| Titel: | Ueber die Gefahren, welche die der Sonne ausgesezten, gefirnißten Malereien bedrohen und die Mittel ihnen zu begegnen; von Hrn. Tripier-Deveaux. | 
| Fundstelle: | Band 97, Jahrgang 1845, Nr. LXXX., S. 301 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXX.
                        Ueber die Gefahren, welche die der Sonne
                           ausgesezten, gefirnißten Malereien bedrohen und die Mittel ihnen zu begegnen; von Hrn.
                           Tripier-Deveaux.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, Jun. 1845, S. 248.
                        Tripier-Deveaux, über gefirnißte Malereien.
                        
                     
                        
                           Die Ursachen, welche zum mehr oder minder schnellen Verderben gefirnißter Malereien,
                              welche der Sonne ausgesezt sind, beitragen sind 1) die Feuchtigkeit des Gypses und
                              des Holzes; 2) die fehlerhafte Bereitung der Tünche oder der Farbenschichten; 3)
                              endlich die schlechte Beschaffenheit der Firnisse.
                           Es handelt sich darum zu wissen, worin sich die Fehler in den verschiedenen Fällen,
                              welche man technisch das Aufziehen (clochage), Fayenciren (fayençage), Risse und Runzeln bekommen, nennt, und die bei
                              gefirnißten Malereien nur zu oft vorkommen, von einander unterschieden, zu erklären,
                              wie und warum sie eintreten, und die Mittel anzugeben, sich davor zu schüzen.
                           Wenn eine Malerei sich aufzieht, Blasen zieht, in große Blätter zerbricht und
                              abfällt, ohne nur ein Theilchen des Grunds mit sich zu reißen, noch eine Spur von sich zurükzulassen,
                              so ist dieß ein Zeichen, daß der Grund (Gyps oder Holz) nicht recht troken war und
                              daß der Firniß, womit dieses Gemälde überzogen wurde, sein Verderben nur
                              beschleunigte, indem er die Poren verstopfte und es unmöglich machte daß die
                              Feuchtigkeit verdunsten konnte.
                           Die Fehler aber, welche sich sogar auf einem sehr troknen Grund einstellen, in Folge
                              schlechter Bereitung der Tünche oder der Farbenschichten, sind nicht so bekannt und
                              so leicht zu erklären; doch sind sie lediglich die unvermeidliche Folge der falschen
                              Anwendung des Grundsazes, daß ein Gemälde desto dauerhafter
                                 sey, d.h. desto länger der Luft widerstehe, je mehr Oehl dabei angewandt
                                 wird; es ist dieß allerdings wahr hinsichtlich der Malereien, welche gar
                              nicht, oder erst wenn sie recht troken sind, nach 12 bis 15 Monaten gefirnißt
                              werden, wie die Oehlgemälde, aber falsch in Betreff von Malereien, die man sogleich
                              nach ihrer Vollendung zu firnissen beabsichtigt.
                           Eine Farbenschicht, welche viel gewöhnliches Leinöhl enthält, troknet schwer; sezt
                              man ihr fettes Oehl zu, so troknet sie nicht mehr, sondern überzieht sich mit einem
                              durch die Einwirkung der Luft erzeugten Häutchen; je troknender das Oehl ist, womit
                              die Farbe angemacht wurde, desto schneller bildet sich die Haut, und die davon
                              bedekten, dem Einfluß der Luft entzogenen Stellen werden um so länger weich oder
                              flüssig bleiben, je schneller die Haut sich bildete.
                           Trägt man auf eine solche Schicht eine zweite derselben Art, und auf diese noch eine
                              dritte auf, so tritt dieselbe Wirkung ein. Auf diesen noch weichen Anstrich, der
                              erst mit der Zeit troknet, wird der Firniß in einer Schicht aufgetragen, die in
                              2–3 Tagen erhärtet, und zu einer festen und glänzenden Haut wird.
                           Werden solche Anstriche der Sonnenhize ausgesezt, so erweichen in dem Grade, als der
                              Firniß troknet, die Farbenschichten, welche nicht Zeit hatten auszutroknen, noch
                              mehr; die darin enthaltenen weichen Theile dehnen sich aus und heben, da sie wegen
                              der von den obern und untern Häuten entgegengesezten Hindernisse nicht entweichen
                              können, die über ihnen liegenden Schichten in Gestalt von Blasen in die Höhe. Ist
                              die Sonnenwärme unzureichend, so ziehen sich die durch die Tageswärme ausgedehnten
                              Theile in Folge der Erkältung während der Nacht wieder zusammen und das Resultat
                              dieser Abwechslung von Wärme und Kälte ist, daß die aufgehobenen Theile in mehr oder
                              weniger große Blätter zerspringen, welche, nachdem sie dem überflüssigen Liquidum
                              einen Ausweg geöffnet haben, auf den Grund zurükfallen, dem sie dann anhaften, eine
                              glatte glänzende sogenannte fayencirte (fayencée) Oberfläche bildend. Wenn in Folge eines
                              zu raschen Temperaturwechsels diese Blätter stark einschrumpfen, hart werden und
                              Sprünge bekommen, so entstehen die sogenannten Risse oder
                              Runzeln; dann verliert die Farbe ihren Glanz, weil
                              der zersprungene Firniß der Bewegung der ihm als Unterlage dienenden Farbe folgen
                              mußte; die Zwischenräume zwischen diesen Blättern, in welche die überschüssigen
                              flüssigen Theile austraten, werden um so größer seyn, je rascher der
                              Temperaturwechsel war.
                           Die Übeln Folgen eines feuchten Grunds oder der fehlerhaften Zubereitung der
                              Farbe haben demnach den Charakter der mehr oder weniger vollkommenen Zerstörung der
                              Farbe selbst; die von schlechter Beschaffenheit des Firnisses herrührenden
                              Uebelstände hingegen haben mit der Farbe selbst nichts zu thun, sondern maskiren sie
                              nur; so wird ein schlechter Firniß weiß werden, sich abnüzen, bald verschwinden,
                              während ein dauerhafter Firniß aushält; der beste Firniß ist derjenige, welcher die
                              Glätte, den Glanz, Spiegel am längsten behält. Ein Firniß, welcher zu viel
                              troknendes Oehl enthält, bricht, springt, fayencirt sich sogar, indem er in die
                              Kategorie der mit zu viel fettem Oehl zubereiteten Schichten gehört; aber er zieht
                              sich niemals auf, und wird zulezt allemal troknen. Die durch den Firniß verursachten
                              üblen Folgen greifen also nur den Firniß selbst an; ein leichtes Reiben mit
                              feingepulvertem Bimsstein, einem Lumpen und Wasser ist hinreichend, um den
                              verdorbenen Firniß zu entfernen; eine neue Schicht bessern Firnisses stellt die
                              Malerei, wenn sie gehörig präparirt wurde, in ihrer ganzen Schönheit wieder her.
                           Folgende Verfahrungsweisen schöpfte Hr. Tripier aus langer Erfahrung:
                           1) Die erste auf Gyps oder ganz trokenes Holz aufzutragende Tünche (les enduits) soll mit einer starken Portion Bleiglätte
                              und Bleiweiß gemischt und, der größern Sicherheit wegen, lange vor den
                              Farbenschichten aufgetragen werden.
                           2) Die mit Oehl, oder halb mit Oehl, halb mit Terpenthinöhl abgeriebenen
                              Farbenschichten werden mit reinem Terpenthinöhl angerührt; damit sie schneller
                              troknen und erhärten, sezt man ihnen eine kleine Quantität möglichst farblosen
                              troknenden Oehls zu. Bei diesem Verfahren kann die erste Schicht bald die zweite
                              aufnehmen, und diese die Verzierungsmalerei (le
                                 décor) oder den Firniß.
                           3) Soll eine Malerei auf den gut ausgetrokneten Anstrich kommen, so müssen die Farben
                              mit einem troknenden Oehl angemacht werden, welches nicht die Uebelstände der fetten
                              Oehle verursacht.
                           
                           4) Ist die Malerei recht troken, so kann man sie, ohne daß man irgend nachtheilige
                              Folgen zu befürchten hätte, firnissen; denn sie ist durchaus gleich troken und hart
                              und enthält keine weiche oder flüssige Stelle; es kann daher auch an keiner Stelle
                              mehr als an einer andern eine Ausdehnung oder Hebung stattfinden.
                           5) Man muß sich guten Firnisses bedienen, denn mit einem der Luft wenig Widerstand
                              leistenden, bald verwischten, abgenüzten oder weiß gewordenen Firniß wird die
                              Malerei bald bloßgelegt und Reibungen ausgesezt. Um sich von der Güte des Firnisses
                              zu überzeugen, verfährt man folgendermaßen:
                           Man breitet auf eine recht trokene polirte Platte von Holz oder Eisenblech so
                              gleichförmig wie möglich eine Schicht guten schwarzen Firnisses aus; nach dem
                              Troknen theilt man die Platte in so viele Streifen als man Firnisse zu untersuchen
                              hat, ab und bringt sie vor Staub geschüzt, in die Werkstätte, bis alle Muster wohl
                              getroknet sind; man hängt sodann die Platte an eine der Mittagssonne vollkommen
                              ausgesezte Mauer; nach einem Monat wird man die Qualität des Firnisses erkennen,
                              denn man wird darunter solche finden, welche diese scharfe Probe nicht vierzehn Tage
                              lang aushielten.
                           Ein weißer, hellgelber oder ultramarinblauer Grund wird unter gleichen Umständen
                              diejenigen unter diesen Firnissen leicht erkennen lassen, welche, obgleich sie
                              dauerhaft sind, doch die Farbennuance am wenigsten verändern, mit andern Worten sich
                              an der Luft am wenigsten färben.
                           Dieses Probirverfahren wenden die Kutschenlakirer allgemein an.