| Titel: | Ueber Brodbäkerei; von Dr. Ure. | 
| Fundstelle: | Band 95, Jahrgang 1845, Nr. CXV., S. 470 | 
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                        CXV.
                        Ueber Brodbaͤkerei; von Dr. Ure.
                        Aus dem Supplement to Dr.
                              Ure's
                              Dictionary of arts, manufactures and mines, London 1844, p. 35.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Ure, über Brodbäkerei.
                        
                     
                        
                           Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Brod-, Pasteten- und Zukerbäkerei
                              in Paris auf einen Grad der Vollkommenheit gebracht worden ist, welchen sie in
                              London niemals erreichte. Ich habe in London niemals Brod gesehen, welches in
                              Wohlgeschmak, Farbe und Textur mit dem französischen pain de
                                 gruau den Vergleich aushielt; unsere Korn-Monopolgeseze sind die Ursache, daß wir
                              uns den geeigneten Weizen nicht verschaffen können, um zu mäßigem Preise die ächte
                              semoule (das fein gekörnte Weizenmehl) zu bereiten,
                              woraus jenes Brod gebaken wird. Deßhalb kann der plebejische bourgeois täglich seine Tafel mit einem schöneren Stük Brod zieren als der
                              reichste englische Edelmann. Das französische Verfahren beim Brodbaken ist kürzlich
                              von Dumas (in seinem Traité
                                 de Chimie appliquée aux arts T. VI p.
                              409) ziemlich ausführlich beschrieben worden und verdient allgemeiner bekannt zu
                              werden.
                           Bei jeder Operation gibt der Kneter in den Baktrog den von einer früheren Operation
                              aufbewahrten Sauerteig; alsdann gießt er so viel Wasser darauf, als er aus Uebung
                              für nothwendig erachtet, und zertheilt den Sauerteig mit den Händen; hierauf
                              schüttet er in die flüssige Masse die zum Formen des Teiges bestimmte Menge Mehl.
                              Dieses Mehl fällt in den Trog von einer oberen Kammer mittelst eines leinenen
                              Schlauchs, welchen man umschlagt, wenn man den Mehlstrom aufhalten will.
                           Ist der Sauerteig angerührt, so gibt der Kneter allmählich das Mehl hinzu, indem er
                              von der Rechten zur Linken des Baktroges dasselbe vertheilt und vermengt. Hat er
                              nach und nach die ganze Masse durchgearbeitet, so beginnt er dieselbe Arbeit wieder
                              von der Linken zur Rechten. Diese Operationen nennt man frasage und contrefrasage. Hierauf unterwirft
                              der Arbeiter den Teig drei verschiedenen Bewegungen: er durchknetet ihn, um die
                              einzelnen Theile so genau als möglich zu vermengen und sezt dabei die noch nöthige
                              Menge Mehls hinzu; er theilt denselben in sechs oder sieben Stüke, die er nach und
                              nach auf dieselbe Weise durcharbeitet. Er nimmt ihn hierauf stükweise heraus und
                              durcharbeitet davon nur eine solche Menge, die er zwischen den Händen halten kann.
                              Hat er diese verschiedenen Theile geknetet, so vereinigt er sie wieder zu einer
                              einzigen Masse, die er mehrmals auf sie selbst umschlagt. Endlich hebt er sie zu
                              wiederholtenmalen empor, wirft sie mit Gewalt in den Trog und vereinigt sie an einem
                              der Enden, gewöhnlich an der linken Seite des Baktrogs.
                           Der Zwek dieser Operationen ist, ein inniges Gemenge des Mehls, Wassers und
                              Sauerteiges zu bewirken. Man muß es vermeiden daß irgend ein Theil des Mehls als
                              trokenes Pulver (sogenannte Klumpen, marrons) im Teig
                              zurükbleibt.
                           Der Kneter hat nun seine Arbeit an der Teigmasse beendigt und muß diese jezt zu Brod
                              formen. Er läßt sie einige Zeit ruhen und wirkt sie dann aus. Er breitet nämlich den
                              Teig auf einer Tafel zu Stüken von gehörigem Gewicht aus, rollt diese und bestreut
                              sie mit ein wenig
                              Mehl. Er wirkt alsdann jedes Stük noch einmal und legt es auf Bretter oder in
                              geflochtene Formen (pannetons), um es aufgehen zu
                              lassen. Ist das Mehl gut, der Teig gut gemacht und die Temperatur auf dem gehörigen
                              Grad, so heben sich die Teigkuchen beträchtlich und gleichförmig. Senkt sich aber
                              die Oberfläche, nachdem sie aufgegangen, auf einem großen Theil ihres Umfanges
                              wieder, so ist das Mehl von schlechter Qualität, oder es enthält
                              Kartoffelstärkmehl.
                           Sobald der Ofen warm und der Teig gehörig zugerichtet ist, schießt man diesen in den
                              Ofen ein. In den gewöhnlichen Baköfen kann die Temperatur nicht durchaus
                              gleichförmig seyn oder wenigstens die Gleichförmigkeit der Wärme nicht beibehalten
                              werden; denn während die Thür zum Einschießen geöffnet ist, kühlt sich der vordere
                              Theil ab und gerade auf diesem Theil bleibt das Brod eine kürzere Zeit. Dieser
                              Ursache sind nach Dumas viele von den Fehlern des
                              gewöhnlichen Brodes zuzuschreiben, welche durch die in der Musterbäkerei der
                              Gebrüder Mouchot
                              gebräuchlichen Oefen vermieden werden.
                           Fig. 54 ist
                              ein Haupt-Grundriß der vervollkommneten Bäkerei; die Speicher sind in den
                              oberen Stokwerken und man sieht sie hier nicht. b, b
                              sind die Baköfen (mit erhizter Luft); c die
                              Knetmaschine; d Plaz der Maschine, um das gebakene Brod
                              in ein oberes Magazin zu bringen; e gemeinschaftlicher
                              Raum für zwei Baköfen, auf welchem der Zugang zu den Herden ist; f Plaz des durch Hunde getriebenen Rades, welches die
                              Knetmaschine bewegt.
                           Fig. 55 ist
                              ein Längendurchschnitt des Bakofens mit erhizter Luft (four
                                 aérotherme); A der Herd (Rost), worauf
                              man Kohks und selbst Steinkohlen brennen kann; B, B
                              gewölbter leerer Raum um den Herd, in welchem sich die Luft erwärmt, ohne mit den
                              Verbrennungsproducten in Berührung zu kommen. c, c
                              Canäle, in welche die Verbrennungsproducte (der Rauch) beim Austritt aus dem Herd
                              gelangen. D welches man in Fig. 56 sieht, ist der
                              Kamin, worin sich der Rauch sammelt, nachdem er in den Canälen c, c circulirt hat; E, E
                              freier Raum unmittelbar über den Canälen c, c und unter
                              dem Boden F, F des Bakofens. Durch diese Vorrichtung
                              erhält die schon erwärmte Luft, welche vom Raume B durch
                              die Züge c, c anlangt, noch die Wärme der Flamme, welche
                              in den inneren Canälen c, c circulirt; nachdem sich die
                              Luft im Raum E, E von Neuem erwärmt hat, steigt sie
                              durch die Züge empor und gelangt in den Bakofen F, F,
                              auf dessen Sohle die zu bakenden Brode gelegt werden. Die heiße Luft gelangt in den
                              Bakofen einerseits durch die Canäle a, a unmittelbar von
                              den Räumen (Reservoirs) B, B, B aus, andererseits durch
                              die Züge d, d von den Räumen E,
                                 E aus. Der Boden (die Sohle) wird ebenfalls erwärmt durch Berührung mit der im Raum E, E enthaltenen heißen Luft, weil sich dieser Raum
                              unmittelbar darunter befindet. Die mit Feuchtigkeit gesättigte heiße Luft tritt aus
                              dem Ofen durch den Zug b, b und kehrt unmittelbar in den
                              Raum B, B zurük. G, G ist
                              ein verschlossener Raum gerade über dem Ofen, welcher einen Verlust an Wärme
                              verhindert; g Gewölbe der Feuerstelle.
                           Fig. 56 ist
                              ein Querdurchschnitt durch die Mitte des Ofens.
                           Fig. 57 ist
                              die Abbildung der Knetmaschine und zwar ein Längendurchschnitt durch die Achse
                              derselben. P, P ist der hölzerne, gut zusammengefügte in
                              drei Fächer getheilte Cylinder; in diese Fächer kommt der Teig oder der Sauerteig.
                              Im Innern der Fächer befinden sich hölzerne Stangen o,
                                 o, welche den Teig zertheilen, wenn sich der Cylinder dreht. Ein Theil D des Cylinders kann sich an einem Scharnier öffnen, so
                              daß also Mehl eingetragen und der Teig herausgenommen werden kann. A, B, C Fächer der Maschine, wovon zwei bestimmt sind
                              das Mehl aufzunehmen und zu kneten, während im dritten der Sauerteig gemacht wird.
                              a, a Rolle welche ihre Bewegung vom angewandten
                              Motor erhält und sie mittelst des Getriebes b, und des
                              eingreifenden Rades c dem Cylinder mittheilt; d, d Schwungrad, um die Bewegung zu reguliren; g Bremse, um mittelst des Hebels h auf das Schwungrad zu wirken. i Träger des
                              Schwungrades. Es ist ein Gesperr vorhanden (welches man in der Abbildung nicht
                              sieht), um die Umläufe der Knetmaschine anzugeben; n
                              Querhölzer, welche leicht weggenommen werden können, wenn der Cylinder geöffnet ist;
                              sie dienen zum Zertheilen des Teigs, wenn die Maschine in Gang ist.
                           Jede der drei Abtheilungen der Knetmaschine Fig. 57 wird nach
                              Belieben mit zwei befestigten Querstangen versehen, die man aber leicht hinwegnehmen
                              kann, sobald der Cylinder geöffnet ist. Diese zwei hölzernen Stäbe bilden das
                              einzige Agens zum Durcharbeiten des Teiges.
                           Bei ununterbrochener Arbeit bereitet man im Fache A
                              beständig den Sauerteig; zu diesem Zwek gibt man hinein:
                           
                              
                                 125 Kilogr.
                                 gewöhnlichen Sauerteig,
                                 
                              
                                   67    – 
                                 Mehl,
                                 
                              
                                   33    – 
                                 Wasser,
                                 
                              
                                 ––––––––
                                 
                                 
                              
                                 225 Kilogr.
                                 
                                 
                              
                           Der bei der Knetmaschine angestellte Arbeiter schließt den Dekel derselben und sezt
                              sie in Bewegung; nach Verlauf von beiläufig sieben Minuten zeigt die Gloke einer
                              Zählmaschinerie an, daß die Zahl der Umdrehungen so weit ist, daß die Consistenz des
                              Teiges besichtigt werden
                              kann. Man öffnet zu diesem Behuf die Knetmaschine, und nachdem man sich von der
                              guten Beschaffenheit des Teiges überzeugt, oder noch Wasser oder Mehl hinzugethan
                              hat, wenn er weicher oder härter werden soll, so schließt man den Dekel wieder und
                              sezt wie das erstemal den Cylinder in Bewegung. Zehn Minuten nachher klingelt der
                              Zähler zum zweitenmal, und das Kneten ist beendigt. Die aus den beiden Fächern
                              erhaltenen 450 Kilogr. Sauerteig sind hinreichend um so viel Teig anzumachen, daß
                              damit abwechselnd jeder der beiden Oefen gespeist werden kann. Man nimmt hiezu 75
                              Kilogr. Sauerteig aus jedem der Fächer A und C und wirft ihn in das Mittelfach B. Die ganze Menge des Sauerteiges ist also 75 + 75 = 150 Kilogr.; dazu
                              fügt man 100 Kil. Mehl und 50 Kilogr. Wasser = 150, so daß das Fach B ein Gemeng von 300 Kilogr. bekommt. In jedem der
                              Fächer A und C wird die
                              frühere Menge wieder hergestellt, indem man 50 Kilogr. Mehl und 25 Kilogr. Wasser =
                              75 zusezt.
                           Alsdann sezt man den Cylinder in Bewegung und nach der Einrichtung des Apparats
                              begreift man, daß zu gleicher Zeit sowohl der Sauerteig in A und C, als auch der Teig in B geknetet wird; den lezteren besichtigt man nach
                              Verlauf von 7 Minuten gleichfalls, und endiget nach 17 Minuten beim zweiten
                              Glokenschlag des Zählers.
                           Man öffnet den Cylinder und streicht mit einer Kelle den Teig von den Wandungen und
                              den Stangen ab. Der ganze Teig wird hierauf aus dem Fache B herausgenommen; auch aus den Fächern des Sauerteiges nimmt man 150
                              Kilogr., zu welchen man 150 Kil. Mehl und Wasser sezt, um wieder 300 Kilogr. Teig
                              für den Ofen Nr. 2 anzumachen. Andererseits werden die von jedem Sauerteig
                              hinweggenommenen 75 Kilogr. wie das erstemal wieder ersezt u.s.f.
                           Das für jede Operation angewandte Wasser wird auf die gehörige Temperatur, d.h. auf
                              20 bis 24° R. in der kältesten und ungefähr auf 16° R. während der
                              heißen Jahreszeit gebracht, indem man zu gewöhnlichem Wasser die nöthige Menge
                              Wasser von 56 bis 60° R. aus dem über den Oefen angebrachten Behälter
                              mischt.
                           Dem bei jeder Operation zum Mehle im Fache B gesezten
                              Wasser werden vorher 200–250 Gramme frischer Oberhefe, wie man sie aus den
                              Brauereien erhält, beigemengt, nachdem man dieselbe gepreßt hat. Diese Menge ist
                              hinreichend, um die 300 Kilogr. Teig gehörig zum Aufgehen zu bringen. Sobald dieser
                              Teig, wie wir gesagt haben, aus dem Cylinder genommen ist, und während in demselben
                              die Arbeit fortgesezt wird, wiegt man die für jedes Brod bestimmte Menge ab und
                              wirkt sie auf der Tafel d aus, um ihr eine runde oder
                              längliche Form zu geben; mit dem Vorderarm oder mit einer Teigrolle wird die
                              Vertiefung eingedrükt, welche die aufgesprungenen Brode haben. Alle Teigstüke vom
                              Volumen der Brode zu 1 Kilogr., der sogenannten aufgesprungenen Brode (pains fendus), werden auf Leinwand gelegt, woran man
                              zwischen zwei Broden eine Falte emporrichtet; indem die Leinwand zuvor auf einem
                              Brette ausgebreitet worden ist, wird dieses auf solche Weise mit zehn bis fünfzehn
                              Broden beladen und auf Träger oder Stangen G, G welche
                              vor dem Ofen befestigt sind, gestellt. Alle diese Brode gehen mittelst der gelinden
                              Temperatur in dieser Bakstube leicht auf. Ist der Teig hinreichend aufgegangen, so
                              schreitet man zum Einschießen in den Bakofen (enfournement); diese Operation geschieht dadurch, daß man die Brode, eines
                              nach dem andern auf den hölzernen, mit Grieskleien, einem mit etwas feiner Kleie
                              vermengten Mehle, bestreuten Einschieber legt. Man reiht die Brode auf der Sohle des
                              Ofens so nahe als möglich aneinander, ohne daß sie sich berühren. Dieß ist sehr
                              leicht, indem man eine lange mit Gelenken und Brenner versehene Gasröhre in das
                              Innere des Ofens einführt, bei deren Licht man alle Theile desselben genau
                              besichtigen kann. Der Ofen wird zuerst auf mäßiger Hize erhalten, indem man die
                              Register verschließt; sobald aber der an ihm angebrachte Thermometer eine Temperatur
                              von 240–232° R. anzeigt, werden die Register geöffnet, um die
                              Temperatur auf ihren früheren Grad zu bringen, indem man die heiße Luft, welche von
                              den unteren Räumen aufsteigt, um die Feuerstelle herum in das Innere des Ofens
                              gelangen läßt. Ist das Baken beendigt, so bringt man neuerdings Gaslicht in den Ofen
                              und schreitet zum Herausnehmen (défournement).
                              Wurde die Temperatur ungefähr auf 240° R. erhalten, so wird das Baken von 300
                              Kilogr. Teig, den man zu Broden von 1 Kilogr. vertheilt hat, in 27 Minuten beendigt
                              seyn. Da das Einschießen 10 Minuten und das Herausholen ebenfalls 10 Minuten dauert,
                              so erfordert also jedes Baken 47 Minuten. Bringt man aber zufällige Verspätungen in
                              Anschlag, so kann man höchstens eine Stunde Dauer für jeden Ofen voll annehmen,
                              wobei man 260 Brode von 1 Kilogr. oder 6240 Kilogr. in 24 Stunden erzeugt.
                           Obgleich die äußeren Theile der Brode einer von den Wänden ausstrahlenden Wärme von
                              ungefähr 224–240° R. ausgesezt sind, wodurch sie jene Art
                              Caramelisirung (Röstung) erleiden, welche die Farbe, den Geschmak und die andern
                              specifischen Eigenschaften der Kruste hervorbringt, so erlangt doch die innere
                              Substanz der Brode, nämlich die Krume, niemals eine so hohe Temperatur; denn ein
                              Thermometer, dessen Kugel man in die Mitte eines Laibes stekt, zeigt nicht über
                              80° R. an.
                           
                           Die Theorie des Brodbakens ist leicht zu verstehen. Das Weizenmehl verdankt seine
                              Vorzüglichkeit dem Kleber, welcher in so großer Menge in keinem anderen Getreide
                              vorkommt. Dieser Kleber bildet nicht, wie man bis zur lezteren Zeit angenommen hat,
                              die Häute des Gewebes der Getreidekeimhülle, sondern er ist in den Zellen dieses
                              Gewebes unter den oberen Schichten und bis zum Centrum des Korns eingeschlossen. In
                              dieser Beziehung ist der Kleber in einer dem Stärkmehl und den meisten unmittelbaren
                              Pflanzensubstanzen analogen Lage. Die anderen unmittelbaren Bestandtheile, welche
                              beim Brodbaken eine Rolle spielen, sind hauptsächlich das Stärkmehl und der Zuker;
                              sie wirken folgendermaßen zusammen:
                           Beim Anmachen des Mehls mit Wasser wird dieses vom Stärkmehl und Kleber chemisch
                              gebunden; der Zuker, das Albumin und einige andere lösliche Stoffe werden aufgelöst.
                              Das Kneten des Teiges bewirkt also, indem es diese Reactionen durch eine innigere
                              Mengung vervollständigt, die Gährung des Zukers, weil dadurch eine genaue Berührung
                              der Hefekügelchen mit der zukerigen Auflösung veranlaßt wird; die Dazwischenkunft
                              von Luft in Folge des Auswirkens trägt zur Begünstigung der Gährung, so wie auch zur
                              Vertheilung und Auflokerung des Teiges bei. Der abgetheilte und zu Broden geformte
                              Teig wird zwischen den Falten der Leinwand oder in bestreuten Bakschüsseln einer
                              gelinden Wärme in der Bakstube ausgesezt, und man begreift, daß diese Umstände die
                              Entwiklung der Gährung begünstigen. Dadurch nimmt besonders das Volumen aller
                              kleinen Teigmassen allmählich zu, denn in allen den Punkten, wo das gasförmige
                              Product der Zersezung des Zukers, die Kohlensäure nämlich, sich von einem zähen
                              Teig, worin der Kleber die verschiedenen Elemente mit einander verbindet, eingehüllt
                              befindet, bleibt jene eingeschlossen, häuft sich in den Höhlungen, wohin sie dringt,
                              an und vergrößert dieselben. Würde man diese Erscheinungen zu lange fortdauern
                              lassen, so würde der Ueberschuß des dazwischen gelagerten Gases die Consistenz des
                              Teiges zu sehr vermindern; man muß also den Zeitpunkt ergreifen, wo das Aufblähen
                              den gehörigen Grad erreicht hat, um das Auflokern des Teiges zu hemmen, indem man
                              ihn in den Ofen bringt. Sogleich nach dem Einschießen dehnt eine rasche Erhöhung der
                              Temperatur das eingeschlossene Gas aus und bringt einen Theil des Wassers zum
                              Verdampfen. Die Gährung wird dadurch aufgehalten und alle stärkmehlhaltige Substanz
                              zum Anschwellen gebracht.
                           Die Gährung einer kleinen Menge Zukers ist also bei der Bereitung des Brodes eine
                              nothwendige Erscheinung, aber diese Menge ist so gering, daß sie fast gar nicht
                              bestimmt werden kann. Man kann (nach Versuchen von Dumas) als Thatsache annehmen,
                              daß die bei der Gährung entwikelte Kohlensäure gänzlich im Brode bleibt und bei der
                              Temperatur des Bakens, d.h. bei 80° R., beinahe die Hälfte des Brodvolumens
                              selbst einnimmt. Daraus geht hervor, daß es nur 1/100 Zuker vom Gewicht des Mehls
                              bedarf, um die zur Bildung eines gut aufgegangenen Brodes nothwendige Kohlensäure
                              hervorzubringen. Welche Thorheit war es daher, als man vor zwölf Jahren in Chelsea
                              eine Bäkerei mit 20,000 Pfd. St. Unkosten errichtete, um den bei der Brodgährung
                              entwikelten Weingeist aufzufangen (Branntwein aus dem Brod zu gewinnen)!
                           Die nährende Kraft des guten Weizenmehls so wie auch des Brods steht in geradem
                              Verhältniß mit seinem Klebergehalt. Es ist daher sehr wichtig denselben bestimmen zu
                              können, was leicht und genau folgendermaßen geschehen kann: man läßt im Wasserbade
                              bei 60° R. 100 Gramme Brod (oder Weizenmehl) mit einem Aufguß von 100 Grammen
                              zerstoßener geleimter Gerste und 500 Grammen Wasser digeriren. Wenn das Jod die
                              Producte nicht mehr färbt (d.h. wenn alle Stärke in auflösliches Dextrin verwandelt
                              ist), sammelt man den Kleber auf Leinwand, wascht, troknet ihn bei 80° R. und
                              wiegt ihn. Farbe, Textur und Geschmak des Klebers müssen bei Beurtheilung des
                              Weizenmehls oder Brodes ebenfalls in Betracht gezogen werden.
                           Abgesehen von der Geschiklichkeit des Bäkers ist das Brod in seiner Güte auch je nach
                              seinem Wasser- und Klebergehalt verschieden. Vor wenigen Jahren wurde in
                              England ein Patent auf Brodbereitung (nach einer französischen oder deutschen
                              Erfindung) genommen, wonach man dünn gekochten Weizenmehl-Kleister anstatt
                              Wasser für die Vorläufige Teiggährung anwenden sollte. Durch diesen Kunstgriff
                              sollten aus einem Sak Mehl 104 Laibe, jeder zu 4 Pfd., gemacht werden können,
                              anstatt 94, welche man beim gewöhnlichen Verfahren erhält. Der gekochte Kleister
                              bewirkt nämlich, daß das Brod in diesem Verhältniß mehr Wasser zurükhält. Dieses
                              Brod mit gebundenem Wasser verdarb jedoch bei warmer Witterung sehr leicht, zum
                              Schaden der Bäker, welche sich auf diese Speculation einließen.
                           In Frankreich wird das Weizenmehl oft mit Kartoffelstärkmehl verfälscht. Diese
                              Verfälschung läßt sich durch das Mikroskop leicht entdeken wegen der eigenthümlichen
                              eiförmigen Gestalt und bedeutenden Größe der Kartoffelstärkmehl-Theilchen.
                              Durch das Mehl der weißen Feldbohnen bekommt das Brod eine rosenrothe Weinfarbe.
                              Verdorbenes Weizenmehl enthält oft gar keinen Kleber mehr, an dessen Stelle
                              Ammoniaksalze getreten sind; in diesem Falle entwikelt Kalk schon in der Kälte
                              Ammoniak aus dem Mehl. In schwach beschädigtem Weizenmehl oder Mehl, welches aus beschädigtem Weizen
                              gemahlen ist, hat der vorhandene Kleber keine Elasticität mehr und ist weicher als
                              im natürlichen Zustande. Deßhalb ist Boland's Kleberprobe schäzbar; sie besteht darin, daß man den Kleber
                              auf den Boden einer kupfernen Röhre legt, die man in den Bakofen (oder in ein
                              Oehlbad von 112° R. Temperatur) bringt. Die Länge des vom Aufblähen des
                              Klebers entstandenen Cylinders bestimmt die Güte desselben.
                           Ein französischer Sak Mehl, welcher 159 Kilogramme wiegt, liefert 102 bis 106 Laibe
                              von 2 Kilogrammen. Ein Pariser Laib Brod enthält mehr trokenes Mehl als ein Londoner
                              von demselben Gewicht, denn er hat wegen seiner Form und Textur mehr Kruste. Die
                              Krume verhält sich zur Kruste bei den Pariser langen Laiben (von 2 Kilogr. Gewicht)
                              wie 25 zu 75, oder 1 zu 3; bei den Londoner Laiben (von 4 Pfd. Gewicht) wie 18 oder
                              20 zu 100.
                           Dumas theilt folgende Tabelle mit:
                           
                              
                                   Gewichteines
                                    Sakes    Mehl.
                                     Zahlder
                                    Brode.
                                  Gewichtder Brode.
                                 Gewichtszunahme,  das Gewicht
                                    des   gewöhnlichen    
                                    Mehles = 1.
                                       Verhältniß  des
                                    Gewichts destrokenem Mehls zum Gewicht des Brodes.
                                 
                              
                                 159 Kilogr.
                                     102
                                 202 Kilogr.
                                         1,270
                                 
                                 
                              
                                 159    
                                    –
                                     104
                                 208     –
                                         1,300
                                        = 1 :
                                    1,57
                                 
                              
                                 159    
                                    –
                                     106
                                 212     –
                                         1,333
                                 
                                 
                              
                           Man sieht also, daß der mittlere Ertrag vom Mehl für 100 Theile desselben 130
                              Kilogrammen Brod entspricht; und nimmt man an, daß gewöhnliches Weizenmehl 17 Proc.
                              Wasser enthält, so stellen sich 150 Brod als ein Aequivalent für 100 absolut
                              trokenes Weizenmehl heraus. Der ganze Laib enthält 66 Proc. trokene Substanz, und
                              die Krume nur 44.
                           ––––––––––
                           [Von dem VIten Bd. des schäzbaren Traité de Chimie
                                 appliquée aux arts par M.
                              Dumas (Handbuch der angewandten Chemie), nach
                              welchem Dr. Ure vorstehende
                              Abhandlung bearbeitet hat, ist bereits die deutsche Uebersezung mit Zusäzen und Anmerkungen von Dr. L. A. Buchner
                              jun. (Nürnberg bei J. L. Schrag) erschienen. In diesem Bande ist eine Anzahl der wichtigsten
                              Industriezweige, z.B. die Papierfabrication, Stärkmehl- und
                              Runkelrübenzuker-Fabrication, Zukerraffinerie, Bierbrauerei,
                              Branntweinbrennerei, Stearinkerzen- und Seifenfabrication abgehandelt, wozu die Apparate und
                              Maschinerien auf siebenundvierzig Kupfertafeln abgebildet
                              sind.
                           Die deutsche Literatur über Bäkerei ist in der lezten Zeit durch einen erfahrenen Praktiker mit folgendem Werke bereichert
                              worden: „Der praktische Bäker, oder
                                 vollständige und faßliche Anweisung schmakhaftes und nahrhaftes Brod aus jeder
                                 Fruchtgattung und mit jedem üblichen Gährungsmittel zu erzeugen; nebst einem
                                 Aufsaze über Gemeindebäkereien, als ein Mittel
                                 wodurch der Erzeugung eines schlechten und ungesunden Brodes auf dem Lande
                                 vorgebeugt werden könnte; von S. Th. Frank, gewesenem
                                 Bäkermeister in Wien. J. G. Cotta'scher Verlag,
                                 1844.“
                              
                           Die Redact. d. p. J.]
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
