| Titel: | Ueber das Weißmachen des Roheisens bei den Hohöfen zu Janon; vom Hütten-Ingenieur Bouchard. | 
| Fundstelle: | Band 97, Jahrgang 1845, Nr. LXXIII., S. 280 | 
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                        LXXIII.
                        Ueber das Weißmachen des Roheisens bei den
                           Hohoͤfen zu Janon; vom Huͤtten-Ingenieur Bouchard.
                        Aus dem Moniteur industriel 1845, No. 931 und
                              932.
                        Bouchard, über das Weißmachen des Roheisens.
                        
                     
                        
                           Seit einigen Jahren trachteten alle diejenigen, welche sich mit der Metallurgie des
                              Eisens beschäftigen, durch die Handelskrisis veranlaßt, welche das Sinken der
                              Eisenpreise herbeiführte, auch die Productionskosten dieses Metalls durch
                              Verbesserung der in Frankreich üblichen Verfahrungsweisen zu vermindern. Viele
                              Verbesserungen wurden schon erzielt, allein man muß gestehen, vieles bleibt noch zu
                              thun übrig, um die Zukunft der Hütten sicher zu stellen, deren Lage sich in Folge
                              des bedeutenden Sinkens der Eisenpreise, welches seine Gränze noch nicht erreicht zu
                              haben scheint, täglich verschlimmert.
                           Bei dieser Sachlage ist es Pflicht, alle zur Verbesserung der Eisenbereitung
                              angestellten Versuche, deren Kenntniß auf den Weg neuer Verbesserungen führen kann,
                              zu veröffentlichen.
                           Es ist gegenwärtig anerkannt daß, was das englische Verfahren anbelangt, alle
                              Bestrebungen dahin gehen müssen, das Weißmachen entbehrlich zu machen, da diese
                              erste Periode der Bearbeitung sehr unvollkommen und sehr kostspielig ist, indem
                              unter den günstigsten Umständen die Bereitungskosten einer Tonne Feineisen
                              wenigstens 25 Frcs. betragen. Die Anwendung der Siedeöfen (fours bouilians) gestattet allerdings das unmittelbare Puddeln des
                              Roheisens mit Kohks; allein sie liefern ein geringeres Eisen als das Feineisen und
                              gewähren nicht die Ersparung, welche man anfangs erwartete. Es scheint daher
                              unerläßlich zu seyn, das Roheisen vorher von den darin enthaltenen fremdartigen
                              Stoffen theilweise zu befreien, ehe man es zum Puddeln bringt. Die zu lösende
                              Aufgabe ist sonach, ein einfaches und nicht zu kostspieliges chemisches Verfahren
                              auszumitteln, durch welches dieser Zwek erreicht wird.
                           Das Weißmachen des Roheisens durch plözliches Erkalten scheint mir ein Anfang zu seyn
                              zur Lösung dieser Frage.
                           Ich will daher dieses Verfahren, so unvollkommen es auch noch ist, so beschreiben,
                              wie es bei den Hohöfen zu Janon seit dem Monat August 1843 befolgt wird.
                           In den Boden der Hütte und vor den Arbeitsraum (embrasure de
                                 travail) hin wurde ein Stichherd angelegt, welcher zur Aufnahme des weißzumachenden Abstichs
                              bestimmt ist; er besteht aus 24 ähnlichen gußeisernen Zainformen, die jenen, welcher
                              man sich bei den Feineisenfeuern bedient, ähnlich und nach einander gereiht sind.
                              Dieser Stichherd ist also aus einzelnen Stüken zusammengesezt, wodurch diese leicht
                              gewechselt werden können, wenn sie anfangen schlechter zu werden. Ungefähr eine
                              Stunde vor dem Abstich überzieht man diese Zainformen innerlich mit einer dünnen
                              Schicht gebrannten Kalks und theilt den ganzen leeren Raum mittelst kleiner
                              Scheidewände (étranglemens), die man von Sand
                              bildet, in fünf gleiche Theile, um das Roheisen in fünf, dann einzeln
                              hinwegzunehmende Platten zu theilen.
                           Die Dimensionen des Stichherds sind folgende:
                           
                              
                                 Laͤnge
                                 9,60 Meter
                                 
                              
                                 Mittlere Breite
                                 0,55   –
                                 
                              
                                 Tiefe
                                 0,12   –
                                 
                              
                           Er faßt leicht 2500 Kilogr. flüssigen Roheisens.
                           Zunächst dieser Zainformen, jedoch außerhalb der Hütten (hangars), erbaute man einen rechtwinkeligen Trog (bâche) von Mauerwerk von 2,50 Meter Länge und 1 Meter Breite und
                              Tiefe; derselbe ist unten mit einem Zapfen versehen, mittelst dessen man das darin
                              enthaltene Wasser in einen unten angebrachten Canal (galerie) ablaufen lassen kann.
                           Das Weißmachen wird wie der Abstich der Hohöfen in 24 Stunden zweimal und zur selben
                              Zeit vorgenommen. Kaum hat das Roheisen den Abstichherd ganz angefüllt, so breiten
                              die Arbeiter auf das noch flüssige Metall eine sehr dike Kalkmilch aus und schütten
                              dann sogleich eine große Menge Wassers darauf, welches den Kalk auflöst und ihn mit
                              sich in die ganze Masse hineinzieht; diese Begießung mit Wasser wird mittelst zweier
                              lederner mit Hahnen versehenen Röhren (Schläuche) bewerkstelligt, welche mit einer
                              Bleiröhre communiciren, die parallel mit den Zainformen, 1,50 Meter hoch über dem
                              Boden, gegen die Mauer der Hütte befestigt ist. Einige Secunden lang bleibt der bei
                              einer sehr großen Hize sich bildende Wasserdampf unsichtbar; bald aber bilden sich
                              dichte Wolken, welche die Oberfläche des Roheisens nicht mehr hindurchsehen lassen;
                              diese Dämpfe riechen schwach nach Schwefelwasserstoff.
                           Wenn das Aufbrausen aufgehört hat und man die Oberfläche der Roheisenplatten wieder
                              deutlich sehen kann, so findet man, daß sie sich um so merklicher gebogen haben, je
                              grauer das Eisen ist, welches der Hohofen erzeugt; diese Krümmung, deren Bogenhöhe
                              manchmal 20
                              Centimeter beträgt, ist Folge der Dichtigkeitsveränderung des Roheisens beim
                              Weißwerden.
                           Außerdem bemerkt man Blasenwerfen und Risse, die man sich leicht erklären kann. Da
                              nämlich die Oberfläche des geschmolzenen Metalls vor dem Erstarren der untern
                              Schicht erkaltet, so hebt sie sich in die Höhe; eine gewisse Quantität Gas dringt in
                              den dadurch entstehenden leeren Raum ein und vergrößert ihn noch, indem es die noch
                              in teigigem Zustand befindlichen Theile auseinander treibt. Aus den entstandenen
                              Rissen sieht man Gasstrome entweichen, die mit blauer oder gelblichweißer Flamme
                              brennen; diese Flammen sind manchmal über 25 Centimeter lang und behalten eine ganze
                              Viertelstunde ihre Intensität.
                           Wenn diese Gasentwiklungen aufgehört haben und das Roheisen eine dunkelrothe Farbe
                              angenommen hat, so hebt man die fünf Platten, eine nach der andern hinweg, um sie in
                              den Erkaltungstrog zu bringen, was mittelst eines kleinen, eisernen Schleppwagens
                              und einer Hebevorrichtung geschieht. Hiebei wird wie folgt verfahren. Zwei Männer
                              heben das eine Ende der Platte mittelst Hebeln in die Höhe und lassen sie erst dann
                              wieder nieder, wenn ein dritter Arbeiter eine eiserne Querstange darunter gebracht
                              hat, welche er auf dem Rand der Zainformen aufliegen läßt; ebenso verfahren sie
                              hierauf mit dem andern Ende, so daß die Platte sich oberhalb des Stichherds
                              unterstüzt findet. Man führt hierauf das Roheisen mittelst des Wagens und der
                              Hebevorrichtung über den Erkaltungstrog hin, und läßt die Platte in den Trog fallen,
                              wo sie ein heftiges Brausen verursacht. Einige Stunden darauf zieht man sie wieder
                              heraus.
                           Das beschriebene Manöver dauert 10–20 Minuten und erfordert sieben Mann.
                           Beim Herauskommen aus dem Trog wird das weißgemachte Roheisen in Stüke von
                              verschiedener Größe zerbrochen; dieselben sind gewöhnlich anderthalb Zoll dik; ihre
                              Oberfläche ist mit sehr kleinen Bläschen überzogen und im Innern sieht man
                              Höhlungen, deren Bildung ich schon erklärt habe und deren Wände allerseits eine
                              rauhe Oberfläche haben, an der nicht die geringste regelmäßige Gestalt wahrzunehmen
                              ist.
                           Manchmal drang das Wasser nicht in diese leeren Räume, was besonders der Fall ist,
                              wenn ihre Dimensionen nicht groß sind; wenn zur Zeit, wo sie sich bilden, die
                              naheliegenden Theile noch heiß genug sind, so wird dieser Raum von einem Tröpfchen
                              (der Eisenmasse) ausgefüllt und man findet dann, wenn man die Platte zerbricht, eine
                              kleine abgesonderte Metallmasse (culot) zwischen der
                              Masse stekend.  Im
                              Uebrigen ist nach dem Erkalten der Bruch im Allgemeinen mattweiß; nur dann sind
                              Spuren eines blätterigen Bruchs wahrzunehmen, wenn das Roheisen ursprünglich weiß
                              war.
                           Mit der Erklärung der Erscheinungen bei diesem Proceß des Weißmachens ist man noch
                              nicht im Reinen. Man hatte angenommen, daß die Verschiedenheit in dem Gefüge und der
                              Farbe des Roheisens nach diesem plözlichen Erkalten durch Wasser ausschließlich
                              einem physischen Phänomen zuzuschreiben sey; daß das Roheisen, wenn es aus dem
                              Hohofen kömmt, seinen ganzen Kohlenstoffgehalt noch in gebundenem Zustand enthalte
                              und daß nur während des Acts einer langsamen Abkühlung Kohlenstoff in Freiheit
                              gesezt werde. In diesem Fall wäre aber das Weißmachen von geringer Wichtigkeit, weil
                              nur die Anordnung seiner Molecüle dadurch verändert würde, ohne daß feine
                              Zusammensezung sich veränderte; es ist indessen nicht daran zu zweifeln, daß es bei
                              diesem Proceß Schwefel und Kohlenstoff verliert, indem ein Geruch nach faulen Eiern
                              die Entwiklung von Schwefelwasserstoff anzeigt und man durch die erwähnten Risse
                              unausgesezt Ströme von Kohlenoxyd entweichen sieht. Berüksichtigt man übrigens, daß
                              die blaue Flamme sich niemals zeigt, wenn das Roheisen weiß aus dem Ofen läuftlauft, so muß man auf die Vermuthung kommen, daß der durch Zersezung des Wassers
                              erzeugte Sauerstoff und Wasserstoff sich mit dem Graphit verbinden, um Kohlensäure
                              oder Kohlenoxyd und mehr oder weniger gekohlten Wasserstoff zu erzeugen. Offenbar
                              entweicht jedoch auch eine große Quantität reiner Wasserstoff.
                           Ueber die Rolle, welche der Kalk spielt, kann man sich noch keine genügende
                              Rechenschaft geben; es ist sogar wahrscheinlich, daß er nicht von besonderm Einfluß
                              ist; doch wäre es gut, einige Versuche hierüber anzustellen; vielleicht wäre es
                              möglich, ihn entweder durch ein modificirtes Verfahren dem Roheisen einzuverleiben,
                              oder durch seine Vereinigung mit andern Substanzen seine Verbindung mit dem Silicium
                              zu bewirken; das Problem des Weißmachens wäre sodann vollkommen gelöst. Jedenfalls
                              ist dieses Verfahren, wie es gegenwärtig ausgeführt wird, mehrerer wichtiger
                              Modificationen fähig.
                           Die erste bestünde darin, den Erkaltungstrog völlig entbehrlich zu machen; dieses
                              Eintauchen, welches im Winter eine sehr beschwerliche Arbeit ist, kann von gar
                              keiner Wirkung seyn, weil das Roheisen nur noch dunkelroth glüht, wenn es aus den
                              Zainformen genommen wird und bei dieser Temperatur die Zersezung des Wassers nicht
                              mehr möglich ist.
                           Ferner wäre es zwekmäßig, die Platten viel dünner zu gießen, damit das Wasser, durch die
                              ganze Masse dringend, auf alle Theile einwirken könnte.
                           Ich wiederhole es, das weißgemachte Roheisen ist bei weitem noch nicht so rein, wie
                              das Feineisen; allein man kann es, ohne der Qualität des Eisens zu schaden, und ohne
                              den Abgang zu vermehren, zu einem Sechstel dem gepuddelten Eisen einverleiben, was
                              eine nicht unbedeutende Ersparniß ist. Man gewinnt nämlich, wenn man 400,000 Kilogr.
                              Feineisen durch 100,000 Kilogr. weißgemachtes Eisen ersezt,
                           1) 11,000 Kilogr. Roheisen, die den Abgang des Feineisenfeuers ausmachen; und
                           2) den Preisunterschied des Feineisens und weißgemachten Eisens, welches leztere nur
                              um 1 Frc. per hundert Franken theurer ist als das
                              Roheisen, und nur um 50 Centimes per 100 Frcs. theurer
                              wäre, wenn das Eintauchen unterbliebe.
                           Die Ersparung betrüge also im Ganzen
                           
                              
                                 11,000 Kilogr. à 125 Frcs. per 100
                                 1,575
                                 
                              
                                 Preisdifferenz von 100,000 Kilogr.
                                    weißgemachten    Roheisens und 100,000 Kilogr.
                                    Feineisen
                                 2,400
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 3,775
                                 
                              
                           Die Errichtung einer Hütte zum Weißmachen erfordert nur ein sehr geringes Capital.
                              Der Verbrauch an Kalk beträgt ungefähr 10 Proc., was 25 Cent. Kosten auf die Tonne
                              weißgemachten Eisens ausmacht.
                           Schließlich muß ich bemerken, daß das beschriebene Verfahren, obwohl es erst seit
                              Kurzem in Frankreich angewendet wird, doch nichts neues ist; schon seit langer Zeit
                              wird im Steiermärkischen das graue Roheisen, welches in Herden verfrischt werden
                              soll, weiß gemacht und schon im Jahr 1812 empfahl Hassenfratz in seiner Siderotechnik (Bearbeitung des Eisens) die
                              Feineisenbereitung mittelst Kohks durch diese vorbereitende Operation zu
                              ersezen.