| Titel: | Verfahren die verschiedenen Qualitäten eines Seidenfadens beim Abhaspeln der Cocons mit Vortheil von einander zu trennen; von Jul. Bourcier. | 
| Fundstelle: | Band 97, Jahrgang 1845, Nr. LXI., S. 229 | 
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                        LXI.
                        Verfahren die verschiedenen Qualitaͤten
                           eines Seidenfadens beim Abhaspeln der Cocons mit Vortheil von einander zu trennenDer den Seidenwurm-Cocon bildende Faden
                                 besteht aus zwei Fäden (brins), die in
                                 unregelmäßigen Abständen einander adhäriren; jeder dieser leztern besteht wieder
                                 aus einer häutigen Röhre, welche eine klebrige, elastische, in Längenfasern
                                 liegende Substanz einschließt.; von Jul. Bourcier.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1845, No.
                              931.
                        Bourcier's Verfahren die Qualität der Seide zu
                           verbessern.
                        
                     
                        
                           Der Fäden, welche der Seidenwurm im Anfange seiner Lebenszeit bildet, sind wenige;
                              sie sind weißlich von Farbe, selbst bei jenen Varietäten, die später eine gelbe
                              Seide liefern; ferner matt, wollig, spröde und hängen sich gern an die Körper an,
                              welche sie berühren.
                           Der Seidenfaden verändert seine Beschaffenheit erst einen oder zwei Tage, nachdem die
                              zu ihrer vollkommenen Größe gelangte Larve aufgehört hat Nahrung zu sich zu nehmen,
                              ihre Gedärme entleert hat und sich anschikt das schon entworfene Fadengewebe zu
                              verstärken.
                           Die in dem Absonderungsorgan enthaltenen Kügelchen haben zu dieser Zeit eine
                              vollkommene Klebrigkeit erlangt und verlängern sich in dem Maaße, als diese Art
                              röhrenförmiger Hülle aus ihrer fadenziehenden Oeffnung (filière) tritt, und erst wenn diese Kügelchen diese Art Röhren
                              ausfüllen, wird der Seidenfaden faserig und erhält seine ganze Kraft, seine
                              Zähigkeit, Elasticität und Durchsichtigkeit; er ist alsdann beinahe noch einmal so
                              dik als vorher; wenn er aber an das lezte Zehntel seiner Länge gelangt, ist die
                              klebrigflüssige Substanz erschöpft und er wird beinahe wieder eben so mangelhaft wie
                              er anfangs war.
                           Dieser Faden ist mithin an seinen beiden Enden dünner, schwächer, weniger elastisch
                              und weniger dauerhaft; so ist also in der obern Schicht, welche als erste Anlage
                              (canevas) bei der Verfertigung des Cocons dient, der
                              Faden von geringerer Qualität, obwohl er sich schon spinnen läßt. Er variirt im
                              ersten Achtel seiner Länge von 0,0017 bis 0,0020 Meter Dike, im lezten Zehntel von
                              0,0013 bis 0,0019 Meter, während er zwischen diesen beiden Enden 0,0031 bis 0,0023
                              Meter stark ist.Diese Messungen wurden mit Cocons mittlerer Größe vorgenommen; sie variiren
                                    nach der Größe und Beschaffenheit der Cocons; die Verhältnisse jedoch bleiben
                                    immer dieselben. Ich werde in einer spätern Mittheilung von Beobachtungen in
                                    Bezug auf die verschiedenen Varietäten des Seidenwurms die Dike des Fadens
                                    in jedem der obenerwähnten drei Theile und den Einfluß angeben, welchen die
                                    Verschiedenheit des Futters auf die Dike des Fadens ausüben kann.
                              
                           
                           Wendet man demnach diese Beobachtungen auf die Industrie des Abhaspelns der Cocons
                              an, so muß man es natürlich vortheilhaft finden
                           1) den mittlern Theil des Fadens bei Seite zu legen, um Seide von erster Qualität zu
                              erhalten;
                           2) das erste Achtel und das lezte Zehntel zu vereinigen, um die Seide von geringerer
                              Qualität von der obigen zu trennen.
                           
                        
                           Mittel, um diesen Zwek zu
                                 erreichen.
                           Zwei vor einem doppelten Beken befindliche Hasplerinnen verfahren wie folgt.
                           Nachdem die Cocons mit Ruthen geschlagen sind, wenn die Fäden anfangen purgirt zu
                              seyn, haspelt die eine derselben das erste Achtel ihres Cocons, d.h. die oberste,
                              als erste Anlage dienende Hülle, ab, bis sie ihren Cocon glänzend werden sieht; sie
                              reißt nun den Faden ab, dessen (noch mit dem Cocon in Verbindung stehendes) Ende sie
                              an ein zwischen beiden Beken befindliches Gestell befestigt, und fängt nun mit einem
                              neuen Cocon an dessen Stelle an, mit welchem sie eben so verfährt u.s.f.
                           Die andere Hasplerin haspelt nur die von der erstern angefangenen Cocons weiter; sie
                              nimmt die Fäden von dem Gestelle, aus welches sie gelegt wurden, und reißt
                              ihrerseits, wenn sie ihren Cocon eine entschiedene Durchsichtigkeit erreichen sieht,
                              den Faden auch wieder ab, legt ihn auf ein dem andern gegenüberstehendes Gestell, wo
                              ihn die erste Hasplerin wieder aufnimmt, um ihn vollends abzuhaspeln.Dieses Verfahren, so sinnreich es ist und auf so sichern Beobachtungen es
                                    auch beruhen mag, scheint uns dennoch in den meisten Fällen nicht leicht
                                    anwendbar zu seyn; es würde von Seite der Arbeiterinnen eine zu seltene
                                    Geschiklichkeit, vorzüglich aber eine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, die
                                    nicht leicht bei ihnen zu finden ist; doch kann es gewisse Vortheile
                                    gewähren, wenn es darum zu thun ist, Seide von ganz vorzüglicher Qualität zu
                                    erzielen, welche auf gewöhnlichem Wege nicht zu erreichen ist.A. d. O.
                              
                           Auf diese Weise werden das erste Achtel und das lezte Zehntel des Coconfadens
                              vereinigt und der mittlere oder der ganz gute Antheil besonders abgehaspelt.
                           Man erhält so eine Seide von vorzüglicher Qualität, ohne den ungeheuern, durch das
                              Purgiren der Cocons veranlaßten Verlust zu erleiden,
                              der auf dem gewöhnlichen Wege nicht vermieden werden kann, wo eine bedeutende Menge
                              nuzbar zu machende Substanz zum Abgang geworfen werden muß. Man verbraucht in
                              lezterm Falle 6 bis 7
                              Kilogr. Cocons, um 1/2 Kilogr. Seide zu bekommen, während bei diesem Verfahren 4 1/2
                              bis 5 Kilogr. hinreichen, um eben so viel in zwei Qualitäten zu bekommen.
                           Außer dem erwähnten Vortheil durch dieses Verfahren, welches wegen seiner Einfachheit
                              in jeder Seidenspinnerei und bei jedem System Anwendung finden kann, erhält man
                              durch seine Anwendung eine Seide, welche beim Kochen und Entschälen einen höheren
                              Hizegrad und alle gewöhnlichen Handoperationen vertragen kann, ohne theilweise zu
                              verderben, und man vermeidet auf diese Weise den FlaumWenige haben sich bis jezt noch die Ursache des Flaums auf Atlaß und andern
                                    Seidenstoffen genau erklärt, welcher auf denselben wahrzunehmen ist, wenn
                                    sie auch aus sehr schönem Material verfertigt wurden. Man schrieb ihn bis
                                    jezt gewöhnlich dem von der Hasplerin beim Werfen eines Coconfadens (brin), um ihn mit andern sich abhaspelnden zu
                                    vereinigen, bewirkten Ringeln (bouclement)
                                    zu.A. d. O., welchen die minder starken und feinern Fasern am Anfange und am Ende des
                              Cocons erzeugen.