| Titel: | Historisch-praktische Auseinandersezung der Verfahrungsarten zur Fabrication des Filigranglases, Flint- und Kronglases; von Bontems, Director der Glasfabrik zu Choisy-le-Roi bei Paris. | 
| Fundstelle: | Band 97, Jahrgang 1845, Nr. XCIII., S. 359 | 
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                        XCIII.
                        Historisch-praktische Auseinandersezung
                           der Verfahrungsarten zur Fabrication des Filigranglases, Flint- und Kronglases;
                           von Bontems, Director
                           der Glasfabrik zu Choisy-le-Roi bei
                           Paris.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, Maiheft 1845, S. 183 und Juniusheft S.
                              236.
                        Bontems' Auseinandersezung der Verfahrungsarten zur Fabrication des
                           Filigranglases etc.
                        
                     
                        
                           Es gibt, wie ich glaube, keinen Industriezweig, welcher bei seiner Ausübung beständig
                              so interessante physikalische und chemische Probleme darbietet und dessen Producte
                              zahlreichere Anwendungen haben, als die Glasmachern. Das Glas kann eine Menge
                              anderer Substanzen ersezen, in gewissen Fällen aber durch keine anderen ersezt
                              werden, wie z.B. für die Fensterscheiben. Wir erinnern hier hinsichtlich seiner
                              ornamentalen Anwendung nur an die Pracht des geschliffenen Krystallglases, an das im
                              löten Jahrhundert von den Venetianern verfertigte so geschmakvolle und leichte
                              Filigranglas, wovon die Curiositäten-Sammlungen so werthvolle Stüke
                              enthalten.  Verdankt die
                              Glasmacherei einen Theil ihrer Verbesserungen der Physik und Chemie, so haben diese
                              Wissenschaften nicht minder dem Glas einen großen Theil ihrer Fortschritte zu
                              verdanken. Es bildet die Grundlage der Optik, d.h. alles dessen, was die
                              Naturgeschichte ihr durch mikroskopische Untersuchungen und die Astronomie durch die
                              Beobachtung des unermeßlichen Weltalls schuldig sind.
                           Filigranglas. – Dasselbe wird auch venetianisches
                              Glas genannt; die Venetianer des löten, 16ten und 17ten Jahrhunderts, welche dieses
                              Glas verfertigten, waren aber nicht die Erfinder desselben, sondern riefen nur einen
                              Industriezweig wieder ins Leben, welcher schon in den ältesten Zeiten ausgeübt
                              wurde. In ägyptischen, mit authentischer Jahreszahl versehenen Gräbern aufgefundene
                              Gläser datiren diese Kunst auf mehrere Jahrhunderte vor der christlichen
                              Zeitrechnung zurük. Die von Plinius erzählte Sage über
                              den Ursprung des Glases ist bekannt: „Kaufleute, welche mit Natron (oder Nitron) handelten, kamen mit ihrem
                                 Schiffe an der Mündung des Flusses Belus in Phönicien an; als sie am Ufer sich
                                 Speisen bereiten wollten und keine Steine fanden, auf welche sie, wie auf einen
                                 Herd, ihre Gefäße sezen konnten, nahmen sie Natronblöke aus ihrem Schiffe; durch
                                 das Schmelzen dieses Alkali, welches unmittelbar auf den Sand des Flusses gesezt
                                 worden war, soll jene durchsichtige Flüssigkeit erzeugt worden seyn, welche das
                                 erste Beispiel von Glas gewesen wäre.“ Sicherlich hätte es aber hiezu
                              einer viel höhern Temperatur bedurft, als der auf einem solchen Kochherde
                              hervorgebrachten; es ist diese Erzählung daher eine ungereimte Fabel.
                           Das Glas ist anerkannt so alt als die Bereitung der Ziegel und der Töpferwaare; die
                              zur Verfertigung der Töpferwaare sowohl als zur Gewinnung der Metalle nöthigen
                              Operationen mußten unstreitig Glas liefern und die Eigenschaften dieses Körpers bald
                              beobachtet werden. Die ersten Glasmacher säumten nicht, die Eigenschaft der
                              Metalloxyde, das Glas nach Art der Edelsteine zu färben, zu benuzen, und man kann
                              sagen, daß die Bruchstüke alten Glases einigermaßen als Leuchte dienen können, um
                              die metallurgische Praxis der Alten zu erhellen; wirklich ist aus diesen Bruchstüken
                              zu ersehen, daß die Alten sich als färbender Substanzen des Mangans (Braunsteins),
                              Eisens, Kupfers, Silbers, Antimons, Kobalts etc. bedienten; gewisse Gläser wurden
                              offenbar mittelst Arsenik opalisirend gemacht.
                           Die Aegyptier und Phönicier scheinen mehrere Jahrhunderte lang allein im Besiz der
                              Glas-Industrie gewesen zu seyn; die Griechen scheinen sie nicht ausgeübt zu
                              haben, und als die Römer ihre Eroberungen nach allen Gegenden hin ausgedehnt hatten,
                              brachten die ägyptischen und phönicischen Glasmacher dem zügellosen Luxus dieser Weltbeherrscher ihren
                              Tribut; die Glasmacher ließen sich in Italien selbst nieder, und man kann sagen, daß
                              zu jener Zeit die in Hinsicht der Kunst werthvollsten Glasgegenstände, welche man je
                              producirte, verfertigt wurden; ich führe als Beispiel die Portland-Vase im Londoner Museum und eine ähnliche Vase im Museum
                              zu Neapel an. Diese Vasen, von reiner Form, wurden von dunkelblauem, mit einer
                              dünnen, weißen undurchsichtigen Glasschicht überzogenem Glas verfertigt. Der
                              Ciseleur bearbeitete diesen undurchsichtigen Ueberzug nach Art der Cameen und
                              stellte auf diese Weise mythologische Gegenstände in weißem Basrelief auf blauem
                              Grunde mit einer Feinheit, einer Vollendung dar, von welcher die Meisterwerke des
                              Alterthums allein eine Vorstellung geben können. Auch heutzutage wird überzogenes
                              (überfangenes) Krystallglas gemacht.; die Masse desselben, muß ich sagen, ist oft
                              schöner; die Form aber in der Regel fehlerhaft und in die obere Schicht oder
                              Schichten werden von unsern Glasschneidern oder Graveuren, den unwürdigen
                              Nachfolgern der Alten, Zeichnungen grob eingegraben.
                           Die Alten, abgesehen von ihren einfarbigen und überfangenen Gläsern, hinterließen uns
                              Proben ihrer Geschiklichkeit in der Verfertigung von Filigrangläsern und solchen
                              Gläsern, welche ich Mosaikgläser nennen werde; von den
                              Venetianern und Deutschen wurden leztere Millefiori
                              genannt. Ich will endlich die Alten nicht verlassen, ohne ihre Fabrication des
                              Fensterglases (Tafelglases) anzuführen. Die Klimate, in welchen die civilisirten
                              Völker wohnten und die Constructionsart ihrer Wohnungen machte das Fensterglas zu
                              keinem Gegenstand der höchsten Nothwendigkeit; wirklich scheint sich auch der
                              Gebrauch desselben nicht weit über die christliche Zeitrechnung zurük zu erstreken;
                              doch ist es durch Nachgrabungen in Pompeji dargethan, daß mehrere Fensterrahmen
                              beglast waren. Ich kann nicht sagen, ob diese Scheiben von gegossenem oder
                              geblasenem Glas waren; diesen Punkt hoffe ich später auf eigene Anschauung gestüzt
                              aufhellen zu können.
                           In dem die ersten Jahrhunderte des Christenthums umgebenden Dunkel ist es schwierig,
                              den Faden der Ausübung der Glasmacherei zu Verfolgen; die ältesten bekannten Gläser
                              sind die gefärbten Gläser der Mosaiken und gemalten Kirchenfenster, und wenn uns
                              auch von den leztern vor dem 12ten Jahrhundert keine bekannt sind, so zeugt die
                              Vollkommenheit, welche sie zu jener Zeit schon erreicht hatten, von der langen
                              Betreibung dieser Kunst. Außer den Glasmalereien, den Mosaiken oder Emails, ist die
                              früheste Ausübung der Glasmacherei der neuern Zeit in Venedig zu suchen und die
                              Producte der Venetianer sind mit den Filigran-Producten des Alterthums so verwandt, daß eine
                              ununterbrochene Tradition von den Glasmachern der Alten bis zu den venetianischen
                              anzunehmen ist. Die Venetianer machten alle Arten Glas; der Ruf ihrer geblasenen
                              Spiegelgläser hat sich bis jezt erhalten.
                           Filigranglas nennt man dasjenige, in welchem sich tausend
                              Fäden von weißem undurchsichtigen oder gefärbtem Glas unter den mannichfaltigsten
                              unregelmäßigen Gestalten durchziehen; ich sage, wohlverstanden, nicht Fäden von
                              weißem oder gefärbtem Email (Schmelz); zwischen den
                              Worten Glas und Email
                              unterscheide ich genau, und obgleich jedes Email auch nichts anderes ist als ein
                              Glas, so behalte ich das Wort Email doch nur für die zur
                              Malerei dienenden, in Schichten aufzutragenden weißen oder gefärbten Gläser bei.
                              Leztere Gläser, welche ich Email nenne, werden fein gerieben, mit dem Pinsel auf
                              Töpfergeschirr, Metall oder Glas aufgetragen und im Muffelofen wieder geschmolzen;
                              das weiße oder gefärbte Glas aber, welches der Glasmacher im Glasofen verarbeitet,
                              nenne ich Glas.
                           Die Filigrangläser werden aus einer Anzahl besonders fabricirter Bestandtheile
                              zusammengesezt; so besteht irgend ein Gefäß aus 25, 30..... nebeneinander gelegten
                              Stäbchen, welche durch die Hize des Schmelzofens mit einander vereinigt und dann wie
                              eine einzige Glasmasse geblasen werden. Ich seze vorerst diese fadenförmigen
                              Stäbchen als fertig voraus (ihre Verfertigung werde ich später erklären): man stellt
                              dieselben gegen die innere Wand einer cylindrischen Form aus Metall oder
                              Schmelztiegelerde und befestigt sie am Boden der Form mittelst einer kleinen Schicht
                              weicher Erde, in welche man sie mit ihrem Ende stekt; man erhizt diese Form in der
                              Nähe des Glasofens, nicht bis zum Erweichen der Stäbchen, sondern nur so stark, daß
                              leztere mit heißem Glas berührt werden können, ohne zu erweichen (être calciné); nimmt dann mit der Pfeife
                              aus einem Hafen eine kleine Quantität Glas oder durchsichtiger Krystallmasse und
                              bläst einen kleinen, in der Glasmachern sogenannten Cylinder (paraison), d.h. die Vorbereitung zu einem zu verfertigenden Gegenstand,
                              ein kleines cylindrisches Hohlglas, sage ich, von etwas kleinerm Durchmesser, als
                              der leere Raum, welchen die Stäbchen in der Form zwischen sich lassen, erhizt den
                              Glascylinder stark, bringt ihn in das Innere der Form und bläst derart, daß er gegen
                              die Stäbchen gedrükt wird; diese hängen sich sogleich dem Cylinder äußerlich an, so
                              daß, wenn man die Pfeife, unter Zurükhalten der Form, in die Höhe hebt, der Cylinder
                              alle Stäbchen mit herauszieht; man erhizt nun das Ganze von Neuem, um Alles in
                              vollkommenen Zusammenhang zu bringen und die Stäbchen zu erweichen, marbelt sodann, d.h. rollt alles
                              auf einer polirten Gußeisenplatte hin und her, erhizt noch einmal, bläst ein wenig
                              und schneidet endlich mit dem Eisen (einer Art Zange, Schere) etwas über dem Boden ab, so daß die
                              Stäbchen sich in einem Mittelpunkt vereinigen; man erhält auf diese Weise eine
                              Masse, die man wie ein gewöhnliches Hohlglas bearbeitet und der man durch die beim
                              Glasblasen gewöhnlichen Mittel eine beliebige Gestalt gibt. Durch das Marbeln und Blasen werden die Stäbchen äußerlich und
                              innerlich abgeplattet, was auf den Filigran-Zeichnungen die Wirkungen
                              hervorbringt, deren wir beim Detail der Stäbchen erwähnen werden. Gibt man dem
                              Cylinder gar keine drehende Bewegung, so bleiben die Zeichnungen in der Richtung der
                              Länge, wie die Stäbchen und in derselben Ebene mit der Achse des Gegenstandes; wenn
                              man aber, nachdem man die Stäbchen anhangend gemacht, der Pfeife eine rotirende
                              Bewegung um sich selbst mittheilt, dabei das untere Ende der Stäbchen mit dem Eisen
                              haltend, so bringt man dadurch eine Torsion hervor, welche den Stäbchen eine
                              spiralförmige Richtung gibt, die sie beim Fertigmachen der Gegenstände auf die
                              gewöhnliche Weise beibehalten. Es ist schwieriger, die Stäbchen in ihrer
                              anfänglichen Stellung in gleicher Ebene mit der Achse des Gegenstandes zu erhalten;
                              dazu muß der Arbeiter eine sehr leichte Hand haben, um beim Formen seines
                              Gegenstandes demselben, namentlich wenn er sich erweitert, keine schwache drehende
                              Bewegung in der Nähe des Hefteisens mitzutheilen.
                           Nach der Beschreibung des Verfahrens, die Filigrangegenstände zu fabriciren, wenn man
                              einmal die Stäbchen, aus welchen sie bestehen, vorräthig hat, will ich nun die
                              Verfertigung der lezteren auseinandersezen. Die Grundlage aller ist ein einfacher,
                              mit durchsichtigem Glase umhüllter Faden; wir nehmen vor der Hand nur weiße
                              undurchsichtige Fäden an. Die schönsten Arbeiten der Venetianer wurden beinahe nur
                              mit solchen Fäden gemacht; sie kannten wohl die gefärbten Gläser, bedienten sich
                              aber ihrer nur selten zu solchen Arbeiten; sie dachten mit Recht, daß das Verdienst
                              dieser Gegenstände in der Leichtigkeit und Reinheit der Fäden, in der graziösen Form
                              liege, und daß das Einbringen einer Farbe meistens nur einen schlechten Geschmak
                              beurkunde.
                           Um einfache Fäden zu verfertigen, bereitet der Glasmacher weißes undurchsichtiges
                              Glas mittelst Zinn oder Arsenik (das Zinnglas gibt schönere Fäden, ein reiner
                              ausgezogenes Haar, als das Arsenikglas). Der Glasmacher nimmt mit dem Ende seiner
                              Pfeife ungefähr 200 Gramme undurchsichtigen Glases aus dem Hafen, marbelt (rollt) dieses Glas, um ihm eine cylindrische
                              Form von etwa 6 bis 8 Centimeter Länge zu geben, läßt es etwas erkalten, taucht dann
                              diesen kleinen Cylinder
                              in eben schmelzendes, weißes durchsichtiges Glas, um ihm eine ungefähr 5 Millimeter
                              dike Hülle zu geben, marbelt neuerdings, um das durchsichtige Glas um das
                              undurchsichtige herum gleich zu machen, erhizt es dann stark, und zieht, an dem der
                              Pfeife entgegengesezten Ende ein mit heißem Glas versehenes Hefteisen ansezend,
                              dieses Säulchen gleich einer Röhre aus, bis es den gewünschten Durchmesser von etwa
                              4 bis 6 Millimetern hat, und theilt endlich diese ausgezogenen Glasstäbchen in
                              gleiche Theile; er muß je nach den Gegenständen, die er verfertigen will, solche von
                              verschiedenen Längen haben; gewöhnlich sind sie 8 bis 15 Centimeter lang.
                           Außer diesen Stäbchen mit einfachen Fäden muß sich der Glasmacher auch mit ähnlichen
                              von durchsichtigem Glase versehen und ist dann im Stande, alle Arten
                              zusammengesezter Stäbchen zu machen.
                           1) Um Stäbchen mit Fäden in gedrängten Spirallinien zu erhalten, welche durch ihre
                              Abplattung Neze mit gleichen Maschen geben, stellt man in eine metallene oder irdene
                              Form (ähnlich der oben erwähnten) abwechselnd Stäbchen mit einfachen Fäden und
                              Stäbchen aus durchsichtigem Glase, dann nimmt der Glasmacher mit dem Ende seiner
                              Pfeife durchsichtiges Glas, von welchem er einen massiven Cylinder bildet, der in
                              die mit den kleinen Stäbchen ausgelegte Form hineingeht, welche vorher etwas unter
                              die Rothglühhize erhizt wird. Er erhizt diesen Cylinder stark und bringt ihn dann in
                              die Form, wo er ihn in der Art einstößt, daß er gegen die Stäbchen drükt, welche so
                              sich dem durchsichtigen Glase anhängen; er hebt nun die Pfeife aus, die Form
                              zurükhaltend und zieht auf diese Weise die Stäbchen sammt dem Cylinder heraus; er
                              erhizt noch einmal und marbelt, um die Adhärenz noch zu vergrößern; endlich erhizt
                              er das Ende des Cylinders, schneidet zuvörderst dieses Ende mit seiner Schere ab,
                              erhizt es neuerdings, faßt es mit seiner Zange oder Schere und zieht es mit der
                              Rechten in die Länge, während er mit der Linken seine Pfeife auf der Scheibe seines
                              Arbeitsstuhls schnell umdrehen läßt. Während das Ende der Säule sich in die Länge
                              zieht, winden sich die Fäden spiralförmig um sie herum; hat der Arbeiter ein
                              Stäbchen auf die gewünschte Länge ausgezogen, von etwa 6 Millimetern Durchmesser, so
                              zwikt er mit der Zange ab, erhizt das Ende der Säule von Neuem und schreitet so,
                              indem er es faßt und unter schnellem Umdrehen der Pfeife auszieht, zur Erzeugung
                              eines neuen Stäbchens und so fort, bis die ganze Säule ausgezogen ist.
                           2) Um Stäbchen zu verfertigen, welche durch ihre Abplattung quadrillirte Gewebe
                              bilden, bringt man in eine Form, welche an beiden Enden gleichen Durchmesser hat, 3
                              oder 4 Stäbchen mit einfachen Fäden, abwechselnd mit Stäbchen von durchsichtigem
                              Glase; beschikt hierauf
                              den übrigen innern Raum der Form mit durchsichtigen Stäbchen, um die Fadenstäbchen
                              in ihrer Stellung zu erhalten und verfährt dann weiter wie bei den vorhergehenden
                              Stäbchen.
                           3) Um Stäbchen zu erhalten, welche durch ihre Abplattung Paternosterkügelchen geben,
                              bläst man einen kleinen Cylinder, dessen der Pfeife entgegengeseztes Ende man
                              öffnet; macht diesen offenen Cylinder flach, bis nur noch die Stäbchen hindurchgehen
                              und bringt in diese Kapsel 4, 5 oder 6 einfache Fadenstäbchen mit einfachen Fäden,
                              abwechselnd mit Stäbchen von durchsichtigem Glas; man erhizt, verschließt das der
                              Pfeife entgegengesezte Ende, dann drükt der Arbeiter auf das Fläche Hohlglas,
                              während ein Gehülfe die Luft aus der Pfeife zieht, so daß sie auch aus dem Hohlglas
                              entfernt wird, wodurch eine Fläche volle Masse entsteht, in welcher die Stäbchen
                              steken. Der Arbeiter bringt nun nacheinander auf jeden platten Theil dieses Stüks
                              eine kleine Masse erwärmten durchsichtigen Glases und marbelt (rollt), um die Masse
                              zu einem Cylinder zu formen; er erhält dadurch eine kleine Säule, in deren Innerem
                              die undurchsichtigen Stäbchen aneinander gereiht sind; er verfährt hierauf, wie bei
                              den vorausgehenden Stäbchen, mit Erhizen und Ausziehen des Endes, während er die
                              Pfeife schnell auf dem Arbeitsstuhl rollt. Durch diese Torsionsbewegung präsentirt
                              sich die Linie der Stäbchen abwechselnd von der Seite und in Profil und gibt so
                              Paternosterkügelchen.
                           4) Oft verbindet man diese Kügelchen mit den Quadrillen der vorhergehenden Stäbchen,
                              wobei man sich zum Einführen in die für die quadrillirten Stäbchen bereitete Form
                              des für die Paternosterkügelchen bereiteten Cylinders bedient. Uebrigens führen die
                              eben angegebenen Combinationen noch auf eine Menge anderer, die der Arbeiter
                              ausführen kann.
                           5) Manchmal bringt man im Centrum eines der Stäbchen einen im Zikzak laufenden
                              gewöhnlich gefärbten Faden an: zu diesem Behufe bereitet man einen ersten massiven
                              Cylinder aus durchsichtigem Glas, vom halben Durchmesser des auszuziehenden, macht
                              parallel mit der Kante dieses Cylinders ein kleines gefärbtes Stäbchen anhangen;
                              überzieht das Ganze mit einer neuen Schicht durchsichtigen Glases, um einen Cylinder
                              von der erforderlichen Größe zu erhalten, daß er in die Form der Fadenstäbchen
                              hineingehe. Da die kleine gefärbte Säule sich nicht im Centrum des Cylinders
                              befindet, so wird sie sich beim Ausziehen und der Torsion spiralförmig um die Mitte
                              herumwinden und durch die Abplattung ein Zikzak geben.
                           Unter den venetianischen Glasgegenständen, vielleicht den schönsten, gibt es solche,
                              die ein Nez von einfachen Fäden mit gleichen Maschen darstellen, wovon jede eine Luftblase einschließt;
                              diese Art ist am schwierigsten zu verfertigen. Man bringt sie zu Stande, wenn man
                              zuerst einen Cylinder mit einfachen gedrehten Fäden anfertigt, dann einen zweiten
                              mit einfachen, in entgegengesezter Richtung gedrehten; man öffnet den einen dieser
                              Cylinder und bringt den andern so hinein, daß sie einander anhangen; die Fäden
                              kreuzen sich dann und geben Maschen, welche, wenn die Cylinder gut verfertigt
                              wurden, gleich sind. Ist das undurchsichtige Glas hart, so erhält sich beim Blasen
                              des Cylinders die durch die Säulen hervorgebrachte Cannelirung bis zu einem gewissen
                              Grade; da sich die in umgekehrter Richtung gedrehten Cannelirungen beim Einfielen
                              des einen Cylinders in den andern kreuzen, so bleibt nach der Vereinigung der beiden
                              Cylinder in jeder Masche eine Luftblase eingesperrt; man vollendet nun den
                              Gegenstand je nach der Form, die er erhalten soll, auf gewöhnliche Weise.
                           Außer den Filigrangläsern machten die Venetianer auch Versuche mit den von mir so
                              genannten Mosaiken, welche unter dem Namen Millefiori bekannt sind; doch blieben sie in dieser Beziehung weit hinter
                              dem Alterthum zurük. Auf folgende Weise werden diese Gläser gemacht.
                           Die Bestandtheile sind statt Stäbchen, Stükchen von solchen, deren Querschnitt Sterne
                              oder andere symmetrische, aus mehreren Farben zusammengesezte Figuren darstellt; der
                              Glasmacher bildet z.B. am Ende seiner Pfeife einen kleinen massiven Cylinder aus
                              rothem Glas, um welchen herum er fünf oder sechs Aushübe von türkisblauem Glas
                              auflegt, die er mittelst seiner Zange zu dreikantig prismatischen Flügeln formt,
                              deren Basis auf dem rothen Cylinder aufsizt; dann füllt er die Zwischenräume
                              zwischen diesen Flügeln mit einem Glas von anderer Farbe, undurchsichtig weißem oder
                              gelbem, aus; er marbelt (rollt) und umgibt das Ganze mit einer Schicht von einer
                              durchsichtigen, etwa hell violetter Farbe. Er kann sodann diese Säule in eine innen
                              mit Stäbchen von einer andern Farbe oder undurchsichtig weißen belegte Form fielen,
                              wodurch ein Kreis von weißen Perlen entsteht; zulezt, wenn er seine Säule nach
                              Belieben zusammengesezt hat, erhizt er sie stark und zieht sie zur Dike von 10 bis
                              15 Millimetern aus. Diese ersten Stäbchen dienen zum Belegen einer Form, in welche
                              man eine aus denselben Bestandtheilen und einer neuen Farbenzusammenstellung
                              gebildete Säule bringt und man zieht nachher das Ganze auf 10–15 Millimeter
                              Dike aus. Man zerschneidet hierauf die Säulchen in ungefähr 1 Centimeter lange
                              Stükchen, aus welchen leztern die Mosaikgegenstände oder Millefiori zusammengesezt werden. Man belegt zu
                              diesem Behufe das Innere einer Form mit solchen Stükchen, erhizt sie bis zum Braunrothglühen, bläst
                              hierauf ein Hohlglas, welchem man ungefähr die Gestalt der Form gibt, erhizt es und
                              stekt es in die Form, so daß sich die Stükchen an das Hohlglas anlegen; man erhizt
                              neuerdings, bläst, marbelt und fährt fort wie gewöhnlich. Besser noch ist es, ein
                              Hohlglas zu verfertigen, dessen Boden man innerlich wieder gegen die Pfeife
                              zurükgehen läßt, so daß es, von der Pfeife abgenommen, eine aus zwei concentrischen
                              Wänden bestehende kreisrunde Oeffnung hat; man läßt es abkühlen, bringt zwischen
                              seine Wände Stükchen von Stäbchen, um den ganzen leeren Raum möglichst damit
                              auszufüllen, erhizt das Hohlglas allmählich wieder und bereitet eine Pfeife vor,
                              deren Ende mit einer erhizten Glasscheibe umgeben wird, die aber das Loch der Pfeife
                              nicht verstopft, legt diese Scheibe aus den obern Rand des Hohlglases auf und saugt
                              mittelst der Pfeife die zwischen den Glasstükchen und den Wänden des Hohlglases
                              eingeschlossene Luft aus; endlich nimmt man eine andere, eben so hergerichtete
                              Pfeife und legt sie an die entgegengesezte Seite des Hohlglases, welches man von der
                              ersten Pfeife losmacht; das Innere des zurükgezogenen Bodens bildet alsdann das
                              Innere des Hohlglases, welches mittelst der zweiten Pfeife geblasen wird und dem man
                              auf die gewöhnliche Weise die gewünschte Form gibt.
                           Wir sagten oben, daß bei der Verfertigung der Filigrangläser und Millefiori die
                              Hohlgläser oder Cylinder, wenn sie einmal auf den gehörigen Punkt gebracht sind,
                              durch die gewöhnlichen Verfahrungsweisen vollendet werden. Unter diesen Methoden muß
                              ich eine angeben, deren Anwendung sich kaum von 5 bis 6 Jahren her datirt und bei
                              uns (in Frankreich) erst seit 2 bis 3 Jahren eingeführt ist; ich meine das Formen
                              mittelst Holzes. Es handelt sich hier nämlich nicht von der Formung, mittelst
                              welcher man auf der äußern Fläche des Gegenstandes Reliefzeichnungen erhält, sondern
                              von der die Gestalt gebenden Formung. Bis in die neueste Zeit gab der Arbeiter dem
                              Gegenstand seine Gestalt mittelst seiner Eisen mit Eisen- und Holzklingen,
                              mit welchen er auf den Gegenstand drükte, der an dem Ende der Pfeife oder des
                              Hefteisens haftete, und den der Arbeiter auf dem Arbeitsstuhl drehen ließ; die
                              Richtigkeit der Gestalt hing so von der Geschiklichkeit des Arbeiters ab. Die
                              böhmischen Glasfabrikanten verfahren nicht so; bei ihnen wird jedem Gegenstand, dem
                              Trinkglase, der Flasche, Vase etc. seine Gestalt mittelst einer hölzernen Form
                              gegeben, die aus zwei ähnlichen Theilen besteht, welche sich scharnierartig öffnen
                              und innerlich genau die Form des Gegenstandes besizen, welcher verfertigt werden
                              soll; der Arbeiter macht sein Hohlglas, und wenn es die gehörige Gestalt und Größe
                              hat, erhizt er es stark und bringt es in die Form. Der Junge verschließt diese Form
                              mittelst der zwei daran befindlichen Handheben, der Arbeiter bläst und ertheilt
                              dabei der Pfeife eine rotirende Bewegung um sich selbst, damit die
                              Vereinigungsränder der Form auf dem Glasgegenstand keine Spuren zurüklassen; nach
                              einigen Augenbliken öffnet der Junge die Form und der Arbeiter nimmt den Gegenstand,
                              welcher auf diese Weise seine Gestalt erhalten hat, heraus; er braucht dann nur mehr
                              mit dem Hefteisen behandelt zu werden, um die obere Oeffnung zu vollenden. Die
                              böhmischen Arbeiter geben sich nicht einmal diese Mühe; die Form gibt die Gestalt
                              bis zum äußersten Theil; man macht den Gegenstand, wenn er aus der Form kömmt, von
                              der Pfeife los, bringt ihn in den Kühlofen und beim Herausnehmen aus diesem wird er
                              an dem Schneiderad zur gewünschten Höhe abgeschnitten. So oft ein Stük geformt ist,
                              wird die hölzerne Form in Wasser getaucht, damit sie nicht verbrennt und so kann sie
                              zum Formen von vierzig bis fünfzig Stüken dienen, ohne daß die Durchmesser sich
                              merklich erweitern.
                           Dieses ist das Verfahren der böhmischen Glasfabrikanten, bei welchen es schon so alt
                              ist, als die Glasmachern selbst in diesem lande, die übrigens in vielen Stüken
                              hinter der französischen zurük ist. Durch die Anwendung hölzerner Formen fallen die
                              Formen der Gegenstände viel reiner aus als auf die alte Weise; eigentlich drüke ich
                              mich schlecht aus, wenn ich sage: reiner, indem leider im
                              Handel wenig empfehlenswerthe Formen vorkommen; noch nie hätte die Industrie das
                              Zuhülfekommen der Kunst nöthiger bedurft; ich will aber damit sagen, daß man
                              regelmäßigere, dem gegebenen Modell genau entsprechende Gegenstände damit bekömmt;
                              man erhält auf diese Weise sogar gewisse Details, welche man nach der alten
                              Verfahrungsweise niemals bekommen hätte. Dieses System zu formen, wurde (in
                              Frankreich) zuerst in der Krystallwaarenfabrik zu Baccarat eingeführt, wo es
                              bedeutend verbessert wurde.
                           Die Filigrangläser betreffend, so wurde die Fabrication derselben in Frankreich in
                              der Glasfabrik zu Choisy-le-Roi unter meiner Leitung wieder angefangen
                              und durchgeführt. Ein Glasmacher, welcher im Besiz eines kleinen Ofens für
                              Flaconswaaren war, lernte das Verfahren von meinen Arbeitern und nahm in
                              Gemeinschaft mit einem Pariser Krystallwaarenhändler ein Patent auf
                              Filigranglaswaaren, die er im Kleinen verfertigte. Derselbe trat später in Dienste
                              hei Hrn. Nocus, Emailfabrikant
                              zu Saint-Mande, welcher dieses Geschäft bald sehr im Großen betrieb und
                              Filigrangläser verfertigte, die zwar nicht so schön sind wie die alten
                              venetianischen, nicht so leicht und nett, keine solche Regelmäßigkeit der Fäden und
                              solche Formen besizen, aber besser sind, als die gegenwärtig in Venedig
                              verfertigten. Seit einiger Zeit befaßt sich auch die Krystallwaarenfabrik zu Saint-Louis
                              mit der Fabrication von Filigranglas; sie erzeugt viele Gegenstände mit vielfärbigen
                              breiten Stäbchen von hübschem Ansehen und betreibt diesen Industriezweig so wie die
                              Verfertigung von eingeschnittenen oder gravirten Gläsern mit dreifacher
                              Farbenschicht mit viel Geschiklichkeit.
                           Hin sichtlich der gefärbten Gläser will ich einige ihre Färbung durch Metalloxyde
                              betreffende Eigenthümlichkeiten mittheilen, welche Vielen neu seyn werden:
                           
                        
                           1) Manganoxyd (Braunstein).
                           Bekanntlich färbt das Manganoxyd das Glas violett; diese Eigenschaft wurde von jeher
                              benüzt, um die bläulich- oder gelblichgrüne Farbe, welche das gewöhnliche
                              weiße Glas oder Krystallglas oft annimmt, zu verbessern; einige Gramme Manganoxyd,
                              100 Kilogr. Glas oder Krystall zugesezt, geben einen schwachen violetten Ton,
                              welcher angenehmer ist, als der grünliche. Den Glasmachern ist es bekannt, daß diese
                              violette Färbung etwas stärker gegeben werden muß, weil sie nachläßt, wenn das Glas
                              in den Kühlofen kömmt. Ist zu viel Manganoxyd vorhanden, so wird seine Wirkung durch
                              ein kleines Stükchen arseniger Säure, welches man in den Glashafen wirft, aufgehoben
                              – ein Vortheil, den die Glasmacher wohl kennen. Dieses als bekannt
                              vorausgesezt, kommt unter dem Mennig, welchen man zur Fabrication des Krystalls
                              anwendet, manchmal solcher vor, welcher Kupfer oder Silber enthält, zwar in sehr
                              geringer Menge, die aber doch hinreicht, um dem Glas einen unangenehmen Ton zu
                              geben; andere, seltener vorkommende Mennigsorten enthalten Mangan und solche
                              ertheilen dem Krystall einen schwach violetten Ton; in diesem Fall aber ist das
                              Mangan in einer solchen Verbindung, daß weder die Hize des Kühlofens, noch sogar der
                              Arsenik, ausgenommen in großer Quantität, diese Färbung schwächen. Die
                              manganhaltigen Mennigsorten sind bei den Krystallfabrikanten sehr beliebt, weil sie
                              ein verlässigerer Besserungszusaz sind, als das für sich angewandte Mangan; solche
                              Mennige werden mit andern, reinen oder schädliche Oxyde enthaltenden Mennigsorten
                              vermengt.
                           Ferner mache ich noch darauf aufmerksam daß, wenn das Mangan (Braunstein) in kleiner
                              Quantität weißem Glas zugesezt wird, die Zeit, gewisse atmosphärische Einflüsse,
                              vorzüglich aber andauerndes Ausgeseztseyn einer etwas hohen Temperatur, das ganze
                              Färbungsvermögen gegen eine der Oberflächen hinziehen, welche folglich sehr dunkel
                              gefärbt wird; auf diese Weise wurden böhmische Fensterscheiben, nachdem sie lange
                              der Luft, insbesondere aber der Sonne ausgesezt waren, violett gefärbt. Ich besize Stüke von
                              Krystallglas, in dessen Zusammensezung Manganoxyd eingegangen war, welche, nachdem
                              sie eine Zeit lang in Winkeln des Kühlofens liegen geblieben waren, innerlich, in
                              Folge einer anfangenden Entglasung, undurchsichtig weiß, auf einer der Oberflächen
                              aber dunkelviolett wurden.
                           
                        
                           2) Mangan- und
                                 Kobaltoxyd.
                           Da das Manganoxyd dem Glas eine violette, das Kobaltoxyd aber eine blaue Farbe
                              ertheilt, so sollte man glauben daß, wenn unter gewöhnlichen Umständen einem
                              Glas- oder Krystallsaz eine gewisse Menge dieser Oxyde zugesezt wird, man
                              eine zwischen Violett und Blau die Mitte haltende Farbe, nämlich eine je nach den
                              Quantitäten mehr oder weniger blaue oder violette Indigofarbe erhalten müßte. Dem
                              ist aber nicht so; es wird in diesem Fall die Wirkung des Manganoxyds vernichtet und
                              das Glas bleibt blau, gleichviel ob nun Kobaltoxyd, Zaffer oder Smalte angewandt
                              wurde. Läßt man ein Gemenge von blauen und violetten Bruchglasstüken schmelzen, so
                              wird die Mischung, statt die Eigenschaften beider Bestandtheile in sich zu
                              vereinigen, blau von Farbe. Es gibt Manganerze, welche auch Kobalt enthalten
                              – ein solches kommt in Savoyen vor – in diesem Fall geben die beiden
                              Oxyde folglich ein indigoblaues Product. Man kann zur Erzeugung des indigofarbigen
                              oder violetten Glases Kobalt in Verbindung mit Mangan anwenden; allein man muß dann
                              eine starke Portion salpetersauren Kali's (Salpeters) zum Saz nehmen, z.B. die
                              Hälfte des angewandten Alkali's durch einen gleichen Theil Salpeter ersezen.
                           
                        
                           3) Mangan- und
                                 Eisenoxyd.
                           Eisenoxyd, dem Glassaze zugesezt, gibt eine bouteillengrüne Farbe; mit Manganoxyd
                              vermengt ertheilt es dem Glase die Farbe nicht, welche aus der Vermischung der
                              violetten mit der bouteillengrünen Farbe auf der Palette resultiren würde; sezt man
                              einem Saz zur hervorbringung eines sehr dunkeln Violetts einige Kilogramme Eisenoxyd
                              zu, so erhält man Braunviolett; vermehrt man allmählich die Quantität des
                              Eisenoxyds, so wird das Glas noch brauner, dann zwiebelschalenbraun, endlich sehr
                              schön gelb; man färbt sogar auf diese Weise das Glas, welches in feine Fäden
                              ausgezogen wird, um das Gold in den Glasgeweben nachzuahmen. Doch erhält man so
                              niemals ein Glas von so reiner, glänzend gelber Farbe, wie durch Anwendung eines
                              Silberoxyds oder Silbersalzes.
                           
                        
                           
                           4) Silberoxyd.
                           Das Silber ist das einzige Metall, dessen Oxyd das Glas ohne Beisaz eines Flußmittels
                              färbt und zwar um so intensiver, je besser die Zusammensezung des Glases ist. Da das
                              Silber sehr kräftig wirkt, zertheilt man es durch Vermengen seines Oxyds mit einem
                              Medium, z.B. feingeriebenem Thon oder Eisenoxyd,
                              bereitet aus diesem Gemenge einen klaren Brei, breitet diesen gleichförmig auf der
                              Oberfläche einer Glastafel oder anderen Glas- oder Krystallstüken aus und
                              bringt sie in die Muffel; beim Herausnehmen aus der, selben bürstet man die
                              durchsichtig gelb gefärbte Glastafel oder die Krystall- oder Glasstüke ab und
                              sammelt das beim Bürsten abfallende Pulver sorgfältig, weil es noch große färbende
                              Kraft besizt. Das Silberoxyd färbt das Glas so gern gelb, daß diese Wirkung sogar in
                              der Kälte stattfinden kann. Ich besize einen Pokal, in welchen lange Zeit die
                              Ueberbleibsel der Farbe gebracht wurden, die man zum Färben von Fensterglas benuzte;
                              dieser Pokal nahm zulezt eine sehr deutliche gelbe Farbe an.
                           
                        
                           5) Färbung durch Gold.
                           Bekanntlich bringt der Cassius'sche Purpur in kleiner Menge einem weißen Glas-
                              oder Krystallsaz zugesezt, eine rosenrothe Färbung hervor, welche, je nach der
                              Quantität, sich bis in schönes Rubinroth erstrekt; nicht allgemein bekannt aber ist,
                              daß man durch das erste Schmelzen damit nur ein weißes, lichtgelb gefärbtes Glas
                              erhält; wird aber dieses Glas abgekühlt und von Neuem erhizt, so sieht man die
                              rosenrothe oder rothe Farbe sich in dem Grad entwikeln, als die Hize das Glas
                              durchdringt.Diese, schon von Hrn. Golfier-Beysseire beobachtete Thatsache fühlt auch
                                    Prof. Schubart in
                                    seiner Abhandlung über rothes und blaues Glas (polytechnisches Journal Bd. XCIV S. 232) an.
                              
                           Auch die opalisirenden Gläser sind durchsichtig, wenn sie aus dem Hafen kommen und
                              opalisiren erst, nachdem sie abgekühlt und wieder erhizt wurden; je öfter dieser
                              Temperaturwechsel wiederholt wird, desto undurchsichtiger werden sie.
                           Nach dieser Abschweifung über einige Farbstoffe muß ich sagen, daß die gefärbten
                              Gläser oder Krystalle zum Verzweifeln bei uns überhand nehmen. Schon scheinen in den
                              Läden die weißen Krystallgläser bei weitem die Minderzahl zu bilden; es kömmt
                              vielleicht eine Zeit, wo kaum eines zu finden seyn wird; dann wird ein Mann von
                              Geschmak wieder weiße durchsichtige Krystallgläser von schönem Wasser erfinden, sie
                              schneiden lassen, Garnituren für Cheminées, Dessert-Services, mit
                              erhabenen, galvanisch vergoldeten Verzierungen verfertigen, und man wird dieses
                              Krystall um vieles schöner finden als das gefärbte; denn das weiße Glas oder der
                              weiße Krystall ist offenbar die Vervollkommnung der Kunst des Glasmachers; um der
                              Erzeugung dieses Glases willen mußte er alle Körper reinigen, den Schmelzungsproceß
                              vervollkommnen und dazu die Fortschritte der Chemie und Physik zu Hülfe nehmen; nur
                              in dieser Fabrication haben wir das Alterthum und das Mittelalter übertroffen. Die
                              Verbesserung des weißen Glases und Krystalls führte zu ihrer Anwendung in der Optik,
                              hatte schon so viele Entdekungen zur Folge und verspricht deren noch mehr.
                           Flintglas und Kronglas. – Die Erfindung der
                              achromatischen Fernröhren ist unstreitig eine der wichtigsten, die für die
                              Fortschritte der Astronomie gemacht wurden. Es kann nicht in meiner Absicht liegen,
                              die Geschichte dieser Erfindung darzulegen, die von Euler
                              schon geahnt und von John Dollond, einem berühmten
                              Optiker zu London, gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts realisirt wurde. Ich
                              beschränke mich darauf zu bemerken, daß diese Erfindung im vorigen Jahrhundert kaum
                              irgendwo anders hätte gemacht werden können, als in England, weil in diesem Lande
                              allein das Krystallglas mit Bleibasis verfertigt wurde, dessen Dichtigkeit größer
                              ist als die des Alkaliglases. Die englischen Glasmacher, welche in ihren
                              Steinkohlenöfen kein so weißes Glas zuwege brachten, wie die französischen und
                              böhmischen Glasfabrikanten, welche Holz brannten, kamen auf den Gedanken, ihr Glas
                              in bedekten Häfen, einer Art großer Retorten zu schmelzen, wobei der Rauch des
                              Brennmaterials zu der Glasmasse durchaus keinen Zutritt hatte; da aber auf diese
                              Weise die Masse auf keine so hohe Temperatur gebracht werden konnte, als in den
                              gewöhnlichen Häfen, auf welche der Ofen die Wärme unmittelbar zurükstrahlt, so
                              fingen die Engländer an die Quantität des Alkali's zu vermehren und so ein Glas von
                              geringerer Güte zu erzeugen, welches auflöslicher und minder weiß ist; nun sezten
                              sie ein metallisches Flußmittel, Bleioxyd zu, dessen man sich schon zur Bereitung
                              gewisser Emails bedient hatte, das aber nicht regelmäßig zur Fabrication des
                              gewöhnlichen Glases angewandt wurde. Man erhielt so ein weißeres, vorzüglich aber
                              glänzenderes Glas, als alles was bis dahin erzeugt worden war, und es schmolz
                              schneller. Nach diesen Resultaten wurde in England die Anwendung des Mennigs zur
                              Fabrication des zum Tischgebrauch bestimmten weißen Glases nicht mehr
                              aufgegeben.
                           Das Glas aller Sorten unterlag vermöge alter Steuergeseze einer sich nach dem Gewicht
                              regulirenden Abgabe; in den Fabriken functionirenden Steuerbeamte eichten die Glashäfen zuerst
                              vor dem Einsezen derselben in die Oefen, dann nach dem Schmelzen. Die Abgabe wurde
                              provisorisch von der Hälfte der geschmolzenen Quantität als Minimum erhoben; dann
                              wurde das Glas fabricirt, in den Kühlofen gebracht, dessen äußerster Raum sich unter
                              Schlüssel der Steuerbeamten befand; wenn zu arbeiten aufgehört wurde, sezten diese
                              Beamten an die Oeffnung des Kühlofens ein Gitter, welches sie mit Schlüssel
                              versperrten und sogar noch ein Amtssiegel daran legten; wenn zulezt das Glas in der
                              Kühlkammer angelangt war, öffnete der Beamte die Thüre und erlaubte dem Fabrikanten
                              hineinzugehen; die Waare wurde gewogen; kam sie der Hälfte des Gewichts der
                              geschmolzenen Masse nicht gleich, so zahlte der Fabrikant die Abgabe von dieser
                              Hälfte; betrug sie aber, wie dieß in der Regel der Fall war, mehr als die Hälfte
                              dieses Gewichts, so wurde die Abgabe von dem ganzen Product erhoben.
                           Die verschiedenen Fabricationsverfahren waren gesezlich bestimmt und es durfte ohne
                              ministerielle Genehmigung nichts daran geändert werden; dieß war z.B. der Fall, als
                              ich vor zwölf Jahren die Fabrication des in Cylindern geblasenen Fensterglases in
                              England einführte. Bis dahin verfertigte man daselbst nur Fensterglas in runden
                              Tafeln, welches eine glattere Oberfläche hat als unser Cylinderglas, durch dessen
                              Strekung die Oberfläche eine Veränderung erleidet; allein es lassen sich keine sehr
                              großen Scheiben davon erhalten; andererseits geben die Mitte und der Rand einen
                              Abgang, welcher bei Glas, das eine Abgabe nach dem Gewicht zahlt, wohl in Betracht
                              zu ziehen ist. Bei dem Fensterglas in Cylindern mußte nun der Steuerbeamte beim
                              Blasen zugegen seyn, weil die Cylinder nicht unmittelbar in den Kühlofen kommen, und
                              er wog diese Cylinder vor und nach dem Streken; es mußte der Steuerdirection eine
                              Beschreibung des Verfahrens mitgetheilt werden, um die Erlaubniß, das Glas auf diese
                              Weise zu fabriciren, zu erwirken. Das Flintglas oder Krystall zahlte ehedem 7 Pence
                              per Pfd., ungefähr 1 Frc. 50 Cent. per Kilogramm; diese Abgabe wurde später reducirt auf 3
                              Pence, ungefähr 65 Cent. per Kilogr.; das Fensterglas
                              und die Uhrensturzgläser zahlten noch kürzlich 8 Pence per Pfd., – 1 Frc., 75 Cent. per
                              Kilogr., was ungefähr 8 Frcs. für den Quadratmeter ausmacht, also mehr als das
                              Dreifache von dem, wie wir (in Frankreich) sie verkaufen. So hohe Abgaben mußten
                              natürlich die Consumtion verringern; man glaubt vielleicht, daß die englischen
                              Fabrikanten unter dieser Abgabe seufzten; im Gegentheil, sie sezte sie vielmehr in
                              den Besiz einer Art Monopol, welches bedeutenden Nuzen abwarf, weil diese
                              Fabrication große Capitalien erforderte. Ich kenne einen Glasfabrikanten, welcher
                              mehr als eine Million Franken Abgabe zahlte. Sir Robert Peel hat vor kurzem in Uebereinstimmung mit dem Parlament diese Steuer
                              abgeschafft. Die Glasfabrikanten sind darüber sehr bestürzt, weil zu gleicher Zeit
                              der Einfuhrzoll für fremdes Glas auf 12 Proc. reducirt wurde; sie sagen Frankreich,
                              Deutschland, Belgien werden nun ihren Markt überschwemmen und es sey jezt um die
                              englischen Glasfabriken geschehen. So denkt aber Sir Robert Peel nicht; die Ansicht dieses großen Staatsmanns ist, daß die
                              Glasfabrikanten, von den ihren Industriezweig hemmenden Fesseln befreit, große
                              Fortschritte machen, neue Concurrenten sich der Glasfabrication zuwenden werden und
                              daß, wenn auch auf eine kurze Zeit die ausländischen Glasfabriken sich ihres Handels
                              bemächtigen, die englischen Glasfabrikanten durch ihre niedern Preise die
                              französischen, belgischen und deutschen Waaren nicht nur von ihrem reichlich mit
                              Vorräthen versehenen Markt, sondern auch von den fremden Märkten bald verdrängen
                              werden.Diese Meinung theilen auch die Redacteure mehrerer englischen Journale und
                                    glauben daß der niedere Preis die Consumtion steigern werde. Schon hat die
                                    Warrington'sche Glasbouteillenfabrik ihre
                                    Preise fast um die Hälfte heruntergesezt. Die von Sanct-Helena,
                                    Grafschaft Lancaster, die ausschließlich Tafelglas und Kronglas fabricirt,
                                    hat ebenfalls ihre Preise erniedrigt, jedoch in geringerm Verhältnis wegen
                                    der Kosten der Maschinen und des Arbeitslohns für Schleifen und Zurichten
                                    der Glasplatten; leztere könnten, wie man hofft, bald sehr vortheilhaft die
                                    in England gebräuchlichen so mangelhaften Fensterscheiben ersezen.(Redaction des Bulletin de la Soc.
                                       d'Enc.) Diese Maaßregeln des englischen Ministers sollten daher die Glasfabrikanten
                              auf dem Continent wohl beherzigen, um sich zu einem noch ernstern Kampf
                              vorzubereiten.
                           Ich komme nun auf die optischen Gläser zurük: durch Verbindung des Krystallglases
                              also, d.h. des in England Flintglas genannten Glases mit
                              Bleibasis, mit der Masse des Tafelglases, welches dort Crownglas genannt wird, erzeugte Dollond die
                              Objective der ersten achromatischen Fernröhren.
                           Dieser ausgezeichnete Optiker sowohl, als die ersten, welche in Frankreich
                              achromatische Fernröhren construirten, sahen, obwohl sie nur kleine Objective
                              machten, die Schwierigkeiten bald ein, sich homogenes Flintglas zu verschaffen,
                              welches frei von Strichen ist, die die Strahlenbrechung stören und die Gegenstände
                              entstellen. Die französische Akademie der Wissenschaften schrieb vergebens einen
                              Preis hierüber aus; Macquer, der berühmte Chemiker, Roux,
                              mit Versuchen in der Fabrik zu Saint-Gaubin beauftragt, Allut, Director einer Spiegelfabrik, Verfasser der Artikel über das Glas
                              in der großen Encyclopédie (das beste noch, was
                              in praktischer Hinsicht über Glas geschrieben wurde) und mehrere andere Glasfabrikanten
                              beschäftigten sich damit ohne Erfolg. In unserer Zeit suchte Hr. Dartigues diese wichtige Aufgabe mit
                              der ihm eigenen Wissenschaftlichkeit und praktischen Geschiklichkeit zu lösen;
                              allein er wollte das Flintglas mittelst der gewöhnlichen
                              Fabrications-Methoden verbessern, ohne eine besondere Schmelzung vorzunehmen;
                              leider wurden durch Biot's der Akademie erstatteten
                              Bericht über das von Dartigues eingereichte Flintglas
                              dessen Arbeiten gutgeheißen; es wurden Fernröhren erwähnt von 42 Linien, als aus
                              diesem Flintglas verfertigt und in ihrer Güte den besten Dollond'schen Fernröhren wenigstens gleichkommend. Hr. Dartigues glaubte hiemit die Aufgabe
                              gelöst zu haben und gab sich weiter keine Mühe mehr damit. Sicherlich hätte ein
                              Glasmacher wie er, wenn er diesen Gegenstand verfolgt hätte, glänzende Resultate
                              erzielt. Kurz, die englischen, französischen und deutschen Optiker hatten
                              fortwährend dieselbe Schwierigkeit, sich gutes Flintglas in etwas bedeutenden
                              Dimensionen zu verschaffen. Einem der Wissenschaft und der Glasmacherei fremden,
                              dafür aber mit jenem Forschungsgeiste und jener Beharrlichkeit, die zu Entdekungen
                              führen, begabten Mann war die Ehre, diese wichtige Aufgabe zu lösen, vorbehalten.
                              Guinand (der Vater), aus Brenets in der Schweiz,
                              dachte, daß es durch ein von der gewöhnlichen Fabrication des Krystallglases
                              verschiedenes Verfahren gelingen müsse, streifenfreies Flintglas zu erhalten und
                              dieß gelang ihm nach sinnreichen und mühevollen Versuchen.
                           Zuvörderst dachte er, daß nach dem gewöhnlichen Verfahren des Aushebens mit der Pfeife nichts zu erzielen sey; daß man in einem einzigen
                              Hafen in einem Ofen schmelzen und das Feuer ausgehen lassen müsse, wenn man das Glas
                              auf dem rechten Grad der Vollkommenheit angelangt glaubt, um dann unter den
                              Bruchstüken dieses wieder erkalteten Glases die reinsten zum optischen Gebrauche
                              auswählen zu können. Guinand, welcher Glasfabriken
                              besuchte, hatte bemerkt, daß man, wenn das Glas anfängt Wellen oder Streifen zu bekommen (est sujet à être ondé,
                                 cordé), ein eisernes Werkzeug hineinbringt und damit umrührt (brasser, technisch mâcler), bis das Eisen so heiß wird, daß man es wieder herausziehen
                              muß; auf diesen Umstand gründete sich das Gelingen seiner Darstellung desselben. Er
                              mußte natürlich versuchen, sein Glas zu wiederholtenmalen mit einem eisernen
                              Werkzeug umzurühren, allein er erhielt Blasen; er dachte daher daß, wenn es ihm
                              gelänge mit einem Instrument umzurühren, welches beliebig lange im Glas gelassen
                              werden kann, ohne Schaden zu leiben, die Aufgabe gelöst sey. Das Resultat dieser
                              Operation ist leicht zu erklären; wenn man in ein Glas zwei Flüssigkeiten von verschiedener
                              Beschaffenheit gießt, z.B. Wasser und Syrup, so nimmt man viele Streifen wahr,
                              welche vollkommen verschwinden, wenn durch Umrühren mit dem Löffel die Flüssigkeit
                              so gemischt wird, daß sie ein gleichförmiges Ganzes bildet. Das Glas im Allgemeinen,
                              vorzüglich aber das Krystallglas, welches aus Bestandtheilen verschiedener Art,
                              kieselsauren Alkalien, Bleisilicaten, welche mehr oder weniger Bleioxyd enthalten,
                              kieselsaurer Thonerde (von den Wänden des Glashafens herrührend), zusammengesezt
                              ist, ist eine solche Flüssigkeit von gemischter Beschaffenheit. Bekanntlich sind,
                              wie es auch aus den Analysen von Dumas hervorgeht, die
                              Gläser und Krystalle Salzverbindungen, welche dem Gesez der bestimmten Proportionen
                              unterworfen sind, und die Kieselerde kann sich mit den Basen in verschiedenen
                              Proportionen verbinden; man würde aber vergebens nach dem Gesez der bestimmten
                              Proportionen Glas darzustellen suchen. Ein Theil des Alkali's würde sich am Anfang
                              der Schmelzung, ehe es in die Verbindung eingeht, verflüchtigen; es muß folglich
                              einerseits mehr Alkali genommen werden, als zulezt im Glase bleiben soll;
                              andererseits aber muß, da beim Flüssigwerden die dichtern Theile, nämlich die
                              Silicate, welche am meisten Bleioxyd enthalten, sich auf den Boden zu begeben
                              trachten, die Vermischung der verschiedenen Silicate auf das Sorgfältigste
                              bewerkstelligt werden. Guinand, welcher die
                              Nothwendigkeit dieses Umrührens (mâclage)
                              erkannte, kam auf den Gedanken, es mittelst eines Instruments aus derselben Substanz
                              auszuführen, aus welcher der Glashafen gemacht ist. Er verfertigte einen hohlen
                              unten geschlossenen Cylinder von feuerfester Erde, oben mit einem platten Rand
                              versehen, womit derselbe auf dem Rande des Hafens aufliegen konnte; nach Erhizung
                              dieses Cylinders bis zum Weißglühen brachte er ihn in die geschmolzene Masse und
                              stekte in den Cylinder einen Haken mit langem eisernen Stiel; auf diese Weise konnte
                              er fortwährend umrühren und brauchte nur den eisernen Haken zu wechseln, wenn
                              derselbe so heiß war, daß zu befürchten war es konnten Eisentheile in das Glas
                              hineinfallen. Der gute Erfolg dieses Verfahrens bestätigte Guinands Hoffnungen und es wurde auf diese Weise das erste zu
                              achromatischen Objectiven größerer Dimension geeignete Flintglas erhalten. Ueber die
                              spätere Geschichte dieser Entdekung werde ich mich kurz fassen. Guinand wurde zunächst von Utzschneider in Bayern berufen, wo er unter Mitwirkung des berühmten Frauenhofer sein Verfahren vervollkommnete; er ging
                              hierauf in die Schweiz zurük, wo er mit mehr oder minder gutem Erfolg Flintglas zu
                              gießen fortfuhr. Nach Guinand's Tod befürchtete man in
                              Frankreich, daß er das Geheimniß seines Verfahrens mit in das Grab genommen haben möchte;
                              aber einerseits wurde die Ausführung desselben in Benedictbeuren (in Bayern)
                              fortgesezt; andererseits hatte Guinand mit seiner Frau
                              und einem seiner Söhne gearbeitet, welche in der Schweiz die Fabrication von
                              Flintglas fortsezten.
                           Ein anderer seiner Söhne, Uhrmacher zu Clermont (Depart. d. Oise), welcher an den
                              Arbeiten seines Vaters keinen Theil genommen, ihm aber arbeiten zugesehen hatte,
                              glaubte aus der Erfindung seines Vaters Nuzen ziehen zu können. Er wurde durch Hrn.
                              Lerebours mit mir in
                              Verbindung gesezt. Unsere Versuche unter Guinand's, des
                              Sohnes, Leitung waren ohne allen Erfolg; allein ich erkannte den Vortheil des
                              Umrührens mit dem irdenen Cylinder, und als ich nun die Direction der Arbeit
                              übernahm, gelangen mir einige Schmelzungen guten Flintglases, aus denen ich eine
                              hübsche Anzahl Scheiben erhielt, unter andern eine von 33 Centimetern, und noch eine
                              von 38 Centimetern Durchmesser, welche ich im Jahr 1828 der Akademie der
                              Wissenschaften übergab. Seitdem trennte sich Hr. Guinand von der Glasfabrik zu
                              Choisy-le-Roi, und wir arbeiteten, jeder für sich, an der Verbesserung
                              der Flint- und Kronglas-Fabrication. Ich erfülle hier eine Pflicht der
                              Erkenntlichkeit, wenn ich beifüge, daß die Société d'Encouragement, welche zwei Preise für die
                              Flint- und Kronglas-Fabrication gegründet hatte, im Jahr 1840 mir und
                              Hrn. Guinand dieselben
                              zuerkannte.Bontemps' Verfahren ist im polytechnischen
                                    Journal Bd. LXXVI S. 47 und Guinand's (des Sohnes) Verfahren Bd. LXXX S. 35
                                    beschrieben.
                              
                           Ich werde nun in die Fabrication des Flint- und Kronglases etwas näher
                              eingehen.
                           Es wurde gesagt und ist einleuchtend, daß das Umrühren mit dem thönernen Cylinder die
                              Fäden und Streifen verschwinden und das Glas gleichartig mache; es muß diese
                              Operation nothwendig geschehen, wenn das Glas am flüssigsten ist; man könnte
                              glauben, daß sie nur zu dieser Zeit geschehen müsse,
                              nämlich wenn der Ofen in der größten Hize ist; die Erfahrung hat aber gelehrt, daß
                              man, wenn man umzurühren aufhört, selbst nachdem es lange Zeit fortgesezt wurde, ein
                              zu optischen Zweken völlig unbrauchbares Glas erhält. Untersucht man die nach dem
                              Erkalten solchen Glases aus dem Ofen genommenen Bruchstüke desselben, so sieht man,
                              nachdem die Oberflächen bearbeitet wurden, daß dieses Glas nicht durch grobe
                              Streifen getrübt ist, aber daß es gallertartig (gélatineux) ist; die Lichtstrahlen können ihren Weg nicht direct
                              durch dasselbe nehmen; es ist daher zu optischem Gebrauche völlig untauglich. Suchen
                              wir zu erklären, was in
                              einem solchen Fall vorgegangen: wenn das Glas in seinem höchst flüssigen Zustand
                              nicht mehr umgerührt wird, so sondern sich, wenn es Flintglas ist, die bleireichsten
                              Silicate ab, begeben sich auf den Boden des Hafens und trüben auf diese Weise die
                              Mischung; ist es Kronglas, so ist die Wirkung eine gleiche gallertartige. Das Glas
                              hat, bei seinem Uebergang aus dem flüssigen in den festen Zustand, wie alle andern
                              Salze, das Bestreben zu krystallisiren; es muß demnach in seinen Molecülen eine auf
                              diese Krystallisation hinzielende Bewegung vorgehen und diese Bewegung ist es, wie
                              ich glaube, welche den gallertartigen Zustand hervorruft, der den directen Durchgang
                              der Lichtstrahlen verhindert. Was übrigens auch die wahre Ursache seyn mag, so ist
                              es ausgemacht daß, um gutes Flintglas und gutes Kronglas zu erhalten, das Umrühren
                              fortgesezt werden muß, bis die Masse durch ihre Abkühlung sich dieser Operation
                              widersezt. Man zieht alsdann den irdenen Cylinder heraus und öffnet alle Oeffnungen
                              des Ofens, damit die Masse nicht wieder eine höhere Temperatur annehmen kann,
                              sondern sich noch immer mehr abkühlt; wenn endlich der Ofen so abgekühlt ist, daß
                              kein Wiederflüssigwerden des Glases mehr zu befürchten ist, so verstopft man die
                              Oeffnungen sorgfältig mit einem aus Thon bereiteten Mörtel (Kitt) und läßt
                              vollkommen erkalten, ehe man den Glashafen herausnimmt. Dieses Erkalten muß so
                              langsam als möglich vor sich gehen; nun ist aber das Glas ein sehr schlechter
                              Wärmeleiter; davon überzeugt man sich, wenn man in einen mit Wasser gefüllten Zuber
                              eine eben aus dem Hafen genommene kleine Portion Glasmasse wirft; diese wird
                              ziemlich lange rothglühend bleiben und man kann sie doch im Wasser berühren und
                              bearbeiten ohne sich zu brennen, weil sie nur außerhalb abgekühlt ist; innerlich
                              bleibt sie einige Zeit glühend, was die Durchsichtigkeit des Glases beweist. Diese
                              Eigenschaft, kein (oder vielmehr ein schlechter) Wärmeleiter zu seyn, macht also die
                              Abkühlung einer Masse Flint- oder Kronglas
                              sehr schwierig; außerdem ist diese Masse auch in Berührung mit dem Hafen, welcher
                              sich nicht nach demselben Gesez beim Erkalten zusammenzieht; es findet daher ein
                              gewisses Reißen zwischen dem Glas und dem Glashafen statt, und wenn es auch gelingt
                              den ganzen Inhalt eines Hafens in einem einzigen Blok zu erhalten, so ist es doch
                              ein seltener Fall, daß diese Masse zersägt werden kann, ohne in Folge der
                              unvollkommenen Abkühlung in mehrere Stüke zu zerspringen.
                           Das Umrühren des Glases anbelangend, wurde schon gesagt, daß es nicht aufgegeben
                              werden dürfe, so lange das Glas sich im Zustand der größten Flüssigkeit befindet;
                              allein hier stößt man wieder auf Schwierigkeiten anderer Art. Wurde nämlich das Glas
                              lange in diesem Zustand
                              erhalten, so ist es von Blasen vollkommen gereinigt und man hat, wenn man es
                              erkalten läßt, ein blasenfreies Glas; fährt man aber umzurühren fort, so ruft man
                              dadurch neuerdings Blasen hervor; denn das Glas befindet sich noch nicht in dem
                              Zustande bestimmter Proportionen; es sind noch kleine Antheile von Bleioxyd, von
                              Alkali vorhanden, welche keine bestimmte Verbindung eingegangen haben und deren
                              Entweichen im Gaszustande durch das Umrühren begünstigt wird; es bilden sich
                              folglich Blasen, welche, je mehr die Masse erkaltet, desto schwerer an die
                              Oberfläche gelangen. Im Uebrigen bringt das Umrühren auch mechanisch einige Blasen
                              hervor, wenn die Masse dabei aufrührischer wird. Indem man also einerseits den
                              Streifen entgegenarbeitet, läuft andererseits die Masse Gefahr, blasig zu werden;
                              das Hülfsmittel besteht darin, den Zustand der Flüssigkeit lange Zeit (mehrere Tage
                              unter öfterem Umrühren) zu erhalten, damit das Glas sich bestmöglich reinigt und
                              vermöge des Umrührens nicht der Blasenentwikelung ausgesezt ist; auf diese Weise
                              erhält man das von Streifen und Blasen möglichst freie Glas.
                           Dieses Verfahren einer länger fortgesezten Schmelzung ist für das Flintglas ohne üble
                              Folge; nicht so aber für das Kronglas; durch langes Verweilen in einer hohen
                              Temperatur und langsame Erkaltung wird das aus Alkalisilicaten bestehende Glas
                              leicht entglast und es bilden sich darin krystallisirte Partien; die Masse ist dann
                              zu optischem Gebrauche untauglich; man ist daher so zu sagen gezwungen, eine gute
                              Eigenschaft der wesentlichern zu opfern; man sezt die Schmelzung etwas minder lang
                              fort und besizt dann Kronglas, welches frei ist von Streifen, aber noch einige
                              Blasen enthält, die indessen doch nur selten wahrzunehmen sind, wenn das Glas in
                              Scheiben abgeplattet wurde. Noch eine Unvollkommenheit dieses Products habe ich
                              anzuführen, glaube jedoch derselben Herr zu werden, und werde dann nicht ermangeln,
                              es bekannt zu machen.
                           Es wurde nämlich gesagt, daß das lange in hoher Temperatur belassene und umgerührte
                              Glas in einem gewissen Augenblik streifen- und blasenfrei ist; ich glaube
                              daß, wenn man das Glas in diesem Zustand, wie die Spiegel, auf eine Tafel von
                              Gußeisen ausgöße, man ein sehr schönes, zu optischem Gebrauch taugliches Material
                              bekäme, welches nur mehr mit dem Demant geschnitten zu werden brauchte; es wäre dieß
                              ein in Spiegelmanufacturen anzustellender Versuch; doch möchte ich nicht dafür
                              stehen, daß man so ein streifenfreies Glas erhielte; denn auch in den bestbereiteten
                              Säzen findet man immer nach dem Erkalten eine Portion der Masse, worin Streifen
                              vorkommen, welche die Optiker trokene Fäden (fils secs) nennen, und die nicht zu brauchen ist; diese
                              Fäden sind so zu sagen mit einander verbunden, verfilzt; sie scheinen durch den irdenen
                              Cylinder verbunden worden zu seyn; vielleicht würden sie sich beim Ausgießen in der
                              ganzen Masse verbreiten; sie rühren vorzüglich von Thonerdesilicat her, welches
                              feuerbeständiger ist. Die Masse des Cylinders, abgesehen von derjenigen des Hafens,
                              trägt zu ihrer Bildung sehr viel bei und ich glaube, daß durch ein mit Platin
                              überzogenes Rührwerkzeug ein besseres Resultat erreicht würde.
                           Was ich von der Verwandlung der Bruchstüke des Flint- und Kronglases in
                              Scheiben zu sagen habe, läßt sich in wenige Worte zusammenfassen. Wenn die Masse im
                              Glashafen im Ganzen abgekühlt wurde und man nur kleiner Scheiben bedarf, so
                              zerschlägt man sie mit einer Eisenmasse und untersucht die Bruchstüke; man beginnt
                              nun mittelst Erweichens in einer Art Muffel beinahe vierekige Platten zu bilden, die
                              man nach dem Abkühlen mittelst des Demants in kleine Viereke zerschneidet; diese
                              kleinen Viereke werden ebenfalls wieder erweicht und in einer kupfernen oder
                              eisernen Zangenform geformt. Will man große Scheiben machen, so nimmt man ein als
                              gut erkanntes Bruchstük von dem Gewicht der zu verfertigenden Scheibe, erweicht es
                              im Muffelfeuer innerhalb eines Reifes vom gewünschten Durchmesser und gibt nur so
                              viel Hize als nöthig ist, damit das Glas den Reif ausfüllt, indem man das Erweichen
                              durch Drüken mit Werkzeugen befördert. Will man sehr große Scheiben aus einer Masse
                              verfertigen, die man innerlich untersuchte, so zerschneidet man diese Masse mit der
                              Säge, um so wenig Abfall als möglich zu bekommen.
                           Um sich von der Beschaffenheit eines Bruchstüks zu überzeugen, schneidet man es zu
                              parallelen Flächen; es genügt aber nicht, ein Glas in zwei Richtungen betrachtet zu
                              haben, um sicher zu seyn, daß es streifenfrei ist; es gibt Streifen, die nur unter
                              einem gewissen Winkel sichtbar sind. In einem Stük Flintglas (welches ich vorlege)
                              sind nach zwei Achsen keine Streifen wahrzunehmen, während nach der dritten deren
                              unzählige zu sehen sind.
                           Schließlich gebe ich die Verhältnisse an, welche sich mir für das Flint- und
                              Kronglas am besten bewährten; sie sind für:
                           
                              
                                     Flintglas
                                 
                                       
                                       Kronglas
                                 
                                 
                              
                                 Sand
                                   43,5
                                    Kieselerde
                                   60
                                 
                              
                                 Bleioxyd
                                   43,5
                                    Kohlens. Natron von 90 Proc.
                                   25
                                 
                              
                                 Kohlensaures Kali
                                   10
                                    Kohlensaurer Kalk
                                   14
                                 
                              
                                 Salpetersaures Kali
                                     3
                                    Arsenik
                                     1
                                 
                              
                                 
                                 ––––
                                 
                                 ––––
                                 
                              
                                 
                                 100
                                 
                                 100
                                 
                              
                           
                           Das kohlensaure Natron oder ein Theil desselben kann mit Vortheil durch boraxsaures
                              Natron ersezt werden und das Kronglas ist dann sogar weniger dem Anziehen der
                              Feuchtigkeit aus der Luft unterworfen; es ist dieß nämlich ein großer Fehler beinahe
                              allen Kronglases, welcher zwar durch länger fortgeseztes Schmelzen vermieden werden
                              kann, aber nur, wie ich bemerkte, auf die Gefahr anderer Fehler hin.
                           Man verfertigt auch reines und der Entglasung weniger unterworfenes Kronglas mit
                              kohlensaurem Kali statt kohlensauren Natrons; allein dann beklagen sich die Optiker,
                              daß es nicht dicht genug ist, was sie nöthigt, zu große Brennweiten anzuwenden. Ich
                              gehe nicht in folgende subtile Fragen ein: soll das Kronglas möglichst weiß oder
                              schwach bläulichgrün gefärbt seyn? Soll es mehr oder weniger dicht seyn? Welches ist
                              das für den Achromatismus geeignetste Zerstreuungs-Vermögen? etc. etc. Diese
                              Fragen wurden noch nicht entschieden gelöst; aber von Gelehrten, wie die HHrn.
                              Arago, Biot, Dumas, Mathieu,
                                 Regnault, von den Praktikern, wie die HHrn. Gambey, Lerebours, Buron, studirt, müßten sie zu ihrer völligen
                              Losung kommen, und die Glasfabrikanten würden sich nach den Vorschriften zu richten
                              wissen.
                           Läßt die Fabrication des Flint- und Kronglases auch noch Mehreres zu wünschen
                              übrig, so haben wir doch unsern Nachkommen den Weg sehr erleichtert und unsere
                              Epoche durch wesentliche Fortschritte bezeichnet.