenden Eigenschaft der Pflanzenkohle; die der thierischen Kohle wurde zuerst
                              von Kehls (Journal de
                                 Physique, 1793) bekannt gemacht und von Figuier,
                              1810, näher erforscht; endlich erschienen über diesen Gegenstand die wichtigen
                              Arbeiten der HHrn. Payen, Bussy und Desfosses, von denen die beiden ersten im Jahr 1822 den von der
                              pharmaceut. Gesellschaft zu Paris ausgesezten Preis, der dritte die
                              Ermunterungs-Medaille erhielt.Polytechnisches Journal Bd. IX S.
                                       206.
                              
                           Payen fand bei seinen Versuchen, daß die Kohle die
                              Eigenschaft besizt, den Flüssigkeiten den Kalk oder die Kalksalze, welche sie
                              enthalten, zu entziehen.
                           Lassaigne fand später (Journal de
                                 Chimie médicale t. IX p. 707) daß mit
                              Jod-Stärkmehl, so wie mit Jodlösung zusammengebrachte Kohle sich mit dem Jod
                              verbindet und es den Flüssigkeiten entzieht, so daß in den mit Kohle behandelten
                              Flüssigkeiten keine Spur von Jod mehr zu finden ist.
                           Auch Berzelius beschäftigte sich mit der Wirkung der Kohle
                              und drükt sichLehrbuch der Chemie Bd. I S. 275. folgendermaßen darüber aus: „Man hat noch nicht mit gehöriger
                                 Sorgfalt untersucht, welche Materien aus ihrer Auflosung in Wasser von der Kohle
                                 abgeschieden und welche gar nicht davon gefällt werden. Man glaubte lange, die
                                 Kohle äußere diese Wirkung nur auf Verbindungen organischen Ursprungs und
                                 vorzüglich auf Farb- und Riechstoffe, wie Fernambuk, Cochenille, Lakmus,
                                 Indigo (in Schwefelsäure gelöst), die rothe Farbe des Weines, die braune Farbe,
                                 welche die Auflösungen von Salpeter, Zuker und Bernsteinsäure färbt, stinkende
                                 Effluvien gefaulter Körper, brenzliche Oehle, Fuselöhl (im Fruchtbranntwein),
                                 verschiedene flüchtige Pflanzenöhle. Allein Graham
                                 hat gezeigt, daß sich diese Eigenschaft selbst bis auf unorganische Stoffe
                                 erstrekt. Er fand z.B. daß die Kalkerde aus Kalkwasser, Jod aus seiner Auflösung
                                 in Jodkalium, neutrales salpetersaures Bleioxyd und alle von ihm versuchten
                                 basischen Metallsalze entweder in Wasser oder in Wasser und Ammoniak aufgelöst,
                                 von der Kohle so vollständig ausgefällt werden, daß in der Flüssigkeit nichts mehr
                                 zurükbleibt; mehrere neutrale Salze hingegen, so wie arsenige Säure, werden aus
                                 ihrer Auflösung nicht niedergeschlagen. Die Ausmittelung derjenigen sowohl
                                 unorganischen als organischen Körper, welche auf diese Weise von Kohle gefällt
                                 oder nicht gefällt werden, bietet demnach einen ganz interessanten Gegenstand
                                 für eine Untersuchung dar, um so mehr als vielleicht von dieser Eigenschaft der
                                 Kohle in der analytischen Chemie Anwendung gemacht werden könnte.Graham (polytechn. Journal Bd. XL S. 443) sagt über die
                                       Kohle Folgendes:„Diese merkwürdige Wirkung der thierischen Kohle, Substanzen
                                          aus Auflösungen an sich zu ziehen, ist sicher eine Flächenanziehung;
                                          aber sie ist dessenungeachtet im Stande, chemische Anziehung von
                                          einiger Stärke zu überwinden. Die Substanzen werden auf die
                                          Oberfläche der Kohle abgelagert, ohne zerlegt zu werden und ohne
                                          ihre Natur zu verändern. Neutralisirt man z.B. die Auflösung von
                                          Indigo in Schwefelsäure und filtrirt man sie dann durch Kohle, so
                                          wird von der leztern aller Farbstoff zurükgehalten, die ablaufende
                                          Flüssigkeit ist farblos; aber eine Auflösung von Aezkali entzieht
                                          der Kohle den Farbstoff wieder und nimmt ihn aufgelöst hinweg. Außer
                                          organischen Substanzen werden auch andere Substanzen durch
                                          Thierkohle entfernt: Kalk z.B. aus Kalkwasser, Jod aus einer Auflösung
                                          von Jodkalium; auflösliche basische Bleioxydsalze, Metalloxyde in
                                          Ammoniakflüssigkeit oder Kalilauge aufgelöst; aber sie zeigt wenig
                                          oder keine Wirkung auf die meisten Neutralsalze. Mit der Zeit kann
                                          die Kohle auf die aufgenommenen Substanzen, wahrscheinlich wegen
                                          ihrer innigen Berührung damit, chemisch einwirken; so reducirt sie
                                          z.B. in kurzer Zeit das Bleioxyd zu metallischem Blei.“Man wird hieraus ersehen, daß Hr. Graham mit
                                       den Resultaten, welche wir bei unserer Untersuchung erhielten, nicht
                                       übereinstimmt.
                                 
                              
                           Graham's Beobachtungen waren mir noch nicht bekannt, als
                              ich im Jahre 1843 bei der Behandlung saurer Weine, welche Bleisalze enthielten,
                              fand, daß diese Weine nach ihrer Entfärbung mittelst Kohle nichts mehr von diesem
                              Metall enthielten; diese Thatsache gab Veranlassung zu den im Folgenden
                              mitzutheilenden Versuchen.
                           Meine Versuche erstrekten sich auf Pflanzenkohle, ausgewaschene und unausgewaschene
                              Thierkohle, und wurden theils in der Kälte, theils in der Wärme angestellt.
                           Ich reagirte auf Wasser, Wein, Alkohol und Essigsäure und
                              fand:
                           1) daß die Pflanzenkohle die in allen diesen Flüssigkeiten enthaltenen Bleisalze, das
                              essigsaure und das salpetersaure Blei, an sich zogIch werde diese Versuche auch mit den Salzen des Eisens, Kupfers, Zinks,
                                    Queksilbers, Arseniks, Antimons etc. fortsezen und gedenke auch die Wirkung
                                    der Kohle auf die organischen Alkalien etc. zu untersuchen.;
                           2) daß diese Absonderung, welche ohne Wärme erfolgte, noch viel schneller mit
                              Beihülfe der Wärme vor sich ging;
                           3) daß zur Abtrennung dieser Salze aus den sie enthaltenden Flüssigkeiten mehr
                              Pflanzenkohle erforderlich ist als Thierkohle;
                           
                           4) daß, um 50 Centigramme in 100 Grammen Wassers gelöstes essigsaures Blei ohne Wärme
                              an sich zu ziehen, 5 Gramme Pflanzenkohle und fünftägige Berührung erforderlich
                              waren;
                           5) daß, um 50 Centigramme salpetersaures Blei aus 100 Gram. destillirtem Wasser zu
                              ziehen, sechstägige Berührung und 10 Gramme Pflanzenkohle erforderlich waren;
                           6) daß, um 100 Grammen Wasser 1 Gramm essigsaures Blei ohne Wärme zu entziehen, 1
                              Gramm unausgewaschene Thierkohle und 48stündige Berührung erforderlich waren;
                           7) daß, um 100 Grammen Wasser 50 Centigramme salpetersaures Blei ohne Wärme zu
                              entziehen, 2,50 Gramme unausgewaschener Thierkohle und 48stündige Berührung
                              erforderlich waren;
                           8) daß, um 32 Grammen Weingeist 50 Centigramme essigsaures Blei ohne Wärme zu
                              entziehen, 1 Gramm unausgewaschene Kohle und 24stündige Berührung erforderlich
                              waren;
                           9) daß, um 50 Grammen Essig 50 Centigramme essigsaures Blei ohne Wärme zu entziehen,
                              1 Gramm Kohle und 24stündige Berührung erforderlich waren;
                           10) mit Salpetersäure und Salzsäure angestellte Versuche ergaben, daß die Kohle
                              diesen Säuren das darin aufgelöste Blei nicht entzieht;
                           11) mit ausgewaschener Thierkohle, welcher aller phosphorsaure und kohlensaure Kalk
                              entzogen war, angestellte Versuche ergaben:
                           A) daß 1 Gramm ausgewaschener Thierkohle und 24stündige
                              Berührung erforderlich sind, um 100 Grammen Wasser 50 Centigramme essigsaures Blei
                              zu entziehen;
                           B) daß 2,50 Gramme ausgewaschener Thierkohle und
                              48stündige Berührung erforderlich sind, um 100 Grammen Wasser 50 Centigramme
                              salpetersaures Blei zu entziehen;
                           C) daß 1 Gramm ausgewaschener Thierkohle und 24stündige
                              Berührung erforderlich sind, um 50 Grammen Weingeist 50 Centigr. essigsaures Blei zu
                              entziehen;
                           D) daß 1 Gramm ausgewaschener Thierkohle und 24stündige
                              Berührung nöthig sind, um 50 Grammen Essig 50 Centigr. essigsaures Blei zu
                              entziehen;
                           E) daß 2 Gramme ausgewaschener Thierkohle und 48stündige
                              Berührung nöthig sind, um 150 Gramme rothen Wein, welche 50 Centigramme essigsaures
                              Blei enthalten, zu entfärben und ihm das Bleisalz zu entziehen;
                           12) aus den mit Beihülfe der Wärme angestellten Versuchen geht hervor:
                           
                           A) daß 1 Gramm unausgewaschener Thierkohle und 2 Minuten
                              dauerndes Sieden erforderlich sind, um 100 Grammen Wasser 50 Centigr. essigsaures
                              Blei zu entziehen;
                           B) daß 2,50 Gramme Kohle und 2 Minuten dauerndes Sieden
                              erforderlich seyen, um 100 Grammen Wasser 50 Centigr. salpetersaures Blei zu
                              entziehen;
                           C) daß 1 Gramm unausgewaschener Kohle und 5 Minuten
                              langes Sieden erforderlich sind, um 50 Grammen Essig 50 Centigr. essigsaures Blei zu
                              entziehen;
                           D) daß 2 Gramme unausgewaschener Kohle und 5 Minuten
                              langes Sieden nöthig sind, um 150 Gramme rothen Wein zu entfärben und ihm 50
                              Centigr. essigsaures Blei zu entziehen.
                           Unter denselben Umständen mit ausgewaschener Kohle angestellte Versuche zeigten, daß
                              dieselbe gerade so wie die unausgewaschene dem Wasser, Essig und Wein die Bleisalze
                              entzieht und dazu nur ein paar Minuten anhaltendes Sieden erforderlich ist.
                           Untersucht man das Wasser, in welchem man die ausgewaschene Kohle auf das essigsaure
                              und das salpetersaure Blei einwirken ließ, so findet man, daß dieses Wasser beim
                              essigsauren Salz – freie Essigsäure, beim salpetersauren –
                              Salpetersäure enthält.
                           Wenn man ferner 1) in eine Retorte bringt: essigsaures Blei, Wasser und ausgewaschene
                              Kohle und destillirt, so erhält man Essigsäure; 2) wenn man destillirt:
                              salpetersaures Blei, ausgewaschene Kohle und Wasser, so erhält man Salpetersäure.
                              Auch findet man in der Flüssigkeit, worin die Zersezung statt fand und welche der
                              Destillation unterworfen wurde, im erstem Fall freie Essigsäure, im leztern freie
                              Salpetersäure.
                           Bringt man zusammen 1) Wasser, essigsaures Blei und ausgewaschene Kohle und läßt dieß
                              eine Zeit lang unter öfterm Umschütteln in Berührung, so erfolgt eine Zersezung, das
                              Bleioxyd verbindet sich mit der Kohle und die Flüssigkeit enthält freie Säure; 2)
                              läßt man salpetersaures Blei, Wasser und reine Kohle eine Zeit lang unter öfterm
                              Umschütteln beisammen, so findet ebenfalls Zersezung statt, das Bleioxyd verbindet
                              sich mit der Kohle und die Flüssigkeit enthält freie Salpetersäure.
                           Ich stellte Versuche behufs der Anwendung dieser Eigenschaft der Kohle an, wobei ich
                              fand, daß das käufliche Orangeblüthenwasser, welches in Folge seiner Aufbewahrung in
                              Flaschen (estagnons), die mit bleihaltigem Zinn verzinnt
                              sind, Bleisalze enthält, mittelst Kohle von lezteren befreit werden kann; man bringt
                              es zu diesem Behufe mit ausgewaschener Thierkohle zusammen, schüttelt öfters um,
                              läßt absezen und filtrirt.
                           
                           Hr. Naveteur, welcher auf mein Ersuchen Versuche deßhalb
                              anstellte, fand, daß mit einigen Grammen (3 oder 4) Thierkohle aus 25 Liter solchen
                              Wassers die Bleisalze ausgezogen werden können; das von seinen Bleisalzen befreite
                              Wasser hatte an Geruch nicht merklich verloren. Ich wiederholte diesen Versuch in
                              meinem Laboratorium mit Orangeblüthenwasser, welches ebenfalls Bleisalze enthielt;
                              das Blei wurde durch die Kohle abgeschieden.
                           Ich stellte auch Versuche an 1) mit Kohle, welche durch Behandlung von Fleisch mit
                              concentrirter Schwefelsäure bereitet war; 2) mit Kohle, welche durch Verkohlung von
                              Kalbsleber in verschlossenem Gefäße gewonnen wurde. Ich fand hiebei 1) daß die mit
                              Schwefelsäure erzeugte Kohle, ohne Wärme auf Wasser, welches essigsaures Blei
                              enthielt, beinahe gar nicht wirkt und das Bleisalz in der Flüssigkeit aufgelöst
                              bleibt; 2) daß dieselbe Kohle, mit Beihülfe von Wärme angewandt, einen Theil des
                              Bleies abscheidet; 3) daß die Leberkohle, sowohl ohne Wärme als beim Sieden, die
                              Bleisalze theilweise zersezt, aber keine vollständige Abtrennung derselben
                              bewirkt.
                           Aus allem diesem scheint hervorzugehen, daß 1) die Pflanzenkohle, 2) die
                              unausgewaschene thierische Kohle, 3) die ausgewaschene und von phosphorsaurem und
                              kohlensaurem Kalk befreite Thierkohle, welche Kohlen mit den Farbstoffen bekanntlich
                              unauflösliche Verbindungen geben, die niederfallen, sich auch mit Metalloxyden
                              verbinden, sie aus den Lösungen, worin dieselben an Säuren gebunden sind, abscheiden
                              und mit ihnen unlösliche Verbindungen eingehen, wobei die Säure des Metallsalzes
                              frei wird.
                           Diese Eigenschaft der Kohle, sich der Metalloxyde zu bemächtigen, mußte bei
                              gerichtlich-chemischen Untersuchungen schon öfters zu Irrthümern Veranlassung
                              geben; in vielen Fällen nämlich wird in den Lehrbüchern vorgeschrieben, die
                              Flüssigkeiten, worin Metallsalze aufgesucht werden sollen, durch Kohle zu entfärben;
                              während doch die Kohle, wie wir gesehen haben, die Metallsalze daraus
                              abscheidet.