| Titel: | Ueber die offene Gährung des Weinmostes; von M. Oppmann, königl. Kellermeister in Würzburg. | 
| Autor: | M. Oppmann | 
| Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XIII., S. 61 | 
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                        XIII.
                        Ueber die offene Gährung des Weinmostes; von
                           M. Oppmann, königl.
                           Kellermeister in Würzburg.
                        Oppmann, über die offene Gährung des Weinmostes.
                        
                     
                        
                           Ich habe im polytechn. Journal Bd. XCVIII S.
                                 199 meine im vorigen Jahre gemachten Erfahrungen über die durch Hrn.
                              Professor Frhrn. v. Liebig vorgeschlagene offene Gährung
                              des Weines in einer kleinen Abhandlung niedergelegt, welche neben anderen
                              Veranlassungen eine Entgegnung des Hrn. Professors im Januarheft 1846 seiner Annalen
                              der Chemie und Pharmacie hervorgerufen hat, wie ich sie nicht erwartete. Obgleich
                              nun Prof. v. L. dort meine Sache nicht primär, sondern nur gelegentlich mit
                              angreift, vorzugsweise aber einen Aufsatz in dem bayerischen Landboten vom 30.
                              November zum Gegenstand seines Ausfalles macht, sowie eine Notiz des Hrn. Dr. Schubert von hier über
                              denselben Gegenstand (Erdmann's und Marchand's Journal für praktische Chemie Bd. XXXVI S. 45) tadelnd
                              hernimmt, so muß ich doch, insoweit jener Ausfall auch mich trifft, Theil an der
                              Entgegnung nehmen, mich genau an die Sache haltend.„Ich habe – sagt Liebig –
                                       darauf aufmerksam gemacht, daß der Gährungsproceß des Mostes einer
                                       Verbesserung fähig ist und die Weinproducenten zu veranlassen gesucht,
                                       die Untergährmethode, welche beim Vier so entschieden günstige Resultate
                                       gibt, auf die Gährung des Weins anzuwenden. Bei Entscheidung einer so
                                       wichtigen Frage, welche den Capitalbesitz um Hunderttausende zu erhöhen
                                       fähig
                                       ist, handelt es sich darum, ob dem Hrn. Kellermeister Oppmann in Würzburg, oder Hrn. Dr. Schubert in
                                       Würzburg ein Versuch nach dieser Methode gelungen ist oder nicht,
                                       sondern darum, ob das Princip der Untergährmethode richtig erkannt und
                                       ermittelt ist. Wenn dieß geschehen, wenn also die Weinproducenten zu den
                                       Bierbrauern in die Lehre gegangen sind, wenn sie sich mit allen
                                       Bedingungen aufs genaueste bekannt gemacht haben, die sich bei der
                                       Untergährung des Biers vereinigen müssen, um ein gutes Bier zu erzielen,
                                       dann erst kann daran gedacht werden, mit Erfolg Versuche an Weinmost zu
                                       machen. Es muß ermittelt werden, inwieweit diese Bedingungen, Zutritt
                                       von Luft, Temperatur, Größe der Gefäße etc. auf den Weinmost anwendbar
                                       sind oder nicht; sie müssen auf das mannichfaltigste abgeändert werden,
                                       um zuletzt zu einer sichern und zuverlässigen Methode, die wir noch gar
                                       nicht haben, zu gelangen. Durch so liederliche und ohne alle Kenntnisse
                                       angestellte Versuche, wie die der HHrn. Schubert und Oppmann, dürfen sich
                                       verständigere Weinproducenten nicht abhatten lassen, in ihren
                                       Bemühungen, auch nach dieser Richtung hin Fortschritte zu machen, zu
                                       beharren.“A. d. R.
                              
                           
                           Ich bemerke hier, daß ich meine Ansichten und Beobachtungen in der Sache von dem
                              Standpunkte eines Praktikers niederschrieb, wie sie sich
                              eben von dieser Seite ansehen läßt, und kann nicht unerwähnt lassen, daß ich niemals
                              aus Rechthaberei streite; auch bin ich fremder Belehrung leicht zugänglich, wenn ich
                              Gewinn für eine Sache darin erkenne und habe deßwegen die Hieher bezüglichen
                              Versuche mit eben so vieler Vorliebe für derlei Untersuchungen, als mit der
                              möglichsten Aufmerksamkeit gemacht. S. 122 der Liebig'schen Entgegnung finde ich aber, daß unsere Versuche
                              „liederlich und ohne alle Kenntniß angestellt“ worden
                              seyen.
                           Daß nun mein Versuch so ganz
                              „liederlich“ und wirklich ohne alle Einsicht in die Sache
                              – gewesen seyn sollte, wie der geehrte Professor zu bezeichnen beliebte, dieß
                              ist denn doch noch eine Frage. Gelindestens beurtheilt, könnte man ihn wenigstens
                              einen Versuch nennen, wie es eben jeder andere ist, der zur Prüfung eines
                              aufgestellten Problems in einer unentschiedenen Sache und bei einer „noch
                                 fehlenden Methode“ gemacht wird, und er wäre vielleicht nicht
                              „liederlich“ geheißen worden, wäre das Resultat nicht mißliebig ausgefallen. Dem sey nun wie ihm wolle, ich
                              habe meine guten Gründe für meine Verfahrungsweise.
                           Wenn Prof. v. L. Theorien aufstellt, die er sich aus dem Laboratorium erholt oder auf
                              dem Katheder bildet, so war es für den gegebenen Fall mein Bestreben, diese in das
                              Leben – in die Praxis einzuführen, was ich mit dem Vorschlage der offenen
                              Gährung redlich versucht habe. Die Art und Weise, wie
                              dieß geschehen, habe ich genau angegeben, und füge nun auch die Gründe hinzu, warum
                              ich gerade so und nicht anders verfuhr.
                           Ich wählte eine Quantität, von welcher sich durch häufige Wahrnehmungen erprobt
                              hatte, daß die Gährung in dieser, und nur in dieser Größe beim
                              fränkischen Rießlingwein den günstigsten Verlauf nimmt.
                           Daß ich schon früher den Einfluß beobachtet, welchen die Quantität auf den Verlauf
                              der Gährung, sohin auf das Gedeihen des Weines übt, belege ich hier mit der
                              Verweisung auf eine Frage, welche ich 1843 der Versammlung der Weinproducenten in
                              Trier stellte, sie lautet: „auf die Gährung des Mostes hat die Quantität
                                 desselben, oder die Größe des Fasses einen entschiedenen Einfluß, denn dieselbe
                                 nimmt bei einem großen Quantum, wo sich die Wärme steigert, einen ganz anderen
                                 Verlauf als in einer kleineren Partie. Es ist nun die Frage, welche Größe der
                                 Fässer ist für die verschiedenen Gattungen der Weine in Beziehung auf Sorte,
                                 Gewächs, Lage und Boden am passendsten, oder in welcher Quantität nimmt die
                                 Gährung für die Qualität des Weines den zweckmäßigsten Verlauf?“
                              S. Verhandlungen der Weinproducenten in Trier S. 6. Ganz unbefriedigt hat mich aber die Lösung dieser Frage, wie eine solche
                              gegeben wurde, gelassen, und ich habe hievon Veranlassung genommen, mich darüber bei
                              der Versammlung der Landwirthe in München im Jahr 1844 zu äußern.S. die Verhandlungen derselben S. 500.
                              
                           Da indessen dieser Punkt bis jetzt noch ganz unerledigt und hinsichtlich des zu
                              nehmenden Quantums nirgends eine Norm festgesetzt ist, vielleicht Prof. v. L. selbst
                              mit Bestimmung eines solchen in Verlegenheit kommen würde, so kann ich mich in
                              dieser Beziehung auch keines Fehlers zeihen lassen, den ich bei meiner Probe gemacht
                              hätte und zwar umsoweniger, als mir v. L. durchaus nichts Neueres über den Einfluß
                              der Größe der Gefäße auf die Gährung sagt, als was ich schon vor Jahren geäußert.
                              Vielmehr habe ich durch meine sehr häufig angestellten Proben die Erfahrung erlangt
                              daß, wie gesagt, die von mir gewählte Quantität nur den besten Erfolg versprechen
                              konnte. Die Form der Kufe war nach Angabe gewählt und das Maaß derselben genau
                              bezeichnet, sowie auch die Behandlung des Mostes sachgemäß war und der ganze Verlauf
                              der Gährung von mir mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt wurde.
                           Die Einfüllung des Mostes glaubte ich vornehmen zu müssen, sobald die stürmische
                              Gährung vorüber war und derselbe in die Nachgährung trat; er fermentirte noch und
                              hatte die Hefe noch nicht ausgeschieden. Ein früheres Einfüllen würde den Verlauf
                              der Gährung gehemmt und nach meiner Erfahrung dem Wein geschadet, ein längeres Stehen in der Kufe aber
                              noch größere Verflüchtigung der ätherischen Theile zur Folge gehabt haben.
                           Bei dem Mangel aller Vorschrift und bei mannichfachen zur Erzielung eines günstigen
                              Resultats zu berücksichtigenden Momenten glaube ich nun nicht, daß einer der Herren,
                              welche ebenfalls Versuche machten, mehr als ich für eine etwa mögliche Einführung
                              der vorgeschlagenen Gährungsart gethan hätte.
                           Gesetzt auch, ich hätte den Moment verfehlt, der in meiner Wahl lag, ich hätte
                              nämlich ein ungeeignetes Quantum zu meinem Versuche genommen, wurden nicht auch
                              weitere Proben mit anderen Quantitäten gemacht und zwar durch Chemiker? Hatten deren
                              Versuche deßhalb einen bessern Erfolg? Keineswegs, das
                                 Resultat ihrer Versuche war für den Liebig'schen Vorschlag ebenfalls kein
                                 günstiges und sie sind wohl deßwegen auch als
                              „liederlich“ zu bezeichnen. Warum schweigt denn der geehrte
                              Professor von jenen ebenfalls mißlungenen Versuchen, deren ich in meiner Abhandlung
                              erwähnte, gänzlich, während nur die beiden hier (in Würzburg) gemachten Versuche als
                              mißlungen bezeichnet werden?
                           Doch werden wir bald ein Näheres in der Sache hören.
                           Da den verflossenen Herbst auch im herzoglich nassau'schen Keller zu Wiesbaden ein
                              Versuch mit dieser Gährungsart angestellt wurde, und Prof. v. L. eine deßfalls an
                              ihn ergangene Einladung zur Leitung desselben nicht anzunehmen beliebte, so nahm
                              Prof. Dr. Fresenius in
                              Wiesbaden diesen Versuch unter seine specielle Aufsicht.In einem Schreiben hat mir das Direktorium des nassauischen
                                    landwirthschaftlichen Vereins die dereinstige Mittheilung des Resultats
                                    gütigst zugesagt, und eine Veröffentlichung wird wohl erfolgen, oder es
                                    müßte der Versuch ganz ungünstig ausgefallen seyn.
                              
                           Nach dieser kurzen Ausbeugung komme ich auf eine andere Bedingung, welche für das
                              Gelingen der offenen Gährung wesentlich ist, nämlich die Temperatur, die ich bei meinem Versuche nach Vorschrift einhielt; hiebei
                              muß ich aber die als Norm vorgeschlagene Biergährung von einer anderen Seite
                              betrachten.
                           Die Ausscheidung des Klebers oder Gährungsstoffes erfolgt bei der offenen Biergährung
                              durch die Aufnahme des Sauerstoffs keineswegs so vollständig, als dieß L. im 24sten
                              seiner chemischen Briefe angibt, wenn er auch behauptet, daß sie nur in einzelnen
                              Fällen vollständig erreicht werde. Es bleiben eine Menge solcher Klebertheile
                              zurück, welche das Bier
                              stets in einer sehr heftigen Gährung erhalten. Um zu verhüten, daß diese
                              zurückgebliebenen Theile zu sehr auf den nach der Hauptgährung restirenden
                              Zuckergehalt einwirken, entziehen die bayerischen Bräuer einen anderen Factor der
                              Gährung – die Wärme – und streben vorzugsweise dahin, ihre Keller in
                              der möglichst niedrigen Temperatur zu erhalten (was sie häufig durch Einbringung von
                              Eis in die Keller bewerkstelligen), oder mit andern Worten, sie veranlassen eine nur
                              successive Ausscheidung des Klebers.
                           Hierin finden unsere Brauer ein Auskunftsmittel, wie man an Malz sparen und doch das
                              Bier einige Zeit vor Verderben schützen kann, indem sie durch Verminderung der
                              Wärmegrade die weitere Zersetzung des bei der Hauptgährung zurückgebliebenen
                              Zuckerstoffs zu verhindern suchen, während sie dieß durch einen höheren Malzgehalt
                              bewerkstelligen sollten. Erhöht sich aber die niedere Temperatur der Keller, so wird
                              zu dünnes oder malzarmes Bier entweder sauer oder es geht in die faule Gährung über,
                              wenn nicht genug Alkohol gebildet wurde; man darf sich daher nicht wundern, wenn zu
                              dünnes Bier schal und schlecht schmeckt, sobald die Kellerfrische verschwunden ist.
                              Trotzdem nun daß, wie schon bemerkt, aller Gährungsstoff im Biere ausgeschieden seyn
                              soll, wozu aber auch der Extractivstoff des Hopfens beitragen mag, kömmt das Bier
                              alsbald in Fermentation, sobald die Bedingung hiezu – gehörige Wärme –
                              vorhanden ist; dasselbe erhält aber hiedurch noch einen
                                 Bestandtheil (Kohlensäure), welchen man wohl als einen charakteristischen des
                                 Biers nicht aber des Weins ansehen kann.
                           Verspundet man selbst in den besten Kellern bei einer Temperatur von 4° R. die
                              Bierfässer, wie es auch geschieht, so wird durch die Entwicklung von kohlensaurem
                              Gas die Spannung in den Fässern nicht selten so groß, daß dieselben ihr nicht mehr
                              widerstehen können, woraus sich ergibt, daß eine sehr große Menge Gährstoff bei der
                              Hauptgährung nicht ausgeschieden worden ist.
                           Das Klarwerden des Bieres nach der Hauptgährung beweist eben so wenig, daß sich aller
                              Kleber niedergeschlagen hat, als dieß beim Wein der Fall ist; es finden
                              Nachgährungen selbst bei älteren, ganz hellen Weinen statt, und man kann deutlich
                              bemerken, daß beim Erwachen der Natur, oder wenn sich die Wärme im Keller steigert,
                              der Wein sehr beunruhigt ist.
                           Eben so wenig als beim Bier der Gährungserreger in den Kufen
                                 vollständig ausgeschieden wird, eben so wenig und noch viel weniger werden sich
                                 bei der für das Bier passenden Temperatur die Klebertheile und der Gährstoff beim Wein durch den
                                 offenen Zutritt der Luft ausscheiden, weil der Most einen, oft die
                              Concentration der Bierwürze um das Doppelte übersteigenden Zuckergehalt hat.Es ist in Bayern gesetzlich angeordnet, daß aus 1 Scheffel Malz 7 Eimer
                                    Winterbier und 6 Eimer Sommerbier erzeugt werden sollen; die Bierwürze
                                    erhält hiedurch 1,0404–1,0488 spec. Gewicht. Dagegen haben ganz
                                    geringe Weinmöste aus den schlechtesten Jahrgängen 1,0600–1,0700
                                    spec. Gewicht; Mittelsorten circa 1,0800, wie
                                    ich in meiner Abhandlung angegeben habe; in guten Jahren wird die
                                    Concentration viel stärker; die hiesigen guten Weine von 1834–1842
                                    hatten durchschnittlich 1,0950–1,0980 spec. Gewicht; der Leistenwein
                                    von 1833 war durch langes Hangen der Trauben am Stocke so consistent, daß er
                                    1,1290, und jener von 1835 in Folge der Kälte 1,1350 spec. Gewicht
                                    zeigte.
                              
                           Der Wein wird, sobald man ihn aus der Temperatur, welche der Verflüchtigung des
                              Alkohols entgegenwirken soll, bringt, oder sobald sich die Wärme im Keller steigert,
                              fermentiren wie das Bier; gleiche Ursachen werden gleiche Wirkungen erzeugen, er wird also hiedurch nicht älter, sondern der Liebig'schen
                                 Ansicht gerade entgegengesetzt – jünger
                                 werden, denn er springt wieder auf das erste Stadium der Gährung zurück und
                              wir befinden uns wieder auf dem alten Fleck. Solche Weine müssen wir gegen
                              Verflüchtigung ihres Bouquets schützen, den unmittelbaren Zutritt der Luft
                              verhindern und die Gährung bei einer passenden Temperatur ihren Verlauf nehmen
                              lassen, indem die Erfahrung feststeht, daß nur auf diese Weise die richtige
                              Zersetzung des Zuckerstoffs gesichert, der Kleber oder die Hefe ausgeschieden und
                              zugleich die Verflüchtigung der ätherischen Theile vermieden werden kann.
                           Da nun die Gährung der schweren Moste bei einer für die Gährung der Bierwürze
                              günstigen sehr niederen Temperatur einen für Wein so ungünstigen Verlauf nimmDie Weinproducenten werden sich wohl noch des Jahres 1835 erinnern, wo die
                                    Möste sehr kalt eingebracht wurden und die Keller eine niedere Temperatur
                                    hatten, daher diese Weine im Frühjahr die größte Vorsicht nöthig machten,
                                    wie dieß in allen Jahrgängen der Fall ist, wo die Temperatur dem richtigen
                                    Gährungsproceß des Weins entgegen steht., was nachzuweisen dem Praktiker ein Leichtes ist, so stellt sich für meine
                              Behauptung, daß die offene Gährung für Wein nicht anwendbar sey, folgendes
                              heraus:
                           1) Bringt man Wein von guten Jahrgängen, oder Auslesen, in welchen, die Concentration
                              des Zuckerstoffs stark ist und die Traube einen hohen Grad der Ausbildung ihrer
                              aromatischen Stoffe erlangt hat, in offenen Bütten zur Gährung, so wird durch eine
                              niedere Temperatur die Ausbildung des Weines gehemmt und derselbe erleidet
                              Nachtheile, wie sie eben
                              angeführt wurden. Wollte man also die zuckerreichen Weine des Südens in einer zur
                              Gährung des Biers geeigneten Temperatur vergähren lassen, so würde eine verhältnißmäßige Zersetzung des Zuckerstoffs in Alkohol
                              aufgehoben werden; da die Eindickung so weit gehen kann, daß keine Gährung mehr
                              erfolgt, so ist auch für südliche Weine eine höhere Temperatur zur Gährung nöthig,
                              und hiefür hat die liebe Natur in jenen Ländern weise
                              gesorgt, aber auch dafür, daß sich bei dieser hohen Temperatur kein Bouquet
                              verflüchtigt, weil, wie Liebig selbst sagtDessen „Organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und
                                       Physiologie“ S. 268, südliche Weine kein Bouquet besitzen. Wird die Temperatur bei der Gährung
                              aromatischer Weine bis zu dem Grade erhöht, welcher zur
                                 naturgemäßen Entwickelung der Gährung nöthig ist, so entsteht anerkannt
                              eine Verdunstung der ätherischen Theile, wie ich in meiner Abhandlung erwähnt habe;
                              daß bei niederer Temperatur kein Bouquet oder Geruch aus einer offenen Kufe sich
                              verflüchtige, gestehe ich durchaus nicht zu, im Gegentheil habe ich alle Ursache
                              anzunehmen, daß auch bei niederer Temperatur eine solche Verflüchtigung wirklich vor
                              sich geht.Niemand wird Wohl widersprechen, daß der aromatische Geruch des Obstes
                                    – der Aepfel z.B. – durch Bestandtheile verursacht wird, die
                                    dem Stoffe entgehen. Edle Traubensorten haben auch aromatischen Stoff, der
                                    in der Gährung das Bouquet bildet.
                              
                           2) Läßt man Mittelweine, wie ich sie zu meinem Versuche verwendete, Weine, welchen
                              zwar der dem Klebergehalte entsprechende Zuckerstoff entgeht, die aber doch einiges
                              Bouquet besitzen, in offenen Kufen gähren, und findet man hiezu in etwas niederen
                              Graden eine für die Eigenthümlichkeit des Weines passende TemperaturDie Bierbrauer nehmen mit dem Satze Rücksicht auf die Temperatur; die
                                    Weinproducenten, welche keinen Satz geben, müssen die Temperatur der
                                    Beschaffenheit des Mostes anzupassen suchen., so verflüchtigt sich ebenfalls das Bouqet, wie mein eigener, sowie die
                              Versuche Anderer deutlich bewiesen haben.
                           3) Ganz geringe Weine, die keinen aromatischen Stoff vom Stocke aus haben, bei denen
                              es sich also nur um die Bildung des Alkohols handelt, mag jeder gähren lassen, wie
                              er eben an diese oder jene Gährungsart glaubt, ich habe hiezu nichts zu
                              bemerken.
                           Aus dem Gesagten wird man entnehmen können, ob ich wohl erwogen habe,
                              „inwiefern Temperatur, Größe der Fässer etc. anwendbar
                                 sind.“
                              
                           
                           Da sich nun der geehrte Professor in seiner Entgegnung mehr passiv als directiv
                              verhält, so muß ich mich, und zwar um so mehr, als die Entscheidung dieser wichtigen
                              Frage (Gährungsfrage) „den Capitalbesitz um Hunderttausende zu erhöhen
                                 fähig ist“, im Interesse einer Gesammtheit, im Interesse aller
                              Weinproducenten an ihn wenden und die Frage stellen: unter welchen Bedingungen ist
                              denn eine Anwendung des Princips der Biergährung auf die Weingährung möglich und auf
                              welchem Wege ist die „noch fehlende Methode“ hiezu zu
                              ermitteln? Wer tadeln will, muß auch bessern können, darum möge Hr. v. L. mit der
                              Beantwortung dieser Frage herausrücken, und sein Zweifel, ob ich dann „mit
                                 dem Weine fertig werde“, möge schwinden. Schwerlich wird er läugnen
                              wollen, daß die Auffindung einer Methode – wenn eine solche überhaupt in
                              diesem Falle zu finden ist – nur durch praktische Versuche, wie ich gethan,
                              geschehen kann, und daß eine Theorie noch nicht hinreichend ist, zum Ziele zu
                              kommen, von der man am Ende eben so gut sagen könnte, daß sie
                                 in den Tag hinein gemacht sey, wie es Hr. v. L. von meinem Versuche
                                 behauptet.
                           Ich meinerseits glaube fortwährend daß, weil der Wein bei der Gährung Geruch und
                              Bouquet entwickelt, und die Concentration des Zuckerstoffs, sowie das Verhältniß des
                              Klebers im Wein ein ganz anderes ist als im Bier, die Leitung des Gährungsprocesses
                              beim Wein andere Rücksichten erfordert als beim Bier; ich
                                 halte es deßwegen für eine Chimäre, durch Anwendung des Princips der Biergährung
                                 bessere Weine gewinnen zu können, als solche bisher bei geschlossener Gährung
                                 erzeugt wurden, und muß meine Landsleute warnen, auf diese Weise ihren
                                 Capitalbesitz erhöhen zu wollen; am wenigsten, glaube ich aber, daß hiedurch der
                                 Wein in der kürzesten Zeit die nämliche Reife und Güte erlangen muß, die er
                                 sonst erst nach jahrelangem Lagern zeigt.