| Titel: | Ueber die Anwendung der erhizten Luft als Triebkraft; von Werner Siemens, Lieutenant in der königlich-preußischen Artillerie. | 
| Autor: | Dr. Ernst Werner Siemens [GND] | 
| Fundstelle: | Band 97, Jahrgang 1845, Nr. LXXXVII., S. 324 | 
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                        LXXXVII.
                        Ueber die Anwendung der erhizten Luft als
                           Triebkraft; von Werner
                              Siemens, Lieutenant in der koͤniglich-preußischen
                           Artillerie.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. V.
                        Siemens's, über die Anwendung der erhizten Luft als
                           Triebkraft.
                        
                     
                        
                           In England erregt jezt eine Maschine die durch erhizte Luft betrieben wird und seit
                              einiger Zeit mit dem größten Erfolg in Dundee in Thätigkeit ist, viel Aufsehen. Da
                              dieselbe viel einfacher ist als eine Dampfmaschine, einen weit kleineren Raum
                              einnimmt und nur eine verhältnißmäßig sehr unbedeutende Menge Brennmaterial
                              verbraucht, so verdient sie mit Recht die größte und allgemeinste
                              Berüksichtigung.
                           Der Gedanke die große Kraft, mit der eingeschlossene Luft bei ihrer Erwärmung sich
                              auszudehnen strebt, als Triebkraft zu benuzen, ist nicht neu. Die Aufmerksamkeit der
                              Techniker mußte auch um so mehr dadurch auf sie gelenkt werden, daß der theoretische
                              Nuzeffect einer bestimmten Wärmemenge, zur Erhizung der Luft verwandt, fast dreimal
                              so groß ist als wenn sie zur Erzeugung von Wasserdämpfen diente. Daß die Aussicht
                              auf eine so bedeutende Ersparung an Brennmaterial bisher dennoch keine brauchbare,
                              durch erhizte Luft bewegte Maschine hervorzurufen vermochte, mag wohl seinen Grund
                              hauptsächlich in den Schwierigkeiten finden, die mit der hiebei erforderlichen
                              schnellen Erwärmung und Wiederabkühlung einer beträchtlichen Luftmenge verknüpft
                              schienen.
                           Ueber die Art wie dieß bei der obenerwähnten Maschine geschieht, und wie die Maschine
                              durch eine solche Temperaturveränderung der Luft bewegt wird, habe ich eine kurze
                              briefliche Mittheilung aus England erhalten. Da mir indeß leider alle Angaben über
                              die specielle Construction der Maschine fehlen, so kann die Zeichnung Fig. 22 auch
                              keineswegs als eine Abbildung derselben angesehen werden. Sie soll nur als Anhalt
                              dienen, um das ihr zum Grund liegende Princip möglichst anschaulich machen zu
                              können.
                           Im Wesentlichen besteht die Maschine aus drei geschlossenen, oben mit Stopfbüchsen
                              versehenen Cylindern A, A' und B. Die in den Cylindern A und A' eingeschlossene und beliebig, aber in beiden
                              gleichmäßig comprimirte Luft wird abwechselnd erwärmt und wieder abgekühlt. Dadurch
                              wird ihre Spannkraft in entsprechendem Mach vermehrt und vermindert und mit dem
                              Druk, der aus der Differenz der gleichzeitig in beiden Cylindern obwaltenden
                              Spannungen sich ergibt der Kolben im Cylinder B
                              bewegt.
                           
                           Im Innern eines jeden der beiden Cylinder A und A' befindet sich ein zweiter kleinerer Cylinder a, a', in welchem sich ein Kolben b, b' auf und nieder bewegt. Dadurch entstehen also Doppelcylinder,
                              zwischen deren Wänden sich ein freier Raum befindet. Im oberen und unteren Boden der
                              inneren Cylinder sind Oeffnungen c und d angebracht, vermittelst welcher die in ihnen
                              eingeschlossene Luft mit der zwischen den Wänden der Doppelcylinder befindlichen
                              frei communiciren kann. Wird nun der Kolben b
                              niederbewegt, so muß die unter ihm befindliche Luft aus der Oeffnung d entweichen, zwischen den Wänden beider Cylinder
                              hinaufsteigen und durch die Oeffnung c in den innern
                              Cylinder zurükkehren, um den leerwerdenden Raum über dem Kolben einzunehmen. Bewegt
                              sich der Kolben dagegen wieder aufwärts, so muß sie denselben Weg in umgekehrter
                              Richtung durchlaufen, um wieder unter jenen zu gelangen. Der Raum zwischen den
                              Wänden beider Cylinder – durch den also die gesammte im inneren Cylinder
                              enthaltene Luftmenge bei jedem Kolbenhube hindurchströmen muß, ist größtentheils
                              durch ein System von guten Wärmeleitern o ausgefüllt,
                              durch welches sie gezwungen wird, auf ihrem Weg mit einer großen wärmeleitenden
                              Fläche in Berührung zu treten. Hiezu würden sich wohl am besten dünne, in
                              concentrischen Lagen, mit geringem Abstand von einander den Raum zwischen beiden
                              Cylindern ausfüllende Kupferbleche eignen. Der Boden der beiden äußeren Cylinder A und A' wird durch eine
                              Feuerung erhizt, die Deke derselben dagegen durch ein darüber angebrachtes
                              Wasserbehältniß abgekühlt. Von diesem geht ein Schlangenrohr g aus, welches den oberen Theil des Zwischenraums zwischen beiden
                              Cylindern in engen Windungen ausfüllt und stets von kaltem Nasser durchflossen
                              wird.
                           Wird nun der Kolben b niederbewegt, so erhizt sich die
                              Luft beim Hinwegstreichen über dem heißen Boden. Sie muß aber diese Wärme an die
                              Metallbleche abgeben, zwischen denen sie in sehr dünnen Schichten hindurchzugehen
                              genöthigt ist. Der geringe Ueberrest derselben, den sie noch behalten hat wenn sie
                              hindurch ist, wird ihr durch das Schlangenrohr und die kalte Deke entzogen. Sie
                              gelangt also vollkommen abgekühlt in den innern Cylinder. Wird der Kolben nun wieder
                              aufwärts bewegt, so muß sie von Neuem zwischen den vorhin erwärmten Metallblechen,
                              aber in umgekehrter Richtung hindurchgehen. Sie trifft dabei während ihres Laufs auf
                              immer wärmere Schichten und gelangt, durch die nahe Berührung mit denselben schon
                              ziemlich erwärmt, über dem erhizten Boden an, von dem sie einen abermaligen Zuschuß
                              an Wärme erhält. Durch mehrmaliges Auf- und Niederbewegen des Kolbens b wird nun bald ein constantes Temperaturverhältniß der Bleche und
                              der über und unter jenem befindlichen Luft herbeigeführt werden. Die heiße Luft gibt
                              dann bei ihrem Hinaufsteigen gerade so viel Wärme an die Bleche ab, wie sie bei dem
                              darauf folgenden Hinabgehen wieder von denselben aufnimmt. Durch die Feuerung ist
                              also keineswegs die gesammte zur jedesmaligen Erwärmung der abgekühlten Luft
                              erforderliche Wärmemenge herzugeben, sondern nur der kleine Theil derselben, der
                              durch das Röhrensystem verschlukt und durch Leitung etc. verloren gegangen ist.
                           Von der Deke der beiden Cylinder A und A' gehen zwei Röhren k und
                              k' nach dem oberen und unteren Ende des Cylinders
                              B. Der in diesem befindliche Kolben i muß daher durch die Spannkraft der in A. eingeschlossenen Luft in die Höhe, durch die der im
                              Cylinder A' befindlichen niedergedrükt werden. Gesezt
                              nun der Kolben b wäre an dem höchsten, der Kolben b' dagegen am tiefsten Punkt seines Laufs angekommen und
                              die Erhizung der Luft im Cylinder a betrüge ungefähr
                              230° C., so würde ihre Spannkraft dadurch verdoppelt seyn. Waren also z.B.
                              die Cylinder mit Luft von sechsfacher Dichtigkeit gefüllt, so würde jezt die in A enthaltene den Kolben i
                              mit zwölf Atmosphären in die Höhe, die in A' enthaltene
                              ihn dagegen mit sechs Atmosphären niederdrüken. Er würde also mit einer dem Druk von
                              sechs Atmosphären entsprechenden Kraft aufwärts bewegt. Wird nun die Auf- und
                              Niederbewegung der Kolben b und b' so durch die Maschine selbst bewerkstelligt, daß b und b' ihren Hub vollendet haben, wenn i seinen halben Lauf zurükgelegt hat, so wird die den
                              lezteren bewegende Kraft stets ihr maximum erreicht
                              haben, wenn seine Bewegung am schnellsten ist. Hat er hingegen seinen Wendepunkt
                              erreicht, so sind b und b'
                              in der Mitte ihres Laufs angekommen. Die in den Cylindern A und A' enthaltene Luft ist dann halb erwärmt
                              und halb abgekühlt, und ihre Spannkraft daher in beiden gleich. Der Kolben i kann demzufolge mit Hülfe des Schwungrads seinen
                              todten Punkt überwinden, ohne daß eine einseitig auf ihn wirkende Kraft ihn daran
                              hindert. Da aber mit dem Beginn seiner Bewegung in entgegengesezter Richtung, durch
                              die gleichzeitige Fortbewegung der Kolben b und b' auch die Triebkraft wieder entsteht und in sehr
                              raschem Verhältniß zunimmt, so ist der Fortgang der Maschine gesichert, ohne daß es
                              nöthig wäre durch Ventile oder Schieber die Einströmung der Luft in den
                              Triebcylinder zu reguliren.
                           Da in den oberen Theil der Cylinder A und A' und mithin auch in den Triebcylinder B nur immer kalte Luft gelangen kann, so muß auch die
                              Dichtung der Stopfbüchsen und des Kolbens i sehr
                              vollkommen, selbst bei noch höheren Spannungen wie hier angenommen ist, hergestellt werden können.
                              Dazu kommt noch, daß sich erfahrungsmäßig gegen Luft weit besser dichten läßt als
                              gegen Dampf. Für die Kolben b und b' würde ein
                              vollkommen luftdichter Gang, der hohen Temperatur der unter ihnen befindlichen Luft
                              wegen, weit schwieriger herzustellen seyn. Für diese ist aber ein solcher gar nicht
                              erforderlich, da der Unterschied in der Spannung der über und unter ihnen
                              befindlichen Luft nur immer sehr gering, nämlich dem Widerstand entsprechend seyn
                              kann, der durch das Hindurchtreiben derselben durch die zwischen den Blechen und
                              Röhren ihnen gelassenen Zwischenräume hervorgerufen wird. Diese Kolben müßten indeß
                              hohl und mit schlechten Wärmeleitern ausgefüllt seyn, damit sie der über ihnen
                              befindlichen kalten Luft nicht durch Leitung eine beträchtliche Wärmemenge zuführen
                              können. Die dennoch durch die Stopfbüchsen entweichende Luft kann leicht durch
                              stetes Nachpumpen ersezt werden.
                           Es würde theoretisch richtiger seyn, den Cylinder B stets
                              mit heißer Luft zu füllen, doch wird der obenerwähnte, mit der Anwendung der kalten
                              Luft verbundene Vortheil der besseren Dichtung, gewiß unter allen Umständen
                              wichtiger seyn, als der daraus hervorgehende Nachtheil der unnöthigen Vergrößerung
                              der Cylinder A und A' und
                              der durch diese herbeigeführten geringen Vermehrung des zur Erzielung derselben
                              Triebkraft erforderlichen Brennmaterials. Daß der Verbrauch des lezteren aber bei
                              dieser Maschine nur sehr gering seyn kann im Vergleich mit dem zur Heizung einer
                              Dampfmaschine von gleicher Kraft erforderlichen, wird aus dem bisher Gesagten schon
                              hinlänglich klar geworden seyn. Die obenerwähnte Maschine in Dundee bestätigt dieß
                              auch vollkommen. Sie arbeitet mit 26 Pferdekräften und macht 30 Umgänge in der
                              Minute. Dabei verbraucht sie 5 Pfd. Kohlen, während die früher dort aufgestellte,
                              gleich starke Dampfmaschine 26 Pfd. consumirt. Da indeß die Wärme der dort auf
                              300° C. erhizten Luft so vollständig durch das System der Wärmeleiter
                              absorbirt wird, daß sie nur noch um 3° wärmer seyn soll als das Kühlwasser,
                              wenn sie bis zu den mit diesem angefüllten Röhren gelangt ist, und da also die
                              Feuerung die Luft auch dem Anschein nach nur um dieselbe geringe Anzahl von Graden
                              zu erwärmen brauchte, so ist dieser Verbrauch an Brennmaterial immer noch
                              unverhältnißmäßig groß. Dieß hat aber seinen Grund in der bei der Construction der
                              Maschine wahrscheinlich nicht berüksichtigten Eigenschaft der Luft, sich bei ihrer
                              Verdichtung zu erhizen. Wenn nämlich die in a
                              befindliche erhizte Luft den Kolben im Cylinder B
                              hinauftreibt, so muß sie diesen ausfüllen. Dadurch wird ihre Dichtigkeit aber
                              vermindert und demzufolge auch ihre Temperatur. Die hiedurch gebundene Wärme kann
                              von den Blechen nicht absorbirt werden; sie gelangt daher mit der abgekühlten Luft in den Cylinder
                              a zurük und wird hier dadurch wieder frei, daß durch
                              die Niederbewegung des Kolbens i das frühere
                              Dichtigkeitsverhältniß wieder hergestellt wird. Die hiedurch schon beträchtlich
                              erwärmte Luft muß aber erst zwischen den Windungen des Schlangenrohrs hindurchgehen,
                              ehe sie durch die Metallbleche von Neuem erhizt werden kann. Die gesammte
                              freigewordene Wärmemenge wird daher von dem kalten Wasser verschlukt und muß also
                              durch die Feuerung ersezt werden. Dieser beträchtliche Wärmeverlust ließe sich aber
                              größtentheils sehr leicht dadurch vermeiden, daß man den Weg der Luft durch Ventile
                              so regulirte, daß sie nur einmal, nämlich bei ihrem Hinaufsteigen, durch das
                              Röhrensystem hindurchzugehen brauchte, bei ihrer Rükkehr hingegen dasselbe umginge,
                              und sogleich, also in schon erwärmtem Zustand, die Bleche Passiren müßte. Hiedurch
                              bliebe der größte Theil der wieder freigewordenen Wärme in Thätigkeit und der
                              Brennmaterialverbrauch ließe sich demzufolge noch bedeutend vermindern.
                           Gänzlich läßt sich dieser Wärmeverlust aber hiedurch doch nicht beseitigen, da durch
                              die höhere Temperatur der nun direct zu den Blechen geführten Luft, dieser die
                              Fähigkeit genommen ist die obern Theile der Bleche vollständig abzukühlen. Sie kann
                              daher auch ihrerseits beim Zurükgehen nicht vollständig wieder von denselben
                              abgekühlt werden, und muß den Temperaturüberschuß, der ihr dadurch verbleibt, jezt
                              an die Röhren abgeben. Ferner muß die durch Leitung fortwährend in den Blechen und
                              Cylinderwänden in die Höhe geführte Wärme von dem Kühlwasser fortwährend absorbirt
                              und daher durch die Feuerung ersezt werden. Wenn diese nothwendig zu ersezende
                              Wärmemenge auch in Vergleich zu derjenigen, welche eine Dampfmaschine erfordert, nur
                              sehr unbedeutend zu nennen ist, so ist sie doch groß genug, um den Gedanken
                              zurükzudrängen, sie durch die Maschinenkraft selbst, z.B. durch Reibung oder stetes
                              Hineinpumpen von Luft in die unteren und Entweichenlassen derselben aus den oberen
                              Theilen der Cylinder A und A' ersezen zu können.
                           Anstatt der atmosphärischen Luft könnte man auch jede andere Gasart zum Betrieb der
                              Maschine anwenden. Man würde dadurch noch den bedeutenden Vortheil erzielen können,
                              die Oxydation der unteren erhizten Theile der Cylinder A
                              und A', im Innern wenigstens, gänzlich zu verhindern.
                              Dieß wäre z.B. dadurch schon ohne große Schwierigkeiten zu erreichen, daß man die
                              zur ersten Füllung und zum späteren Nachpumpen bestimmte Luft aus derjenigen
                              schöpfte, welcher bereits durch das Brennmaterial der größte Theil ihres Sauerstoffs
                              entzogen ist und selbige noch, um sie gänzlich davon zu befreien, durch glühende
                              Eisenbleche strömen ließe.
                           
                           Daß sich bei der Ausführung einer solchen Maschine noch Schwierigkeiten aller Art
                              einfinden werden, ist, wie bei jeder neuen Lache so auch hier, vorauszusehen. Auch
                              an Widersachern aller Art wird es nicht fehlen! Mögen aber die zu besiegenden
                              Schwierigleiten auch Anfangs noch so groß erscheinen, die mit so reichen
                              Hülfsmitteln begabte Technik unserer Tage hat deren schon größere zu überwinden
                              gewußt! Die theoretische Grundlage der Maschine liegt zu klar vor Augen, als daß
                              sich begründete Zweifel gegen ihre Richtigkeit erheben könnten, und durch die
                              Erfahrung ist bereits glänzend erwiesen, daß kein verstekter Fehler in der Rechnung
                              vorhanden seyn kann, der den aus ihr gefolgerten Effect vernichten könnte. Wenn man
                              aber bedenkt, welch ungemeinen Aufschwung Industrie und Verkehr durch eine so
                              bedeutende Verminderung des Preises der Arbeitskraft, wie sie hier in Aussicht
                              steht, nehmen müßten, und welcher Gewinn der gesammten Menschheit aus einer
                              jedenfalls sehr beträchtlichen Verminderung des Verbrauchs an Brennmaterial
                              erwachsen würde, so wird man nicht umhin können diese Erfindung für eine der
                              bedeutsamsten unserer Zeit zu erklären, und in den Wunsch mit einzustimmen, daß man
                              dieselbe bald, besonders aber in Deutschland, wo ihre Benuzung durch kein
                              Privilegium beschränkt ist, mit aller Kraft ergreifen und ins Leben führen möge, um
                              so wohlbegründete Aussichten auf einen neuen großartigen Fortschritt baldmöglichst
                              zu verwirklichen!
                           
                        
                     
                  
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