| Titel: | Die Chemitypie; von deren Erfinder C. Piil aus Kopenhagen. | 
| Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XXIV., S. 119 | 
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                        XXIV.
                        Die Chemitypie; von deren Erfinder C. Piil aus
                           Kopenhagen.
                        Piil, über die Chemitypie.
                        
                     
                        
                           Meine Erfindung besteht im wesentlichen darin, daß eine auf einer Metallplatte
                              ausgeführte Gravirung oder Radirung in einen erhabenen Stempel verwandelt werden
                              kann, so daß dieser jetzt auf der Buchdruckerpresse abgedruckt werden kann, während
                              die Gravirung oder Radirung früher nur auf der Kupferdruckerpresse abgedruckt werden
                              konnten. Es findet dabei kein Abklatsch von der Originalplatte statt, sondern durch
                              ein chemisches Verfahren wird die vertiefte Radirung in einen erhabenen Stempel
                              verwandelt. Doch muß hier zugleich bemerkt werden, daß die Feinheit der Zeichnungen
                              in der Originalplatte eine gewisse Gränze haben muß; die Tinten, welche man durch
                              eine schwache Aetzung oder durch die sogenannte kalte Nadel in Kupfer- und
                              Stahlplatten hervorbringt, sind zu schwach, als daß hiebei die Chemitypie anwendbar wäre. Dieß
                              ist aber auch um so gleichgültiger, da ohnehin so feine Zeichnungen durch die
                              Buchdruckerpresse nicht wiedergegeben werden könnten.
                           Die Art und Weise, wie ich auf diese Erfindung geführt wurde und wie sie sich nach
                              und nach ausbildete, will ich im Nachstehendem zu schildern versuchen.
                           Als Goldschmied in einer kleinen Provincialstadt Dänemarks ansässig, war ich
                              gezwungen, mich etwas aufs Graviren zu legen. Bei dieser Gelegenheit hatte ich
                              mehrere Jahre hindurch Stempel von erhabener Arbeit, theils in Holz, theils in
                              Metall, und auch vertiefte Arbeiten in Gold, Silber und Kupfer gravirt; ich habe es
                              dabei aber nicht weiter als bis zum Dilettanten gebracht, mir jedoch die Kenntniß
                              von den verschiedenen dabei nöthigen chemischen Verfahrungsweisen wohl angeeignet.
                              Auf der königlichen Münze zu Kopenhagen hatte ich schon früher edle Metalle probiren
                              lernen und dadurch Kenntniß von den verschiedenen Metallen und der Wirkung der
                              Säuren auf dieselben erlangt. Nachdem ich einmal auf den Gedanken gekommen, zu
                              versuchen, ob es nicht möglich sey, ein Verfahren ausfindig zu machen, wodurch es
                              möglich wäre, erhabene Stempel auf eine leichtere und zweckmäßigere Weise
                              herzustellen, als es durchs Graviren möglich ist, habe ich unendlich viele und
                              mühsame Versuche zu diesem Behufe gemacht. So habe ich z.B. feinen Gyps auf eine
                              Metallplatte gelegt, diesen von geschmolzenem Stearin durchdringen lassen,
                              Radirungen darin gemacht und versucht, in Kitt statt in Holz einen Stempel
                              herzustellen. Dieß ging wohl bei groben Arbeiten, bei feinen ließ sich aber nichts
                              ausrichten. Doch es würde zu weit führen, wenn ich alle von mir in dieser Beziehung
                              gemachten Versuche hier aufzählen wollte. Als ich mit der von Jacobi erfundenen Galvanoplastik bekannt wurde, glaubte ich, wie mehrere
                              noch glauben, das Gesuchte auf diesem Wege erreichen zu können. Ich erhielt dabei
                              mehrere günstige Resultate, überzeugte mich jedoch, daß die Herstellung erhabener
                              Stempel durch Galvanoplastik in der Praxis zu mühsam und zu unzweckmäßig sey. Durch
                              einen unglücklichen Zufall an der Hand verletzt und dadurch zu meiner gewohnten
                              Beschäftigung ein ganzes Jahr lang unfähig, benutzte ich diese Zeit, um mich mit der
                              Positivität und Negativität der Metalle bekannt zu machen, und gelangte zu dem
                              Resultate, daß eine Verbindung derselben, vereinigt mit der Aetzung, eine Wirkung
                              hervorbringen müsse, die zur Herstellung eines erhabenen Stempels nöthig ist. Ich
                              nahm zur Grundlage
                              Zink, als ein sehr positives Metall und machte in demselben einige Radirungen nach
                              der gewöhnlichen Weise; die Radirung übergoß ich mit einem ganz negativen Metall,
                              alsdann tauchte ich dieses in eine zweckmäßige Säure, so daß durch dieselbe das Zink
                              weggeätzt wurde und die früher vertiefte Radirung trat
                              jetzt erhaben hervor. Von den allerersten Versuchen habe
                              ich noch Abdrücke, die ich denjenigen zu zeigen bereit bin, welche sich etwa dafür
                              interessiren. Diese meine erste Erfindung theilte ich dem Industrievereine, zwei
                              Kupferstechern, einem Graveur und einem Holzschneider in Kopenhagen mit, um ihre
                              Meinung darüber zu erfahren. Von dem Industrievereine und dem einen Kupferstecher
                              erhielt ich eine ermunternde Antwort; der andere Kupferstecher wollte nichts Neues
                              an der Sache erfunden wissen, und der Graveur erachtete sie für unbedeutend und
                              größtentheils schon bekannt; von dem Holzschneider aber erhielt ich eine solche
                              Antwort, daß ich seine Unkenntniß in diesem Fache leicht ersehen konnte. Diese
                              Verschiedenheit der Meinungen veranlaßt mich, im Frühjahr 1843 selbst nach
                              Kopenhagen zu reisen. Daselbst legte ich meine Erfindung dem Hrn. Conferenzrath Oersted vor und erhielt von demselben ein sehr
                              schmeichelhaftes Attestat über die Richtigkeit meiner Principien in der chemischen
                              Anwendung. Hierauf wendete ich mich an die HHrn. Eckersberg und Schöler, die berühmtesten
                              Kupferstecher in Dänemark, und erhielt auch von ihnen hinsichtlich der praktischen
                              Anwendbarkeit meiner Erfindung die belobendsten Zeugnisse. Diese Zeugnisse sowohl
                              als einige Proben meiner Arbeiten legte ich dem Hrn. Justizrath Thiele vor, welcher sie Sr. Maj. dem Könige zeigte. Ich
                              erhielt eine Audienz, machte in Gegenwart Sr. Maj. einige Versuche, und es wurde mir
                              von demselben als Belohnung meiner Erfindung und zur Ermöglichung der weiteren
                              Ausbildung derselben die Summe von 1000 Reichsbankthalern huldreichst bewilligt. Ich
                              setzte meine Bemühungen zwei Jahre lang fort, um mir alle nöthigen technischen
                              Fertigkeiten zu erwerben und um die erforderlichen Präparate herzustellen, nach
                              welcher Zeit ich mich für vollkommen befähigt halten konnte, meine Erfindung
                              praktisch in Anwendung zu bringen, wozu ich jetzt im Begriff stehe.
                           Wenn ich hier nun einiges Allgemeine über Aetzung überhaupt voranschicke, so kann es
                              natürlich nicht meine Absicht seyn, über einen so bekannten Gegenstand, wie es die
                              Aetzung der Metalle ist, Erklärungen und Erläuterungen mittheilen zu wollen, sondern
                              es geschieht dieß nur in der Voraussetzung, daß viele meiner Leser weniger vertraut
                              mit dem Gegenstande sind
                              und mich daher nicht deutlich genug verstehen würden, wollte ich bloß die mich
                              leitenden Principien darlegen.
                           Wenn man eine Metallplatte mit einem Firniß überzieht, welcher von einem später
                              anzuwendenden Aetzmittel nicht angegriffen werden kann und dann mit einer Nadel
                              Linien in den Firnißgrund zieht, oder den Firniß auf irgend eine andere Weise von
                              einzelnen Stellen der Metallplatte entfernt, so entstehen dadurch, daß das
                              Aetzmittel die vom Firniß entblößten Stellen auflöst, Vertiefungen. Würden nun die
                              Aetzmittel in geraden Linien in die Tiefe wirken, ohne sich nach den Seiten
                              auszubreiten, so wäre es leicht, erhabene Stempel zu erhalten, wenn man mit einer
                              geeigneten Fettigkeit auf der Platte eine Zeichnung ausführte, und die Platte bann
                              in das Aetzwasser legte, wodurch die nicht mit Fett bedeckten Stellen von der Säure
                              weggefressen, die Zeichnung aber als erhabener Stempel stehen bleiben würde. Dieß
                              ist jedoch nicht der Fall, und welches Metall und welches Aetzmittel man auch wählen
                              mag, so wirkt die Aetzung doch mehr oder weniger auch nach den Seiten. Aus diesem
                              Grunde läßt es sich nicht bewerkstelligen, dadurch, daß man auf einer Platte mit
                              einem Deckgrunde zeichnet oder auf einer Radirung eine Vergoldung oder Versilberung
                              anbringt und diese später als Deckgrund benutzt, erhabene Stempel so tief aus dem
                              Grund der Platte herauszuätzen, um sie auf der Buchdruckerpresse zugleich mit
                              gewöhnlichen Typen abdrucken zu können; denn ein feiner isolirt stehender Strich
                              oder Punkt würde durch die Seitenwirkung der Aetzmittel früher verschwinden, als der
                              ganze Stempel die zum reinen Abdruck nöthige Erhabenheit erreicht hat. Um eine gute Aetzung im Metall herzustellen, ist es nach meiner
                              Erfahrung unbedingt nothwendig, daß das anzuwendende Aetzmittel eine reine, klare
                              Auflösung des Metalls bilde, und daß der Firniß, womit die Metallplatte überzogen
                              ist, völlig unangreifbar für die Aetzmittel sey, endlich auch daß der Aetzungsproceß
                              mit der möglichst kleinen Luftentwickelung vor sich gehe.
                           Da jeder Künstler auf seine eigene Weise zu ätzen und auch seine Verfahrungsweise für
                              die beste zu halten pflegt, so will ich hiemit keineswegs Jemanden eines Bessern
                              belehren und die hierin gemachten Beobachtungen nicht weiter verfolgen; jedoch bin
                              ich gern bereit, mündlich jede weitere gewünschte Auskunft deßhalb zu ertheilen. Die
                              eben angeführte Art, durch Zeichnung mit Firniß auf einer Platte und deren
                              nachherige Aetzung erhabene Stempel herzustellen, ist schon von vielen und zu
                              verschiedenen Zeiten versucht worden, ohne zu einem günstigen Resultate zu führen,
                              was auch nach meiner Ansicht auf diese Weise nicht zu erreichen ist, da eine solche
                              Verfahrungsweise den Principien der chemischen Metalleigenschaften ganz widerstreitet;
                              denn da der bei jeder Aetzung entstehende Luftstrom vorzugsweise an allen
                              hervorspringenden Ecken einen Ausgang sucht, so werden diese dadurch ungleichförmig.
                              Es ist zwar nicht ganz unmöglich, auf diese Weise einen erhabenen Stempel zu
                              erhalten, aber für die praktische Anwendung wäre diese Verfahrungsart gewiß zu
                              mühsam und zu unzweckmäßig. Eben diese Wirkung des Luftstroms suchte ich zu
                              verhindern, indem ich die Radirungen mit einem mehr negativen Metall einschmolz, und
                              da dieses durch die Säure nicht angegriffen wird, indem diese bloß das positive
                              Metall angreift, so hatte ich nicht die Oberfläche und die Ecken der Striche,
                              sondern nur die Seiten zu beschützen. Eben dadurch wurde es mir bei meinem Verfahren
                              möglich, vertiefte Zeichnungen so in erhabene Stempel zu verwandeln, daß sie nun
                              denselben Abdruck auf der Buchdruckerpresse geben, welchen die gravirten Platten
                              unter der Kupferdruckerpresse gegeben haben würden.
                           Die verschiedenen Arten, um durch galvanoplastisches Verfahren erhabene Stempel
                              herzustellen, sind mir wohl bekannt, und es würde mir wenig Mühe kosten, diese
                              anzuwenden, wenn ich sie für praktischer als die meinige hielte. Ich habe mich für
                              andere Zwecke längere Zeit mit galvanischen Experimenten beschäftigt und die
                              verschiedenen Wirkungen und Behandlungsweisen des Galvanismus kennen gelernt; halte
                              ich auch meine Meinung darüber für keine entscheidende, so will ich sie doch hier in
                              wenig Worten mittheilen.
                           Die Palmer'sche Methode oder die sogenannte Glyphographie
                              halte ich in dieser Hinsicht unbedingt für die beste, wiewohl nicht für praktisch;
                              denn ist man nicht der galvanischen Strömungen so weit Meister, daß man die sich
                              niederschlagenden Zeichnungen, wenn sie später auf der Rückseite mit Metall
                              eingeschmolzen werden, vor Krümmungen bewahren kann, was übrigens bei gehöriger
                              Kenntniß nicht schwer ist, so erreicht man dadurch sehr wenig. Soll man sie nämlich
                              später mit dem Holzhammer wieder plan machen und vielleicht gar plan schleifen und
                              sogar nachgraviren, so erfordern sie zu viel Zeit, um praktischen Werth zu haben.
                              Davon will ich noch gar nicht sprechen, daß besondere Fertigkeit dazu gehört, um die
                              Zeichnung auf der Platte zu machen, und wenn von dem Erfinder jedem Zeichner eine
                              solche Fähigkeit zugesprochen wird, so kann ich das Gegentheil behaupten. Zum
                              Vergnügen kann man freilich, wenn man Zeit und Kosten nicht scheut, recht schöne
                              Zeichnungen auf genannte Weise herstellen; aber für die praktische Anwendung ist sie
                              noch nicht ausgebildet genug.
                           
                           Es ist keineswegs meine Ansicht und ist es auch niemals gewesen, daß die Chemitypie
                              die Holzschneidekunst für die Zukunft entbehrlich machen könne; doch leistet die
                              Chemitypie in den meisten Fällen Alles, was erstere leistet, und in gewissen Fällen
                              sogar Vieles, was diese nicht vermag. Insofern stehen der Holzschneider und der
                              Chemitypist auf einer Stufe, als sie beide nicht
                              schaffende Künstler sind, sondern bloß die mechanischen Werkzeuge liefern, wodurch
                              künstlerische Zeichnungen leicht abgedruckt werden können. Man hat zwar dem
                              Holzschneider den Vorzug eingeräumt, daß dieser die vom Künstler auf dem Holzstock
                              entworfene Zeichnung unmittelbar nachschneiden kann, während der Chemitypist die auf
                              dem Papier entworfene Zeichnung erst auf eine Metallplatte radiren lassen muß; wem
                              ist es aber nicht bekannt, wie selten die Künstler mit den nach ihren Zeichnungen
                              geformten Holzschnitten zufrieden sind, und ob wirklich der Holzschnitt getroffen
                              sey oder nicht, läßt sich um so weniger entscheiden, da die auf den Holzstock
                              getragene Zeichnung während des Schneidens vernichtet wird, also eine Vergleichung
                              unmöglich macht. Dagegen kann die Zeichnung auf dem Papier, wie sie der Chemitypist
                              bloß braucht, stets zum Vergleich dienen und über die Treue der radirten Copie
                              entscheiden; was aber einmal auf der radirten Platte steht, das mache ich mich auch
                              anheischig, in dem chemitypirten erhabenen Stempel in allen seinen Theilen
                              vollkommen wiederzugeben, wozu die Controle dadurch geboten wird, daß man einen
                              Gypsabguß über die vertiefte und eingeschwärzte Platte nimmt, ehe dieselbe dem
                              weitern Verfahren unterworfen wird.
                           Wenn nun die Holzschneider die Chemitypie mit ungünstigem Auge ansehen, so liegt das
                              natürlich in der Concurrenz, welche sie mit derselben zu bestehen haben werden; ihr
                              Urtheil kann aber um so weniger von Gewicht seyn, da ihnen das Wesen der Chemitypie
                              ganz fremd ist. Daß jedoch vermittelst der Chemitypie weit bessere Arbeiten
                              hergestellt werden können, als durch den Holzschnitt, kann ich und will ich nur
                              durch die That beweisen, und ich erkläre mich daher bereit, mit jedem Holzschneider
                              folgenden Vorschlag einzugehen: entweder dieselben
                              liefern mir einen Abdruck von einem selbst gemachten Holzschnitte, meinerseits biete
                              ich ihnen einen Abdruck einer von mir gefertigten Chemitypie, und wir fertigen dann
                              jeder eine Copie der Arbeit des andern an, worauf alle vier Blätter zusammen
                              abgedruckt und einer Anzahl sachverständiger unbetheiligter Männer vorgelegt werden,
                              um zu entscheiden, wer von uns beiden besser die Arbeit des andern nachahmen kann.
                              Oder wir lassen beide von einem tüchtigen Künstler
                              eine bestimmte Zeichnung einmal auf Holz und einmal auf Papier ausführen; jeder von uns beiden führt die
                              Arbeit so gut, als er es nur irgend vermag, in der ihm eigenthümlichen Weise aus und
                              Künstler und Publicum sollen alsdann Richter seyn, wessen Arbeit am gelungensten ist
                              und dem Originale am meisten gleichkommt. Ich glaube nicht mehr thun zu können, als
                              mit diesem Vorschlage geschieht, um zu beweisen, was meine Erfindung zu leisten im
                              Stande ist, und werde nun abwarten, in welcher Weise die Holzschneidekunst in dieser
                              Angelegenheit vertreten werden wird.
                           Im übrigen erkläre ich mich hiedurch bereit, jedem der sich für die Sache aus irgend
                              einem Grunde noch weiter interessirt, und mich mit seinem Besuche in meinem jetzigen
                              provisorischen Arbeitslocale in Leipzig (am Fleischerplatze Nr. 7) beehren will,
                              über alles Gewünschte nähere Auskunft zu ertheilen und auf alle dahin einschlagenden
                              Fragen Rede und Antwort zu stehen, so wie auch die verschiedenartigsten Proben
                              meiner bisherigen Arbeiten vorzuzeigen, indem ich im voraus versichern kann, daß man
                              durch die unmittelbare Ansicht sich leicht von den Vorzügen meiner Erfindung
                              überzeugen und etwaige vorgefaßte Meinungen gegen dieselbe schwinden lassen
                              wird.
                           Leipzig, im März 1846.