| Titel: | Normaluhr mit helikoidischer Verzahnung; von Schade, Uhrmacher in Breslau. | 
| Autor: | Schade | 
| Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XVIII., S. 90 | 
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                        XVIII.
                        Normaluhr mit helikoidischer Verzahnung; von
                           Schade, Uhrmacher in
                           Breslau.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. II.
                        Schade's Normaluhr mit helikoidischer Verzahnung.
                        
                     
                        
                           Diese Normaluhr mit helikoidischer Verzahnung weist mittelst zweier Räder Stunden,
                              Minuten und Secunden; Fig. 45 stellt dieses
                              einfache Werk in natürlicher Größe und in seinen einzelnen Theilen so dar, daß es
                              schon durch ein bloßes Anschauen hinreichend erklärt wird. – A ist das Minutenrad, dessen Welle zugleich die Rolle
                              und das Zifferblatt für die Minuten trägt; B das
                              Steigrad, mit der ruhenden Hakenhemmung nach Graham. Bei
                              C ist die Aufhängung des Sekundenpendels sichtbar.
                              d, d sind Vorsteckstifte, zur Zusammenhaltung des
                              Gestells, und e, e, e, e Theile der Schnur ohne Ende,
                              welche zur Aufnahme der Klobenrolle, als auch des Gewichts und Gegengewichts dient.
                              Bei f ist eine horizontal liegende Schraube zum Behuf
                              der Verschiebung des Gabelblechs und zur Richtung des Abfalls angebracht. g ist das Sperr- oder Aufziehrad. Unter dem
                              Stundenzifferblatt h, h befindet sich das gewöhnliche
                              Stundenrad mit seinem Rohr zur Aufnahme des Stundenweisers, welches jedoch auf der
                              Zeichnung nebst dem Sperrkegel und dem Stundentrieb nicht sichtbar ist. Der Rinken
                              bei i ist das Secundenblatt.
                           Die erste Anwendung der helikoidischen Verzahnung auf den
                              Bau von Uhrwerken machte ich im Jahr 1828, und fand, daß diese Verzahnung mancherlei
                              Vereinfachungen gestatte und Vortheile darbiete, welche der Hauptsache nach in
                              Folgendem bestehen:
                           Die Zähne können ungewälzt bleiben, weil hier die Berührung derselben nur in
                              einzelnen Punkten stattfindet, und nur eine rollende
                              Reibung entsteht, welche bekanntlich die wenigste Abnutzung der Maschinentheile bewirkt und somit bei
                              dieser Verzahnung die Reibung auf den Eingriffsflächen fast auf Null reducirt
                              wird.
                           Der Eingriff der Zähne kann tief oder seicht seyn, das Auflegen der Zähne auf einander
                              geschieht immer in der Mittelpunktslinie; die Räder
                              werden demnach mit einer sehr gleichmäßigen
                              Geschwindigkeit fortbewegt, was jedoch bei den epicykloidisch verzahnten Rädern fast niemals
                              oder in den seltensten Fällen dann nur so lange stattfindet, bis der Abstand der
                              Mittelpunkte nur um das Mindeste verändert wird.
                           Auch ist diese Verzahnung für solche Räderwerke, wo zwischen den Rad- und
                              Triebzähnen der Spielraum (todte Gang) vermieden werden soll, und ebenso für Kegelräder anwendbar.
                           Ferner, zur Ersparung des Raumes, und wo eine größere Dauer und Festigkeit
                              hinsichtlich des verzahnten Räderwerks, Einfachheit im Bau, ein genauer und
                              regelmäßiger Gang, und ein leichteres Zuggewicht etc. erzielt werden soll.
                           Eine der wichtigsten und interessantesten Eigenschaften der helikoidischen
                              Verzahnungsart ist jedoch diese: daß sich die Bewegung eines so gezahnten Rades auch
                              auf ein anderes übertragen läßt, dessen Achse nicht wie gewöhnlich, mit der des
                              ersten Rades in einer und derselben Ebene liegt, sondern die Bewegung sich durch
                              dasselbe in jedem beliebigen Winkel, bis zu 90 Graden fortpflanzen läßt, und die
                              Achsen der Räder sich kreuzen.
                           Was jedoch die Berechnung, regelrechte Anordnung – wodurch bei Maschinen der
                              Reibungscoefficient noch bedeutend herabgesetzt wird und die Anfertigung
                              helikoidisch verzahnter Räder und Getriebe, welche letztere oft nur aus einem
                              einzigen schraubenförmigen Zahne bestehen, wie hier ein solcher auf der Zeichnung am
                              Steigrade sichtbar ist, anbelangt, so muß dieses der Einsicht und Geschicklichkeit
                              eines jeden Künstlers überlassen bleiben und verweise daher nur auf den im
                              polytechnischen Journal mitgetheilten trefflichen Aufsatz von Breguet und Boquillon über diesen Gegenstand.
                              Beide haben das ursprünglich von Wight herrührende
                              Verfahren, die helikoidische Verzahnung an Rädern zu schneiden, nach zwei
                              verschiedenen Systemen ausgeführt.
                           Ich bemerke nur noch, daß das Minutenrad meiner Normaluhr (siehe bei A die Abbildung) auf einer großen Theilmaschine mittelst
                              einer von mir an derselben angebrachten Vorrichtung fertig geschnitten worden ist,
                              und daß es weiter keiner Nachhülfe, z.B. Ausstreichen und dergleichen, bedurft
                              hatte. – Die Räder und Triebe können übrigens in jedem beliebigen Maaße, wie
                              man sie für kleine und große Werke gebraucht, ausgeführt werden. Was jedoch die
                              Breite der Räder an ihrer Stirn anbelangt, so wird diese bei einem einmaligen Umschwung des Schraubenganges – sofern
                              man nämlich, statt eines mehrzahnigen Triebes sich einer Schraube bedienen will
                              – gleich der Breite resp. Länge des Triebes gemacht; weßhalb man bei deren
                              Anfertigung die nöthige Sorgfalt hierauf zu richten nicht verabsäumen darf.
                           Wie nun aber auch manchmal eine lange Zeit hingehen muß,
                              ehe dem neuen Guten Eingang verschafft wird, so will ich beispielsweise zum Schluß
                              noch folgendes erwähnen: schon vor mehreren Jahrhunderten (etwa um das Jahr 1642)
                              wurde von P. Schirlei de Rheita, einem Capuziner (siehe
                              Kaspar Schott's
                              Technica curiosa. 1664 in 4.) eine neue, nur aus wenig
                              Rädern und Schraubengetrieben zusammengesetzte Planetenuhr nicht nur construirt, sondern von ihm auch wirklich in
                              Ausführung gebracht. Sie stellte auf drei übereinander angebrachten kreisförmigen
                              Zeigertafeln, nächst den Stunden, die Bewegung der Planeten und den Lauf des Mondes
                              dar. Die Berechnung, wie auch eine Abbildung der Uhr, ist in dem hier angeführten
                              Werke enthalten, und obgleich diese Uhr noch nach den Principien der gewöhnlichen Schraube ohne Ende angefertigt worden war,
                              so geht doch daraus hervor, daß man schon damals die Vorzüge der Helikoide (Schrauben- oder Schneckenlinie) zur
                              Verzahnung der Räder für Uhrwerke jeder Art erkannt haben
                              mußte.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
