| Titel: | Ueber das Amphityp, ein neues photographisches Verfahren; von John Herschel. | 
| Fundstelle: | Band 95, Jahrgang 1845, Nr. XXXVI., S. 136 | 
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                        XXXVI.
                        Ueber das Amphityp, ein neues photographisches
                           Verfahren; von John
                              Herschel.
                        Aus dem Technologiste, Jan. 1845, S.
                              162.
                        Herschel, über das Amphityp, ein neues photographisches
                           Verfahren.
                        
                     
                        
                           Im Jahr 1842 schrieb ich eine Abhandlung über die Wirkung des Sonnenspectrums auf die
                              Pflanzenfarben, worin ich ein Verfahren angab um positive Bilder zu erhalten, welche
                              den mit gewöhnlicher Drukerschwärze gemachten Kupferabdrüken vollkommen ähnlich
                              sind; ich hoffte damals, dieses Verfahren bald vervollkommnen und eine einfache,
                              bestimmte Vorschrift geben zu können, die zu einem sichern Erfolg führt; es zeigte
                              sich aber so delicat, daß ich es für besser hielt, es im Allgemeinen in der Art zu
                              beschreiben, wie es mir oft, manchmal sogar vortrefflich, gelang, als Ungewisse
                              Verbesserungen desselben abzuwarten. Abgesehen von den schönen Resultaten, bietet es
                              auch ein wissenschaftliches Interesse wegen des merkwürdigen Verhaltens des Eisens,
                              Queksilbers und Bleies dar, womit ich einen Beitrag zur neugeschaffenen Actinochemie (Chemie der Sonnenstrahlen) liefere.
                           Das zur Erzeugung von Amphityp-Bildern geeignete Papier kann entweder mit
                              eisenweinsaurem, oder eisencitronsaurem Queksilberoxydul oder -Oxyd oder auch
                              Bleioxyd bereitet werden, wozu man sich einer Milch dieser Salze bedient, oder auch
                              durch aufeinanderfolgendes Auftragen der salpetersauren Salze dieser respectiven
                              Metalloxyde, jedes für sich oder vermischt, auf Papier, indem man mit Lösungen von
                              eisenweinsaurem oder eisencitronsaurem Ammoniak (weinsteinsaurem und citronsaurem
                              Eisenoxydul-Ammoniak) abwechselt, wobei die Lösungen der leztern zulezt und
                              in mehr oder weniger großem Ueberschuß aufgetragen werden.
                           Ich vermeide absichtlich Verhältnisse anzugeben, weil es mir bisher durchaus noch
                              nicht gelang, ein solches mit nur einigem Erfolg festzusezen.
                           Das so zubereitete Papier wird getroknet und liefert je nach der Intensität des
                              Lichts, nach einer halben Stunde oder erst nach 5–6 Stunden ein negatives
                              Bild, welches hinsichtlich seines Tons entweder nur blaß und schwach, oder von Fülle
                              und wundervollem Reichthum (sowohl hinsichtlich des Colorits als der Details) und
                              von prächtig sammetbrauner Farbe ist.
                           Die ganz satten Bilder entstehen ohne Blei niemals, sey
                              dieses nun unter den angewandten Ingredienzien, oder im
                                 Papiere selbst.
                           
                           In diesem Zustand sind die Bilder noch nicht permanent; sie verlöschen sogar im
                              Dunkeln, wenn auch in verschiedener Schnelligkeit; einige schon (vorzüglich wenn
                              freie Weinstein- oder Citronensäure vorhanden ist) in ein paar Tagen, während
                              andere, ohne eine Veränderung zu erleiden, sich wochenlang erhalten und sogar Jahre
                              erfordern, um ganz zu verschwinden. Allein wenn auch scheinbar ganz verschwunden,
                              schlafen eigentlich diese Bilder nur und können auf folgende Weise neu belebt
                              werden, wobei jedoch ihr negativer Charakter in einen positiven und ihre Farbe von
                              Braun in Schwarz (in den Schatten) verwandelt wird.
                           Man bereitet ein Bad durch Eingießen einer kleinen Menge einer Auflösung von
                              salpetersaurem Queksilberoxyd in eine große Menge Wassers und Absezenlassen des
                              basisch salpetersauren Salzes. In diese Flüssigkeit taucht man die (von allen sie
                              bedekenden Luftbläschen sorgfältig und zu wiederholtenmalen befreite) Zeichnung und
                              läßt sie so lange darin, bis das bisher noch sichtbare Bild völlig zerstört ist,
                              oder falls dasselbe schon erloschen war, bis zu dem Augenblik, welcher nach
                              vorausgegangenen Versuchen als der rechte erkannt wurde und sich oft durch das
                              Erscheinen eines schwachen positiven Bildes von lebhaft gelber Farbe (welches auf
                              dem blaßgelben Grund des Papiers hervortritt) zu erkennen gibt.
                           Oft ist lange Zeit (mehrere Wochen) hiezu erforderlich; die Wärme aber beschleunigt
                              diesen Proceß, welcher durch deren Beihülfe in einigen Stunden eben so vollkommen
                              vor sich geht.
                           In diesem Zustand muß das Bild reichlich abgewaschen, in reines heißes Wasser
                              getaucht und dann getroknet werden. Man bügelt es sodann sorgfältig mit einem Eisen
                              aus, welches in einem solchen Grad erhizt ist, daß das Papier nicht beschädigt wird,
                              das man übrigens, um dessen Verlezung zu verhüten, dabei noch zwischen zartes und
                              glattes Papier legt.
                           Wenn diese Operation wohl gelang, so besizt man ein vollkommen entwikeltes schwarzes
                              Bild.
                           Gewöhnlich ist dieses ganze Bild impastirt oder so flekig, daß man sich versucht
                              fühlen möchte, es als mißlungen und verdorben zu verwerfen; allein wenn man es
                              zwischen den Blättern eines Buchs, besonders an einem feuchten Ort, aufbewahrt, so
                              verschwinden diese Fleken allmählich und das Bild arbeitet sich selbst heraus, indem
                              es beständig an Reinheit und Klarheit zunimmt, bis es zulezt ganz das Ansehen eines
                              Kupferabdruks auf Papier, jedoch von etwas mehr oder weniger blaßgelber Färbung
                              annimmt.
                           Ich muß hier bemerken, daß bei den schönsten und gleichförmigsten Bildern, die ich
                              erhalten konnte, Papier angewandt wurde, welches vorher mit gewissen Präparaten aus Harnsäure
                              gewaschen worden war, welche Säure eines der merkwürdigsten und mächtigsten
                              photographischen Elemente abgibt.
                           Die Intensität des ursprünglichen negativen Bildes gibt keinen Maaßstab für die des
                              zu erwartenden positiven Bildes ab.
                           Diese Methode, ein je nach den aufeinander folgenden Operationen negatives oder
                              positives Bild einzig und allein durch die Wirkung des Lichts zu erzeugen, nenne ich
                              Amphityp
                              Amphi (αμφι) bedeutet in der Zusammensezung;
                                    „herum; auf beiden Seiten.“
                                    , obwohl diese Bezeichnung vielleicht noch passender auf folgendes Verfahren
                              anzuwenden wäre, welches mir höchst auffallend und merkwürdig erscheint und wobei
                              das Silber eine Rolle spielt.
                           Schon vor einiger Zeit gab ich an, daß man mittelst einer Silberlösung in Verbindung
                              mit Eisenweinsäure ein schlummerndes Bild erzeugen kann, welches durch Daraufblasen
                              oder Darantreiben feuchter Luft stark negativ hervortritt. Die damals angewandte
                              Lösung, welche zu jener Zeit schon mehrere Wochen alt war, behielt das ganze,
                              seitdem verflossene Jahr hindurch ihre Klarheit und photographischen Eigenschaften
                              unverändert bei und ist heute noch so empfindlich, als sie je war; eine sehr
                              schäzbare Eigenschaft. Wird nun mit dieser Lösung die Copie (z.B. eines
                              Kupferstichs) auf weißem Papier genommen, so erscheint keine Spur des Bildes auf der
                              Kehrseite, das Bild mag auf der Oberseite entwikelt seyn oder nicht; wenn man aber,
                              so lange die aktinische (Sonnenstrahlen-)Einwirkung auf der rechten Seite
                              noch ganz frisch ist, d.h. sobald man es dem Licht wieder entzogen hat, die
                              Kehr- oder Rükseite einige Secunden den Sonnenstrahlen aussezt und es dann an
                              einen dunkeln Ort bringt, so sieht man allmählich und langsam
                                 ein positives Bild zum Vorschein kommen, welches genau das Complement des
                                 negativen Bildes auf der entgegengesezten Seite ist, obgleich es ihm etwas
                              an Sauberkeit fehlt, besonders wenn das Papier dik ist, und dieses Bild gewinnt in
                              einer halben Stunde oder einer Stunde eine bedeutende Intensität.
                           Die erwähnte Eisenweinsäure wird dadurch bereitet, daß man das eisenweinsaure
                              Ammoniak mittelst essigsauren Bleies fällt und den Niederschlag mit verdünnter
                              Schwefelsäure zersezt.
                           Wenn man zur Zubereitung des Amphityp-Papiers die angegebenen Bleiverbindungen
                              anwendet, werden die Stellen, auf welche das Licht einwirkt, im hohen Grad undurchdringlich für Wasser und Feuchtigkeit.